TE Lvwg Erkenntnis 2018/7/19 LVwG-AV-5/001-2009

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Veröffentlicht am 19.07.2018
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Entscheidungsdatum

19.07.2018

Norm

GütbefG 1995 §5 Abs2 Z3
GewO 1994 §91 Abs2
AVG 1991 §13 Abs7

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich erkennt durch MMag. Dr. Michaela Lütte als Einzelrichterin über die als Beschwerde zu behandelnde Berufung der A Gesellschaft m.b.H., vertreten durch die B Rechtsanwälte OG, ***, ***, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom 14. Juni 1999, Zl. ***, betreffend Konzessionserweiterung und Konzessionsentziehung nach dem Güterbeförderungsgesetz 1995, nach öffentlicher mündlicher Verhandlung zu Recht:

1.   Hinsichtlich des Spruchpunktes 1 (Abweisung des Ansuchens auf Konzessionserweiterung) wird der Beschwerde gemäß § 28 Abs. 1 des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes (VwGVG) stattgegeben und der angefochtene Bescheid ersatzlos behoben.

2.   Hinsichtlich des Spruchpunktes 2 (Konzessionsentziehung) wird die Beschwerde gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG als unbegründet abgewiesen.

3.   Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision gemäß § 25a des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG) in Verbindung mit Art. 133 Abs. 4 des Bundes-Verfassungsgesetzes (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe:

1.   Zum bisherigen Verfahrensgang:

1.1. Mit dem angefochtenen Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich (in der Folge: belangte Behörde) vom 14. Juni 1999, Zl. ***, wurde

1.   das Ansuchen der A Gesellschaft m.b.H. (in der Folge: beschwerdeführende Gesellschaft) auf Erweiterung der Konzession für die Beförderung von Gütern mit Kraftfahrzeugen im Fernverkehr (Güterfernverkehr) mit zwei Kraftfahrzeugen auf fünf Kraftfahrzeuge gemäß § 5 Abs. 1 Z 1 und Abs. 2 des Güterbeförderungsgesetzes 1995 (GütbefG), in der damals geltenden Fassung, abgewiesen sowie

2.   deren Konzession für die Beförderung von Gütern mit Kraftfahrzeugen im Fernverkehr (Güterfernverkehr) mit zwei Kraftfahrzeugen im Standort ***, ***, gemäß § 91 Abs. 2 in Verbindung mit § 5 Abs. 1 Z 1 GütbefG, in der damals geltenden Fassung, entzogen.

Begründend ist – auf das Wesentliche zusammengefasst – ausgeführt, dass infolge der am 17. September 1998 beantragten Konzessionserweiterung festgestellt worden sei, dass der handelsrechtliche und gewerberechtliche Geschäftsführer sowie Mehrheitsgesellschafter der beschwerdeführenden Gesellschaft C (in der Folge: handelsrechtlicher Geschäftsführer und Mehrheitsgesellschafter) in den letzten fünf Jahren insgesamt 50 mal wegen Übertretungen der Gewerbeordnung, des Güterbeförderungsgesetzes, des Kraftfahrzeuggesetzes, der Straßenverkehrsordnung, des Arbeitszeitgesetzes und des Wasserrechtsgesetzes rechtskräftig bestraft worden sei. Der handelsrechtliche Geschäftsführer und Mehrheitsgesellschafter sei aufgrund dieser schwerwiegenden Verstöße als unzuverlässig anzusehen und das Ansuchen auf Konzessionserweiterung abzuweisen gewesen. Zudem sei die beschwerdeführende Gesellschaft aufgefordert worden, den handelsrechtlichen Geschäftsführer und Mehrheitsgesellschafter aus dessen Funktionen zu entfernen. Da dieser Aufforderung nicht entsprochen worden sei, sei der beschwerdeführenden Gesellschaft auch die bestehende Konzession gemäß § 91 Abs. 2 GewO 1994 zu entziehen gewesen.

1.2. Mit Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates im Land Niederösterreich vom 05. Februar 2004, Zl. Senat-AB-99-014, wurde der Berufung der beschwerdeführenden Gesellschaft hinsichtlich des Spruchpunktes 1 (Abweisung des Ansuchens auf Konzessionserweiterung) stattgegeben und der beschwerdeführenden Gesellschaft die Bewilligung für die Erweiterung der Konzession für die Beförderung von Gütern mit Kraftfahrzeugen im grenzüberschreitenden Verkehr um weitere drei Kraftfahrzeuge (insgesamt sohin fünf Kraftfahrzeuge) erteilt. Hinsichtlich des Spruchpunktes 2 (Entziehung der Konzession für den Güterfernverkehr mit zwei Kraftfahrzeugen) wurde der Berufung ebenso stattgegeben und der bekämpfte Bescheid in diesem Umfang ersatzlos behoben.

Begründend wurde – auf das Wesentliche zusammengefasst – ausgeführt, dass nach dem (damals) derzeitigen Stand nur noch 27 rechtskräftige Verwaltungsvorstrafen und damit nur mehr rund die Hälfte der von der Erstbehörde berücksichtigten Fälle vorliegen würden, die übrigen zwischenzeitig getilgt seien. Bei den noch nicht getilgten 27 Verwaltungsvorstrafen sei zusätzlich eine eindeutige Tendenz in Richtung erhebliche Reduzierung zu erkennen; auch würde ein nicht unerheblicher Teil der noch nicht getilgten Verwaltungsvorstrafen in den nächsten Monaten infolge Ablaufs der fünfjährigen Tilgungsfrist getilgt werden. Die im Zeitpunkt der erstinstanzlichen Entscheidung nicht mehr gegebene Zuverlässigkeit sei zwischenzeitig wieder eingetreten.

1.3. Mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 23. September 2009, Zl. ***, wurde dieser Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates im Land Niederösterreich infolge einer Amtsbeschwerde wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufgehoben.

