TE Vwgh Erkenntnis 2018/9/28 Ra 2015/08/0080

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Veröffentlicht am 28.09.2018
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
60/03 Kollektives Arbeitsrecht;
66/01 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz;

Norm

ArbVG §34 Abs1;
ASVG §35 Abs1;
ASVG §4 Abs2;
AVG §58;
AVG §60;
VwGVG 2014 §29;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bachler sowie die Hofrätin Dr. Julcher und den Hofrat Mag. Berger als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Sinai, über die Revision der Mag. A P in L, vertreten durch Dr. Gerhard Kienast, Rechtsanwalt in 1060 Wien, Getreidemarkt 1, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Niederösterreich vom 15. Dezember 2014, LVwG-PL-13-0260, betreffend Bestrafung nach dem ASVG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft St. Pölten), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat der Revisionswerberin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1.1. Mit Straferkenntnis der vor dem Verwaltungsgericht belangten Behörde (im Folgenden: Behörde) vom 28. August 2013 wurde die Revisionswerberin schuldig erkannt, sie habe es als Dienstgeberin unterlassen, vier näher genannte im Zeitraum vom 30. April 2012 (Arbeitsantritt) bis zum 29. Mai 2012 (finanzpolizeiliche Kontrolle) auf einer bestimmten Baustelle mit näher bezeichneten Arbeiten beschäftigte, nach dem ASVG in der Krankenversicherung (im Rahmen einer Vollversicherung) pflichtversicherte Dienstnehmer vor Arbeitsantritt beim zuständigen Krankenversicherungsträger anzumelden. Sie habe hierdurch Verwaltungsübertretungen nach § 33 Abs. 1 in Verbindung mit § 111 Abs. 1 Z 1 ASVG begangen und werde hierfür mit vier Geldstrafen von jeweils EUR 1.200,-- (Ersatzfreiheitsstrafen von jeweils 120 Stunden) zuzüglich Kosten belegt.

1.2. Gegen dieses Straferkenntnis erhob die Revisionswerberin Berufung mit dem wesentlichen Vorbringen, sie sei nicht Dienstgeberin der betreffenden Personen gewesen. Diese seien weder von ihr noch von ihrem Ehemann (in ihrem Namen) beschäftigt worden, sondern als Gesellschafter einer näher genannten Gesellschaft bürgerlichen Rechts (im Folgenden nur: Gesellschaft) selbständig tätig gewesen. Die betreffenden Personen hätten die hier gegenständlichen Arbeiten zur Instandsetzung des Büros der Gesellschaft geleistet, sie hätten dafür kein Entgelt erhalten, sondern seien am Gewinn der Gesellschaft beteiligt gewesen. Die Revisionswerberin, eine Konzertpianistin, sei lediglich Eigentümerin des an die Gesellschaft unbefristet vermieteten Objekts und - ebenso wie ihr Ehemann - (Mit)Gesellschafterin gewesen.

2.1. Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Verwaltungsgericht der (mit Ablauf des 31. Dezember 2013 als Beschwerde zu behandelnden) Berufung der Revisionswerberin insoweit Folge, als es den Tatzeitraum auf den 29. Mai 2012 einschränkte, die übertretene Norm auf § 33 Abs. 1 und 2 ASVG berichtigte und die vier verhängten Geldstrafen auf jeweils EUR 365,-- (Ersatzfreiheitsstrafen von jeweils einem Tag) zuzüglich Kosten herabsetzte. Im Übrigen gab es dem Rechtsmittel keine Folge.

2.2. Das Verwaltungsgericht legte begründend zunächst den Verfahrensgang dar, indem es das behördliche Straferkenntnis kurz erörterte, die dagegen erhobene Beschwerde sowie das Vorbringen und die Beweisaussagen in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht weitgehend wörtlich wiedergab, die einschlägigen Gesetzesbestimmungen zitierte sowie diverse Rechtssätze aus der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs (zur Beurteilung des Vorliegens einer persönlichen und wirtschaftlichen Abhängigkeit) referierte.

