TE Vfgh Erkenntnis 2017/3/7 E2100/2016

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Veröffentlicht am 07.03.2017
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Index

41/02 Staatsbürgerschaft, Pass- und Melderecht, Fremdenrecht, Asylrecht

Norm

BVG-Rassendiskriminierung ArtI Abs1
AsylG 2005 §3, §8, §10

Leitsatz

Verletzung im Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander durch Nichtzuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten und Erlassung einer Rückkehrentscheidung hinsichtlich eines irakischen Staatsangehörigen mangels ausreichender Entscheidungsbegründung bzw wegen Unterlassung von Ermittlungen zur aktuellen Lage in der Heimatregion Kurdistan

Spruch

I. 1. Der Beschwerdeführer ist durch das angefochtene Erkenntnis, soweit damit seine Beschwerde gegen die Abweisung des Antrages auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung subsidiären Schutzes und gegen seine Ausweisung aus dem österreichischen Bundesgebiet in den Irak abgewiesen wird, in dem durch das Bundesverfassungsgesetz BGBl Nr 390/1973 verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander verletzt worden.

Das Erkenntnis wird insoweit aufgehoben.

2. Im Übrigen wird die Behandlung der Beschwerde abgelehnt.

Insoweit wird die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten.

II. Der Bund (Bundesminister für Inneres) ist schuldig, dem Beschwerdeführer zuhanden seines Rechtsvertreters die mit € 2.616,– bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Entscheidungsgründe

I.       Sachverhalt, Beschwerde und Vorverfahren

1.       Der Beschwerdeführer, ein irakischer Staatsangehöriger mit kurdischer Abstammung und moslemisch sunnitischer Religionszugehörigkeit, stellte am 10. September 2014 einen Antrag auf internationalen Schutz. Ungefähr dreieinhalb Jahre habe der Beschwerdeführer als kurdischer Freiheitskämpfer im Rang eines Unteroffiziers bei der Peschmerga gekämpft. Er habe im Dorf Yaramja in der Nähe von Kirkuk gemeinsam mit seinen Eltern und Geschwistern gelebt. Im August 2014, als er am Weg nach Hause gewesen sei, hätten ihn Männer vermutlich der IS-Miliz genötigt, eine Bombe in einem anderen Fahrzeug zu deponieren und dabei als Warnung eine Art Handgranate vor sein Fahrzeug geworfen. Nach diesem Vorfall habe der Beschwerdeführer Angst bekommen, sei noch einige Male zum Dienst gegangen und habe sich letztendlich entschieden, den Irak zu verlassen.

2.       Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) vom 24. Mai 2016 wurde der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Irak abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß §§57 und 55 AsylG wurde ihm nicht erteilt. Gemäß §10 Abs1 Z3 AsylG iVm §9 BFA-VG wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß §52 Abs2 Z2 FPG erlassen und festgestellt, dass seine Abschiebung in den Irak gemäß §46 FPG zulässig sei.

3.       Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht mit Erkenntnis vom 29. Juli 2016 als unbegründet ab. Im Erkenntnis führt das Bundesverwaltungsgericht u.a. aus, dass eine gegen die Person des Beschwerdeführers gerichtete Verfolgungsgefahr aus einem in Art1 Abschnitt A Z2 der GFK festgelegten Grund im gesamten Verfahren nicht glaubhaft gemacht worden sei. Es handle sich beim Beschwerdeführer um einen arbeitsfähigen und gesunden jungen Mann, bei dem davon ausgegangen werden könne, dass er bei Rückkehr in den Irak ein ausreichendes Einkommen erwirtschaften könne. Der Beschwerdeführer habe nicht darlegen können, wie sich eine Rückkehr in den Herkunftsstaat konkret auf seine individuelle Situation auswirke, insbesondere weshalb er einem realen Risiko einer extremen Gefahrenlage ausgesetzt wäre.

4.       Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung in verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten, insbesondere auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander (ArtI Abs1 BVG BGBl 390/1973) und Verbot der Benachteiligung (Art14 EMRK), geltend gemacht wird und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Erkenntnisses, in eventu die Abtretung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof, beantragt wird. Das Bundesverwaltungsgericht verstoße gegen das aus ArtI Abs1 des Bundesverfassungsgesetzes BGBl 390/1973 erwachsende Willkürverbot, wenn es kein ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren führe und in diesem Zusammenhang die aktuelle Sicherheitslage im Irak, insbesondere im nördlichen Teil, außer Acht lasse und sich auf allgemeine Floskeln und Argumentationslinien stütze.