Begründend ist ausgeführt, der Unabhängige Verwaltungssenat im Land Niederösterreich übersehe bei seiner Feststellung, dass die Zuverlässigkeit des handelsrechtlichen Geschäftsführers und Mehrheitsgesellschafters weiterhin gegeben sei, dass dieser u.a. wegen zahlreicher Übertretungen von Bestimmungen des Arbeitszeitgesetzes, wegen einer Vielzahl von Übertretungen des KFG, GütbefG, der GewO sowie des AuslBG mit Geldstrafen in (teilweise) nicht unerheblichem Ausmaß rechtskräftig bestraft worden sei. Schon diese Delikte würden Verstöße schwerwiegender Art im Sinne des § 5 Abs. 2 GütbefG, in der damals geltenden Fassung, darstellen. Eine darüber hinausgehende Verpflichtung zur Prüfung des Persönlichkeitsbildes sei aus dem Gesetz nicht abzuleiten, weshalb eine Tendenzbetrachtung des sich in verwaltungsstrafbehördlichen Übertretungen manifestierenden Verhaltens nicht stattzufinden habe. Der Unabhängige Verwaltungssenat im Land Niederösterreich habe daher die Rechtslage verkannt, wenn er alleine aus dem Umstand, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung „nur“ [Hervorhebung im Original] noch 27 rechtskräftige (noch nicht getilgte) Verwaltungsvorstrafen vorliegen würden, die eindeutige Tendenz einer erheblichen Reduzierung zu erkennen vermeinte.

2.   Zum verwaltungsgerichtlichen Verfahren:

2.1. Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich forderte die beschwerdeführende Gesellschaft mit Schreiben vom 13. März 2018 auf, zur Aktualität des Beschwerdeverfahrens Stellung zu nehmen und etwaige Änderungen der Sachlage bekanntzugeben.

2.2. Mit Schreiben vom 05. April 2018 teilte die beschwerdeführende Gesellschaft durch ihre Rechtsvertretung mit, den Antrag auf Konzessionserweiterung (Spruchpunkt 1 des angefochtenen Bescheides) zurückzuziehen. Darüber hinaus ist ausgeführt, dass die dem angefochtenen Bescheid zugrunde liegenden Verwaltungsstrafen zwischenzeitig bereits getilgt seien und keine Grundlage für die Entziehung der Konzession aufgrund mangelnder Zuverlässigkeit mehr darstellen würden.

2.3. Die belangte Behörde teilte mit Schreiben vom 19. April 2018 mit, dass der Beurteilung der Zuverlässigkeit nunmehr sämtliche zum Zeitpunkt der Entscheidung des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich aktuelle gerichtliche Verurteilungen und Verwaltungsübertretungen im Sinne des § 5 Abs. 2 GütbefG zugrunde zu legen seien.

Mit Schreiben vom 05. Juni 2018 teilte die belangte Behörde mit, dass aktuell verwaltungsstrafrechtliche Vormerkungen betreffend den handelsrechtlichen Geschäftsführer und Mehrheitsgesellschafter von insgesamt neun Bezirkshauptmannschaften in Niederösterreich vorliegen würden.

2.4. Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich holte die verwaltungsstrafrechtlichen Vormerkungen samt dazugehöriger Straferkenntnisse bei den namhaft gemachten Bezirkshauptmannschaften sowie einen Auszug aus dem Strafregister der Republik Österreich betreffend den handelsrechtlichen Geschäftsführer und Mehrheitsgesellschafter ein und übermittelte diese Unterlagen den Parteien zur Vorbereitung auf die mündliche Verhandlung.

2.5. Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich führte am 21. Juni 2018 eine öffentliche mündliche Verhandlung in Anwesenheit (alleine) des handelsrechtlichen Geschäftsführers und Mehrheitsgesellschafters als Vertreter der beschwerdeführenden Gesellschaft durch. In dieser wurde Beweis erhoben durch Verlesung des Aktes der belangten Behörde, des Aktes des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich, Zl. LVwG-AV-5/001-2009 (vormals: LVwG-AB-09-0209), einschließlich der vom Landesverwaltungsgericht Niederösterreich eingeholten Unterlagen, wie insbesondere des Firmenbuchauszugs betreffend die beschwerdeführenden Gesellschaft, des Auszugs aus dem Gewerbeinformationssystem Austria (GISA), der eingeholten verwaltungsstrafrechtlichen Vormerkungen samt Bezug habender Straferkenntnisse betreffend den handelsrechtlichen Geschäftsführer und Mehrheitsgesellschafter, dessen Strafregisterauszug sowie durch Einvernahme des handelsrechtlichen Geschäftsführers und Mehrheitsgesellschafters.

3.   Feststellungen:

3.1. Die belangte Behörde forderte die beschwerdeführende Gesellschaft mit Schreiben vom 21. Jänner 1999, Zl. ***, auf, deren handelsrechtlichen Geschäftsführer und Mehrheitsgesellschafter aus dessen Funktionen innerhalb eines Monats zu entfernen, da dieser in den letzten fünf Jahren insgesamt 50 mal rechtskräftig wegen Übertretungen der Gewerbeordnung, des Güterbeförderungsgesetzes, des Kraftfahrgesetzes, der Straßenverkehrsordnung, des Arbeitszeitgesetzes und des Wasserrechtsgesetzes bestraft worden und daher als unzuverlässig anzusehen sei.

3.2. Die beschwerdeführende Gesellschaft entfernte den handelsrechtlichen Geschäftsführer und Mehrheitsgesellschafter nicht innerhalb der im Aufforderungsschreiben gesetzten Frist. Der beschwerdeführenden Gesellschaft wurde die verfahrensgegenständliche Konzession gemäß § 91 Abs. 2 GewO 1994 entzogen.