In der Folge führte das Verwaltungsgericht (auf den Seiten 20 ff des angefochtenen Erkenntnisses) Nachstehendes aus:

"Unstrittig kann im Verfahren zunächst festgestellt werden, dass am Kontrolltag, den 29. Mai 2012 am Vormittag Herr I S und Herr M I bei Arbeiten im Außenbereich des Anwesens angetroffen wurde, wobei sich zu diesem Zeitpunkt vor der Fassade ein Gerüst befand und ausgehend von den Angaben der beiden genannten Tätigkeiten im Bereich der Fensterumrahmungen verrichtet wurden, sowie am Nachmittag des Kontrolltages Herr G V und Herr A F ebenfalls bei Arbeiten im Bereich der Fassade, bzw. bei Maurerarbeiten im Bereich einer Montagegrube angetroffen wurden, sowie betreffend der am Nachmittag verrichteten Tätigkeiten von V G und F A der ebenfalls als Zeuge befragte Gatte der Beschwerdeführerin angab, dass er, zumal die beiden Genannten auf die Polizeiinspektion zwecks Befragung verbracht worden waren, bei seiner Rückkehr noch die laufende und mit Mörtel gefüllte Mischmaschine vorgefunden habe. Betreffend der Art dieser Tätigkeiten ist jedenfalls, zumal dann wenn jemand bei der Erbringung von Dienstleistungen arbeitend unter solchen Umständen angetroffen wird, die nach der Lebenserfahrung üblicherweise auf ein Dienstverhältnis hindeuten, die Behörde berechtigt ist, von einem Dienstverhältnis im üblichen Sinne auszugehen, sofern im Verfahren nicht jene atypischen Umstände dargelegt werden können, die einer solchen Deutung ohne nähere Untersuchung entgegenstehen

(...)

Weiters ist als unstrittig festzustellen, dass es sich bei der Beschwerdeführerin um die Eigentümerin der Liegenschaften handelt, welche die Bezeichnung (...) aufweisen. Die vier verfahrensgegenständlichen Personen waren zum Kontrollzeitpunkt, also den 29.05.2012 ebenso wie die Beschwerdeführerin und ihr Gatte Gesellschafter der ‚N Arge', einer Gesellschaft nach bürgerlichem Recht. Selbst wenn die genannten Personen ihre Tätigkeit in einem von der N Arge für deren unternehmerischen Zweck organisiert und entfaltet haben, also auch außerhalb des Betriebsstandortes derselben Tätigkeiten erbrachten ist betreffend des Kontrolltages von einer Einbindung in die betriebliche Organisation und des Vorliegens einer ‚stillen Autorität', also in eine von einem Dienstgeber bestimmte Ablauforganisation auszugehen. Dies zunächst schon deshalb, weil die rumänischen Staatsangehörigen aufgrund der selbst seitens der Beschwerdeführerin vorgebrachten Sprachbarriere nicht in der Lage waren selbständig Aufträge anzunehmen und diese auch abzuwickeln, sowie ebenfalls nicht erkannt werden konnte, dass ihnen etwa tatsächlich Entscheidungsspielräume in Bezug auf ihre Arbeitszeit, den Arbeitsort und die durchzuführenden Tätigkeiten zugekommen wären, sodass sich die Arbeitserbringung letztlich doch in ihrem Kern an den Bedürfnissen des deutschsprechenden Gatten der Beschwerdeführerin zu orientieren hatte. Darüberhinaus haben die beiden als Zeugen befragten Personen, die beiden anderen Personen sind nach Angaben der Beschwerdeführerin ja bereits wieder in Rumänien aufhältig, am Kontrolltag Tätigkeiten ausgeübt, die insgesamt keine außergewöhnlichen (unternehmerähnlichen) Dispositionsmöglichkeiten erkennen lassen, welche es rechtfertigen könnten, sie innerhalb der betrieblichen Organisation der N Arge als persönlich unabhängige freie Dienstnehmer anzusehen. Auf eine ausdrückliche Erteilung persönlicher Weisungen an die Genannten kommt es unter diesen Umständen, also bei Vorliegen einer stillen Autorität des Arbeitgebers und der Einbindung in die betriebliche Organisation nach Ansicht des Landesverwaltungsgerichtes nicht an. Die bei der gebotenen Gesamtabwägung weiters zu berücksichtigenden Kriterien, wie etwa die Erbringung von Arbeitsleistungen am Kontrolltag für die Beschwerdeführerin, dies obwohl ausgehend von deren eigenem Vorbringen, sie in ihrem Anwesen der N Arge bestimmte Räumlichkeiten vermietet hat, für welche auch Miete entrichtet wird, die Genannten aber trotzdem am Haus Arbeiten durchführten, die faktisch - wie bereits von der Erstbehörde festgestellt - der Beschwerdeführerin zugute kamen, wiederum nur die Beurteilung zulassen, dass eine unselbständige Beschäftigung im Sinne des § 4 Abs. 2 ASVG vorliegt, zumal diesbezüglich der Gatte der Beschwerdeführerin angab, die verwendete Mischmaschine sei von ihm zur Verfügung gestellt worden, also nicht gesehen werden konnte, dass die in Rede stehenden Personen, abgesehen von Kleinwerkzeug irgendwelche eigenen Betriebsmittel für die Verrichtung ihrer Tätigkeiten verwendet hätten.

