TE Vwgh Erkenntnis 2018/9/12 Ra 2015/08/0032

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Veröffentlicht am 12.09.2018
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Index

21/01 Handelsrecht;
40/01 Verwaltungsverfahren;
66/02 Andere Sozialversicherungsgesetze;

Norm

AVG §59 Abs1;
GSVG 1978 §2 Abs1 Z4;
UGB §164;
UGB §168;
VwGVG 2014 §27;
VwGVG 2014 §28 Abs2;
VwGVG 2014 §28 Abs3;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bachler, den Hofrat Dr. Strohmayer, die Hofrätin Dr. Julcher sowie die Hofräte Mag. Berger und Mag. Stickler als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Sinai, über die Revision der R F in M, vertreten durch Dr. Gerhard Hiebler und Mag. Gerd Grebenjak, Rechtsanwälte in 8700 Leoben, Hauptplatz 12/II, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 12. Februar 2015, G305 2003624- 1/12E, betreffend Pflichtversicherung und Beiträge nach dem GSVG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht:

Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft Landesstelle Steiermark), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird insoweit, als mit ihm die Beitragspflicht der Revisionswerberin im Zeitraum vom 26. März 2004 bis zum 31. Dezember 2005 ausgesprochen wurde, wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit aufgehoben.

Im Übrigen wird das angefochtene Erkenntnis - mit Ausnahme des unbekämpft gebliebenen Ausspruchs (dass die Revisionswerberin im Zeitraum vom 1. August 2009 bis zum 30. November 2010 nicht der Pflichtversicherung in der Kranken- und Pensionsversicherung nach dem GSVG unterliege) - wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufgehoben.

Die Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft hat der Revisionswerberin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

1. Mit Bescheid vom 16. Februar 2011 sprach die belangte Behörde aus, dass die Revisionswerberin im Zeitraum vom 26. März 2004 bis zum 30. November 2010 der Pflichtversicherung in der Kranken- und Pensionsversicherung nach § 2 Abs. 1 Z 4 GSVG unterliege, sich die Beitragsgrundlagen für die Jahre 2006 bis 2010 auf bestimmte Beträge beliefen, die Revisionswerberin für den Zeitraum vom 1. Jänner 2006 bis zum 30. November 2010 bestimmte Beiträge zu entrichten habe, das Recht auf Feststellung der Beitragspflicht für den Zeitraum vom 26. März 2004 bis zum 31. Dezember 2005 jedoch bereits verjährt sei.

2.1. Mit dem angefochtenen Erkenntnis sprach das Verwaltungsgericht über den dagegen erhobenen (mit Ablauf des 31. Dezember 2013 als Beschwerde zu behandelnden) Einspruch der Revisionswerberin dahingehend ab, dass diese im Zeitraum vom 26. März 2004 bis zum 31. Juli 2009 - nicht jedoch im Zeitraum vom 1. August 2009 bis zum 30. November 2010 - der Pflichtversicherung in der Kranken- und Pensionsversicherung nach § 2 Abs. 1 Z 4 GSVG unterliege, die Beitragspflicht auf den Zeitraum vom 26. März 2004 bis zum 31. Juli 2009 eingeschränkt werde und im Übrigen das Rechtsmittel als unbegründet abgewiesen werde.

