TE Vfgh Beschluss 2018/6/12 G139/2018 ua

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Veröffentlicht am 12.06.2018
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Index

20 Privatrecht allgemein
22/03 Außerstreitverfahren

Norm

B-VG Art139 Abs1 Z4
B-VG Art140 Abs1 Z1 litd
ABGB §268
AußStrG §118
ZPO §209, §210, §211, §215, §216
Geo §55

Leitsatz

Zurückweisung eines Parteiantrags auf Aufhebung von Bestimmungen des AußStrG, ABGB, der ZPO und Geschäftsordnung für die Gerichte I und II Instanz; Entscheidung über die Bestellung und Beauftragung eines Sachverständigen keine von einem ordentlichen Gericht in erster Instanz entschiedene Rechtssache

Spruch

I. Der Antrag gemäß Art139 Abs1 Z4 B-VG sowie gemäß Art140 Abs1 Z1 litd B-VG wird zurückgewiesen.

II. Der Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe wird abgewiesen.

Begründung

Begründung

1.       Der Einschreiter ist die betroffene Person in einer Pflegschaftssache vor dem Bezirksgericht Liezen. Mit Beschluss vom 27. April 2018, 13 P 28/17k, traf das Bezirksgericht Liezen die verfahrensleitende Verfügung über die Bestellung und Beauftragung einer Sachverständigen und wies den Einschreiter auf die Möglichkeit zur Stellungnahme hinsichtlich eines Ablehnungsantrages betreffend der bestellten Sachverständigen hin.

2.       Gegen diesen Beschluss erhob der Einschreiter "Rekurs" und stellt den vorliegenden, auf Art139 Abs1 Z4 B-VG sowie auf Art140 Abs1 Z1 litd B-VG gestützten Antrag und unter einem einen Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe im Umfang sämtlicher Gebühren. In diesem Antrag begehrt der Einschreiter die Aufhebung des "§268a" Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch (ABGB) und §118 Außerstreitgesetz (AußStrG) zur Gänze sowie die Aufhebung näher bezeichneter Wortfolgen der §§209, 210, 211, 215, 216 Zivilprozessordnung (ZPO) wegen Verfassungswidrigkeit und die Aufhebung näher bezeichneter Wortfolgen des §55 Abs3 Geschäftsordnung für die Gerichte I. und II. Instanz (Geo.) wegen Gesetzwidrigkeit.

3.       Der Antrag ist nicht zulässig.

Gemäß Art139 Abs1 Z4 B-VG sowie Art140 Abs1 Z1 litd B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über die Verfassungswidrigkeit von Gesetzen "auf Antrag einer Person, die als Partei einer von einem ordentlichen Gericht in erster Instanz entschiedenen Rechtssache" wegen Anwendung einer gesetzwidrigen Verordnung bzw. eines verfassungswidrigen Gesetzes in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, aus Anlass eines gegen diese Entscheidung erhobenen Rechtsmittels.

4.       Voraussetzung für die Zulässigkeit einer Antragstellung nach Art139 Abs1 Z4 B-VG iVm §57a Abs1 VfGG bzw. nach Art140 Abs1 Z1 litd B-VG iVm §62a Abs1 VfGG ist, dass auf Grund der gerichtlichen Entscheidung, gegen die ein Rechtsmittel erhoben wurde, eine "entschiedene Rechtssache" vorliegt. Keine "entschiedene Rechtssache" im Sinne des Art139 Abs1 Z4 B-VG bzw. Art140 Abs1 Z1 litd B-VG liegt bei rein prozessleitenden Beschlüssen in einem zivilgerichtlichen Verfahren vor, weil prozessleitende Beschlüsse lediglich den Ablauf des Verfahrens ordnen und der Stoffsammlung zur Verfahrensführung dienen (vgl. VfGH 22.9.2016, G190/2016 ua.; 22.9.2015, G120/2015).

Der vorliegende Antrag zu G139-141/2018, V29/2018 wurde aus Anlass eines "Rekurses" gegen den Beschluss des Bezirksgerichtes Liezen über die Bestellung einer Sachverständigen gestellt. Ein Beschluss, mit dem ein Sachverständiger im außerstreitigen Verfahren bestellt wird, wie auch die Entscheidung über die Auswahl und Ablehnung eines Sachverständigen, zählt dem Gegenstand nach zu den verfahrensleitenden Beschlüssen (Kodek, §45 AußStrG, in: Gitschthaler/Höllwerth [Hrsg.], Kommentar zum Außerstreitgesetz, 2013, Rz 15). Gemäß §45 zweiter Satz AußStrG sind verfahrensleitende Beschlüsse, soweit nicht ihre selbstständige Anfechtung angeordnet ist, nur mit dem Rekurs gegen die Entscheidung über die Sache anfechtbar. Aus einem Beschluss über die Bestellung eines Sachverständigen sowie die Festlegung des Beweisthemas ergeben sich für die Partei keine unmittelbaren Auswirkungen (Kodek, aaO, §45 Rz 59); ein gesonderter Rekurs gegen den Beschluss steht der Partei sohin nicht zu (vgl. OGH 29.11.2007, 1 Ob 250/07g).

Der Beschluss des Bezirksgerichtes Liezen zu 13 P 28/17k, der Anlass des vorliegenden Antrages ist, ist der genannten Kategorie der rein verfahrensleitenden Beschlüsse zuzuordnen. Es wurde der Sache nach nur eine Entscheidung getroffen, die den Ablauf des Verfahrens ordnet und der Stoffsammlung dient. Ein prozessleitender Beschluss eines ordentlichen Gerichtes, der – wie im vorliegenden Fall – auf die Gestaltung der gerichtlichen Stoffsammlung abzielt, ist daher keine "entschiedene Rechtssache" im Sinne des Art139 Abs1 Z4 B-VG bzw. Art140 Abs1 Z1 litd B-VG (vgl. VfGH 22.9.2016, G190/2016 ua.; 22.9.2015, G120/2015).

5.       Der Antrag ist daher schon aus diesem Grund gemäß §19 Abs3 Z2 lite VfGG in nichtöffentlicher Sitzung als unzulässig zurückzuweisen.

6.       Bei diesem Ergebnis hat der Verfassungsgerichthof nicht zu prüfen, ob weitere Prozesshindernisse bestehen.

7.       Da somit die von dem Einschreiter beabsichtigte Rechtsverfolgung vor dem Verfassungsgerichtshof als offenbar aussichtslos erscheint, muss sein unter einem mit dem Antrag gemäß Art139 Abs1 Z4 B-VG und Art140 Abs1 Z1 litd B-VG gestellter – nicht auf das Vorliegen sämtlicher Formerfordernisse geprüfter – Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe im Umfang sämtlicher Gebühren abgewiesen werden (§63 Abs1 ZPO iVm §35 VfGG).

8.       Diese Beschlüsse konnten gemäß §19 Abs4 VfGG bzw. §72 Abs1 ZPO iVm §35 Abs1 VfGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung gefasst werden.

Schlagworte

VfGH / Parteiantrag, VfGH / Legitimation, Sachverständige

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2018:G139.2018

Zuletzt aktualisiert am

14.09.2018
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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