3.3. Mit dem – infolge des die Konzessionsentziehung aufhebenden Bescheides des Unabhängigen Verwaltungssenates im Land Niederösterreich ergangenen – Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 23. September 2009, Zl. ***, wurde festgestellt, dass der handelsrechtliche Geschäftsführer und Mehrheitsgesellschafter u.a. wegen zahlreicher Übertretungen von Bestimmungen insbesondere des Arbeitszeitgesetzes, des Kraftfahrgesetzes, des GütbefG und der Gewerbeordnung mit Geldstrafen in (teilweise) nicht unerheblichen Ausmaß rechtskräftig bestraft wurde und schon diese Delikte Verstöße schwerwiegender Art im Sinne des § 5 Abs. 2 GütbefG darstellen.

Zum Zeitpunkt der Erlassung des Bescheides des Unabhängigen Verwaltungssenates im Land Niederösterreich lagen 27 rechtskräftige, nicht getilgte Verwaltungsübertretungen vor.

3.4. Die dem Aufforderungsschreiben bzw. dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes zugrunde liegenden Verwaltungsstrafen sind getilgt.

3.5. Aktuell scheinen betreffend den handelsrechtlichen Geschäftsführer und Mehrheitsgesellschafter bei den Bezirkshauptmannschaften Amstetten, Hollabrunn, Horn, Korneuburg, Krems an der Donau, Mistelbach und St. Pölten, insgesamt 26 rechtskräftige, nicht getilgte Bestrafungen nach dem Kraftfahrgesetz, dem Arbeitszeitgesetz und der Straßenverkehrsordnung auf; die Verwaltungsübertretungen sind vom handelsrechtlichen Geschäftsführer und Mehrheitsgesellschafter allesamt – mit Ausnahme der Bestrafung nach der Straßenverkehrsordnung – in seiner Funktion als handelsrechtlicher Geschäftsführer der beschwerdeführenden Gesellschaft begangen worden.

3.6. Der handelsrechtliche Geschäftsführer und Mehrheitsgesellschafter händigt zweimal jährlich eine Dienstunterweisung an die Fahrer der beschwerdeführenden Gesellschaft aus; die Fahrer der beschwerdeführenden Gesellschaft haben nach Dienstende einen Tagesbericht zu erstellen, in den insbesondere an den Fahrzeugen vorzunehmende Reparaturen aufzunehmen sind, und besuchten die Fahrer einen Ladungskurs. Ein darüber hinausgehendes Maßnahmen- oder Kontrollsystem zur Hintanhaltung von schwerwiegenden Verstößen im Sinne des GütbefG besteht nicht und hat der handelsrechtliche Geschäftsführer und Mehrheitsgesellschafter bislang keine arbeitsrechtlichen Konsequenzen im Falle einer (gehäuften) Verwaltungsübertretung durch einen Fahrer gezogen.

3.7. Der handelsrechtliche Geschäftsführer und Mehrheitsgesellschafter ist nach wie vor handelsrechtlicher Geschäftsführer und Mehrheitsgesellschafter der beschwerdeführenden Gesellschaft.

3.8. Die beschwerdeführende Gesellschaft zog mit Schreiben vom 05. April 2018 den Antrag auf Konzessionserweiterung von zwei auf fünf Kraftfahrzeuge (Spruchpunkt 1 des angefochtenen Bescheides) zurück.

4.   Beweiswürdigung:

Die getroffenen, insoweit unstrittigen Feststellungen ergeben sich aus dem in der öffentlichen mündlichen Verhandlung verlesenen Verwaltungsakt der belangten Behörde und dem Gerichtsakt des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich, insbesondere aus dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 23. September 2009, dem Firmenbuchauszug betreffend die beschwerdeführende Gesellschaft, aus der Einsichtnahme in die derzeit aufscheinenden verwaltungsstrafrechtlichen Vormerkungen samt Straferkenntnissen betreffend den handelsrechtlichen Geschäftsführer und Mehrheitsgesellschafter und aus dem Schreiben der beschwerdeführenden Gesellschaft vom 05. April 2018, sowie aus der Einvernahme des handelsrechtlichen Geschäftsführers und Mehrheitsgesellschafters in der öffentlichen mündlichen Verhandlung.

Der handelsrechtliche Geschäftsführer und Mehrheitsgesellschafter gab in der öffentlichen mündlichen Verhandlung glaubwürdig an, dass die Fahrer der beschwerdeführenden Gesellschaft Ladungskurse besucht haben, dass an diese zweimal jährlich eine Dienstunterweisung ausgehändigt werde und die Fahrer verpflichtetet seien, einen Tagesbericht, in welchen insbesondere die an den Fahrzeugen vorzunehmenden Reparaturen einzutragen seien, zu erstellen. Ein darüber hinausgehendes Maßnahmen- oder Kontrollsystem wurde nicht behauptet: Der handelsrechtliche Geschäftsführer und Mehrheitsgesellschafter führte aus, dass er nicht an sämtlichen Fahrten der Fahrer teilnehmen könne, die Fahrer über die gesetzlichen Bestimmungen zwar informiert seien, sie sich aber teilweise nicht daran halten würden und er in der Vergangenheit noch keine arbeitsrechtlichen Konsequenzen im Falle von Verwaltungsübertretungen gezogen habe; auch kann der bloße Hinweis des handelsrechtlichen Geschäftsführers und Mehrheitsgesellschafters, zukünftig rechtswidrige Vorgehensweisen der Fahrer nicht mehr akzeptieren zu wollen, nicht als Einrichtung eines Maßnahmen- oder Kontrollsystems zur Hintanhaltung von schwerwiegenden Verstößen im Sinne des GütbefG verstanden werden.

