TE Lvwg Erkenntnis 2018/8/1 LVwG-S-2873/001-2017

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Veröffentlicht am 01.08.2018
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Entscheidungsdatum

01.08.2018

Norm

ASVG §5 Abs1
ASVG §5 Abs2
ASVG §33 Abs2
VStG 1991 §44a Z1

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich erkennt durch seinen Präsidenten Dr. Segalla als Einzelrichter über die Beschwerde der A, vertreten durch B, Rechtsanwalt in ***, ***, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Krems an der Donau vom 10. April 2017, Zl. ***, betreffend Bestrafungen nach dem Allgemeinen Sozialversicherungsgesetz (ASVG), zu Recht:

1.   Der Beschwerde wird Folge gegeben, der angefochtene Bescheid aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

2.   Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision zulässig.

Rechtsgrundlagen:

§ 50 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz – VwGVG

§ 45 Abs. 1 Z 1 Verwaltungsstrafgesetz 1991 – VStG

§ 25a Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 – VwGG

Entscheidungsgründe:

1.   Zum verwaltungsbehördlichen Verfahren:

1.1. Mit dem angefochtenen Straferkenntnis wurde gegen die Beschwerdeführerin eine Geldstrafe von drei Mal Euro 730,- (Ersatzfreiheitsstrafe je 112 Stunden) verhängt. Sie habe als Dienstgeberin mit Wohnsitz in ***, ***, die polnischen Staatsangehörigen

1.  C, geb. ***,

2.  D, geb. *** und

3.  E, geb. ***

von 16. Oktober 2015 bis zumindest 3. Dezember 2015 (jeweils von 08.00 Uhr bis 16.00 Uhr) im Gemeindegebiet von *** auf der Baustelle in ***, ***, mit Maurer- und Bauhilfsarbeiten, bei einer Entlohnung von ca. 400,- Euro beschäftigt, ohne diese Dienstnehmer als in der Krankenversicherung p?ichtversicherte Personen (Vollversicherte) vor Arbeitsantritt beim zuständigen Krankenversicherungsträger, NÖ Gebietskrankenkasse, ***, ***, anzumelden.

Sie habe als Dienstgeberin am 16. Oktober 2015 (vollständige Anmeldung nach § 33 Abs. 1a Z. 2 ASVG), beim zuständigen Krankenversicherungsträger, NÖ Gebietskrankenkasse, die Dienstnehmer

1. C, geb. ***,

2. D, geb. *** und

3. E, geb. ***

als nur in der Unfallversicherung p?ichtversicherte (Teilversicherte), geringfügig beschäftigte Personen, angemeldet, obwohl das, den Dienstnehmern aus den Beschäftigungsverhältnissen im Kalendermonat gebührende Entgelt, aufgrund einer Wochenarbeitszeit von ca. 35 Stunden, den Betrag gemäß § 5 Abs. 2 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz - ASVG überstieg, sohin die Ausnahmen von der Vollversicherung nicht zutrafen und habe sie daher zu 1. bis 3. die Meldungen (Anmeldung der P?ichtversicherten nach § 33 ASVG) falsch erstattet.

Die Ausnahmebestimmungen nach § 5 ASVG trafen nicht zu.

Daher sei – für jeden betroffenen Dienstnehmer – jeweils die genannte Strafe zu verhängen gewesen.

Der Kostenbeitrag wurde mit EUR 219,- festgesetzt.

1.2. Gegen dieses Straferkenntnis richtet sich die verfahrensgegenständliche Beschwerde, in der im Wesentlichen falsche rechtliche Subsumtion und fehlendes Verschulden vorgebracht wird.

2.   Das Landesverwaltungsgericht stellt auf Basis des Verwaltungsstrafaktes und der durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung folgenden entscheidungserheblichen Sachverhalt fest:

2.1. Die Beschwerdeführerin hat als Dienstgeberin die drei Dienstnehmer

1. C, geb. ***,

2. D, geb. *** und

3. E, geb. ***

im Gemeindegebiet von *** auf der Baustelle in ***, ***, mit Maurer- und Bauhilfsarbeiten beschäftigt. Ursprünglich wurden diese Dienstnehmer von ihr (gemeinsam mit ihrem Ehegatten als weiteren Dienstgeber) am 16. Oktober 2015 mit Wirkung ab 19. Oktober 2015 als geringfügig Beschäftigte angemeldet, wobei der Beschäftigungsbeginn mit Mail vom 20. Oktober 2015 auf den 16. Oktober 2015 richtiggestellt wurde. Die Abmeldung erfolgte mit Wirksamkeit vom 30. Oktober 2015.

