TE Bvwg Erkenntnis 2018/8/1 W163 2006039-2

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Veröffentlicht am 01.08.2018
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Entscheidungsdatum

01.08.2018

Norm

AsylG 2005 §10 Abs2
B-VG Art.133 Abs4
FPG §52 Abs6
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

W163 2006039-2/19E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Daniel Leitner als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 10.10.2014, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht:

A)

Der angefochtene Bescheid wird gemäß § 28 Abs. 1 und 2 VwGVG ersatzlos behoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang und Sachverhalt

I.1. Verfahrensgang

1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF), ein afghanischer Staatsangehöriger, wurde mit Urteil des LG XXXX vom 04.05.2012, XXXX , wegen § 107, §125 und § 83 StGB zu einer auf die Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe verurteilt.

Sodann wurde der BF im September 2013 im österreichischen Bundesgebiet nach einer erfolgten Telefonüberwachung und Observation wegen § 28a SMG festgenommen.

Mit Urteil des LG für XXXX vom 10.01.2014, XXXX , wurde der BF wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs. 1 2., 3. Fall, Abs. 2 Z 2, Abs. 3 2. Fall SMG und des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs. 1., 5. Fall, Abs. 2 Z 2, Abs. 3, 2. Fall SMG, § 12 3. Fall StGB zu 18 Monaten Freiheitsstrafe, davon 12 Monate unter Setzung einer dreijährigen Probezeit bedingt nachgesehen, verurteilt. Zudem wurde die Probezeit zur ersten Verurteilung auf fünf Jahre verlängert.

2. Auf Anfrage des BFA wurde seitens der Justizanstalt, in der der BF seine Strafhaft verbüßte, am 24.02.2014 die Kopie seines ungarischen Lichtbildausweises des BF, gültig bis zum 28.05.2018, übermittelt.

Auf Ersuchen des BFA vom 03.03.2014 an den XXXX , mit dem BF Kontakt aufzunehmen und mitzuteilen sowie Veranlassungen zu treffen, wenn der BF einer freiwilligen Ausreise/Rückkehr nach Ungarn zustimmt, langte am 04.03.2014 die Information ein, dass die Ausreise nach Ungarn für den BF "nebensächlich" sei und er dabei keine Unterstützung brauche. Er glaube, von seinen Verwandten abgeholt werden zu können.

Mit Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme (Parteiengehör) vom 30.04.2014 brachte das BFA dem BF das Ermittlungsergebnis zum Verfahren zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung iVm Einreisverbot sowie zum Verfahren zur Verhängung der Schubhaft zur Sicherung der Schubhaft zur Kenntnis.

Der BF nahm dazu einlangend am 10.03.2014 schriftlich Stellung, wobei er u.a. ausführte, seit 2008 in Ungarn anerkannter Flüchtling zu sein. Am 12.03.2014 langte seitens seines rechtsfreundlichen Vertreters diesbezüglich ein Fristerstreckungsantrag ein.

3. Mit Bescheid des BFA vom 10.03.2014, Zl. XXXX , wurde dem BF gemäß §§ 55, 57 AsylG 2005 ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 2 AsylG iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG) wurde gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 1 Z 1 Fremdenpolizeigesetz (FPG) erlassen und weiters gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des BF gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt I.). Gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 1 FPG wurde gegen den BF ein auf die Dauer von 10 Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt II.). Einer Beschwerde gegen diese Entscheidung wurde gem. § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt III.).

Gegen diesen am 11.03.2014 zugestellten Bescheid erhob der BF am 21.03.2014 fristgerecht Beschwerde. Am 24.03.2014 wurde die Kopie seines (Konventions-)Reisepasses nachgereicht.

Am 25.03.2014 wurde der BF in Österreich aus der Strafhaft entlassen und reiste unverzüglich zurück nach Ungarn.

Mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts (im Folgenden: BVwG) vom 02.04.2014, Zl. XXXX , wurde der bekämpfte Bescheid behoben und zur Erlassung eines neuen Bescheids an das BFA zurückverwiesen.