2.2. Das Verwaltungsgericht stellte - soweit hier von Bedeutung - fest, die Revisionswerberin habe gemeinsam mit ihrem damaligen Ehemann DI F F (im Folgenden: Ehemann) mit mündlichem Gesellschaftsvertrag vom 25. März 2004 die E S F KEG (im Folgenden: KEG) gegründet. Laut dem - am 26. August 2006 auch schriftlich dokumentierten - Gesellschaftsvertrag habe der Ehemann die Stellung des persönlich haftenden Gesellschafters (Komplementärs) und die Revisionswerberin jene der Kommanditistin eingenommen, wobei die von dieser geleistete Kommanditeinlage EUR 1.000,-- betragen habe. Beide Gesellschafter seien nach Maßgabe ihrer Anteile an den Kapitalkonten (Ehemann 51 %, Revisionswerberin 49 %) am Gewinn und Verlust sowie am Vermögen der KEG beteiligt gewesen. Die Haftung der Revisionswerberin sei dabei "nach Maßgabe ihres Anteils an den Kapitalkonten (49 %) (...) und nicht mit der Kommanditeinlage von EUR 1.000,--" begrenzt gewesen. Mit der Geschäftsführung und Vertretung der KEG sei der Ehemann betraut gewesen. Die Geschäftsführung habe sich auch auf außerordentliche (über den gewöhnlichen Geschäftsverkehr hinausgehende) Geschäfte erstreckt, wobei solche Geschäfte eines Gesellschafterbeschlusses bedurften. Im Punkt 4. des Gesellschaftsvertrags seien als außerordentliche Geschäfte (unter anderem) angeführt: Abschluss, Änderung und Auflösung von Bestand- , Leasing- und sonstigen Dauerschuldverträgen (lit. e) sowie Aufnahme, Entlassung und Kündigung von Dienstnehmern (lit. n). Auf Gesellschafterbeschlüsse seien die §§ 34 ff GmbHG sinngemäß anzuwenden gewesen, das Stimmrecht habe sich nach dem Verhältnis der fixen Kapitalkonten bestimmt, Beschlüsse seien mit einfacher Mehrheit zu fassen gewesen.

Am 21. Juli 2009 (Eintragung im Firmenbuch) sei das Vermögen der KEG auf Grund des Gesellschafts- und Einbringungsvertrags vom 13. Juli 2009 in eine neu gegründete GmbH eingebracht und die KEG gelöscht worden. Das Stammkapital der GmbH habe EUR 35.000,-- betragen, wovon 51 % auf den Ehemann und 49 % auf die Revisionswerberin entfallen seien. Der Ehemann sei zum handelsrechtlichen Geschäftsführer, die Revisionswerberin zur Prokuristin bestellt worden.

Die Revisionswerberin habe im gegenständlichen Zeitraum Einkünfte aus selbständiger Arbeit und Gewerbebetrieb aus der Gewinnbeteiligung zunächst an der KEG und dann an der GmbH bezogen. Daneben sei sie ab dem 7. April 2004 als Büroangestellte zunächst bei der KEG und später bei der GmbH beschäftigt gewesen und mit (näher erörterten) Büroarbeiten betraut gewesen.

Im September 2009 habe die Revisionswerberin eine Versicherungserklärung gemäß § 2 Abs. 1 Z 4 GSVG abgegeben, in der sie festgehalten habe, dass sie seit dem 1. August 2009 Gesellschafterin der GmbH sei, die Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit die jährliche Versicherungsgrenze überstiegen und sie daneben die Tätigkeit einer Prokuristin ausübe. Diese Erklärung habe sie später widerrufen.

2.3. Rechtlich folgerte das Verwaltungsgericht - soweit hier von Bedeutung - im Wesentlichen, der Pflichtversicherung nach § 2 Abs. 1 Z 4 GSVG unterlägen selbständig erwerbstätige Personen, die auf Grund einer betrieblichen Tätigkeit bestimmte Arten von Einkünften im Sinn der §§ 22 und 23 EStG 1988 bezögen.

Was die Voraussetzung einer selbständigen Erwerbstätigkeit betreffe, so sei wesentlich, ob die Revisionswerberin als Kommanditistin nur "ihr Kapital arbeiten" habe lassen oder ob ihr durch den Gesellschaftsvertrag eine Rechtsstellung eingeräumt worden sei, die jener eines zur Geschäftsführung befugten Komplementärs gleichkomme. Gemäß § 164 UGB seien Kommanditisten grundsätzlich von der Geschäftsführung ausgeschlossen und könnten einer Handlung des Komplementärs nicht widersprechen, es sei denn die Handlung ginge über den gewöhnlichen Betrieb des Unternehmens hinaus. Vorliegend seien der Revisionswerberin durch den Gesellschaftsvertrag Mitwirkungsbefugnisse (lediglich) an außergewöhnlichen Geschäften eingeräumt worden, die über die ihr bereits nach § 164 UGB zustehenden Befugnisse als Kommanditistin nicht hinausgegangen seien, sodass ihr kein maßgeblicher Einfluss auf die Geschäftsführung zugekommen sei. Allerdings habe die Revisionswerberin - auf Grund der weiteren vertraglichen Vereinbarung, sich im Umfang ihres Kapitalkontos (49 %) an den Verlusten der KEG im Innenverhältnis zu beteiligen - ein wesentliches Unternehmerrisiko getragen. Nach § 161 UGB sei die persönliche Haftung des Kommanditisten auf die im Firmenbuch eingetragene Haftungssumme (Kommanditeinlage) beschränkt; trage er ein darüber hinausgehendes Unternehmerrisiko (etwa durch die Verpflichtung zur Verlustabdeckung im Innenverhältnis), so liege eine Erwerbstätigkeit im Sinn des § 2 Abs. 1 Z 4 GSVG vor. Dies sei hier der Fall, habe die Revisionswerberin doch durch ihre nahezu unbeschränkte (über die Kommanditeinlage von EUR 1.000,-- hinausgehende) Verlusthaftung ein Unternehmerrisiko getragen.