In diesem Zusammenhang ist allerdings davon auszugehen, dass eine Arbeitserbringung der vier rumänischen Staatsangehörigen für die Beschwerdeführerin faktisch nur am Kontrolltag selbst feststellbar ist, während dagegen eine etwaige Tätigkeit der in Rede stehenden rumänischen Staatsangehörigen ab dem 30. April 2012 mangels diesbezüglich durchgeführter genauerer Erhebungen der Beschwerdeführerin jedenfalls nicht zugerechnet werden kann, zumal diese - worauf oben bereits hingewiesen wurde - ebenfalls nur Gesellschafterin der N Arge war und ihr sohin nur jene Tätigkeiten der vier rumänischen Staatsangehörigen als Dienstgeberin angelastet werden können, die tatsächlich für sie als Eigentümerin der Liegenschaft (...) erbracht wurden. Wobei ihr diese Tätigkeiten im Gegensatz zu ihrem Vorbringen allerdings einen tatsächlichen wirtschaftlichen Vorteil brachten, da sie ihr neben der Miete, welche die Gesellschaft zu zahlen hatte, noch zusätzlich zugute kamen. Betreffend der Vorlage des zum Tatzeitpunkt in Geltung stehenden Gesellschaftsvertrages der ‚N Arge' Gesellschaft nach bürgerlichem Recht, wobei der Vertrag natürlich zunächst die Vermutung der Richtigkeit für sich hat, also grundsätzlich von den Vertragsbestimmungen auszugehen ist, steht diesen allerdings entgegen, dass die behauptete Selbständigkeit jedes Einzelnen der Gesellschafter mit den tatsächlichen Verhältnissen nicht in Einklang zu bringen ist, dies zumal aufgrund der bestehenden Sprachbarriere nur der Gatte der Berufungswerberin Aufträge lukrieren konnte und auch die Abrechnung dieser Aufträge über seine Gattin, sohin die Beschwerdeführerin erfolgte, sowie ausgehend vom Ergebnis der durchgeführten Verhandlung immer mehrere Personen für die Durchführung von Aufträgen zusammenarbeiteten, dies in zwangsläufiger zeitlicher Abstimmung, sowie die Durchführung der gegenständlichen Arbeiten an den der Beschwerdeführerin gehörenden Objekten (...) mit dem vorgelegten Gesellschaftsvertrag nicht in Zusammenhang gebracht werden kann. Bezüglich der vor Ort verrichteten Tätigkeiten sind diese am Kontrolltag jedenfalls der Beschwerdeführerin zuzuordnen, selbst wenn die vier Personen trotz des Fehlens einer qualifizierten Entscheidungsbefugnis der Beschwerdeführerin für die Verrichtung derselben einen gewissen Spielraum für eine eigenständige Gestaltung dieser Tätigkeiten hatten. Dies zumal die Arbeiten zumindest unter der ‚stillen Autorität' der Beschwerdeführerin als Eigentümerin der bezeichneten Objekte verrichtet wurden. Allerdings konnte kein solcher Umfang der Arbeitsverpflichtung festgestellt werden, aus dem verlässlich auf einen die Geringfügigkeitsgrenze übersteigenden Anspruchslohn geschlossen werden konnte.