4. Der BF wandte sich in weiterer Folge mehrfach schriftlich an das BFA.

5. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 10.10.2014, Zl. XXXX , erließ das BFA gem. § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gem. § 52 Abs. 1 Z 2 FPG (Spruchpunkt I.). Gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 1 FPG erließ das BFA gegen den BF ein auf die Dauer von sieben Jahren befristetes Einreiseverbot (Spruchpunkt II).

Begründend führte das BFA zu Spruchpunk I. im Wesentlichen aus, dass gem. § 52 Abs. 1 Z 2 FPG gegen einen Drittstaatsangehörigen eine Rückkehrentscheidung zu erlassen sei, wenn er sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten habe und das Rückkehrentscheidungsverfahren binnen sechs Wochen ab der Ausreise eingeleitet wurde. Die Verurteilung durch das Landesgericht für Strafsachen Wien habe zum Ergebnis, dass sein Aufenthalt durch die Begehung eines strafbaren Delikts (Verbrechen des Suchtgifthandels) nicht rechtmäßig gewesen sei. Ausgehend davon, dass der BF verheiratet sei, zwei Kinder habe und mit seinen Familienangehörigen in Ungarn lebe und dort den Asylstatus erhalten habe, er in Österreich zuletzt nur in Justizanstalten melderechtlich registriert gewesen sei und keine Bindungen in Österreich habe, er nicht niedergelassen oder aufenthaltsverfestigt sei und zweimal strafrechtlich verurteilt wurde, sowie dass dem BF in Ungarn Schutz und das Aufenthaltsrecht gewährt werde und er dort seinen Lebensunterhalt erwirtschaften könne, ergab sich für die belangte Behörde das Überwiegen der öffentlichen Interessen am Erlass einer Rückkehrentscheidung und des Einreiseverbots. Eine Erteilung eines Aufenthaltstitels nach Art. 8 EMRK komme schon mangels seines Aufenthalts in Österreich nicht in Betracht. Die Feststellung der Zulässigkeit der Abschiebung in einen oder mehrere bestimmte Staaten könne entfallen, da sich der BF nicht mehr in Österreich befinde und eine Abschiebung daher nicht in Betracht komme. Aufgrund seiner bereits erfolgten Ausreise sei auch die Fristsetzung für seine freiwillige Ausreise nicht erforderlich.

Zu Spruchpunkt II. führte das BFA unter Bezugnahme auf das bereits erwähnte Strafurteil aus, dass das Verhalten des BF eine gegenwärtige und erhebliche Gefahr für ein Grundinteresse der Gesellschaft darstelle. Sein Aufenthalt stelle eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit dar. Es bestehe die erhebliche Gefahr, dass der BF weiterhin gegen die österreichische Rechtsordnung verstoße. Suchtgiftkriminalität sei im höchsten Maße sozialschädlich, sein Fehlverhalten sei gravierend und die Gefährdungsprognose vor allem aufgrund der großen Wiederholungsgefahr bei Suchtmitteldelikten gegeben, sodass ein Rückkehrverbot zum Schutz der öffentlichen Ordnung und Sicherheit als unbedingt notwendig erachtet werde. In Anbetracht seines Verhaltens, seiner Lebensumstände und seiner privaten und familiären Anknüpfungspunkte sei der Erlass eines Einreiseverbots in der angegebenen Dauer gerechtfertigt und notwendig. Das Einreiseverbot beziehe sich derzeit nur auf das Hoheitsgebiet der Republik Österreich. Der BF verfüge in Ungarn über einen Asylstatus.

6. Gegen diesen Bescheid des BFA richtet sich die beim BFA fristgerecht eingebrachte Beschwerde an das BVwG. Es wurde beantragt, eine mündliche Verhandlung anzuberaumen, der Beschwerde stattzugeben und den Bescheid im angefochtenen Umfang aufzuheben oder abzuändern.