5.       Das Bundesverwaltungsgericht legte die Verwaltungsakten vor, sah von der Erstattung einer Gegenschrift ab und beantragte die Abweisung der Beschwerde.

II.      Rechtslage

1.       §3 AsylG 2005, BGBl I 100/2005 idF BGBl I 24/2016, lautet:

"Status des Asylberechtigten

§3. (1) Einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, ist, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§4, 4a oder 5 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art1 Abschnitt A Z2 Genfer Flüchtlingskonvention droht.

(2) Die Verfolgung kann auch auf Ereignissen beruhen, die eingetreten sind, nachdem der Fremde seinen Herkunftsstaat verlassen hat (objektive Nachfluchtgründe) oder auf Aktivitäten des Fremden beruhen, die dieser seit Verlassen des Herkunftsstaates gesetzt hat, die insbesondere Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsstaat bestehenden Überzeugung sind (subjektive Nachfluchtgründe). Einem Fremden, der einen Folgeantrag (§2 Abs1 Z23) stellt, wird in der Regel nicht der Status des Asylberechtigten zuerkannt, wenn die Verfolgungsgefahr auf Umständen beruht, die der Fremde nach Verlassen seines Herkunftsstaates selbst geschaffen hat, es sei denn, es handelt sich um in Österreich erlaubte Aktivitäten, die nachweislich Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsstaat bestehenden Überzeugung sind.

(3) Der Antrag auf internationalen Schutz ist bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abzuweisen, wenn

       1. dem Fremden eine innerstaatliche Fluchtalternative (§11) offen steht oder

       2. der Fremde einen Asylausschlussgrund (§6) gesetzt hat.

(4) Einem Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wird, kommt eine befristete Aufenthaltsberechtigung als Asylberechtigter zu. Die Aufenthaltsberechtigung gilt drei Jahre und verlängert sich um eine unbefristete Gültigkeitsdauer, sofern die Voraussetzungen für eine Einleitung eines Verfahrens zur Aberkennung des Status des Asylberechtigten nicht vorliegen oder das Aberkennungsverfahren eingestellt wird. Bis zur rechtskräftigen Aberkennung des Status des Asylberechtigten gilt die Aufenthaltsberechtigung weiter. Mit Rechtskraft der Aberkennung des Status des Asylberechtigten erlischt die Aufenthaltsberechtigung.

(4a) Im Rahmen der Staatendokumentation (§5 BFA-G) hat das Bundesamt zumindest einmal im Kalenderjahr eine Analyse zu erstellen, inwieweit es in jenen Herkunftsstaaten, denen im Hinblick auf die Anzahl der in den letzten fünf Kalenderjahren erfolgten Zuerkennungen des Status des Asylberechtigten eine besondere Bedeutung zukommt, zu einer wesentlichen, dauerhaften Veränderung der spezifischen, insbesondere politischen, Verhältnisse, die für die Furcht vor Verfolgung maßgeblich sind, gekommen ist.

(4b) In einem Familienverfahren gemäß §34 Abs1 Z1 gilt Abs4 mit der Maßgabe, dass sich die Gültigkeitsdauer der befristeten Aufenthaltsberechtigung nach der Gültigkeitsdauer der Aufenthaltsberechtigung des Familienangehörigen, von dem das Recht abgeleitet wird, richtet.

(5) Die Entscheidung, mit der einem Fremden von Amts wegen oder auf Grund eines Antrags auf internationalen Schutz der Status des Asylberechtigten zuerkannt wird, ist mit der Feststellung zu verbinden, dass diesem Fremden damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt."

2.       §8 AsylG 2005, BGBl I 100/2005 idF BGBl I 68/2013, lautet:

"Status des subsidiär Schutzberechtigten

§8. (1) Der Status des subsidiär Schutzberechtigten ist einem Fremden zuzuerkennen,

       1. der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird oder

       2. dem der Status des Asylberechtigten aberkannt worden ist,

wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art2 EMRK, Art3 EMRK oder der Protokolle Nr 6 oder Nr 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

(2) Die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach Abs1 ist mit der abweisenden Entscheidung nach §3 oder der Aberkennung des Status des Asylberechtigten nach §7 zu verbinden.