5.   Rechtslage:

5.1. Art. 151 Abs. 51 Z 8 des Bundes-Verfassungsgesetzes (B-VG) lautet:

„(51) Für das Inkrafttreten der durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 51/2012 geänderten oder eingefügten Bestimmungen und für das Außerkrafttreten der durch dieses Bundesgesetz aufgehobenen Bestimmungen sowie für den Übergang zur neuen Rechtslage gilt Folgendes:

8.  Mit 1. Jänner 2014 werden die unabhängigen Verwaltungssenate in den Ländern […] aufgelöst; […] Die Zuständigkeit zur Weiterführung der mit Ablauf des 31. Dezember 2013 bei diesen Behörden anhängigen Verfahren […] geht auf die Verwaltungsgerichte über […].“

5.2. § 28 des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes (VwGVG) lautet auszugsweise:

„§ 28. (1) Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

[…]“

5.3. Die hier maßgeblichen Bestimmungen der Verordnung (EG) Nr. 1071/2009 zur Festlegung gemeinsamer Regeln für die Zulassung zum Beruf des Kraftfahrzeugunternehmers […] (in der Folge: Verordnung (EG) Nr. 1071/2009) lauten:

„Artikel 3

Anforderungen für die Ausübung des Berufs des Kraftverkehrsunternehmers

(1) Unternehmen, die den Beruf des Kraftverkehrsunternehmers ausüben, müssen:

a)   über eine tatsächliche und dauerhafte Niederlassung in einem Mitgliedstaat verfügen;

b)   zuverlässig sein;

c)   eine angemessene finanzielle Leistungsfähigkeit besitzen und

d)   die geforderte fachliche Eignung besitzen.

(2) Die Mitgliedstaaten können beschließen, zusätzliche verhältnismäßige und nicht diskriminierende Anforderungen festzulegen, die die Unternehmen im Hinblick auf die Ausübung des Berufs des Kraftverkehrsunternehmers erfüllen müssen.“

„Artikel 6

Voraussetzungen bezüglich der Anforderung der Zuverlässigkeit

(1) Vorbehaltlich Absatz 2 des vorliegenden Artikels legen die Mitgliedstaaten fest, welche Voraussetzungen ein Unternehmen und ein Verkehrsleiter erfüllen müssen, damit die Anforderung der Zuverlässigkeit nach Artikel 3 Absatz 1 Buchstabe b erfüllt ist.

Bei der Entscheidung darüber, ob ein Unternehmen diese Anforderung erfüllt hat, berücksichtigen die Mitgliedstaaten das Verhalten des Unternehmens, seiner Verkehrsleiter und gegebenenfalls anderer vom jeweiligen Mitgliedstaat bestimmter maßgeblicher Personen. Jede Bezugnahme in diesem Artikel auf verhängte Urteile und Sanktionen oder begangene Verstöße schließt die gegen das Unternehmen selbst, seine Verkehrsleiter und gegebenenfalls andere vom jeweiligen Mitgliedstaat bestimmte maßgebliche Personen verhängten Urteile und Sanktionen bzw. die von diesen begangenen Verstöße ein.

Die in Unterabsatz 1 genannten Voraussetzungen umfassen mindestens Folgendes:

a) Die Zuverlässigkeit des Verkehrsleiters oder des Verkehrsunternehmens darf nicht zwingend in Frage gestellt sein, etwa durch Verurteilungen oder Sanktionen aufgrund eines schwerwiegenden Verstoßes gegen geltende einzelstaatliche Vorschriften in folgenden Bereichen:

         i) Handelsrecht,

  ii) Insolvenzrecht,

  iii) Entgelt- und Arbeitsbedingungen der Branche,

          iv) Straßenverkehr

         […]

b) gegen den Verkehrsleiter oder das Verkehrsunternehmen darf in keinem Mitgliedstaat ein Urteil wegen einer schwerwiegenden Straftat oder eine Sanktion verhängt worden sein wegen eines schwerwiegenden Verstoßes gegen Gemeinschaftsvorschriften, insbesondere in folgenden Bereichen:

  i) Lenk- und Ruhezeiten der Fahrer, Arbeitszeit sowie Einbau und Nutzung der Kontrollgeräte,

  ii) höchstzulässiges Gewicht und Abmessungen der Nutzfahrzeuge im grenzüberschreitenden Verkehr,

[…]

iv) Verkehrstüchtigkeit der Nutzfahrzeuge einschließlich der vorgeschriebenen technischen Überwachung der Kraftfahrzeuge,

      […]

         vi) Sicherheit beim Transport gefährlicher Güter auf der Straße,

         vii) Einbau und Benutzung von Geschwindigkeitsbegrenzern in bestimmten Fahrzeugklassen,

         […]

  ix) Zugang zum Beruf,

   x) Tiertransporte.

(2) Für die Zwecke von Absatz 1 Unterabsatz 3 Buchstabe b gilt Folgendes:

a) Wurde gegen den Verkehrsleiter oder das Verkehrsunternehmen in einem oder mehreren Mitgliedstaaten ein Urteil wegen einer schwerwiegenden Straftat oder eine Sanktion wegen schwerster Verstöße gegen Gemeinschaftsvorschriften gemäß Anhang IV verhängt, so führt die zuständige Behörde des Niederlassungsmitgliedstaats rechtzeitig auf geeignete Art und Weise ein ordnungsgemäß abgeschlossenes Verwaltungsverfahren, gegebenenfalls einschließlich einer Prüfung in den Räumlichkeiten des betreffenden Unternehmens, durch.

In dem Verfahren ist festzustellen, ob in Anbetracht der speziellen Gegebenheiten die Aberkennung der Zuverlässigkeit im konkreten Fall eine unverhältnismäßige Reaktion darstellen würde. Alle Feststellungen sind gebührend zu begründen und zu rechtfertigen.

Würde die Aberkennung der Zuverlässigkeit ihres Erachtens eine unverhältnismäßige Reaktion darstellen, so kann die zuständige Behörde feststellen, dass die Zuverlässigkeit nicht beeinträchtigt ist. In diesem Fall wird die Begründung in das einzelstaatliche Register aufgenommen. Die Zahl solcher Entscheidungen wird in dem in Artikel 26 Absatz 1 genannten Bericht aufgeführt.