Die gegenständliche Beschwerde und die bezughabenden Verwaltungsakten wurden dem BVwG am 07.11.2014 vom BFA vorgelegt.

I.2. Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens (Sachverhalt)

2.1. Der BF ist afghanischer Staatsangehöriger.

Der BF kam bereits vor über zwanzig Jahren erstmals als Minderjähriger nach Europa. Sein damals in Deutschland gestellter Antrag auf internationalen Schutz wurde abgewiesen. Aufgrund der (mittlerweile geschiedenen) Ehe mit einer deutschen Staatsangehörigen erlangte der BF ein unbefristetes Visum.

2004 reiste der BF aus familiären Gründen zurück nach Afghanistan. 2007 kam er nach Ungarn, wo er einen Asylantrag stellte.

Dem BF wurde in Ungarn in Jahr 2008 die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt. Er verfügt über einen von Ungarn ausgestellten Konventionsreisepass. Er hat in Ungarn nach wie vor einen asylrechtlichen Aufenthaltstitel als anerkannter Flüchtling. Derzeit ist in Ungarn ein Verfahren für die Verleihung der ungarischen Staatsbürgerschaft an den BF anhängig. Der ungarische Aufenthaltstitel berechtigt den BF nicht nur zum Aufenthalt, sondern auch zur Erwerbstätigkeit.

Der BF verbüßte infolge der Verurteilung wegen der unter Punkt 1. genannten Suchmitteldelikte den unbedingten Teil der Freiheitsstrafe von sechs Monaten in einer österreichischen Justizvollzugsanstalt. Noch am Tag der Entlassung aus der Strafhaft am 25.03.2014 begab sich der BF nach Ungarn.

Der BF lebte seit seiner Rückkehr aus Afghanistan immer in Ungarn. Er pendelt aber zum Arbeiten an vier oder fünf Tagen in der Woche nach Österreich. Der BF war von September 2011 bis September 2013 als Taxifahrer in Eisenstadt tätig. Er arbeitet seit Juli 2016 Vollzeit (40 Stunden/Woche) in einem Schnellrestaurant in Österreich. An den freien Tagen ist er in Ungarn. Der Lebensmittelpunkt des BF ist in Ungarn. Über eine österreichische Meldeadresse verfügte der BF lediglich zum Zweck der Zulassung eines KfZ in Österreich, er wohnte aber nicht an dieser Adresse.

Der BF lebt in einer Lebensgemeinschaft mit einer ungarischen Staatsangehörigen. Zusammen mit seiner Lebensgefährtin und drei gemeinsamen Kindern im Alter von drei, acht und elf Jahren lebt der BF in Sopron. Die Lebensgefährtin des BF ist nicht berufstätig und hat ihr Recht auf Freizügigkeit nicht in Anspruch genommen. Der BF erwirtschaftet allein das gesamte Einkommen seiner Familie. Die Familie bezieht Kinderbeihilfe aus Österreich.

Der Onkel väterlicherseits und dessen Familie leben in Deutschland. Sie sind deutsche Staatsbürger. Der BF telefoniert alle ein bis zwei Monate mit ihnen.

Der BF versteht und spricht Deutsch auf einem guten Niveau.

2.2. Die belangte Behörde verpflichtete den BF vor Erlass des angefochtenen Bescheids (Rückkehrentscheidung und Einreiseverbot) nicht, sich in das Hoheitsgebiet von Ungarn zu begeben.

2.3. Der unter Punkt I.1. dargestellte Verfahrensgang wird als Sachverhalt der gegenständlichen Entscheidung zugrunde gelegt. Dieser Sachverhalt ergibt sich unstrittig aus dem Akteninhalt.

II. Beweiswürdigung

Der Beweiswürdigung liegen folgende maßgebende Erwägungen zugrunde:

II.1. Zum Verfahrensgang

Der oben angeführte Verfahrensgang, der als Sachverhalt festgestellt wird, ergibt sich aus dem unbedenklichen und unzweifelhaften Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakten des BFA und des Gerichtsakts des BVwG.