(3) Anträge auf internationalen Schutz sind bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuweisen, wenn eine innerstaatliche Fluchtalternative (§11) offen steht.

(3a) Ist ein Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht schon mangels einer Voraussetzung gemäß Abs1 oder aus den Gründen des Abs3 oder 6 abzuweisen, so hat eine Abweisung auch dann zu erfolgen, wenn ein Aberkennungsgrund gemäß §9 Abs2 vorliegt. Diesfalls ist die Abweisung mit der Feststellung zu verbinden, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat unzulässig ist, da dies eine reale Gefahr einer Verletzung von Art2 EMRK, Art3 EMRK oder der Protokolle Nr 6 oder Nr 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. Dies gilt sinngemäß auch für die Feststellung, dass der Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht zuzuerkennen ist.

(4) Einem Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wird, ist vom Bundesamt oder vom Bundesverwaltungsgericht gleichzeitig eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter zu erteilen. Die Aufenthaltsberechtigung gilt ein Jahr und wird im Falle des weiteren Vorliegens der Voraussetzungen über Antrag des Fremden vom Bundesamt für jeweils zwei weitere Jahre verlängert. Nach einem Antrag des Fremden besteht die Aufenthaltsberechtigung bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Verlängerung des Aufenthaltsrechts, wenn der Antrag auf Verlängerung vor Ablauf der Aufenthaltsberechtigung gestellt worden ist.

(5) In einem Familienverfahren gemäß §34 Abs1 Z2 gilt Abs4 mit der Maßgabe, dass die zu erteilende Aufenthaltsberechtigung gleichzeitig mit der des Familienangehörigen, von dem das Recht abgeleitet wird, endet.

(6) Kann der Herkunftsstaat des Asylwerbers nicht festgestellt werden, ist der Antrag auf internationalen Schutz bezüglich des Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuweisen. Diesfalls ist eine Rückkehrentscheidung zu verfügen, wenn diese gemäß §9 Abs1 und 2 BFA-VG nicht unzulässig ist.

(7) Der Status des subsidiär Schutzberechtigten erlischt, wenn dem Fremden der Status des Asylberechtigten zuerkannt wird."

III.    Erwägungen

A. Soweit sich die Beschwerde gegen die Abweisung des Antrages auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung subsidiären Schutzes und die Ausweisung des Beschwerdeführers aus dem österreichischen Bundesgebiet in den Irak richtet, ist sie begründet:

1.       Nach der mit VfSlg 13.836/1994 beginnenden, nunmehr ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (s. etwa VfSlg 14.650/1996 und die dort angeführte Vorjudikatur; weiters VfSlg 16.080/2001 und 17.026/2003) enthält ArtI Abs1 des Bundesverfassungsgesetzes zur Durchführung des Internationalen Übereinkommens über die Beseitigung aller Formen rassischer Diskriminierung, BGBl 390/1973, das allgemeine, sowohl an die Gesetzgebung als auch an die Vollziehung gerichtete Verbot, sachlich nicht begründbare Unterscheidungen zwischen Fremden vorzunehmen. Diese Verfassungsbestimmung enthält ein – auch das Sachlichkeitsgebot einschließendes – Gebot der Gleichbehandlung von Fremden untereinander; deren Ungleichbehandlung ist also nur dann und insoweit zulässig, als hiefür ein vernünftiger Grund erkennbar und die Ungleichbehandlung nicht unverhältnismäßig ist.

1.1.    Diesem einem Fremden durch ArtI Abs1 leg.cit. gewährleisteten subjektiven Recht widerstreitet eine Entscheidung, wenn sie auf einem gegen diese Bestimmung verstoßenden Gesetz beruht (vgl. zB VfSlg 16.214/2001), wenn das Verwaltungsgericht dem angewendeten einfachen Gesetz fälschlicherweise einen Inhalt unterstellt hat, der - hätte ihn das Gesetz - dieses als in Widerspruch zum Bundesverfassungsgesetz zur Durchführung des Internationalen Übereinkommens über die Beseitigung aller Formen rassischer Diskriminierung, BGBl 390/1973, stehend erscheinen ließe (s. etwa VfSlg 14.393/1995, 16.314/2001) oder wenn es bei Fällung der Entscheidung Willkür geübt hat (zB VfSlg 15.451/1999, 16.297/2001, 16.354/2001 sowie 18.614/2008).

