TE OGH 2018/9/26 15Os93/18t

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Veröffentlicht am 26.09.2018
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 26. September 2018 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kirchbacher als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel-Kwapinski, Mag. Fürnkranz und Dr. Mann in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Ertl, LL.M, als Schriftführer in der Strafsache gegen David S***** wegen Verbrechen des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 Abs 1 zweiter Fall StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung der Staatsanwaltschaft sowie die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Korneuburg als Schöffengericht vom 19. April 2018, GZ 612 Hv 18/16b-215, in Anwesenheit der Vertreterin der Generalprokuratur, Generalanwältin MMag. Jenichl, des Angeklagten David S***** und dessen Verteidigers Mag. Lind zu Recht erkannt:

Spruch

In Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, im Strafausspruch (einschließlich der Vorhaftanrechnung) aufgehoben und in diesem Umfang in der Sache selbst erkannt:

David S***** wird für die ihm zur Last liegenden Verbrechen des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 Abs 1 zweiter Fall StGB (I./ und II./) unter Anwendung des § 28 Abs 1 StGB nach dem Strafsatz des § 143 Abs 1 StGB unter Bedachtnahme gemäß § 31 Abs 1 und 2 StGB auf das Urteil des Bezirksgerichts Louny vom 17. Juli 2017, AZ 15 T 136/2016, zu einer Zusatzfreiheitsstrafe von

fünf Jahren

verurteilt.

Mit ihren Berufungen werden die Staatsanwaltschaft und der Angeklagte auf die Strafneubemessung verwiesen.

Die Anrechnung der Vorhaft wird dem Erstgericht überlassen.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde David S***** zweier Verbrechen des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 Abs 1 zweiter Fall StGB schuldig erkannt und unter Anwendung des § 28 Abs 1 StGB nach dem Strafsatz des § 143 Abs 1 StGB unter Bedachtnahme gemäß § 31 StGB auf die Urteile des Bezirksgerichts B?eclav vom 14. November 2016, AZ 3 T 140/2016, und des Bezirksgerichts Louny vom 17. Juli 2017, AZ 15 T 136/2016, zu einer Zusatzfreiheitsstrafe von dreieinhalb Jahren verurteilt.

Danach hat er in G***** „im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit einem unbekannten Beitragstäter“ durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib und Leben (§ 89 StGB) unter Verwendung von Waffen, nämlich jeweils einer Faustfeuerwaffe und eines Pfeffersprays, anderen fremde bewegliche Sachen mit dem Vorsatz abgenötigt, sich oder einen Dritten durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, und zwar

I./ am 16. Februar 2016, indem er gegen die Angestellte der R*****bank Viktoria S***** eine Pistole (US 6) richtete und sie mit den Worten „Geld, alles Geld“ zur Herausgabe von 24.070 Euro Bargeld nötigte, wobei er nach der Geldübergabe den Pfefferspray gegen sie einsetzte und mit diesem auch in Richtung des Bankangestellten Hermann S***** sprühte;

II./ am 3. Mai 2016, indem er die Mitarbeiter der R*****bank Viktoria und Hermann S***** sowie drei Kunden mit einem Revolver (US 7) bedrohte, diesen Hildegard B***** im Unterarmwürgegriff an die Schläfe hielt und Viktoria S***** mit den Worten „Alles Geld!“ zur Herausgabe von 9.680 Euro Bargeld nötigte, wobei er gegen alle genannten Personen den Pfefferspray einsetzte.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 11 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft, der Berechtigung zukommt.

Zutreffend moniert die Sanktionsrüge (Z 11 erster Fall), dass das Schöffengericht durch rechtsirrige Bedachtnahme (§ 31 Abs 1 und 2 StGB) auch auf das Urteil des Bezirksgerichts B?eclav vom 14. November 2016, AZ 3 T 140/2016, seine Strafbefugnis überschritten hat.