Die Feststellung, dass das BFA den BF nicht vor Bescheiderlassung verpflichtete, sich nach Ungarn (und damit in den Mitgliedsstaat, von dem der ihm erteilte Aufenthaltstitel stammt) zu begeben, beruht darauf, dass derartiges aus dem Akteninhalt nicht ersichtlich ist. Die dem Bescheid vom 10.03.2014, Zl. 59167606/14063295 immanente Ausreiseaufforderung richtet sich auf den Herkunftsstaat des BF, Afghanistan. Darauf bezieht sich auch die "Information zur Verpflichtung zur Ausreise" vom 10.03.2014.

Die Korrespondenz mit dem Verein Menschenrechte Österreich im März richtete sich nur auf Frage die Ausreise(frei)willigkeit des BF. Sie beinhaltet aber keine an den BF gerichtete Verpflichtung, sich (nach Haftende) unverzüglich nach Ungarn zu begeben.

Die übrigen Feststellungen beruhen auf den glaubhaften und überzeugenden Angaben des BF in der mündlichen Beschwerdeverhandlung in Zusammenhalt mit den vorgelegten Dokumenten, insbesondere den von Juni 2015 bis Juni 2016 gültigen, im Original vorgelegten Konventionsreisepass des BF, den Bestätigungen seiner Arbeitgeber sowie den in der Beschwerdeverhandlung präsentierten Deutschkenntnissen.

III. Rechtliche Beurteilung

Zu I. A)

3. 1. Rechtliche Grundlagen

3.1.1. § 52 FPG lautet auszugsweise:

Aufenthaltsbeendende Maßnahmen gegen Drittstaatsangehörige

Rückkehrentscheidung

§ 52. (1) Gegen einen Drittstaatsangehörigen hat das Bundesamt mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn er sich

1. nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält oder

2. nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat und das Rückkehrentscheidungsverfahren binnen sechs Wochen ab Ausreise eingeleitet wurde.

[...]

(6) Ist ein nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhältiger Drittstaatsangehöriger im Besitz eines Aufenthaltstitels oder einer sonstigen Aufenthaltsberechtigung eines anderen Mitgliedstaates, hat er sich unverzüglich in das Hoheitsgebiet dieses Staates zu begeben. Dies hat der Drittstaatsangehörige nachzuweisen. Kommt er seiner Ausreiseverpflichtung nicht nach oder ist seine sofortige Ausreise aus dem Bundesgebiet aus Gründen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich, ist eine Rückkehrentscheidung gemäß Abs. 1 zu erlassen.

[...]

(8) Die Rückkehrentscheidung wird im Fall des § 16 Abs. 4 BFA-VG oder mit Eintritt der Rechtskraft durchsetzbar und verpflichtet den Drittstaatsangehörigen zur unverzüglichen Ausreise in dessen Herkunftsstaat, ein Transitland gemäß unionsrechtlichen oder bilateralen Rückübernahmeabkommen oder anderen Vereinbarungen oder einen anderen Drittstaat, sofern ihm eine Frist für die freiwillige Ausreise nicht eingeräumt wurde. Im Falle einer Beschwerde gegen eine Rückkehrentscheidung ist § 28 Abs. 2 Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz - VwGVG), BGBl. I Nr. 33/2013 auch dann anzuwenden, wenn er sich zum Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung nicht mehr im Bundesgebiet aufhält.

[...]