Was die Voraussetzung einer betrieblichen Tätigkeit betreffe, so liege diese dann vor, wenn das Erwerbseinkommen nicht der Privatsphäre zuzurechnen sei, sondern in einer Teilnahme am Wirtschaftsleben gründe. Davon sei hier bei einer auf die Erzielung von Einkünften im Sinn des § 2 Abs. 3 Z 3 in Verbindung mit § 23 EStG 1988 gerichteten Erwerbstätigkeit auszugehen.

Was das weitere Kriterium des Bezugs bestimmter Arten von Einkünften im Sinn der §§ 22 und 23 EStG 1988 anbelange, so sei dabei auf die Einkommensteuerpflicht abzustellen. Lägen - wie hier - rechtskräftige Einkommensteuerbescheide vor, aus denen Einkünfte der genannten Art, die die Versicherungsgrenzen überstiegen, bindend hervorgingen (eine eigenständige sozialversicherungsrechtliche Beurteilung sei ausgeschlossen), so sei von einer Pflichtversicherung nach § 2 Abs. 1 Z 4 GSVG auszugehen.

Nicht zuletzt sei auch keine Pflichtversicherung (auf Grund der Erwerbstätigkeit als Gesellschafterin) nach einer anderen gesetzlichen Bestimmung als jener des § 2 Abs. 1 Z 4 GSVG - jedenfalls bis zum 1. August 2009 - eingetreten.

Insgesamt seien daher sämtliche Voraussetzungen für das Vorliegen einer Pflichtversicherung nach § 2 Abs. 1 Z 4 GSVG (für den Zeitraum vom 26. März 2004 bis zum 31. Juli 2009) erfüllt (und die Beitragspflicht für diesen Zeitraum auszusprechen gewesen).

2.4. Das Verwaltungsgericht sprach ferner aus, dass die Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

3.1. Gegen dieses Erkenntnis - soweit damit die Pflichtversicherung in der Kranken- und Pensionsversicherung nach § 2 Abs. 1 Z 4 GSVG sowie die Beitragspflicht für den Zeitraum vom 26. März 2004 bis zum 31. Juli 2009 ausgesprochen wurde - wendet sich die außerordentliche Revision wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts sowie Rechtwidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften mit einem Abänderungs- bzw. Aufhebungsantrag.

3.2. Die Revisionswerberin bringt zur Zulässigkeit der Revision im Wesentlichen vor, das Verwaltungsgericht sei von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs abgewichen, indem es zu Unrecht die Beitragspflicht für den Zeitraum vom 26. März 2004 bis zum 31. Dezember 2005 ausgesprochen habe, obwohl insoweit die belangte Behörde unbekämpft Verjährung festgestellt habe. Weiters sei das Verwaltungsgericht unrichtig von einer über die Kommanditeinlage hinausgehenden Haftung ausgegangen, sei doch eine solche im Gesellschaftsvertrag nicht vereinbart worden; das Verwaltungsgericht habe offenbar die Gewinn- und Verlustbeteiligung der Revisionswerberin (im Verhältnis ihres Anteils an den Kapitalkonten) mit der Übernahme einer über die Kommanditeinlage hinausgehenden Verlusthaftung bzw. eines Unternehmerrisikos verwechselt und daher zu Unrecht die Voraussetzungen für eine Pflichtversicherung nach § 2 Abs. 1 Z 4 GSVG als erfüllt angesehen.

