TE Vwgh Erkenntnis 1999/10/27 97/09/0091

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Veröffentlicht am 27.10.1999
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Index

63/01 Beamten-Dienstrechtsgesetz;
64/03 Landeslehrer;

Norm

BDG 1979 §123 Abs1 impl;
LDG 1984 §78 Abs2;
LDG 1984 §92 Abs1;
LDG 1984 §92 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Händschke, Dr. Blaschek, Dr. Rosenmayr und Dr. Bachler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Enzlberger, über die Beschwerde des H H in M, vertreten durch Dr. Günther Nagele, Rechtsanwalt in Ried im Innkreis, Dietmarstraße 7, gegen den Bescheid der Disziplinarkommission für Landeslehrer für allgemeinbildende Pflichtschulen beim Bezirksschulrat Ried im Innkreis (Senat für Hauptschulen und Polytechnische Lehrgänge) vom 10. Februar 1997, Zl. 30/9-1997, betreffend Einleitung eines Disziplinarverfahrens nach dem LDG 1984, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Land Oberösterreich Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer steht als Hauptschuloberlehrer in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Land Oberösterreich. Er war im maßgebenden Tatzeitraum (Schuljahr 1996/1997) an der Hauptschule Mettmach (Bezirk Ried im Innkreis) tätig.

Mit dem vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid vom 10. Februar 1997 hat die belangte Behörde einen Beschluss mit folgendem Spruch gefasst:

"Gemäß § 92 Abs. 2 Landeslehrer Dienstrechtsgesetz - LDG 1984, BGBl. Nr. 302, wird gegen Sie wegen folgender bestimmter Anschuldigungspunkte ein Disziplinarverfahren eingeleitet:

1. Mehrfache Verletzung der allgemeinen Dienstpflicht im gesamten Verhalten darauf Bedacht zu nehmen, dass das Vertrauen der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung der dienstlichen Aufgaben erhalten bleibt durch

a) die Aussage vor Schülern, wonach es an der Hauptschule Mettmach zwei Sorten von Lehrern gebe. Bei der einen mache es nichts aus, wenn sie etwas anstellen bei der anderen schon,

b)

Aussagen vor Schülern über ihre Probleme mit HD. M,

c)

die Aussage von Schülern, HD. M sei nur deshalb zur Schuleinweihung nach Arenberg gefahren, um mit den hohen Herren etwas über sie zu besprechen,

              d)              den Umstand, dass sie am 31. Oktober 1996 in der dritten Unterrichtseinheit HL. H und die Schüler der vierten Klasse aus dem Computerraum verwiesen haben, obwohl sich HL. H ordnungsgemäß für den Unterricht im Computerraum eingetragen hatte.

Dienstpflichtverletzungen nach § 29 Abs. 2 LDG.

              2.              Missachtung der Weisung von HD. M, nicht eigenmächtig EDV-Programme an den Computern in der HS. Mettmach zu installieren, weil

              a)              am 14.10.1996 bei mehreren Computern ein Virus auftrat, der nur durch die Verwendung schulfremder Programme installiert worden sein kann,

              b)              am 18.12.1996 auf der Festplatte des Netzwerkservers und auf zwei Schülergeräten erneut ein Virus auftrat und in einem Schüler-PC eine Diskette mit schulfremden Programmen vorgefunden wurde. Diese Diskette war ebenfalls mit diesem Virus verseucht.

Dienstpflichtverletzungen nach § 30 Abs. 1 LDG. 1984.

              3.              Am 20.1.1997 haben Sie die HS. Mettmach um etwa 13.30 Uhr verlassen, obwohl Sie nach dem Stundenplan in der 7. Einheit von

13.25 - 14.15 Uhr in der 4. a und b Klasse Informatikunterricht halten müssen. Sie haben HD. M das Verlassen der Schule nicht gemeldet, die Schüler blieben unbeaufsichtigt.

Dienstpflichtverletzungen nach §§ 31 und 35 Abs. 1 LDG 1984 und nach § 51 Abs. 3 Schulunterrichtsgesetz."

Die belangte Behörde hat den angefochtenen Bescheid wie folgt begründet:

"Gegen Sie wurden im Vorjahr bereits Disziplinarverfahren eingeleitet. In der Zwischenzeit wurden gegen Sie neuerlich Disziplinaranzeigen erstattet. Auch diese neuen Anzeigen verlangen die Einleitung eines Disziplinarverfahrens. Bei den neuen Anzeigen ist der Sachverhalt teilweise nicht so ausreichend geklärt (§ 93 Abs. 1 LDG 1984), dass mit dem Einleitungs- auch der Verhandlungsbeschluss gefasst werden konnte."