§ 31 FPG lautet auszugsweise:

Voraussetzung für den rechtmäßigen Aufenthalt und die rechtmäßige Ausreise

Voraussetzung für den rechtmäßigen Aufenthalt im Bundesgebiet

§ 31. (1) Fremde halten sich rechtmäßig im Bundesgebiet auf,

1. wenn sie rechtmäßig eingereist sind und während des Aufenthalts im Bundesgebiet die Befristungen oder Bedingungen des Einreisetitels oder des visumfreien Aufenthaltes oder die durch zwischenstaatliche Vereinbarungen, Bundesgesetz oder Verordnung bestimmte Aufenthaltsdauer nicht überschritten haben;

2. wenn sie auf Grund einer Aufenthaltsberechtigung oder einer Dokumentation des Aufenthaltsrechtes nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz zur Niederlassung oder zum Aufenthalt oder auf Grund einer Verordnung für Vertriebene zum Aufenthalt berechtigt sind;

3. wenn sie Inhaber eines von einem Vertragsstaat ausgestellten Aufenthaltstitels sind bis zu drei Monaten (Artikel 21 SDÜ gilt), sofern sie während ihres Aufenthalts im Bundesgebiet keiner unerlaubten Erwerbstätigkeit nachgehen;

4. solange ihnen ein Aufenthaltsrecht nach dem AsylG 2005 zukommt;

5. bis zur Entscheidung über einen Verlängerungsantrag (§ 2 Abs. 4 Z 17a), solange der Aufenthalt als Saisonier in den vergangenen zwölf Monaten insgesamt die Dauer von neun Monaten nicht überschreitet;

(Anm.: Z 6 aufgehoben durch Art. 2 Z 47, BGBl. I Nr. 145/2017)

7. soweit sich dies aus anderen bundesgesetzlichen Vorschriften ergibt.

(1a) Liegt kein Fall des Abs. 1 vor, halten sich Fremde nicht rechtmäßig im Bundesgebiet auf; dies insbesondere, wenn sie

1. auf Grund eines Rückübernahmeabkommens (§ 19 Abs. 4) oder internationaler Gepflogenheiten rückgenommen werden mussten,

2. auf Grund einer Durchbeförderungserklärung, sonstiger zwischenstaatlicher Abkommen oder auf Ersuchen eines Mitgliedstaates der Europäischen Union um Durchbeförderung (§ 45b Abs. 1) oder auf Grund einer Durchlieferungsbewilligung gemäß § 47 ARHG oder § 35 des Bundesgesetzes über die justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen mit den Mitgliedstaaten der Europäischen Union (EU-JZG), BGBl. I Nr. 36/2004, eingereist sind,

3. geduldet sind (§ 46a) oder

4. eine Frist für die freiwillige Ausreise gemäß § 55 erhalten haben.

(Anm.: Abs. 2 und 3 aufgehoben durch Art. 2 Z 48, BGBl. I Nr. 145/2017)

(4) [...]

§ 53 FPG lautet auszugsweise:

Einreiseverbot

§ 53. (1) Mit einer Rückkehrentscheidung kann vom Bundesamt mit Bescheid ein Einreiseverbot erlassen werden. Das Einreiseverbot ist die Anweisung an den Drittstaatsangehörigen, für einen festgelegten Zeitraum nicht in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten einzureisen und sich dort nicht aufzuhalten.

[...]

(3) Ein Einreiseverbot gemäß Abs. 1 ist für die Dauer von höchstens zehn Jahren, in den Fällen der Z 5 bis 9 auch unbefristet zu erlassen, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellt. Als bestimmte Tatsache, die bei der Bemessung der Dauer des Einreiseverbotes neben den anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen relevant ist, hat insbesondere zu gelten, wenn

1. ein Drittstaatsangehöriger von einem Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mindestens drei Monaten, zu einer bedingt oder teilbedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten oder mindestens einmal wegen auf der gleichen schädlichen Neigung beruhenden strafbaren Handlungen rechtskräftig verurteilt worden ist;

[...]

3.1.2. Art. 6 der RL 2008/115/EG (RückführungsRL) lautet auszugsweise:

Rückkehrentscheidung

(1) Unbeschadet der Ausnahmen nach den Absätzen 2 bis 5 erlassen die Mitgliedstaaten gegen alle illegal in ihrem Hoheitsgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen eine Rückkehrentscheidung.