Denn liegen zwischen Tatbegehung und Aburteilung mehrere bestrafende Urteile, ist nur dann auf alle Bedacht zu nehmen, wenn sämtliche Taten vor dem ersten Urteil liegen, somit alle Vor-Urteile durch das in § 31 Abs 1 StGB beschriebene Verhältnis verknüpft sind. Im Fall mehrerer nicht gemäß § 31 Abs 1 StGB verbundener Vor-Urteile ist hingegen nur auf das erste (tatnächste) Bedacht zu nehmen (RIS-Justiz RS0112524).

Gegenständlich liegen die Voraussetzungen für eine Bedachtnahme nach § 31 Abs 1 und 2 StGB daher (nur) hinsichtlich der mit Urteil des Bezirksgerichts Louny vom 17. Juli 2017, AZ 15 T 136/2016, (für eine am 20. Februar 2016 begangene Tat) unter Einbeziehung der Urteile des Bezirksgerichts B?eclav vom 19. Mai 2016, AZ 2 T 29/2016 (Tatzeit 15. Februar 2016) und vom 18. November 2016, AZ 2 T 123/2016 (Tatzeit 20. Februar 2015), über S***** verhängten Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren vor, weil die zeitlich erste dieser miteinander verknüpften ausländischen Verurteilungen – die nach österreichischem Recht den Kriterien des § 31 Abs 1 StGB entsprechen würden – die den gegenständlichen Taten nächstfolgende war.

Die zusätzliche Bedachtnahme auf das Urteil des Bezirksgerichts B?eclav vom 14. November 2016, AZ 3 T 140/2016, mit dem S***** wegen zwischen 1. März und 4. Juli 2016 begangener Taten zu einer Freiheitsstrafe von zweieinhalb Jahren verurteilt wurde, lief dem Zweck des Gesetzes – nämlich der Verhinderung von Benachteiligungen des Täters durch getrennte Verfahrensführungen (nur) in jenen Fällen, in denen aufgrund der Tatzeit(en) eine gemeinsame Aburteilung in erster Instanz möglich gewesen wäre (Ratz in WK2 StGB § 31 Rz 1 f) – zuwider und führte zu einer unzulässigen Begünstigung des Angeklagten.

Das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt zu bleiben hatte, war daher in Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde im Strafausspruch (einschließlich der Vorhaftanrechnung) aufzuheben.

Bei der dadurch erforderlichen Strafneubemessung war gemäß § 31 Abs 1 und 2 StGB (erneut) auf das Urteil des Bezirksgerichts Louny vom 17. Juli 2017, AZ 15 T 136/2016, Bedacht zu nehmen (vgl zur Strafrahmenbildung bei ausländischen Verurteilungen RIS-Justiz RS0091044; Ratz in WK2 StGB § 31 Rz 12).

Erschwerend waren das Zusammentreffen zweier Verbrechen mit weiteren (teilweise einschlägigen) strafbaren Handlungen, der Einsatz beider Nötigungsmittel des § 142 Abs 1 StGB (US 6 f), die (nicht von der Bedachtnahme erfassten) Vor-Verurteilungen in Tschechien wegen auf gleicher schädlicher Neigung beruhender Taten, mildernd hingegen das reumütige Geständnis zu werten.

Davon ausgehend erweist sich mit Blick auf die allgemeinen Grundsätze der Strafbemessung (§ 32 StGB) und auf die im erwähnten Vor-Urteil verhängte Sanktion (§ 40 StGB) eine zusätzliche Freiheitsstrafe von fünf Jahren tat- und schuldangemessen sowie spezialpräventiv erforderlich, um dem Angeklagten das Unrecht seiner Taten vor Augen zu führen und ihn künftig zu rechtskonformen Verhalten zu bewegen.

Mit ihren Berufungen waren der Angeklagte und die Staatsanwaltschaft auf die Strafneubemessung zu verweisen.

Die Anrechnung der Vorhaft kommt gemäß § 400 Abs 1 StPO dem Erstgericht zu.

Die Kostenersatzpflicht beruht auf § 390 Abs 1 StPO.

Textnummer

E122789

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2018:0150OS00093.18T.0926.000

Im RIS seit

09.10.2018

Zuletzt aktualisiert am

09.10.2018
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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