3.3. Eine Revisionsbeantwortung wurde nicht erstattet.

4. Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Revision ist aus den von der Revisionswerberin geltend gemachten Gründen zulässig. Sie ist - aus den nachstehenden Erwägungen - auch berechtigt.

5.1. Was zunächst den Ausspruch einer Beitragspflicht für den Zeitraum vom 26. März 2004 bis zum 31. Dezember 2005 betrifft, so hat - wie die Revisionswerberin zutreffend rügt - das Verwaltungsgericht seine Prüf- und Entscheidungsbefugnis überschritten.

5.2. Das Verwaltungsgericht hat zwar grundsätzlich in der Sache selbst zu entscheiden und damit nicht nur die gegen den verwaltungsbehördlichen Bescheid eingebrachte Beschwerde, sondern auch die Angelegenheit zu erledigen, die von der Verwaltungsbehörde zu entscheiden war (vgl. insbesondere § 28 Abs. 2 und 3 VwGVG). Diese Prüfbefugnis ist jedoch keine unbegrenzte, vielmehr ist ihr äußerster Rahmen die "Sache" des bekämpften Bescheids; dieser Rahmen wird in den Fällen einer Trennbarkeit der behördlichen Entscheidung weiter eingeschränkt, wenn in der Beschwerde von mehreren trennbaren Absprüchen nur ein Teil bekämpft wird (vgl. VwGH 9.9.2015, Ro 2015/03/0032; mwN). Eine Trennbarkeit von Absprüchen ist dann gegeben, wenn jeder Teil für sich allein ohne einen inneren Zusammenhang mit anderen Teilen einem gesonderten Abspruch zugänglich ist (vgl. VwGH 28.2.2013, 2012/10/0074).

5.3. Vorliegend stellt der in Rede stehende Ausspruch über die Beitragspflicht der Revisionswerberin für den Zeitraum vom 26. März 2004 bis zum 31. Dezember 2005 einen rechtlich trennbaren Abspruch im soeben aufgezeigten Sinn dar, handelt es sich doch um einen von den anderen Teilen gesonderten, mit diesen in keinem zwingenden inneren Zusammenhang stehenden Ausspruch, der einem eigenständigen rechtlichen Schicksal unterliegt. Da der von der belangten Behörde getätigte Ausspruch über das Nichtbestehen einer Beitragspflicht im genannten Zeitraum unbekämpft geblieben und in Rechtskraft erwachsen ist, war das Verwaltungsgericht nicht befugt, insoweit eine (nochmalige) Prüfung und Entscheidung vorzunehmen.

Indem das Verwaltungsgericht dennoch die Beitragspflicht im besagten Zeitraum zum Gegenstand seiner Entscheidung gemacht hat, hat es eine Zuständigkeit in Anspruch genommen, die ihm nicht zugekommen ist. Es hat daher das angefochtene Erkenntnis mit Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit belastet.

6.1. Soweit das Verwaltungsgericht davon ausgegangen ist, dass die Revisionswerberin als Kommanditistin der KEG im Zeitraum vom 26. März 2004 bis zum 31. Juli 2009 der Pflichtversicherung in der Kranken- und Pensionsversicherung nach § 2 Abs. 1 Z 4 GSVG unterlegen sei, ist vorweg festzuhalten, dass die Kriterien für die Anwendung der genannten Bestimmung damit umschrieben werden (vgl. VwGH 11.9.2008, 2006/08/0243), dass es sich (1) um selbständig erwerbstätige Personen handelt, die (2) auf Grund einer betrieblichen Tätigkeit (3) bestimmte Arten von Einkünften im Sinn des EStG 1988 (über der maßgeblichen Versicherungsgrenze) beziehen, ohne dass auf Grund der jeweiligen Tätigkeit bereits eine Pflichtversicherung besteht.