(2) Drittstaatsangehörige, die sich illegal im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats aufhalten und Inhaber eines gültigen Aufenthaltstitels oder einer sonstigen Aufenthaltsberechtigung eines anderen Mitgliedstaats sind, sind zu verpflichten, sich unverzüglich in das Hoheitsgebiet dieses anderen Mitgliedstaats zu begeben. Kommen die betreffenden Drittstaatsangehörigen dieser Verpflichtung nicht nach, oder ist die sofortige Ausreise des Drittstaatsangehörigen aus Gründen der öffentlichen Ordnung oder der nationalen Sicherheit geboten, so findet Absatz 1 Anwendung.

[...]

3.1.3. Art. 21 und Art. 5 SDÜ lauten:

Artikel 21

(1) Drittausländer, die Inhaber eines gültigen, von einer der Vertragsparteien ausgestellten Aufenthaltstitels sind, können sich auf Grund dieses Dokuments und eines gültigen Reisedokuments höchstens bis zu drei Monaten frei im Hoheitsgebiet der anderen Vertragsparteien bewegen, soweit sie die in Artikel 5 Absatz 1 Buchstaben a, c und e aufgeführten Einreisevoraussetzungen erfüllen und nicht auf der nationalen Ausschreibungsliste der betroffenen Vertragspartei stehen.

(2) Das gleiche gilt für Drittausländer, die Inhaber eines von einer der Vertragsparteien ausgestellten vorläufigen Aufenthaltstitels und eines von dieser Vertragspartei ausgestellten Reisedokuments sind.

(3) Die Vertragsparteien übermitteln dem Exekutivausschuß die Liste der Dokumente, die sie als Aufenthaltserlaubnis oder vorläufigen Aufenthaltstitel und als Reisedokument im Sinne dieses Artikels ausstellen.

(4) Die Bestimmungen dieses Artikels gelten unbeschadet des Artikels 22.

Artikel 5

(1) Für einen Aufenthalt von bis zu drei Monaten kann einem Drittausländer die Einreise in das Hoheitsgebiet der Vertragsparteien gestattet werden, wenn er die nachstehenden Voraussetzungen erfüllt:

a) Er muß im Besitz eines oder mehrerer gültiger Grenzübertrittspapiere sein, die von dem Exekutivausschuß bestimmt werden.

b) Er muß, soweit erforderlich, im Besitz eines gültigen Sichtvermerks sein.

c) Er muß gegebenenfalls die Dokumente vorzeigen, die seinen Aufenthaltszweck und die Umstände seines Aufenthalts belegen, und über ausreichende Mittel zur Bestreitung des Lebensunterhalts sowohl für die Dauer des Aufenthalts als auch für die Rückreise in den Herkunftsstaat oder für die Durchreise in einen Drittstaat, in dem seine Zulassung gewährleistet ist, verfügen oder in der Lage sein, diese Mittel auf legale Weise zu erwerben.

d) Er darf nicht zur Einreiseverweigerung ausgeschrieben sein.

e) Er darf keine Gefahr für die öffentliche Ordnung, die nationale Sicherheit oder die internationalen Beziehungen einer der Vertragsparteien darstellen.

(2) Einem Drittausländer, der nicht alle diese Voraussetzungen erfüllt, muß die Einreise in das Hoheitsgebiet der Vertragsparteien verweigert werden, es sei denn, eine Vertragspartei hält es aus humanitären Gründen oder Gründen des nationalen Interesses oder auf Grund internationaler Verpflichtungen für erforderlich, von diesem Grundsatz abzuweichen. In diesen Fällen wird die Zulassung auf das Hoheitsgebiet der betreffenden Vertragspartei beschränkt, die die übrigen Vertragsparteien darüber unterrichten muß. Die besonderen Bestimmungen des Asylrechts und des Artikels 18 bleiben unberührt.