2.2. Die unter 2.1.1. und 2.1.2. genannten Dienstnehmer wurden von denselben Dienstgebern weiters für den Zeitraum 16. November 2015 bis 21. November 2015 ebenfalls als geringfügig angemeldet.

2.3. Eine Vollanmeldung erfolgte mit 4. Dezember 2015 für den Beschäftigungszeitraum ab 16. Oktober 2015.

2.4. Als Entgelt für den Zeitraum 16. Oktober bis 30. Oktober 2015 wurde in den Anmeldeformularen je Euro 400,- ohne nähere Erläuterung angegeben. Für den Zeitraum 16. November 2015 bis 21. November 2015 wurde je Euro 400 zzgl Euro 560,- für „Übernachtungen und Essen“ angegeben.

2.5. Die von der Behörde festgestellte Entlohnung beläuft sich auf „ca. 400,- Euro“.

2.6. Tatsächliche Arbeitszeiträume waren zumindest die Zeiträume von 16. Oktober 2015 bis 30. Oktober 2015 und von 16. November bis 21. November 2015, täglich ausgenommen Sonntags.

3.   Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich aus folgender Beweiswürdigung:

3.1. Die grundsätzliche Beschäftigung der genannten Dienstnehmer am Wohnsitz der Beschwerdeführerin war im verwaltungsgerichtlichen Verfahren unbestritten. Die festgestellten An- und Abmeldungszeitpunkte und die Entgeltangaben ergeben sich aus den im Akt inneliegenden Sozialversicherungsmeldungen; die konkreten Arbeitszeiträume ebenso aus diesen und der – unbestritten gebliebenen – Niederschrift vom 19. Oktober 2015 mit Herrn F.

3.2. Die nachträgliche Änderungsmeldung liegt ebenfalls dem Verwaltungsstraftakt inne.

3.3. Die Feststellung, welche Entlohnung der Beschwerdeführerin zur Last gelegt wurde, ergibt sich aus dem angefochtenen Straferkenntnis.

4.   Rechtlich folgt:

4.1. Vorauszuschicken ist, dass aufgrund der vorgelegten, verbesserten Vollmacht von einem wirksamen Vollmachtsverhältnis im Zeitpunkt der Beschwerdeerhebung ausgegangen werden kann. Auch sonst sind keine Umstände hervorgetreten, die Zweifel an der Zulässigkeit der Beschwerde aufkommen ließen.

4.2. § 5 Abs. 1 Z 2 und Abs. 2 ASVG in der zum Tatzeitpunkt geltenden Fassung BGBl Nr 189/1955 idF BGBl II Nr 288/2014 lautete:

„§ 5 (1) Von der Vollversicherung nach § 4 sind - unbeschadet einer nach § 7 oder nach § 8 eintretenden Teilversicherung - ausgenommen:

[…]

2. Dienstnehmer und ihnen gemäß § 4 Abs. 4 gleichgestellte Personen, ferner Heimarbeiter und ihnen gleichgestellte Personen sowie die im § 4 Abs. 1 Z 6 genannten Personen, wenn das ihnen aus einem oder mehreren Beschäftigungsverhältnissen im Kalendermonat gebührende Entgelt den Betrag gemäß Abs. 2 nicht übersteigt (geringfügig beschäftigte Personen);

[…]

(2) Ein Beschäftigungsverhältnis gilt als geringfügig, wenn es

1. für eine kürzere Zeit als einen Kalendermonat vereinbart ist und für einen Arbeitstag im Durchschnitt ein Entgelt von höchstens 31,17 €, insgesamt jedoch von höchstens 405,98 € gebührt oder

2. für mindestens einen Kalendermonat oder auf unbestimmte Zeit vereinbart ist und im Kalendermonat kein höheres Entgelt als 405,98 € gebührt.

