RS Vfgh 2017/6/14 G62/2017 ua (G62/2017-12, G63/2017-14)

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Veröffentlicht am 14.06.2017
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Index

L0301 Parteienfinanzierung, Parteienförderung

Norm

B-VG Art1
B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
B-VG Art95 Abs1 zweiter Satz
B-VG Art140 Abs1 Z1 lita
B-VG Art140 Abs6
Sbg ParteienförderungsG §4 Abs3, §16 Abs5
ParteienG 2012 §1 Abs1, Abs2

Leitsatz

Verletzung des Gleichheitssatzes durch die während einer laufenden Gesetzgebungsperiode rückwirkend in Kraft gesetzte Änderung der Berechnung des Steigerungsbetrages für die Parteienförderung; unsachliche Benachteiligung von - infolge Ausscheidens der übrigen Abgeordneten aus der Partei - mit jeweils nur einem Mandatar im Landtag vertretenen Parteien

Rechtssatz

Aufhebung des §4 Abs3 sowie des Ausdruckes "und 3" in §16 Abs5 Sbg ParteienförderungsG, LGBl 79/1981 idF LGBl 7/2017, wegen Verstoßes gegen den Gleichheitssatz.

Der Gesetzgeber hat die Chancengleichheit politischer Parteien auch hinsichtlich der staatlichen Parteienfinanzierung zu wahren (vgl VfSlg 14803/1997, 18603/2008, 19860/2014, jeweils auch mwN zur Maßgeblichkeit des Grundsatzes der Freiheit der Wahl). Das Gebot der Chancengleichheit ist Ausfluss des Demokratieprinzips des B-VG (Art1 B-VG) und des Pluralitätsgebots des Parteiengesetzes (vgl §1 leg cit - Bekenntnis zur Vielfalt politischer Parteien).

Dabei kommt dem Gesetzgeber bei der Gewährung von Förderungen ein rechtspolitischer Gestaltungsspielraum zu. Dieser umfasst sowohl die Frage, ob der Gesetzgeber von der Möglichkeit der Gewährung einer Förderung überhaupt Gebrauch macht und - zutreffendenfalls - wie er sie im Einzelnen gestaltet (VfSlg 11944/1989, 14803/1997, 18603/2008); auch die Gestaltung der Voraussetzungen für die Gewährung einer Förderung sind von diesem Gestaltungsspielraum erfasst. Dem Gesetzgeber bleibt es innerhalb dieses Gestaltungsspielraumes ebenfalls überlassen, bei der Förderung politischer Parteien, die in einem allgemeinen Vertretungskörper vertreten sind, das Ergebnis der Wahl abstrakt zu berücksichtigen oder - unabhängig vom Ergebnis der Wahl - auf die tatsächliche Anzahl der der politischen Partei zugehörigen Mitglieder im allgemeinen Vertretungskörper abzustellen (VfGH 13.10.2016, E1406/2016). Vor diesem Hintergrund bestehen grundsätzlich auch keine Bedenken, wenn der Gesetzgeber - wie im vorliegenden Fall - bei der Berechnung der Höhe der Parteienförderung sowohl auf die Teilnahme an der Wahl als auch auf die tatsächliche Anzahl der der Partei zugehörigen Mitglieder abstellt.

Der VfGH verkennt nicht, dass mit der Novellierung durch LGBl 7/2017 lediglich die Voraussetzungen für die Berechnung der Höhe des der jeweiligen Landtagspartei zustehenden Steigerungsbetrages und nicht - wie in VfSlg 18603/2008 - der Anspruch auf Förderung dem Grunde nach geändert wird. Auch steht den Landtagsparteien weiterhin - unter Berücksichtigung von §4 Abs2a Sbg ParteienförderungsG - der Sockelbetrag und je zugehörigem Mitglied ein Steigerungsbetrag zu (§4 Abs2 und Abs3 leg cit).

Bei der in §4 Sbg ParteienförderungsG vorgesehenen Kombination von Sockel- und Steigerungsbetrag hängt die Höhe der Parteienförderung wesentlich von der Höhe des Steigerungsbetrages ab. Zudem ist darauf Bedacht zu nehmen, dass der Zweck der Parteienförderung nach dem 1. Abschnitt des Sbg ParteienförderungsG in der finanziellen Unterstützung der Tätigkeit bei der Mitwirkung an der politischen Willensbildung im Land und in den Salzburger Gemeinden liegt, womit - im Gegensatz zur Parteienförderung nach dem 2. Abschnitt des Sbg ParteienförderungsG, die (unabhängig von einem Anspruch gemäß §§1 ff leg cit) für Zwecke der "parlamentarischen" Aufgabenerfüllung zu gewähren ist - vornehmlich die "außerparlamentarischen" Tätigkeiten der politischen Parteien angesprochen sind.

Die Änderung der Berechnung des Steigerungsbetrages führt somit dazu, dass während einer Gesetzgebungsperiode die Förderungsmittel der Landtagsparteien, die nicht nur der Unterstützung der Tätigkeit bei der Mitwirkung an der politischen Willensbildung im Land, sondern auch in den Salzburger Gemeinden dienen, derart gemindert werden, dass die Arbeit der betroffenen Parteien - sowohl auf Landes-, als auch auf Gemeindeebene - jedenfalls "in nicht unbeträchtlicher Weise zumindest erschwert" wird (VfSlg 18603/2008). Dadurch werden jedoch die "Spielregeln" während einer laufenden Gesetzgebungsperiode mit Wirkung noch für diese Gesetzgebungs-periode in einer Weise geändert, die zu einer unsachlichen Benachteiligung von im Landtag vertretenen Parteien führt.

Dass ein Förderungssystem, wie es durch die Regelungen des Sbg ParteienförderungsG nunmehr verankert ist, für künftige Gesetzgebungsperioden vorgesehen werden kann, steht diesem Ergebnis nicht entgegen. Dem liegt der Gedanke zugrunde, dass gerade bei einem Förderungssystem wie dem vorliegenden, das hinsichtlich des Anspruches und der Höhe an das Ergebnis einer konkreten Wahl anknüpft, der Beibehaltung dieses Regelungssystems während der laufenden Gesetzgebungsperiode besondere Bedeutung zukommt.

Im Hinblick auf das Wiederinkrafttreten der früheren Fassung des §4 Abs3 Sbg ParteienförderungsG erübrigt sich eine Fristsetzung für das Außerkrafttreten der aufgehobenen Bestimmung.

Entscheidungstexte

Schlagworte

Landtag, Partei politische, Parteienförderung, demokratisches Grundprinzip, Vertrauensschutz, VfGH / Aufhebung Wirkung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2017:G62.2017

Zuletzt aktualisiert am

05.09.2018
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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