(3) Einem Drittausländer, der über eine von einer der Vertragsparteien ausgestellte Aufenthaltserlaubnis, einen von einer der Vertragsparteien ausgestellten Rückreisesichtvermerk oder erforderlichenfalls beide Dokumente verfügt, ist die Durchreise zu gestatten, es sei denn, daß er auf der nationalen Ausschreibungsliste der Vertragspartei steht, an deren Außengrenzen er die Einreise begehrt.

3.2. Zur Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheids:

3.2.1. § 52 Abs. 6 FPG ist vor dem Hintergrund von Art. 6 Abs. 2 der Richtlinie 2008/115/EG zu lesen. Dort wird angeordnet, dass ein nicht rechtmäßig aufhältiger Drittstaatsangehöriger mit einem Aufenthaltstitel eines anderen Mitgliedstaates zunächst zu verpflichten ist, sich unverzüglich in das Hoheitsgebiet dieses anderen Mitgliedstaates zu begeben. Nur wenn dieser Verpflichtung nicht entsprochen wird, hat es zu einer Rückkehrentscheidung zu kommen. Demnach bedarf es also vor Erlassung einer Rückkehrentscheidung einer "Verpflichtung" des Drittstaatsangehörigen, sich unverzüglich in das Hoheitsgebiet dieses anderen Mitgliedstaates zu begeben (vgl. VwGH 10.4.2014, 2013/22/0310). Die Frage der "Unverzüglichkeit" stellt sich dann in Bezug auf die Zeitspanne, die seit Ausspruch der "Verpflichtung" ergangen ist. Wird ihr "unverzüglich" entsprochen, hat eine Rückkehrentscheidung zu unterbleiben, andernfalls ist sie zu verhängen (VwGH 21.12.2017, Ra 2017/21/0234).

3.2.2. Unbeschadet der Frage der Unrechtmäßigkeit des Aufenthalts des BF im österreichischen Bundesgebiet war der BF demnach aufzufordern, sich unverzüglich in das Hoheitsgebiet jenes Mitgliedsstaates zu begeben, von dem der ihm erteilte Aufenthaltstitel stammt (hier: Ungarn). Das hat das BFA, wie bereits in der Beweiswürdigung dargestellt (vgl. oben Punkt II.1.) indes nicht getan: Die im Bescheid vom 10.03.2014 zum Ausdruck gekommene Ausreiseverpflichtung erfolgte nicht in Bezug auf Ungarn, sondern in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Afghanistan. Aus der Korrespondenz mit dem Verein Menschenrechte Österreich ergibt sich keine Verpflichtung des BF, sich unverzüglich ins ungarische Hoheitsgebiet zu begeben. Beides konnte daher nicht die Konsequenz nach sich ziehen, dass nunmehr eine Rückkehrentscheidung zu erlassen sei.

Mangels Vorliegens dieser Voraussetzung für den Erlass einer Rückkehrentscheidung war diese schon aus diesem Grund zu beheben.

3.2.3. Auch unter dem Aspekt, dass der BF nach Haftentlassung unverzüglich (nämlich noch am selben Tag) nach Ungarn ausreiste, blieb für den Erlass einer Rückkehrentscheidung mangels Aufenthalts des BF im österreichischen Bundesgebiet und der sofortigen Ausreise kein Platz.

3.2.4. Die ersatzlose Behebung des angefochtenen Bescheides ist eine Entscheidung in der Sache selbst (vgl. E 25. März 2015, Ro 2015/12/0003). Als verfahrensrechtliche Grundlage für eine solche Entscheidung ist im Spruch daher § 28 Abs. 1 und Abs. 2 (bzw. Abs. 3 Satz 1) VwGVG 2014 zu nennen. § 28 Abs. 5 VwGVG 2014 regelt hingegen nur die Rechtsfolgen von Bescheidaufhebungen durch das VwG und bietet keine eigenständige Rechtsgrundlage für die Aufhebung selbst, sei es nach § 28 Abs. 3 Satz 2 und 3 (oder Abs. 4) VwGVG 2014, sei es nach § 28 Abs. 1 und 2 oder Abs. 3 Satz 1 VwGVG 2014 (VwGH 04.08.2016 2016/21/0162).