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde

Der Beschwerdeführer erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid in dem Recht verletzt, dass gegen ihn "wegen Unbestimmtheit der mir angelasteten Anschuldigungspunkte, Verletzung des Grundsatzes der Offizialmaxime und des Grundsatzes der materiellen Wahrheit" kein Disziplinarverfahren eingeleitet werde. Er beantragt, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften kostenpflichtig aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird. In dieser Gegenschrift wird unter anderem darauf hingewiesen, dass die Disziplinarkommission in der mündlichen Verhandlung am 13. Oktober 1997 hinsichtlich der im angefochtenen Bescheid umschriebenen Anschuldigungen Ziffer 1 lit. a bis c sowie Ziffer 2 lit. a und b einen Freispruch und hinsichtlich Ziffer 3 einen Schuldspruch gefällt habe.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Das oberösterreichische Landeslehrer-Diensthoheitsgesetz 1986 (oö LDHG 1986; in der im Beschwerdefall anzuwendenden Fassung vor der Novelle LGBl. Nr. 100/1997) bestimmt in seinem § 13 Abs. 1, dass zur Durchführung von Disziplinarverfahren gemäß dem

7. Abschnitt des LDG 1984 gegen Landeslehrer für Volks-, Haupt- und Sonderschulen sowie für Polytechnische Schulen, sofern nach diesem Gesetz - hinsichtlich der Suspendierung im Zusammenhalt mit § 80 Abs. 3 bis 5 LDG 1984 - nicht eine andere Behörde ausdrücklich für zuständig erklärt ist, bei jedem Bezirksschulrat eine Disziplinarkommission eingerichtet wird.

Gemäß § 78 Abs. 1 Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz (LDG 1984) hat der Vorgesetzte jeden begründeten Verdacht einer Dienstpflichtverletzung unverzüglich zu melden, wenn nach seiner Ansicht eine Belehrung oder Ermahnung nicht ausreicht.

Nach Abs. 2 erster Satz dieser Gesetzesstelle hat die landesgesetzlich hiezu berufene Behörde die zur vorläufigen Klarstellung des Sachverhaltes erforderlichen Erhebungen zu pflegen und bei Verdacht einer Dienstpflichtverletzung Disziplinaranzeige an die zur Durchführung des Disziplinarverfahrens zuständige Behörde zu erstatten.

Eine Abschrift der Disziplinaranzeige ist, sofern es sich nicht um eine Selbstanzeige handelt, zufolge Abs. 3 leg. cit. dem Beschuldigten unverzüglich zuzustellen. Ferner ist die Disziplinaranzeige auch dem Disziplinaranwalt zu übermitteln, sofern dieser landesgesetzlich vorgesehen ist.

Sofern die Landesgesetzgebung Disziplinarkommissionen vorsieht, finden gemäß § 91 Abs. 1 erster Satz LDG 1984 für das Verfahren vor diesen die §§ 92 bis 101 Anwendung.

Gemäß § 92 Abs. 1 LDG 1984 hat der Vorsitzende der Disziplinarkommission nach Einlangen der Disziplinaranzeige die Disziplinarkommission zur Entscheidung darüber einzuberufen, ob ein Disziplinarverfahren durchzuführen ist. Notwendige Ermittlungen sind von der landesgesetzlich hiezu berufenen Behörde im Auftrag der Disziplinarkommission durchzuführen.

Hat die Disziplinarkommission die Durchführung eines Disziplinarverfahrens beschlossen (Einleitung des Disziplinarverfahrens), so ist nach Abs. 2 dieser Gesetzesstelle dieser Beschluss dem beschuldigten Landeslehrer, dem Disziplinaranwalt und der landesgesetzlich hiezu berufenen Behörde zuzustellen. Gegen die Einleitung des Disziplinarverfahrens ist kein Rechtsmittel zulässig.

Wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung (vgl. hiezu etwa das hg. Erkenntnis vom 16. September 1998, Zl. 96/09/0320, und die darin angegebene hg. Judikatur) dargelegt hat, ist die dem Einleitungsbeschluss in einem Disziplinarverfahren (hier: nach dem LDG 1984) zukommende rechtliche Bedeutung in erster Linie darin gelegen, dem wegen einer Dienstpflichtverletzung beschuldigten Beamten bzw. Landeslehrer gegenüber klarzustellen, hinsichtlich welcher Dienstpflichtverletzung ein Disziplinarverfahren innerhalb der Verjährungsfrist eingeleitet wurde. Der Bescheid, durch den das Disziplinarverfahren eingeleitet wird, und der für dessen Gang eine weitere Prozessvoraussetzung bildet, dient zugleich dem Schutz des Beschuldigten, der ihm entnehmen kann, nach welcher Richtung er sich vergangen und inwieweit er pflichtwidrig gehandelt haben soll. Der Einleitungsbeschluss begrenzt regelmäßig den Umfang des vor der Disziplinarkommission stattfindenden Verfahrens: Es darf keine Disziplinarstrafe wegen eines Verhaltens ausgesprochen werden, das nicht Gegenstand des durch den Einleitungsbeschluss in seinem Umfang bestimmten Disziplinarverfahrens ist. Um dieser Umgrenzungsfunktion gerecht zu werden, muss das dem Disziplinarbeschuldigten als Dienstpflichtverletzung vorgeworfene Verhalten im Einleitungsbeschluss derart umschrieben werden, dass unverwechselbar feststeht, welcher konkrete Vorgang den Gegenstand des Disziplinarverfahrens bildet. Die angelastete Tat muss daher nach Tat, Ort, Zeit und Tatumständen so gekennzeichnet werden, dass keine Unklarheit darüber möglich ist, welches dem Disziplinarbeschuldigten zur Last gelegte Verhalten auf der Grundlage des Einleitungsbeschlusses als Prozessgegenstand im Disziplinarverfahren behandelt werden darf. Solcherart muss sich daher der Tatvorwurf von anderen gleichartigen Handlungen oder Unterlassungen, die dem Disziplinarbeschuldigten angelastet werden können, genügend unterscheiden lassen.

Der Beschwerdeführer macht in seiner (durch den Schriftsatz vom 12. August 1997 verbesserten) Beschwerde im Wesentlichen geltend, die belangte Behörde hätte prüfen müssen, ob die ihm angelasteten Anschuldigungen "zutreffend sind" und hätte "notwendige Ermittlungen" in dieser Hinsicht anstellen müssen. Eine derartige amtswegige Prüfung hätte nur durch seine Einvernahme als Verdächtiger und die Einvernahme von Schülern als Zeugen erfolgen können. Hätte die belangte Behörde diese Ermittlungen tatsächlich durchgeführt, wäre sie zu dem Ergebnis gelangt, dass er keine Dienstpflichtverletzungen begangen habe.

Diesem Vorbringen bleibt es verwehrt, eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides zu erweisen.

Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits wiederholt dargelegt hat (vgl. insoweit die hg. Erkenntnisse vom 18. Oktober 1990, Zl. 90/09/0061, vom 19. Oktober 1990, Zl. 90/09/0044, und vom 25. Juni 1992, Zl. 91/09/0190) kommt die Disziplinaranzeige als ausreichende (sachverhaltsmäßige) Grundlage für die Einleitung eines Disziplinarverfahrens in Betracht. Die Disziplinarkommission ist - abgesehen von einem ausnahmsweise bestehenden Zweifelsfall über das Vorliegen eines Einstellungstatbestandes oder eines ausreichenden Tatverdachtes - in der Regel nicht gezwungen, vor Erlassung des Einleitungsbeschlusses über die Disziplinaranzeige hinausgehende Ermittlungen durchzuführen bzw. durchführen zu lassen.

Dem Inhalt der gegen den Beschwerdeführer vorliegend erstatteten Disziplinaranzeigen (vom 15. Jänner 1997 und vom 23. Jänner 1997) waren nach der Aktenlage keine Hinweise auf das Vorliegen offenkundiger Einstellungsgründe oder Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit der Disziplinaranzeigen zu entnehmen. Beide Disziplinaranzeigen wurden dem Beschwerdeführer unter Beachtung der Bestimmung des § 78 Abs. 3 LDG 1984 ordnungsgemäß zugestellt. Der Beschwerdeführer hat jedoch zu diesen ihm zugestellten Disziplinaranzeigen keine Stellungnahme abgegeben. Es war daher der belangten Behörde (Disziplinarkommission) nicht verwehrt, ihre Entscheidung in dieser Phase des Disziplinarverfahrens ausschließlich auf Grund der beiden Disziplinaranzeigen (und ohne die in der Beschwerde unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften als fehlend gerügten weiteren Ermittlungen) zu treffen. Dass der Beschwerdeführer gehindert sei, sich gegen die ihm im Verdachtsbereich angelasteten, im angefochtenen Bescheid umschriebenen - und in den ihm zugestellten Disziplinaranzeigen näher konkretisierten - Anschuldigungen in der (zur Durchführung des Beweisverfahrens bestimmten) Disziplinarverhandlung sachgerecht zu verteidigen, behauptet er auch selbst nicht.

Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet. Sie war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 27. Oktober 1999

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1999:1997090091.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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