Stellt die Aberkennung der Zuverlässigkeit nach Auffassung der zuständigen Behörde keine unverhältnismäßige Reaktion dar, so führt die Verurteilung oder Sanktion zur Aberkennung der Zuverlässigkeit.

[…]

(3) Die Anforderung nach Artikel 3 Absatz 1 Buchstabe b gilt so lange als nicht erfüllt, wie eine Rehabilitierungsmaßnahme oder eine andere Maßnahme gleicher Wirkung gemäß den einschlägigen einzelstaatlichen Vorschriften nicht erfolgt ist.“

5.4. Die hier maßgeblichen Bestimmungen des Güterbeförderungsgesetzes 1995 (GütbefG) lauten:

„§ 1. […]

(5) Soweit dieses Bundesgesetz nicht besondere Bestimmungen trifft, gilt für die gewerbsmäßige Beförderung von Gütern mit Kraftfahrzeugen die Gewerbeordnung 1994 mit der Maßgabe, dass das Güterbeförderungsgewerbe als reglementiertes Gewerbe gilt, auf das § 95 Abs. 2 der GewO 1994 anzuwenden ist.“

„§ 5. (1) Die Konzession darf nur erteilt werden, wenn neben den allgemeinen Voraussetzungen für die Ausübung eines reglementierten Gewerbes folgende Voraussetzungen gemäß Artikel 3 Verordnung (EG) Nr. 1071/09 erfüllt sind:

1.   die Zuverlässigkeit,

2.   die finanzielle Leistungsfähigkeit,

3.   die fachliche Eignung (Befähigungsnachweis) und

4.   eine tatsächliche und dauerhafte Niederlassung in Österreich.

Der Bewerber hat überdies entsprechend dem beabsichtigten Konzessionsumfang (§ 3) in der in Aussicht genommenen Standortgemeinde oder einer anderen Gemeinde im selben oder einem angrenzenden Verwaltungsbezirk über die erforderlichen Abstellplätze außerhalb von Straßen mit öffentlichem Verkehr zu verfügen. Sämtliche Voraussetzungen müssen während der gesamten Dauer der Gewerbeausübung vorliegen. Werden diese Voraussetzungen vom Gewerbetreibenden nicht mehr erfüllt, so ist die Konzession zu entziehen. Die §§ 87 bis 91 GewO 1994 bleiben hiervon unberührt. Die zuständige Gliederung der Landeskammer der gewerblichen Wirtschaft ist vor der Erteilung der Konzession aufzufordern, zur Frage der Leistungsfähigkeit des Betriebes eine Stellungnahme abzugeben.

(1a) Die in Abs. 1 genannten Voraussetzungen sind der zur Erteilung der Konzession zuständigen Behörde alle fünf Jahre ab Erteilung der Konzession nachzuweisen. Überprüfungen im Rahmen der Erteilung einer Gemeinschaftslizenz gemäß Art. 6 in Verbindung mit Art. 4 der Verordnung (EG) Nr. 1072/09 gelten als Überprüfung der Voraussetzungen gemäß Abs. 1 Z 1 bis 4.

(2) Die Zuverlässigkeit ist, abgesehen von den in Art. 6 Abs. 1 Verordnung (EG) Nr. 1071/09 geregelten Fällen, insbesondere dann nicht gegeben, wenn

1.   der Antragsteller, der Gewerbeberechtigte oder der Verkehrsleiter von einem Gericht zu einer drei Monate übersteigenden Freiheitsstrafe oder zu einer Geldstrafe von mehr als 180 Tagessätzen verurteilt wurde, solange die Verurteilung weder getilgt ist noch der Beschränkung der Auskunft aus dem Strafregister unterliegt (§§ 1 bis 6 Tilgungsgesetz 1972, BGBl. Nr. 68), oder

2.   dem Antragsteller, dem Gewerbeberechtigten oder dem Verkehrsleiter aufgrund der geltenden Vorschriften die Bewilligung zur Ausübung des Güterbeförderungsgewerbes rechtskräftig entzogen wurde, oder

3.   der Antragsteller, der Gewerbeberechtigte oder der Verkehrsleiter wegen schwerwiegender Verstöße gegen die Vorschriften über

a.   die für den Berufszweig geltenden Entlohnungs- und Arbeitsbedingungen oder

b.   die Güterbeförderung, insbesondere die Lenk- und Ruhezeiten der Lenker, die Gewichte und Abmessungen der Kraftfahrzeuge, die Sicherheit im Straßenverkehr und der Kraftfahrzeuge und den Umweltschutz sowie die sonstigen Vorschriften in Bezug auf die Berufspflichten,

rechtskräftig bestraft wurde.

[…]“

5.5. Die hier maßgeblichen Bestimmungen der Gewerbeordnung 1994 (GewO 1994) lauten:

„§ 13. […]

(7) Andere Rechtsträger als natürliche Personen sind von der Ausübung des Gewerbes ausgeschlossen, wenn eine natürliche Person, der ein maßgebender Einfluss auf den Betrieb der Geschäfte des betreffenden Rechtsträgers zusteht, gemäß Abs. 1 bis 3, 5 oder 6 von der Gewerbeausübung ausgeschlossen ist. Trifft auf die natürliche Person ein Ausschlussgrund gemäß Abs. 4 zu, ist der betreffende Rechtsträger nur von der Ausübung eines Gewerbes, das Tätigkeiten der Versicherungsvermittlung beinhaltet, ausgeschlossen. Abs. 1 letzter Satz gilt sinngemäß.“

„§ 87. (1) Die Gewerbeberechtigung ist von der Behörde (§ 361) zu entziehen, wenn

[…]

3.   der Gewerbeinhaber infolge schwerwiegender Verstöße gegen die im Zusammenhang mit dem betreffenden Gewerbe zu beachtenden Rechtsvorschriften und Schutzinteressen, insbesondere auch zur Wahrung des Ansehens des Berufsstandes, die für die Ausübung dieses Gewerbes erforderliche Zuverlässigkeit nicht mehr besitzt oder