Die durchgeführte Gesamtabwägung steht deshalb dem Schluss nicht entgegen, dass die am Kontrolltag durchgeführten Arbeitsleistungen für die Beschwerdeführerin in persönlicher Abhängigkeit im Sinn des § 4 Abs. 2 ASVG verrichtet wurden, weshalb jedenfalls vom Vorliegen der objektiven Tatseite auszugehen ist."

Weiters machte das Verwaltungsgericht Ausführungen zur subjektiven Tatseite und zur Strafbemessung, wobei es unter anderem festhielt:

"Der Schutzzweck der übertretenen Norm ist jedenfalls darauf gerichtet, die Pflichtversicherung für den Beschäftigten sicher zu stellen, sowie darüberhinaus die Bekämpfung der Schwarzarbeit. Diesbezüglich ist der Beschwerdeführerin zugute zu halten, dass sie selbst - bezogen auf den Tatzeitpunkt - nur Gesellschafterin der ‚N Arge GesnbR' war, sowie die tatsächliche Verfügungsmacht in dieser Gesellschaft - wie das Beweisverfahren zeigte - nicht von ihr ausging, sowie ihr ebenfalls nicht nachweisbar war, dass sie die Durchführung der Tätigkeiten veranlasst hat, sondern sind diese, wofür ihr allerdings das mangelnde Kontrollsystem anzulasten ist, als Eigentümerin der Gebäude auf den Liegenschaften jedenfalls zugute gekommen, weshalb auf ein zumindest geringfügiges Verschulden geschlossen werden kann (...)".

2.3. Das Verwaltungsgericht sprach ferner aus, dass die Revision nicht zulässig sei, weil keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen gewesen sei.

3.1. Gegen dieses Erkenntnis wendet sich die Revision wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften mit einem Aufhebungsbzw. Abänderungsantrag.

Die Revisionswerberin macht unter dem Gesichtspunkt eines Abweichens von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs zusammengefasst im Wesentlichen geltend, das Verwaltungsgericht habe es unterlassen, alle erheblichen Tatfragen zur vorgeworfenen Verwaltungsübertretung zu ermitteln und hinreichende Feststellungen zu treffen. Insbesondere habe es die persönliche Abhängigkeit der betreffenden Personen im Sinn des § 4 Abs. 2 ASVG bejaht, ohne die maßgeblichen Kriterien in einer Gesamtabwägung im Rahmen eines beweglichen Systems zu bewerten (das Liegenschaftseigentum bzw. die daraus abgeleitete "stille Autorität" der Revisionswerberin allein reichten nicht aus, vielmehr bedürfe es einer Auseinandersetzung auch mit den sonstigen Kriterien). Weiters habe das Verwaltungsgericht die persönliche Abhängigkeit nicht in Bezug auf die Revisionswerberin beurteilt. Ferner habe es die Dienstnehmereigenschaft bejaht, ohne das Vorliegen einer persönlichen Arbeitspflicht festzustellen.

3.2. Die Behörde erstattete eine Revisionsbeantwortung und beantragte die Abweisung der Revision.

4. Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Revision ist aus den von der Revisionswerberin geltend gemachten Gründen zulässig. Sie ist - aus den nachstehenden Erwägungen - auch berechtigt.