Keine geringfügige Beschäftigung liegt hingegen vor, wenn das im Kalendermonat gebührende Entgelt den in Z 2 genannten Betrag nur deshalb nicht übersteigt, weil

infolge Arbeitsmangels im Betrieb die sonst übliche Zahl von Arbeitsstunden nicht erreicht wird (Kurzarbeit) oder die Beschäftigung im Laufe des betreffenden Kalendermonates begonnen oder geendet hat oder unterbrochen wurde.

[…]“

§ 7 Z 3 lit. a ASVG lautete:

§ 7. Nur in den nachstehend angeführten Versicherungen sind von den im § 4 genannten Personen auf Grund dieses Bundesgesetzes versichert (teilversichert):

[…]

(3) in der Unfallversicherung hinsichtlich der nachstehend bezeichneten Tätigkeiten (Beschäftigungsverhältnisse):

a) die im § 5 Abs. 1 Z 2 von der Vollversicherung ausgenommenen Beschäftigten.

[…]

§ 33 Abs. 1 und 2 ASVG lautet:

§ 33. (1) Die Dienstgeber haben jede von ihnen beschäftigte, nach diesem Bundesgesetz in der Krankenversicherung pflichtversicherte Person (Vollversicherte und Teilversicherte) vor Arbeitsantritt beim zuständigen Krankenversicherungsträger anzumelden und binnen sieben Tagen nach dem Ende der Pflichtversicherung abzumelden. Die An(Ab)meldung durch den Dienstgeber wirkt auch für den Bereich der Unfall- und Pensionsversicherung, soweit die beschäftigte Person in diesen Versicherungen pflichtversichert ist.

[…]

(2) Abs. 1 gilt für die nur in der Unfall- und Pensionsversicherung sowie für die nur in der Unfallversicherung nach § 7 Z 3 lit. a Pflichtversicherten mit der Maßgabe, daß die Meldungen beim Träger der Krankenversicherung, der beim Bestehen einer Krankenversicherung nach diesem Bundesgesetz für sie sachlich und örtlich zuständig wäre, zu erstatten sind.

§ 111 Abs. 1 und 2 ASVG lautet, soweit für dieses Verfahren relevant:

„§ 111. (1) Ordnungswidrig handelt, wer als Dienstgeber oder sonstige nach § 36 meldepflichtige Person (Stelle) oder als bevollmächtigte Person nach § 35 Abs. 3 entgegen den Vorschriften dieses Bundesgesetzes

1. Meldungen oder Anzeigen nicht oder falsch oder nicht rechtzeitig erstattet oder

[…]

(2) Die Ordnungswidrigkeit nach Abs. 1 ist von der Bezirksverwaltungsbehörde als Verwaltungsübertretung zu bestrafen, und zwar

mit Geldstrafe von 730 € bis zu 2 180 €, im Wiederholungsfall von 2 180 € bis zu 5 000 €,

bei Uneinbringlichkeit der Geldstrafe mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Wochen,

sofern die Tat weder den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet noch nach anderen Verwaltungsstrafbestimmungen mit strengerer Strafe bedroht ist. Unbeschadet der §§ 20 und 21 des Verwaltungsstrafgesetzes 1991 kann die Bezirksverwaltungsbehörde bei erstmaligem ordnungswidrigen Handeln nach Abs. 1 die Geldstrafe bis auf 365 € herabsetzen, wenn das Verschulden geringfügig und die Folgen unbedeutend sind.“

4.3. Im angefochtenen Straferkenntnis wird der Beschwerdeführerin jeweils ein Beschäftigungszeitraum vom 16. Oktober 2015 bis 3. Dezember 2015 vorgeworfen. Es handelt sich demnach um ein Beschäftigungsverhältnis, welches die Dauer von einem Kalendermonat übersteigt und kommt die (im Tatzeitpunkt noch von der täglichen Geringfügigkeitsgrenze zu unterscheidende) monatliche Geringfügigkeitsgrenze zur Anwendung.