1.2.    Ein willkürliches Verhalten des Verwaltungsgerichts, das in die Verfassungssphäre eingreift, liegt unter anderem in einer gehäuften Verkennung der Rechtslage, aber auch im Unterlassen jeglicher Ermittlungstätigkeit in einem entscheidenden Punkt oder dem Unterlassen eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens überhaupt, insbesondere in Verbindung mit einem Ignorieren des Parteivorbringens und einem leichtfertigen Abgehen vom Inhalt der Akten oder dem Außerachtlassen des konkreten Sachverhaltes (zB VfSlg 15.451/1999, 15.743/2000, 16.354/2001, 16.383/2001). Ein willkürliches Vorgehen liegt insbesondere dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die Entscheidung mit Ausführungen begründet, denen jeglicher Begründungswert fehlt (s. etwa VfSlg 13.302/1992 mit weiteren Judikaturhinweisen, 14.421/1996, 15.743/2000). Schließlich ist von einem willkürlichen Verhalten auch auszugehen, wenn das Verwaltungsgericht die Rechtslage gröblich bzw. in besonderem Maße verkennt (zB VfSlg 18.091/2007, 19.283/2010 mwN, 19.475/2011).

2.       Ein solcher Fehler ist dem Bundesverwaltungsgericht hier unterlaufen:

Die Feststellungen zur Lage im Irak übernimmt das Bundesverwaltungsgericht zur Gänze aus dem Bescheid des BFA vom 24. Mai 2016. Im Erkenntnis ist nicht ersichtlich wie aktuell diese sind. Dies ist angesichts der ständig wechselnden und instabilen Lage im Irak vor dem Hintergrund der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes nicht ausreichend:

Wie der Verfassungsgerichtshof im Erkenntnis VfSlg 18.614/2008 in Bezug auf eine Entscheidung des Asylgerichtshofes ausgesprochen hat, kommt das erkennende Gericht, wenn es die Begründung des bei ihm angefochtenen Bescheides im Wege der Verweisung zum Inhalt seiner eigenen Entscheidung macht, ohne diese Begründung zumindest in seiner Entscheidung wiederzugeben, nicht nur den Anforderungen des §60 AVG nicht nach, sondern es entspricht auch die Entscheidung den rechtsstaatlichen Mindestanforderungen an die Begründung einer gerichtlichen Entscheidung nicht. Zwar ist es nicht unzulässig, Teile der Begründung der Bescheide der Verwaltungsbehörde wörtlich wiederzugeben. Es widerspricht aber grundlegenden rechtsstaatlichen Anforderungen an die Begründung von Entscheidungen eines (insoweit erstinstanzlich entscheidenden) Gerichts, wenn sich der Sachverhalt, die Beweiswürdigung und die rechtliche Beurteilung nicht aus der Gerichtsentscheidung selbst, sondern erst aus einer Zusammenschau mit der Begründung der Bescheide ergibt. Die für die bekämpfte Entscheidung maßgeblichen Erwägungen müssen aus der Begründung der Entscheidung hervorgehen, da nur auf diese Weise die rechtsstaatlich gebotene Kontrolle durch den Verfassungsgerichtshof möglich ist (vgl. VfSlg 17.901/2006, 18.000/2006).

Das Bundesverwaltungsgericht übernimmt die Ausführungen des BFA wörtlich und hält anschließend fest, dass "Die vom BFA getroffenen Länderfeststellungen auf mannigfaltigen Quellen [basieren], denen keine Voreingenommenheit unterstellt werden kann." Hinsichtlich der Lage in der autonomen Region Kurdistan zitiert das Bundesverwaltungsgericht den angefochtenen BFA-Bescheid, in dem festgehalten wird, dass die Region derzeit nicht unmittelbar von den Kämpfen in den südlichen und westlichen Provinzen betroffen sei. Sollte das Bundesverwaltungsgericht davon ausgegangen sein, dass eine Rückkehr des Beschwerdeführers nach Yaramja, das in der Nähe von Kirkuk liegt, möglich ist, hätte es sich mit den jeweiligen Länderberichten auseinandersetzen müssen, zumal die Sicherheitslage im Irak von Provinz zu Provinz variiert. Abgesehen von der Wiedergabe vorgefertigter Textbausteine – denen kein auf den konkreten Fall bezogener Begründungswert zukommt – erschöpft sich die Begründung des Bundesverwaltungsgerichtes darin, auszuführen, dass es sich beim Beschwerdeführer um einen arbeitsfähigen, jungen und gesunden Mann handle, dem es in seinem Herkunftsstaat grundsätzlich möglich sein werde, seiner bislang ausgeübten Tätigkeit oder gegebenenfalls anderen Tätigkeiten nachzugehen und ein ausreichendes Einkommen zu erwirtschaften. Das Bundesverwaltungsgericht geht hier nicht auf die konkrete Situation des Beschwerdeführers ein.