Vorliegend ist insbesondere die Erfüllung des erstgenannten Kriteriums - also die Frage, ob fallbezogen von einer selbständigen Erwerbstätigkeit der Revisionswerberin als Kommanditistin der KEG auszugehen ist - strittig. Wie im Folgenden zu zeigen sein wird, wurde diese Frage vom Verwaltungsgericht unrichtig gelöst und - schon deshalb (auf die weiteren angeführten Kriterien braucht nicht mehr eingegangen zu werden) - zu Unrecht eine Pflichtversicherung nach § 2 Abs. 1 Z 4 GSVG und eine daraus folgende Beitragspflicht angenommen.

6.2. Zur Voraussetzung einer selbständigen Erwerbstätigkeit im Sinn des § 2 Abs. 1 Z 4 GSVG wird in den Materialien zur 23. GSVG-Novelle, BGBl. I Nr. 139/1998 (ErläutRV 1235 BlgNR 20. GP, 18), ausgeführt:

"Erwerbstätigkeit setzt generell eine ‚Tätigkeit', also eine aktive Betätigung voraus, die auf einen Erwerb, dh. auf Einkünfte gerichtet ist (...) Wer hingegen nur ‚sein Kapital arbeiten lässt', soll daraus keinen Sozialversicherungsschutz erlangen und daher auch nicht versicherungspflichtig sein (...) Im Unterschied zu den Gesellschaftern von Kapitalgesellschaften sind die persönlich haftenden Gesellschafter von Personenhandelsgesellschaften (OHG, KG) und von eingetragenen Erwerbsgesellschaften (OEG, KEG) typischerweise persönlich unternehmerisch tätig, um den Gesellschaftszweck zu erreichen. Es ist daher folgerichtig, dass diese Personen, die auf Grund ihrer Haftung auch das wesentliche Unternehmerrisiko tragen, in die Sozialversicherungspflicht einbezogen werden (...) Etwas anders ist die Situation bei den Kommanditisten einer KG oder KEG, deren persönliche Haftung nach § 161 HGB auf den im Firmenbuch eingetragenen Haftungsbetrag beschränkt ist. Sie sind nur bei außerordentlichen Geschäftsführungsmaßnahmen in die Geschäftsführung eingebunden (...) Bei den Kommanditisten stehen daher in der Regel die vermögensmäßige Beteiligung und die Kapitalverzinsung im Vordergrund (...) Für das Regelmodell der KG (KEG) soll eine Sozialversicherungspflicht nicht bestehen, weil auch nicht mehr von einer Erwerbstätigkeit gesprochen werden kann (...) Bringt der Kommanditist jedoch Dienstleistungen in die Gesellschaft ein, übernimmt er typische unternehmerische Aufgaben (zB Geschäftsführungsbefugnisse) oder (und) trägt er ein Unternehmerrisiko, das über seine Haftungseinlage hinausgeht (zB Pflicht zur Verlustabdeckung im Innenverhältnis), liegt eine Erwerbstätigkeit vor, die nach den Kriterien des § 2 Abs. 1 Z 4 GSVG (...) die Sozialversicherungspflicht nach sich zieht".

6.3. Vorliegend geht das Verwaltungsgericht von einer selbständigen Erwerbstätigkeit im Sinn des § 2 Abs. 1 Z 4 GSVG aus, weil die Revisionswerberin - im Sinn der soeben wiedergegebenen Gesetzesmaterialien - ein Unternehmerrisiko getragen habe, indem sie eine nahezu unbeschränkte Verlusthaftung im Innenverhältnis über ihre Haftungseinlage von EUR 1.000,-- hinaus übernommen habe.

Das Verwaltungsgericht bezieht sich dabei auf Punkt 5. des Gesellschaftsvertrags der KEG, der auszugsweise lautet:

"Am Gewinn und Verlust sowie am Vermögen der Gesellschaft sind die Gesellschafter im Verhältnis ihrer Kapitalkonten beteiligt. Dies entspricht einer Beteiligung von 51 % für (... (den Ehemann)) und von 49 % für (... (die Revisionswerberin)). Der Gewinn- oder Verlustanteil eines jeden Gesellschafters wird auf einem Verrechnungskonto verbucht (...)"

Entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts kann jedoch in dieser gesellschaftsvertraglichen Regelung - über die Zuweisung von Gewinn und Verlust im Verhältnis der Beteiligung an den Kapitalkonten sowie die Verbuchung der Gewinn- oder Verlustanteile auf gesonderten Verrechnungskonten - keine Haftungsübernahme im Innenverhältnis erkannt werden, der zufolge die Revisionswerberin - abweichend von der Regelung des § 167 in Verbindung mit § 121 UGB - eine Ausgleichs- bzw. Nachschusspflicht über die geleistete Kommanditeinlage hinaus treffen würde.

Eine Verlustzuweisung könnte zwar dazu führen, dass der Betrag der Einlagenleistung gemindert, aufgezehrt oder sogar passiv wird und die Revisionswerberin in der Folge eine Gewinnauszahlung bis zum Ausgleich eines Fehlbetrags durch spätere Gewinnzuweisungen nicht verlangen könnte (vgl. § 168 UGB). Allerdings ist darin keine Übernahme eines Unternehmerrisikos im Sinn einer unbeschränkten Nachschusspflicht bzw. Verlusthaftung über die Haftungseinlage hinaus zu erblicken. In dem Sinn hat auch der Verwaltungsgerichtshof bereits erkannt, dass die vereinbarte Verlustbeteiligung für sich allein nicht bewirken kann, dass ein Kommanditist nach § 2 Abs. 1 Z 4 GSVG pflichtversichert wäre (vgl. etwa VwGH 11.6.2014, 2012/08/0157).

Der Verwaltungsgerichtshof hat ferner bereits ausgesprochen, dass es für eine (unbeschränkte) Nachschusspflicht des Kommanditisten einer eindeutigen Vereinbarung bedarf, zumal damit im Ergebnis vom Grundmodell der Kommanditgesellschaft abgewichen wird (vgl. VwGH 28.3.2012, 2009/08/0001). Eine solche Vereinbarung ist hier freilich nicht zu sehen, lässt doch die in Rede stehende Regelung der Gewinn- und Verlustzuweisung ein Abgehen vom gesetzlichen Grundmodell der Kommanditgesellschaft nicht erkennen.

6.4. Soweit das Verwaltungsgericht (ausdrücklich) festgestellt hat, die Haftung der Revisionswerberin sei "nach Maßgabe ihres Anteils an den Kapitalkonten (49 %) (...) und nicht mit der Kommanditeinlage von EUR 1.000,--" begrenzt gewesen, hat es sich nicht nur (im Sinn der obigen Erörterungen) über den Wortlaut des Punktes 5. des Gesellschaftsvertrags hinweggesetzt, sondern auch die diesbezüglichen Beweisergebnisse - vgl. etwa die Zeugenaussage des Ehemanns in der mündlichen Verhandlung, wonach die Revisionswerberin an den Verlusten der KEG nicht beteiligt gewesen sei bzw. bei Verlusten nicht nachschusspflichtig geworden wäre - ohne jede Begründung außer Acht gelassen.

6.5. Zusammengefasst ist daher davon auszugehen, dass die Revisionswerberin kein Unternehmerrisiko (durch Übernahme einer unbeschränkten Nachschusspflicht bzw. Verlusthaftung im Innenverhältnis über die Haftungseinlage hinaus) getragen hat. Die allein darauf gestützte Beurteilung des Verwaltungsgerichts, die Revisionswerberin wäre selbständig erwerbstätig gewesen und deshalb der Pflichtversicherung nach § 2 Abs. 1 Z 4 GSVG unterlegen, erweist sich als rechtswidrig.

7.1. Die Revisionswerberin hat aber auch keine unternehmerischen Aufgaben (insbesondere Geschäftsführungsaufgaben) übernommen, die geeignet gewesen wären, eine selbständige Erwerbstätigkeit im Sinn des § 2 Abs. 1 Z 4 GSVG zu begründen.