Als Entlohnung wurde im angefochtenen Straferkenntnis „ca Euro 400,-“, „jeweils von 08.00 Uhr bis 16.00 Uhr“ unter Zugrundelegung einer 35-Stunden-Woche (was es unter Zugrundelegung dieser Angaben ausschließt, geringere Beschäftigungszeiten anzunehmen) festgestellt. Das Straferkenntnis spezifiziert nicht, ob es sich um eine monatliche Entlohnung oder um eine solche für den Gesamtzeitraum handelt. In beiden Fällen wird die zum Tatzeitraum geltende monatliche Geringfügigkeitsgrenze von Euro 405,98 nicht überschritten: Betrug das Entgelt monatlich ca. Euro 400,-, so liegt dieser Betrag unter der genannten Grenze. Bezieht sich das Entgelt hingegen auf den gesamten Zeitraum von über 1,5 Monaten (und erstreckt sich entsprechend dem vorgeworfenen Beschäftigungszeitraum auf drei Kalendermonate), so kann je Kalendermonat notwendigerweise die Geringfügigkeitsgrenze erst recht nicht erreicht werden, da für jeden Kalendermonat dann zwangsläufig ein Entgelt von deutlich unter Euro 400,- festzustellen ist. Die Geringfügigkeitsgrenze wird daher in beiden Sichtweisen – da gleichzeitig von einer durchgehenden Beschäftigung von ca. 35 Wochenstunden im angelasteten Tatzeitraum ausgegangen wird – nicht erreicht. Dafür, dass das Entgelt von „ca. Euro 400,-“ auf kürzere Beschäftigungszeiträume bezogen war, ergibt sich aus dem Straferkenntnis keinerlei Hinweis.

4.4. Im Ergebnis wurde der Beschwerdeführerin im angefochtenen Straferkenntnis die nicht korrekte Meldung einer Beschäftigung vorgeworfen, die tatsächlich – wenn alle im Straferkenntnis genannten Umstände, wie sie dort vorgeworfen werden, berücksichtigt werden – jedoch geringfügig iSd § 5 Abs. 2 ASVG in der anzuwenden Fassung war und entsprechend auch richtig nach §33 Abs. 2 ASVG gemeldet wurde. Unter dieser Prämisse wäre der objektive Tatbestand nicht erfüllt.

4.5. Es ist jedoch zu beachten, dass – wie aus den Feststellungen hervorgeht – bei allen drei Dienstnehmern die tatsächlichen Beschäftigungszeiträume deutlich kürzer waren, als im Straferkenntnis angelastet. Auch das festgestellte Entgelt (nämlich für zwei kurze Beschäftigungszeiträume jeweils Euro 400,- für zwei der drei Dienstnehmer, wobei der dritte Dienstnehmer nur in einem der beiden Zeiträume beschäftigt war) weicht tatsächlich vom im Straferkenntnis erhobenen Vorwurf ab.

4.6. Es ist daher zu prüfen, ob das Landesverwaltungsgericht die Beschäftigungszeiträume und das Entgelt korrigieren darf, könnten sich dabei doch im Hinblick auf die Strafbarkeit andere Schlussfolgerungen ergeben.

4.7. Der Verwaltungsgerichtshof vertritt in ständiger Rechtsprechung (zuletzt zB VwGH, 6.6.2012, 2011/08/0368), dass der Tatvorwurf der Verletzung von Meldepflichten gemäß § 33 Abs. 1 ASVG – für den Fall, dass es der Behörde nicht gelingt, einen Beschäftigungsumfang festzustellen, dass daraus verlässlich auf einen die Geringfügigkeitsgrenze übersteigenden Anspruchslohn geschlossen werden kann – auch den Vorwurf eines Verstoßes gegen § 33 Abs. 2 ASVG umfasst. Entsprechende Feststellungen können auch im Verfahren zweiter Instanz nachgeholt werden.

4.8. Dieser Rechtsprechung zu Grunde liegen, soweit ersichtlich, stets Fälle, in denen überhaupt keine Meldung gem. § 33 ASVG erstattet wurde, der Tatvorwurf einer (entweder nach § 33 Abs. 1 oder Abs. 2 ASVG meldepflichtigen) Beschäftigung aber hinreichend konkret erhoben worden war. Im gegenständlichen Fall – der, ebenfalls soweit ersichtlich, in der höchstgerichtlichen Rechtsprechung noch nicht behandelt wurde – ist die Situation aber anders gelagert:

4.9. Eine Anmeldung nach § 33 ASVG wurde unbestritten erstattet. Der Tatvorwurf besteht im Wesentlichen aber darin, dass zu Unrecht nur eine Teilversicherung anstelle einer Vollversicherung angemeldet wurde.