5.1. Gemäß § 33 Abs. 1 ASVG haben Dienstgeber jede von ihnen beschäftigte, nach diesem Bundesgesetz in der Krankenversicherung pflichtversicherte Person vor Arbeitsantritt beim zuständigen Krankenversicherungsträger anzumelden. Gemäß § 33 Abs. 2 ASVG besteht diese Anmeldepflicht auch in Bezug auf die nur in der Unfall- und Pensionsversicherung sowie die nur in der Unfallversicherung nach § 7 Z 3 lit. a Pflichtversicherten.

Nach § 111 Abs. 1 ASVG handelt ordnungswidrig und ist gemäß Abs. 2 leg. cit. zu bestrafen, wer als Dienstgeber entgegen den Vorschriften dieses Bundesgesetzes (unter anderem) Meldungen oder Anzeigen nicht oder falsch oder nicht rechtzeitig erstattet.

5.2. Dienstnehmer im Sinn des ASVG ist nach § 4 Abs. 2 ASVG, wer in einem Verhältnis persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegen Entgelt beschäftigt wird. Hierzu gehören auch Personen, bei deren Beschäftigung die Merkmale persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegenüber den Merkmalen selbständiger Ausübung der Erwerbstätigkeit überwiegen.

Ob bei einer Beschäftigung die Merkmale persönlicher Abhängigkeit des Beschäftigten vom Empfänger der Arbeitsleistung gegenüber jenen persönlicher Unabhängigkeit überwiegen und somit persönliche Abhängigkeit im Sinn des § 4 Abs. 2 ASVG gegeben ist, hängt davon ab, ob nach dem Gesamtbild der konkret zu beurteilenden Beschäftigung die Bestimmungsfreiheit des Beschäftigten durch die Beschäftigung weitgehend ausgeschaltet oder - wie bei anderen Formen einer Beschäftigung (etwa aufgrund eines Werkvertrags oder eines freien Dienstvertrags) - nur beschränkt ist (vgl. VwGH (verstärkter Senat) 10.12.1986, VwSlg. 12325 A).

Unterscheidungskräftige Kriterien dieser Abgrenzung sind nur die Bindung des Beschäftigten an Ordnungsvorschriften über den Arbeitsort, die Arbeitszeit, das arbeitsbezogene Verhalten sowie die sich darauf beziehenden Weisungs- und Kontrollbefugnisse, während das Fehlen anderer (im Regelfall freilich auch vorliegender) Umstände (wie beispielsweise eine längere Dauer des Beschäftigungsverhältnisses oder ein das Arbeitsverfahren betreffendes Weisungsrecht des Empfängers der Arbeitsleistung) dann, wenn die unterscheidungskräftigen Kriterien kumulativ vorliegen, die persönliche Abhängigkeit nicht ausschließt (vgl. etwa VwGH 29.4.2015, 2013/08/0198). Erlaubt im Einzelfall die konkrete Gestaltung der organisatorischen Gebundenheit in Bezug auf Arbeitsort, Arbeitszeit und arbeitsbezogenes Verhalten keine abschließende Beurteilung des Überwiegens der Merkmale persönlicher Abhängigkeit, so können im Rahmen der vorzunehmenden Beurteilung des Gesamtbilds der Beschäftigung auch diese an sich nicht unterscheidungskräftigen Kriterien ebenso wie die Art des Entgelts und der Entgeltleistung, die in der Regel wegen des gesonderten Tatbestandscharakters des Entgelts für die Dienstnehmereigenschaft nach § 4 Abs. 2 ASVG für das Vorliegen persönlicher Abhängigkeit nicht aussagekräftig sind, von maßgeblicher Bedeutung sein (vgl. etwa VwGH 21.9.2015, Ra 2015/08/0045).