7.2. Wie der Verwaltungsgerichtshof - im Einklang mit den oben wiedergegebenen Gesetzesmaterialien - in ständiger Rechtsprechung vertritt (vgl. etwa 11.9.2008, 2006/08/0041; 2.9.2013, 2011/08/0357), sollen Kommanditisten nach Maßgabe einer "aktiven Betätigung" im Unternehmen, die auf Einkünfte gerichtet ist, pflichtversichert sein, nicht jedoch Kommanditisten, die nur "ihr Kapital arbeiten lassen", das heißt, sich im Wesentlichen auf die gesetzliche Stellung eines Kommanditisten beschränken. Die Beantwortung der Frage, ob sich ein Kommanditist in einer für § 2 Abs. 1 Z 4 GSVG relevanten Weise "aktiv" im Unternehmen betätigt, kann in rechtlicher Hinsicht nur vom Umfang seiner Geschäftsführungsbefugnisse abhängen. Kommanditisten, die nur "ihr Kapital arbeiten lassen" und daher nicht nach § 2 Abs. 1 Z 4 GSVG pflichtversichert sein sollen, sind jedenfalls jene, deren Rechtsstellung über die gesetzlich vorgesehenen Mitwirkungsrechte an der Geschäftsführung nicht hinausgeht.

Nach § 164 UGB sind die Kommanditisten von der Führung der Geschäfte der Gesellschaft ausgeschlossen und können einer Handlung der unbeschränkt haftenden Gesellschafter nicht widersprechen, es sei denn, die Handlung geht über den gewöhnlichen Betrieb des Unternehmens hinaus. Die Beantwortung der Frage, ob einem Kommanditisten mehr Geschäftsführungsbefugnisse eingeräumt wurden, als ihm nach der dispositiven (vgl. OGH 19.3.2013, 4 Ob 232/12i) Regelung des § 164 UGB zustehen, richtet sich also danach, ob sich seine Mitwirkungsrechte auch auf die Angelegenheiten des gewöhnlichen Betriebs der Gesellschaft erstrecken (vgl. neuerlich VwGH 2006/08/0041).

Ob ein Geschäft zu den gewöhnlichen Betriebsgeschäften gehört, ist jeweils im Einzelfall zu entscheiden. Maßgebend sind dabei der Gesellschaftsvertrag, Art und Umfang des Betriebs sowie Art, Größe und Bedeutung des Geschäfts für den Betrieb (vgl. VwGH 23.1.2008, 2006/08/0173; siehe auch nochmals 2006/08/0041, wonach außergewöhnliche Geschäfte solche sind, die nach Art und Inhalt, Zweck oder Umfang und Risiko Ausnahmecharakter haben).

7.3. Vorliegend wurden im Punkt 4. des Gesellschaftsvertrags diverse "außerordentliche Geschäfte" genannt, die zwar der Geschäftsführung durch den Ehemann als Komplementär unterlagen, jedoch zusätzlich eines vorangehenden Gesellschafterbeschlusses und damit einer Mitwirkung auch der Revisionswerberin als Kommanditistin bedurften. Die Auflistung der "außerordentlichen Geschäfte" umfasste unter anderem den Abschluss, die Änderung und Auflösung von Bestand-, Leasing- und sonstigen Dauerschuldverträgen sowie die Aufnahme, Entlassung und Kündigung von Dienstnehmern. Bei diesen Rechtsgeschäften handelte es sich jedoch - ungeachtet ihrer Benennung im Gesellschaftsvertrag - um solche, die auch der hier im Blick stehende Betrieb eines Kleinunternehmens (mit Gegenstand Dienst- und Serviceleistungen in der Energietechnik) gewöhnlich mit sich bringt und nach der Aktenlage (vgl. das Einspruchsvorbringen und die dazu vorgelegten Urkunden, wonach die KEG wiederholt Dienstnehmer beschäftigt und Bestandflächen gemietet hat) auch tatsächlich mit sich gebracht hat.

Davon ausgehend war eine Teilnahme der Revisionswerberin als Kommanditistin an gewöhnlichen Betriebsgeschäften der KEG gesellschaftsvertraglich vorgesehen und ist diese Teilnahme über die gesetzlich zustehenden Mitwirkungsrechte hinausgegangen. Allerdings ist daraus nicht zwangsläufig auf das Vorliegen einer selbständigen Erwerbstätigkeit im Sinn des § 2 Abs. 1 Z 4 GSVG zu schließen, wenn - wie hier - der Kommanditist auf Grund der Stimmenmehrheit des Komplementärs und des vorgesehenen Mehrheitsprinzips faktisch keinen Einfluss auf die Geschäftsführung nehmen konnte.