4.10. Wie aus dem wiedergebenden Wortlaut des § 5 Abs. 2 ASVG ersichtlich, sind der genaue Beschäftigungszeitraum und das genaue Entgelt wesentliche Merkmale, um eine Geringfügigkeit und somit eine bloße Teilversicherung festzustellen, weil sich die Überschreitung der Geringfügigkeitsgrenze nur aus der Kombination dieser beiden Elemente erkennen lässt. Es kommt sohin für den Tatvorwurf – anders als in jenen Konstellationen, die der zitierten Rechtsprechung zu Grunde liegen – entscheidend auf diese beiden Merkmale an.

4.11. Würde das Verwaltungsgericht nun im Beschwerdeverfahren diese Tatvorwurfselemente verändern, würde es aus einem zwar angelasteten, aber tatsächlich – wie zuvor dargelegt – nicht strafbaren Verhalten (erstmals, denn die Aufforderung zur Rechtfertigung vom 6. Juni 2016 enthält dieselben tatbestandsrelevanten Umstände wie das Straferkenntnis) – möglicherweise (ob ein solches strafbares Verhalten tatsächlich vorläge, ist vorliegend, wie nachstehend dargelegt, nicht mehr entscheidungserheblich) – ein strafbares Verhalten machen.

4.12. Für die Frage, ob gem. § 44a Z 1 VStG die als erwiesen angenommene Tat ausreichend bestimmt ist, kommt es nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes unter anderem wesentlich auf die Wahrung der Verteidigungsrechte an (zB VwGH, 27.4.2011, 2010/08/0198). Eine Wahrung dieser Rechte kann nach Ansicht des Landesverwaltungsgerichtes nicht angenommen werden, wenn sowohl in der Aufforderung zur Rechtfertigung als auch im angefochtenen Straferkenntnis tatbestandsmäßig entscheidende Umstände zur Last gelegt werden, die zur mangelnden Strafbarkeit der vorgeworfenen Tat führen, und erst im Beschwerdeverfahren der vorgeworfene Sachverhalt so modifiziert wird, dass (gegebenenfalls) Strafbarkeit gegeben ist.

4.13. Ein Auswechseln der entscheidungserheblichen Umstände, was Beschäftigungsdauer und Entgelt betrifft, erst im Beschwerdeverfahren würde daher einen unzulässigen Tatbildaustausch zur Folge haben.

4.14. Anzumerken ist, dass an diesem Umstand nach Ansicht des Landesverwaltungsgerichts auch die Überlegung nichts ändern kann, dass ein (selbst monatliches) Entgelt von 400,-- Euro bei einer durchgehenden Beschäftigung unglaubwürdig niedrig wäre, weil das angefochtene Straferkenntnis auch in diese Richtung keinen Tatvorwurf enthält.

4.15. Ergänzend ist anzumerken, dass zwar in der zitierten Aufforderung zur Rechtfertigung alternativ ein zweiter Tatvorwurf erhoben wurde, dieser aber nicht Gegenstand des angefochtenen Straferkenntnisses und somit auch nicht des Beschwerdeverfahrens ist.

4.16. Im Ergebnis liegt daher der objektive Tatbestand nicht vor und es ist das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben und das Strafverfahren einzustellen.

5.   Zur Zulässigkeit der ordentlichen Revision:

Die ordentliche Revision ist zulässig, da soweit ersichtlich noch keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage vorliegt, welche Tatbestandselemente der „als erwiesen angenommenen Tat“ in einer Konstellation wesentlich sind, in dem einem Dienstgeber, der gewisse Dienstnehmer unzweifelhaft zur Teilversicherung angemeldet hatte, vorgeworfen wird, er hätte eine Vollversicherungsmeldung verabsäumt.

Schlagworte

Sozialversicherungsrecht; Verfahrensrecht; Straferkenntnis; Tatvorwurf; Beschäftigung; Anmeldung; Pflichtversicherung;

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGNI:2018:LVwG.S.2873.001.2017

Zuletzt aktualisiert am

18.10.2018
Quelle: Landesverwaltungsgericht Niederösterreich LVwg Niederösterreic, http://www.lvwg.noe.gv.at
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