3.3. Zur Beschwerde gegen Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheids:

3.3.1. Mit einer Rückkehrentscheidung kann vom Bundesamt mit Bescheid ein Einreiseverbot erlassen werden. Für eine Einschränkung des räumlichen Geltungsbereichs des Einreiseverbotes auf Österreich gibt es keine gesetzliche Grundlage (VwGH 03.09.2015 Ra 2015/21/0054 und VwGH 28.05.2015 Ra 2014/22/0037). Schon mangels gesetzlicher Grundlage für die Einschränkung des Einreiseverbots auf das Hoheitsgebiet der Republik Österreich konnte dieses keinen Bestand haben.

3.3.2. Auch unter Beachtung der Vorgaben in Art. 11 der Rückführungs-RL, die davon ausgeht, dass eine "Rückkehrentscheidung mit einem Einreiseverbot einhergeht", kann jedoch ein Einreiseverbot nie eigenständig erlassen werden, es bedarf immer einer zugrundeliegenden Rückkehrentscheidung, an die das Einreiseverbot anknüpft (Erläut RV2144 BlgNr 24. GP 23f.).

Wird eine Rückkehrentscheidung gegenstandslos, so erfasst das auch die damit im Zusammenhang stehenden Aussprüche. Das gilt auch für das an die Rückkehrentscheidung anknüpfende Einreiseverbot (vgl. VwGH 16.12.2015, Ro 2015/21/0037, VwSlg. 19268 A/2015), zumal es nach der insoweit umgesetzten Richtlinie 2008/115/EG keine von der Rückkehrentscheidung losgelösten Einreiseverbote gibt (vgl. EuGH Schlussanträge der Generalanwältin 26. Oktober 2017, Rs. C-82/16, K.A. ua).

3.3.3. Aufgrund der Behebung der gegen den BF ergangenen Rückkehrentscheidung kann auch das gegen ihn ausgesprochene Einreiseverbot nach dem Gesagten keinen Bestand haben. Das Einreiseverbot war daher ersatzlos zu beheben.

Die ersatzlose Behebung des angefochtenen Bescheides ist eine Entscheidung in der Sache selbst (vgl. E 25. März 2015, Ro 2015/12/0003). Als verfahrensrechtliche Grundlage für eine solche Entscheidung ist im Spruch daher § 28 Abs. 1 und Abs. 2 (bzw. Abs. 3 Satz 1) VwGVG 2014 zu nennen. § 28 Abs. 5 VwGVG 2014 regelt hingegen nur die Rechtsfolgen von Bescheidaufhebungen durch das VwG und bietet keine eigenständige Rechtsgrundlage für die Aufhebung selbst, sei es nach § 28 Abs. 3 Satz 2 und 3 (oder Abs. 4) VwGVG 2014, sei es nach § 28 Abs. 1 und 2 oder Abs. 3 Satz 1 VwGVG 2014 (VwGH 04.08.2016 2016/21/0162).

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Die gegenständliche Entscheidung weicht nicht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. die oben jeweils zitierte Judikatur) ab. Durch das genannte Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes fehlt es auch nicht an einer Rechtsprechung und die zu lösende Rechtsfrage wird in der Rechtsprechung auch nicht uneinheitlich beantwortet. Die ersatzlose Behebung (vgl. VwGH 04.08.2016 Ra 2016/21/0162) der Aberkennung der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde ergibt sich aus der klaren Rechtslage.

Schlagworte

Ausreiseverpflichtung, Behebung der Entscheidung, Einreiseverbot
aufgehoben, ersatzlose Behebung, Rückkehrentscheidung behoben,
unverzügliche Ausreiseverpflichtung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:W163.2006039.2.00

Zuletzt aktualisiert am

06.09.2018
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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