7.4. Für die Beurteilung, ob ein Kommanditist "selbständig erwerbstätig" im Sinn des § 2 Abs. 1 Z 4 GSVG ist, kommt es nämlich darauf an, ob ihm durch den Gesellschaftsvertrag eine über die bloße Kommanditistenstellung hinausgehende Rechtsposition - im Sinn eines Mitspracherechts bei der Unternehmensführung - eingeräumt wird, die jener eines Komplementärs gleichkommt (vgl. neuerlich VwGH 2006/08/0173). Der Kommanditist ist daher als selbständig erwerbstätig anzusehen, wenn ihm auf Grund rechtlicher Gegebenheiten Geschäftsführungsbefugnisse über die gesetzlich zustehenden Mitwirkungsrechte hinaus zukommen und er damit auch einen maßgeblichen Einfluss auf die laufende Geschäftsführung nehmen kann (vgl. VwGH 18.2.2009, 2007/08/0043; abermals 2012/08/0157).

Vorliegend wurden nach der Regelung des Gesellschaftsvertrags die Gesellschafterbeschlüsse - von hier nicht relevanten Ausnahmen abgesehen - mit einfacher Stimmenmehrheit gefasst, das Stimmrecht richtete sich nach dem Verhältnis der fixen Kapitalkonten (Ehemann 51 %, Revisionswerberin 49 %). Im Hinblick darauf, dass der Ehemann über die Stimmenmehrheit verfügte und Mehrheitsbeschlüsse vorgesehen waren, konnte die Revisionswerberin freilich den betreffenden Geschäften im Rahmen der Gesellschafterbeschlüsse nicht wirksam widersprechen. Da die Geschäftsführung dem Ehemann oblag, kam ihr - mangels einer diesbezüglichen gesellschaftsvertraglichen Regelung - nicht einmal eine "Entscheidungsinitiative" zu (vgl. VwGH 2.5.2012, 2009/08/0182).

Folglich konnte die Revisionswerberin keinerlei maßgeblichen Einfluss auf die laufende Geschäftsführung in den betreffenden Angelegenheiten nehmen und kam ihr kein unternehmerisches Mitspracherecht zu, das als selbständige Erwerbstätigkeit im Sinn des § 2 Abs. 1 Z 4 GSVG zu erachten gewesen wäre.

7.5. Dem stehen auch die Erkenntnisse VwGH 4.9.2013, 2011/08/0345, und 28.1.2015, 2012/08/0235, nicht entgegen, waren doch die dortigen Sachverhalte anders gelagert. Den Entscheidungen lagen Konstellationen zugrunde, in denen an einer Beschlussfassung mehr als zwei Gesellschafter mitzuwirken hatten und nicht schon einer allein über die notwendige Stimmenmehrheit verfügt hat, sodass der jeweilige Beschwerdeführer als Kommanditist - wenn auch zusammen mit einem weiteren Beteiligten - maßgeblichen Einfluss auf die Beschlussfassung und damit auf die Geschäftsführung durch den Komplementär nehmen konnte.

8. Insgesamt hat daher das Verwaltungsgericht einerseits über die Beitragspflicht im Zeitraum vom 26. März 2004 bis zum 31. Dezember 2005 zu Unrecht entschieden und andererseits das Vorliegen einer Pflichtversicherung in der Kranken- und Pensionsversicherung nach § 2 Abs. 1 Z 4 GSVG (als Kommanditistin der KEG) zu Unrecht bejaht. Das angefochtene Erkenntnis war deshalb wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit (§ 42 Abs. 2 Z 2 VwGG) sowie wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts (§ 42 Abs. 2 Z 1 VwGG) aufzuheben.

9. Die Zuerkennung von Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014. Wegen der auch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren geltenden sachlichen Abgabenfreiheit (§ 110 ASVG) war die Eingabengebühr nicht zu ersetzen.

Wien, am 12. September 2018

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2018:RA2015080032.L00

Im RIS seit

04.10.2018

Zuletzt aktualisiert am

20.11.2018
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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