Grundvoraussetzung für die Annahme persönlicher Abhängigkeit im Sinn des § 4 Abs. 2 ASVG und damit eines versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses ist stets die persönliche Arbeitspflicht. Fehlt sie, dann liegt ein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis schon deshalb nicht vor. Die persönliche Arbeitspflicht ist dann nicht gegeben, wenn dem zur Leistung Verpflichteten entweder ein "generelles Vertretungsrecht" zukommt (er also jederzeit nach Gutdünken beliebige Teile seiner Verpflichtung auf Dritte überbinden kann), oder wenn ihm ein "sanktionsloses Ablehnungsrecht" zukommt (er also die Leistung bereits übernommener Dienste jederzeit nach Gutdünken ganz oder teilweise sanktionslos ablehnen kann) (vgl. VwGH 26.8.2014, 2012/08/0100).

Die wirtschaftliche Abhängigkeit, die ihren sinnfälligen Ausdruck im Fehlen der im eigenen Namen auszuübenden Verfügungsmacht über die für den Betrieb wesentlichen organisatorischen Einrichtungen und Betriebsmittel findet, ist bei entgeltlichen Arbeitsverhältnissen die zwangsläufige Folge persönlicher Abhängigkeit (vgl. VwGH 31.7.2014, 2013/08/0247).

5.3. Gemäß § 35 Abs. 1 ASVG gilt als Dienstgeber derjenige, für dessen Rechnung der Betrieb (die Verwaltung, Hauswirtschaft oder Tätigkeit) geführt wird, in dem der Dienstnehmer in einem Beschäftigungsverhältnis steht, auch wenn der Dienstgeber ihn durch Mittelspersonen in Dienst genommen hat oder ihn ganz oder teilweise auf Leistungen Dritter an Stelle des Entgelts verweist.

Der Dienstgeber ist die "andere Seite" des abhängigen Beschäftigungsverhältnisses im Sinn des § 4 Abs. 2 ASVG, ohne das die Pflichtversicherung nicht ausgelöst wird. Ob jemand in einem solchen Verhältnis steht, ist daher stets in Bezug auf eine bestimmte andere Person, nämlich den Dienstgeber, zu prüfen (vgl. VwGH 19.2.2016, 2013/08/0287).

Zur Frage, auf wessen Rechnung und Gefahr ein Betrieb geführt wird, vertritt der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung, dass dies jene Person ist, die nach rechtlichen (nicht bloß tatsächlichen) Gesichtspunkten aus den im Betrieb getätigten Geschäften unmittelbar berechtigt und verpflichtet wird. Es kommt also darauf an, wen das Risiko des Betriebs im Gesamten unmittelbar trifft. Dieser Person muss im Fall der Betriebsführung durch Dritte zumindest die rechtliche Möglichkeit einer Einflussnahme auf die Betriebsführung zustehen (vgl. VwGH 29.4.2015, 2013/08/0188).

6.1. Die Begründung einer Entscheidung des Verwaltungsgerichts hat laut der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs auf dem Boden des § 29 VwGVG mit Blick auf § 17 VwGVG jenen Anforderungen zu entsprechen, die in der Rechtsprechung zu den §§ 58 und 60 AVG entwickelt wurden (vgl. VwGH 14.9.2016, Ra 2015/08/0145).

Demnach sind in der Begründung die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die für die Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammenzufassen. Dies erfordert in einem ersten Schritt die eindeutige - eine Rechtsverfolgung durch die Partei ermöglichende und einer nachprüfenden Kontrolle durch die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts zugängliche - konkrete Feststellung des zugrunde gelegten Sachverhalts, in einem zweiten Schritt die Angabe jener Gründe, infolge derer bei Vorliegen widerstreitender Beweisergebnisse in Ausübung der freien Beweiswürdigung gerade jener Sachverhalt festgestellt wurde, und in einem dritten Schritt die Darstellung der rechtlichen Erwägungen, deren Ergebnisse zum Spruch der Entscheidung geführt haben (vgl. VwGH 24.7.2017, Ro 2014/08/0043, mwN). Die bloße Zitierung von Beweisergebnissen - wie etwa von Zeugen- oder Parteienaussagen - ist weder erforderlich noch hinreichend (vgl. VwGH 20.5.2015, Ra 2014/09/0041).