[…]“

„§ 91. […]

(2) Ist der Gewerbetreibende eine juristische Person oder eine eingetragene Personengesellschaft und beziehen sich die im § 87 angeführten Entziehungsgründe oder der in § 85 Z 2 angeführte Endigungsgrund sinngemäß auf eine natürliche Person, der ein maßgebender Einfluß auf den Betrieb der Geschäfte zusteht, so hat die Behörde (§ 361) dem Gewerbetreibenden eine Frist bekanntzugeben, innerhalb der der Gewerbetreibende diese Person zu entfernen hat. Hat der Gewerbetreibende die genannte natürliche Person innerhalb der gesetzten Frist nicht entfernt, so hat die Behörde die Gewerbeberechtigung zu entziehen.“

6.    Erwägungen:

6.1. Zur Zuständigkeit des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich:

Gemäß Art. 151 Abs. 51 Z 8 B-VG ist die Zuständigkeit zur Weiterführung des mit Ablauf des 31. Dezember 2013 bei dem Unabhängigen Verwaltungssenat im Land Niederösterreich anhängigen Berufungsverfahrens auf das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich übergegangen. Die Berufung ist nunmehr als Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich zu behandeln.

6.2. Zur ersatzlosen Behebung des angefochtenen Bescheides hinsichtlich des Spruchpunktes 1:

Gemäß § 13 Abs. 7 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 (AVG) können Anbringen in jeder Lage des Verfahrens zurückgezogen werden. Diese Festlegung des Gesetzgebers entspricht der schon zuvor ergangenen ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, wonach Anträge in jeder Lage des Verfahrens zurückgezogen werden konnten (s. dazu VwGH 22.02.2001, 2000/20/0504).

Die Zurückziehung ist so lange zulässig, als der Antrag noch unerledigt ist. Dies bedeutet für Fälle, in denen der Antrag auf Einleitung eines mit Bescheid abzuschließenden Verfahrens gerichtet ist, dass eine Antragszurückziehung bis zur Bescheiderlassung, im Falle einer Beschwerde bis zur Entscheidung durch das Verwaltungsgericht, möglich ist (vgl. etwa VwGH 16.08.2017, Ro 2017/22/0005). Die Zurückziehung des verfahrenseinleitenden Antrags bewirkt den Wegfall der Zuständigkeit der Behörde zur Erlassung des Bescheides und damit (nachträglich) dessen Rechtswidrigkeit. Das Verwaltungsgericht ist somit gehalten, den bekämpften Bescheid (ersatzlos) zu beheben (vgl. etwa VwGH 21.12.2016, Ra 2016/04/0127).

Da die beschwerdeführende Gesellschaft den verfahrenseinleitenden Antrag betreffend Konzessionserweiterung mit Schreiben vom 05. April 2018 zurückgezogen hat, ist der angefochtene Bescheid in diesem Umfang ersatzlos zu beheben.

6.3. Zur Abweisung der Beschwerde hinsichtlich des Spruchpunktes 2:

6.3.1. Die Beschwerde ist nicht begründet.

6.3.2. Zunächst ist auszuführen, dass das GütbefG keine Bestimmung über die Vorgehensweise enthält, wenn der Gewerbetreibende – wie im vorliegenden Fall – eine juristische Person ist und sich der Konzessionsentziehungsgrund der mangelnden Zuverlässigkeit sinngemäß auf eine natürliche Person bezieht, der maßgebender Einfluss auf den Betrieb der Geschäfte des Konzessionsinhabers zusteht. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist in diesem Fall § 91 Abs. 2 GewO 1994 anzuwenden, wobei die Bezugnahme auf die in § 87 GewO 1994 angeführten Entziehungsgründe u.a. den Entziehungsgrund der mangelnden Zuverlässigkeit (§ 87 Abs. 1 Z 3 GewO 1994) betrifft und damit die für Güterbeförderungsgewerbe in § 5 Abs. 1 Z 1 und Abs. 2 GütbefG speziell geregelten Zuverlässigkeitsbestimmungen miteinschließt (vgl. VwSlg. 16.602 A/2005).

Diese Vorgehensweise steht im Einklang mit der seit 04. Dezember 2011 geltenden – unmittelbar anwendbaren – Verordnung (EG) Nr. 1071/2009, wonach die Mitgliedstaaten bei der Entscheidung darüber, ob ein Unternehmen die Anforderung der Zuverlässigkeit erfüllt, nicht nur das Verhalten des Unternehmens und seines Verkehrsleiters sondern auch anderer von den Mitgliedstaaten bestimmter maßgeblicher Personen berücksichtigen (vgl. Art. 6 Abs. 1 UAbs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 1071/2009).

6.3.3. Die Sache des gegenständlichen Entziehungsverfahrens wurde durch das Aufforderungsschreiben der belangten Behörde vom 21. Jänner 1999 festgelegt, welches auch die darin angeführten für die Entfernung des handelsrechtlichen Geschäftsführers und Mehrheitsgesellschafters bestimmenden Gründe umfasst. Für die rechtliche Beurteilung durch das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich sind alleine die diesem Aufforderungsschreiben zugrunde gelegten Gründe, aus denen die Entfernung des handelsrechtlichen Geschäftsführers und Mehrheitsgesellschafters für erforderlich erachtet wurde, maßgeblich. Es steht dem Verwaltungsgericht nicht zu, nach der Aufforderung gemäß § 91 Abs. 2 GewO 1994 die Gründe, aus denen die Entfernung einer Person mit maßgebendem Einfluss für erforderlich erachtet wurde, auszutauschen (vgl. VwGH 11.11.2015, Ra 2015/04/0063, VwGH 29.06.2017, Ra 2017/04/0059, jeweils mwN).