Darüber hinaus unterlässt das Bundesverwaltungsgericht Feststellungen bzw. geht aus den darlegten Länderfeststellungen nicht eindeutig hervor, inwiefern der Beschwerdeführer auf Grund seiner als glaubwürdig erachteten Tätigkeit als Unteroffizier bei der Peschmerga bei Rückkehr insbesondere im Hinblick auf die IS-Miliz keiner besonders verfolgungsgefährdeten Gruppe angehört. Es finden sich keine hinreichenden Ausführungen zur Frage, warum eine Rückkehr in die Heimatregion für den Beschwerdeführer keine reale Gefahr einer Verletzung von Art2 und 3 EMRK bedeuten würde; insbesondere wäre es erforderlich gewesen zu begründen, inwiefern es dem Beschwerdeführer möglich ist, trotz der instabilen Lage im Irak und seiner Zugehörigkeit zur Peschmerga zurückzukehren. Insoweit fehlen für die Entscheidung wesentliche Begründungselemente.

Dadurch, dass es das Bundesverwaltungsgericht unterlassen hat, entsprechende Ermittlungen zur aktuellen Lage in jener Region anzustellen, aus der der Beschwerdeführer stammt, und diese in der Begründung des Erkenntnisses mit der individuellen Situation des Beschwerdeführers in Beziehung zu setzen, hat das Bundesverwaltungsgericht Willkür geübt.

B. Soweit die Beschwerde sich im Übrigen gegen die Abweisung des Antrages bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten richtet, wird ihre Behandlung aus folgenden Gründen abgelehnt:

Der Verfassungsgerichtshof kann die Behandlung einer Beschwerde gemäß Art144 Abs2 B-VG ablehnen, wenn sie keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat oder von der Entscheidung die Klärung einer verfassungsrechtlichen Frage nicht zu erwarten ist. Eine solche Klärung ist dann nicht zu erwarten, wenn zur Beantwortung der maßgebenden Fragen spezifisch verfassungsrechtliche Überlegungen nicht erforderlich sind.

Die vorliegende Beschwerde behauptet die Verletzung in näher bezeichneten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten. Die gerügten Rechtsverletzungen wären im vorliegenden Fall aber nur die Folge einer – allenfalls grob – unrichtigen Anwendung des einfachen Gesetzes. Spezifisch verfassungsrechtliche Überlegungen sind zur Beantwortung der aufgeworfenen Fragen nicht anzustellen.

Demgemäß wurde beschlossen, von einer Behandlung der Beschwerde, soweit sie sich gegen die Abweisung des Antrages auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten richtet, abzusehen.

IV.      Ergebnis

1.       Der Beschwerdeführer ist somit durch die angefochtene Entscheidung, soweit damit seine Beschwerde gegen die Abweisung des Antrages auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung subsidiären Schutzes und gegen seine Ausweisung aus dem österreichischen Bundesgebiet in den Irak abgewiesen wird, in dem durch das Bundesverfassungsgesetz BGBl 390/1973 verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander verletzt worden.

2.       Das Erkenntnis ist daher insoweit aufzuheben, ohne dass auf das weitere Beschwerdevorbringen einzugehen ist.

3.       Im Übrigen wird von der Behandlung der Beschwerde abgesehen und diese gemäß Art144 Abs3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof abgetreten.

4.       Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz bzw. §19 Abs3 Z1 iVm §31 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

5.       Die Kostenentscheidung beruht auf §88 VfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in Höhe von € 436,– enthalten.

Schlagworte

Asylrecht, Rückkehrentscheidung, Entscheidungsbegründung, Ermittlungsverfahren

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2017:E2100.2016

Zuletzt aktualisiert am

04.09.2018
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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