6.2. Lässt eine Entscheidung die notwendigen Begründungselemente in einer Weise vermissen, dass die Rechtsverfolgung durch die Partei bzw. die nachprüfende Kontrolle durch die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts maßgeblich beeinträchtigt wird, führt ein solcher Begründungsmangel zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung schon aus diesem Grund (vgl. VwGH 16.12.2015, Ra 2015/03/0086).

7. Vorliegend genügt das angefochtene Erkenntnis den dargestellten Anforderungen an eine gesetzmäßige Begründung nicht, lässt es doch einerseits eine hinreichende Ausführung der notwendigen Begründungselemente (Feststellung des entscheidungswesentlichen Sachverhalts, Darlegung der beweiswürdigenden Erwägungen und der rechtlichen Beurteilung) weit überwiegend nicht erkennen und andererseits eine Trennung dieser Elemente gänzlich vermissen.

Wie in der Folge zu zeigen sein wird, fehlt es in erster Linie bereits an der Feststellung des entscheidungswesentlichen Sachverhalts, zumal die diesbezüglichen Ausführungen nur ganz rudimentär bzw. zum Teil auch widersprüchlich sind und eine Beurteilung der vorgeworfenen Verwaltungsübertretung nicht zulassen; die weitläufige Wiedergabe von Beweisaussagen ist nach dem Vorgesagten jedenfalls ungenügend. Mit dem Fehlen der gebotenen Tatsachenfeststellungen geht zwangsläufig auch das Fehlen einer entsprechenden Würdigung der aufgenommenen Beweise und einer Darstellung der rechtlichen Erwägungen einher.

8. So unterließ das Verwaltungsgericht jegliche Feststellungen zum Vorliegen einer persönlichen Arbeitspflicht der betreffenden Personen, obwohl im Sinn der obigen Rechtsausführungen die persönliche Arbeitspflicht Grundvoraussetzung für die Annahme einer persönlichen Abhängigkeit im Sinn des § 4 Abs. 2 ASVG und damit eines versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses ist.

9.1. Weiters bejahte das Verwaltungsgericht die persönliche Abhängigkeit der betreffenden Personen, ohne hinreichende bzw. widerspruchsfreie Feststellungen zu den im Sinn der obigen Ausführungen maßgeblichen Kriterien zu treffen und diese im Sinn einer Gesamtabwägung im Rahmen eines beweglichen Systems zu bewerten.

Soweit das Verwaltungsgericht festhielt, dass für die vermeintlich beschäftigten Personen keine Entscheidungsspielräume hinsichtlich Arbeitszeit, Arbeitsort und arbeitsbezogenes Verhalten bestanden hätten, unterließ es einerseits eine nachvollziehbare Begründung, wie es zu dieser Überzeugung gelangt ist; andererseits widersprach es sich selbst, indem es an anderer Stelle gegenteilig festhielt, dass die betreffenden Personen doch einen gewissen Spielraum für eine eigenständige Gestaltung der Arbeiten gehabt hätten.

9.2. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts kann fallbezogen auch nicht allein aus der Art der festgestellten Tätigkeiten (Fassaden- und Maurerarbeiten) sowie aus dem Liegenschaftseigentum der Revisionswerberin auf eine persönliche Abhängigkeit der betreffenden Personen von der Revisionswerberin geschlossen werden.