6.3.4. Art. 6 Abs. 1 UAbs. 3 lit. a der Verordnung (EG) Nr. 1071/2009 sieht vor, dass die Zuverlässigkeit nicht zwingend in Frage gestellt sein darf, etwa durch Verurteilungen oder Sanktionen aufgrund eines schwerwiegenden Verstoßes gegen geltende einzelstaatliche Vorschriften etwa in den Bereichen Entgelt- und Arbeitsbedingungen der Branche (iii) oder Straßenverkehr (iv). Art. 6 Abs. 1 UAbs. 3 lit. b leg.cit. bestimmt, dass in keinem Mitgliedstaat ein Urteil wegen einer schwerwiegenden Straftat oder eine Sanktion verhängt worden sein darf wegen eines schwerwiegenden Verstoßes gegen Gemeinschaftsvorschriften, insbesondere in Bereichen höchstzulässiges Gewicht und Abmessungen der Nutzfahrzeuge im grenzüberschreitenden Verkehr (iii), Verkehrstüchtigkeit der Nutzfahrzeuge einschließlich der vorgeschriebenen technischen Überwachung der Kraftfahrzeuge (iv) oder Sicherheit beim Transport gefährlicher Güter auf der Straße (vi).

Im nationalen Recht regelt § 5 Abs. 2 GütbefG – als besondere Bestimmung gegenüber der GewO 1994 (vgl. § 1 Abs. 5 GütbefG) – die für die Ausübung des Güterbeförderungsgewerbes erforderliche Zuverlässigkeit, wobei auf die in Art. 6 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1071/2009 geregelten Fälle verwiesen wird und es sich bei den Z 1 bis 3 nur um eine demonstrative Aufzählung handelt. Der Tatbestand der Z 3 umfasst schwerwiegende verwaltungsrechtliche Verstöße, wodurch sichergestellt ist, dass nicht schon jede geringfügige Verletzung der genannten Rechtsvorschriften zur Entziehung der Gewerbeberechtigung führt. Durch diese Bestimmung werden vor allem jene Verstöße erfasst, die mit der Ausübung des Güterbeförderungsgewerbes in engem Zusammenhang stehen, wie insbesondere die Lenk- und Ruhezeiten der Lenker, die Gewichte und Abmessungen der Kraftfahrzeuge, die Sicherheit im Straßenverkehr und der Kraftfahrzeuge und den Umweltschutz sowie die sonstigen Vorschriften in Bezug auf die Berufspflichten (zur insoweit vergleichbaren Rechtslage nach dem GelverkG vgl. VwGH 21.06.2017, Ra 2016/03/0086).

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes enthält § 5 Abs. 2 Z 3 GütbefG grundsätzlich eine zwingende Rechtsvermutung, dass bei Vorliegen schwerwiegender Verstöße im Sinne dieser Norm die Zuverlässigkeit des Gewerbeberechtigten nicht mehr gegeben ist. Das Gewicht des Verstoßes ergibt sich danach aus der Bedeutung des verletzten Schutzinteresses und der Schwere seiner Verletzung, wobei ersteres auch in den gesetzlich für derartige Verstöße vorgesehenen (schweren) Sanktionen, letzteres in den – im Einzelfall – in den bezughabenden Straferkenntnissen für die begangenen Delikte verhängten Strafen (oder anderen Rechtsfolgen) zum Ausdruck kommt (vgl. VwGH 29.04.2015, Ra 2015/03/0018).

Das Tatbestandsmerkmal der „schwerwiegenden Verstöße" in § 5 Abs. 2 Z 3 GütbefG wird aber nicht nur durch an sich als schwerwiegend zu beurteilende Verstöße erfüllt, sondern auch durch eine Vielzahl geringfügiger Verletzungen, wobei im Zusammenhang mit dem GütbefG bei der Zuverlässigkeitsbeurteilung nicht nur Verstöße beachtlich sind, die in Ausübung des konkreten Gewerbes begangen wurden. Entscheidend ist dabei, dass sich aus dieser Vielzahl von Verstößen unter Berücksichtigung der Art der verletzten Schutzinteressen und der Schwere ihrer Verletzung der Schluss ziehen lässt, die betreffende Person sei nicht (bzw. nicht mehr) als zuverlässig anzusehen (vgl. VwGH 29.04.2015, Ra 2015/03/0018; VwSlg. 18.170 A/2011).

6.3.5. Im vorliegenden Fall wurde die Entfernung des handelsrechtlichen Geschäftsführers und Mehrheitsgesellschafters aus dessen Funktionen – als Person mit maßgebenden Einfluss auf den Betrieb der Geschäfte – im Hinblick auf 50 rechtskräftige Verwaltungsübertretungen (vgl. oben Punkt 4.1.) wegen fehlender gewerberechtlicher Zuverlässigkeit im Sinne des GütbefG für erforderlich erachtet. Diese bilden – wie oben dargestellt – die Sache des gegenständlichen Beschwerdeverfahrens.

Der Verwaltungsgerichtshof gelangte für den vorliegenden Fall in seinem Erkenntnis vom 23. September 2009, Zl. ***, – wie festgestellt – zu der Rechtsauffassung, dass der handelsrechtliche Geschäftsführer und Mehrheitsgesellschafter u.a. wegen zahlreicher Übertretungen von Bestimmungen insbesondere des Arbeitszeitgesetzes, des KFG, GütbefG und der GewO mit Geldstrafen in (teilweise) nicht unerheblichem Ausmaß rechtskräftig bestraft wurde und schon diese Delikte Verstöße schwerwiegender Art im Sinne des § 5 GütbefG darstellen.

Damit steht für das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich – im Sinne des § 63 Abs. 1 VwGG – bindend fest (zur Bindung des Verwaltungsgerichtes an die Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichtshofes bei Erlassung einer Ersatzentscheidung siehe auch VwGH 01.03.2018, Ra 2017/19/0425), dass die dem Entziehungsverfahren zugrunde gelegten Verstöße solche sind, die die Zuverlässigkeit im Sinne des GütbefG ausschließen.

6.3.6. Dass diese – die alleinige Sache des gegenständlichen Beschwerdeverfahrens bildenden (s. oben) – Verwaltungsstrafen zwischenzeitlich getilgt sind, ist im gegenständlichen Beschwerdeverfahren ohne Bedeutung:

Da die in § 91 Abs. 2 GewO 1994 geregelte Entziehung der Gewerbeberechtigung nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes eine Sanktion für die Nichtentfernung einer Person mit maßgebenden Einfluss auf den Betrieb der Geschäfte ist, sind Änderungen im maßgebenden Sachverhalt nach Ablauf der dem Gewerbetreibenden gesetzten Frist unbeachtlich. Dies trifft auch auf Tilgungen der Verwaltungsübertretungen zum Zeitpunkt der Erlassung des Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtes zu (siehe hierzu VwGH 17.02.2016, Ra 2016/04/0012).

Im vorliegenden Fall würde aber sogar eine Berücksichtigung des sich aus den Verstößen ergebenden Persönlichkeitsbildes des handelsrechtlichen Geschäftsführers und Mehrheitsgesellschaft eine andere Beurteilung von dessen Zuverlässigkeit nicht erlauben, denn wäre dabei insbesondere auch von Bedeutung, ob in der Folge gleichartige Verstöße begangen wurden (vgl. etwa VwGH 25.06.2008, 2007/04/0137, 25.03.2014, 2013/04/0077). Wie oben festgestellt, scheinen betreffend den handelsrechtlichen Geschäftsführer und Mehrheitsgesellschafter auch aktuell 26 rechtskräftige, nicht getilgte Verwaltungsstrafen insbesondere nach dem Kraftfahrgesetz und dem Arbeitszeitgesetz auf und wies der handelsrechtliche Geschäftsführer und Mehrheitsgesellschafter in der öffentlichen mündlichen Verhandlung darauf hin, eine weitere Verwaltungsstrafe nach dem KFG wegen nicht vorschriftsgemäßer Sicherung der Ladung zu erwarten (vgl. in diesem Sinne auch das im vorliegenden Fall ergangene Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 23. September 2009, ***, wonach der Unabhängige Verwaltungssenat im Land Niederösterreich aus dem Umstand, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung „nur“ [Hervorhebung im Original] noch 27 rechtskräftige Verwaltungsvorstrafen vorlagen, die eindeutige Tendenz einer erheblichen Reduzierung bloß „zu erkennen vermeinte“).

6.3.7. Gleiches gilt unter Berücksichtigung des der Verordnung (EG) Nr. 1071/2009 für Konzessionsentziehungen zugrunde liegenden Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit (zur Verhältnismäßigkeitsprüfung in Verfahren zur Aberkennung der Zuverlässigkeit im Hinblick auf die in Art. 6 Abs. 1 Unterabsatz 3 lit. b der Verordnung (EG) Nr. 1071/2009 geregelten Fälle vgl. VwGH 21.06.2017, Ra 2016/03/0086; zur Verhältnismäßigkeitsprüfung iZm Art. 6 Abs. 1 Unterabsatz 3 lit. a vgl. auch VwGH 29.01.2015, Ra 2015/03/0001). Im Verfahren – insbesondere in der öffentlichen mündlichen Verhandlung – hat sich für das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich nicht ergeben, dass sich die Konzessionsentziehung im vorliegenden Fall aufgrund spezieller Gegebenheiten – etwa aufgrund besonders getroffener Maßnahmen seitens der beschwerdeführenden Gesellschaft – im Hinblick auf die der Entziehung gemäß § 91 Abs. 2 GewO 1994 zugrunde gelegten (zwischenzeitig getilgten) Verstöße, welche die alleinige Sache des gegenständlichen Beschwerdeverfahrens bilden (siehe oben), als unverhältnismäßig erweisen würde. Alleine wurde die Ausgabe einer Dienstanweisung sowie die Verpflichtung der Fahrer zur Erstellung eines Tagesberichtes, in welchen an den Fahrzeugen vorzunehmende Reparaturen einzutragen sind, nicht hingegen ein darüber hinausgehendes Kontroll- oder Maßnahmensystem zur Hintanhaltung schwerwiegender Verstöße im Sinne des GütbefG ins Treffen geführt; auch vermag alleine der Hinweis, hinkünftig arbeitsrechtliche Konsequenzen im Falle weiterer Verwaltungsübertretungen durch Fahrer zu ziehen, ein im vorliegenden Fall die Unverhältnismäßigkeit der Konzessionsentziehung aufzeigendes Kontroll- bzw. Maßnahmensystem – auch vor dem Hintergrund der im gesamten Beschwerdeverfahren kontinuierlich begangenen Vielzahl an Verwaltungsübertretungen – nicht zu begründen.

6.3.8. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

7.   Zur Unzulässigkeit der Revision:

Die Revision ist nicht zulässig, da im gegenständlichen Fall keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu lösen war, weil die Entscheidung einerseits nicht von der zitierten und einheitlichen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht und sich andererseits auf den eindeutigen und klaren Gesetzeswortlaut stützen kann (vgl. aus der stRsp. zur Unzulässigkeit der Revision in derartigen Fällen zB VwGH vom 15.12.2016, Ra 2016/18/0343).

Schlagworte

Gewerbliches Berufsrecht; Entziehung; Zuverlässigkeit; schwerwiegende Verstöße; Verfahrensrecht; Antrag; Zurückziehung;

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGNI:2018:LVwG.AV.5.001.2009

Zuletzt aktualisiert am

17.09.2018
Quelle: Landesverwaltungsgericht Niederösterreich LVwg Niederösterreic, http://www.lvwg.noe.gv.at
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