Zwar kann bei einfachen manuellen Tätigkeiten, die in Bezug auf die Art der Arbeitsausführung und die Verwertbarkeit keinen ins Gewicht fallenden Gestaltungsspielraum erlauben, bei einer Integration in den Betrieb des Beschäftigers mangels gegenläufiger Anhaltspunkte ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis im Sinn des § 4 Abs. 2 ASVG ohne weitwendige Untersuchungen vorausgesetzt werden (vgl. VwGH 3.10.2013, 2013/08/0162). Vorliegend waren jedoch im Hinblick darauf, dass sämtliche Personen auch Gesellschafter der Gesellschaft waren und die Revisionswerberin das Gebäude an die Gesellschaft unbefristet vermietet hatte, gerade solche gegenläufigen Umstände gegeben, mit denen sich das Verwaltungsgericht hätte auseinandersetzen müssen. Der Verwaltungsgerichtshof hat zudem bereits ausgesprochen, dass das bloße Eigentum an einem Gebäude, an dem die in Rede stehenden Arbeiten durchführt wurden, keinen Betrieb begründet, und daher mangels eines Betriebs des Beschäftigers, in den der Beschäftigte integriert gewesen wäre, das bloße Vorliegen einfacher manueller Arbeiten im Allgemeinen nicht ausreicht, um ein Beschäftigungsverhältnis in persönlicher Abhängigkeit im Sinn des § 4 Abs. 2 ASVG annehmen zu können (vgl. VwGH 20.3.2014, 2012/08/0024).

9.3. Die Berufung des Verwaltungsgerichts auf eine "stille Autorität" der Revisionswerberin versagt ebenso, weil davon nur dann auszugehen ist, wenn ein Beschäftigter in einer Weise in die betriebliche Organisation des Beschäftigers eingebunden ist, dass ausdrückliche persönliche Weisungen und Kontrollen durch eine "stille Autorität" substituiert werden (vgl. VwGH 24.4.2014, 2013/08/0258).

Eine derartige Eingliederung in eine Betriebsorganisation der Revisionswerberin wurde jedoch - wie schon gesagt - allein durch deren Liegenschaftseigentum nicht begründet.

10. Das Verwaltungsgericht bejahte ferner die Dienstgebereigenschaft der Revisionswerberin, ohne die notwendigen Feststellungen zu den im Sinn der obigen Ausführungen maßgebenden Umständen (auf wessen Rechnung und Gefahr ein allfälliger Betrieb bzw. die Tätigkeit geführt wurde bzw. wer nach rechtlichen Gesichtspunkten aus den Geschäften unmittelbar berechtigt und verpflichtet war) zu treffen.

Davon abgesehen stellte das Verwaltungsgericht die Dienstgebereigenschaft der Revisionswerberin auch selbst in Frage, indem es (unter anderem) ausführte, dass sich die Arbeitserbringung letztlich im Kern an den Bedürfnissen des deutschsprachigen Ehemanns (der auch die Aufträge angenommen habe und die Betriebsmittel - etwa die Mischmaschine - zur Verfügung gestellt habe) orientiert habe, die tatsächliche Verfügungsmacht daher nicht von der Revisionswerberin ausgegangen sei, diese keine qualifizierte Entscheidungsbefugnis gehabt habe und eine Veranlassung der Arbeiten durch sie nicht erfolgt sei.

11. Nicht zuletzt traf das Verwaltungsgericht auch keine Feststellungen zur strittigen Frage, ob und allenfalls in welcher Höhe die vermeintlich beschäftigten Personen für die gegenständlichen Arbeiten ein Entgelt erhalten haben oder zumindest einen Entgeltanspruch hatten.

12. Insgesamt unterschreitet daher das angefochtene Erkenntnis auf Grund der bestehenden gravierenden Feststellungsbzw. Begründungsmängel die Qualitätserfordernisse einer rechtsstaatlichen Entscheidung und entzieht sich damit einer nachprüfenden Rechtskontrolle durch den Verwaltungsgerichtshof (vgl. etwa VwGH 16.12.2016, Ra 2014/02/0150).

Das angefochtene Erkenntnis war deshalb wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.

13. Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung.

Wien, am 28. September 2018

Schlagworte

Dienstnehmer Begriff Persönliche Abhängigkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2018:RA2015080080.L00

Im RIS seit

24.10.2018

Zuletzt aktualisiert am

20.11.2018
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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