TE Bvwg Beschluss 2018/6/25 L521 2196176-3

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 25.06.2018
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

25.06.2018

Norm

B-VG Art.133 Abs4
FPG §46a

Spruch

L521 2196176-3/7E

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter MMag. Mathias Kopf, LL.M. in der Beschwerdesache des XXXX Staatsangehörigkeit Türkei, vertreten durch Diakonie Flüchtlingsdienst gemeinnützige GmbH und Volkshilfe Flüchtlings- und MigrantInnenbetreuung GmbH als Mitglieder der ARGE Rechtsberatung - Diakonie und Volkshilfe, 1170 Wien, Wattgasse 48, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 07.06.2018, Zl. 1155375506-180412435, in einer Angelegenheit nach dem Fremdenpolizeigesetz 2005 den

BESCHLUSS

gefasst:

A)

Die Beschwerde wird als gegenstandslos geworden erklärt und das Verfahren eingestellt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Dem Beschwerdeführer, einem Staatsangehöriger der Türkei, wurde mit dem angefochtenen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 07.06.2018, Zl. 1155375506-180412435, gemäß § 46 Abs. 2a und 2b Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) aufgetragen, an den notwendigen Handlungen zur Erlangung eines Ersatzreisedokumentes mitzuwirken und hiezu einen Interviewtermin beim türkischen Konsulat in 1130 Wien am 13.06.2018 wahrzunehmen (Spruchpunkt I.).

Die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen diesen Bescheid wurde gemäß § 13 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) ausgeschlossen (Spruchpunkt II.).

2. Gegen diesen, dem Beschwerdeführer am 07.06.2018 durch eigenhändige Übergabe zugestellten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl richtet sich die im Wege der bevollmächtigten Rechtsberatungsorganisation fristgerecht am 12.06.2017 eingebrachte Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht.

3. Die Beschwerdevorlage langte am 15.06.2018 beim Bundesverwaltungsgericht ein. Die Rechtssache wurde in weiterer Folge der nun zur Entscheidung berufenen Abteilung des Bundesverwaltungsgerichts zugewiesen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger der Türkei, wurde mit dem angefochtenen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 07.06.2018, Zl. 1155375506-180412435, gemäß § 46 Abs. 2a und 2b FPG zur Wahrnehmung eines Interviewtermins beim türkischen Konsulat in 1130 Wien am 13.06.2018 verhalten.

1.2. Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer vor der Erlassung des gegenständlichen Bescheides die ihm mit Bescheid auferlegte Verpflichtung verweigert hat oder sonst Anzeichen dafür bestanden, dass er dieser Verpflichtung noch Folge leisten werde.

1.3. Der Beschwerdeführer hat der ihm auferlegten Verpflichtung entsprochen, ist am 13.06.2018 (sohin noch vor der Vorlage der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht) beim türkischen Konsulat in 1130 Wien zum Interviewtermin erschienen und hat im für die Erlangung eines Heimreisezertifikates erforderlichen Ausmaß mitgewirkt.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Der eingangs angeführte Verfahrensgang sowie der festgestellte Inhalt des im Verfahren ergangenen Bescheids ergibt sich unzweifelhaft aus dem Inhalt des vorgelegten Verfahrensakts des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl.

2.2. Ausweislich des Aktenvermerks des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 14.06.2018 ist der Beschwerdeführer beim türkischen Konsulat in 1130 Wien erschienen und hat im erforderlichen Umfang bei der Beantragung eines Heimreisezertifikates mitgewirkt, was in der Stellungnahme seiner rechtsfreundlichen Vertretung vom 19.06.2018 auch zugestanden wird.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A)

3.1. Gemäß § 33 Abs. 1 erster Satz VwGG ist die Revision nach Anhörung des Revisionswerbers in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss als gegenstandslos geworden zu erklären und das Verfahren einzustellen, wenn in irgendeiner Lage des Verfahrens offenbar wird, dass der Revisionswerber klaglos gestellt wurde. Diese Bestimmung ist nicht nur auf die Fälle der formellen Klaglosstellung beschränkt. Ein Einstellungsfall wegen Gegenstandslosigkeit liegt insbesondere auch dann vor, wenn der Revisionswerber kein rechtliches Interesse mehr an einer Sachentscheidung des Gerichtshofes hat (VwGH 20.05.2015, Ro 2015/10/0021 mwN; VwGH 03.09.2015, Ro 2015/21/0009).

Der Verwaltungsgerichtshof vertritt in ständiger Rechtsprechung die Auffassung, dass, wie sich § 33 Abs. 1 VwGG entnehmen lässt, der Gesetzgeber das Rechtsschutzbedürfnis (Rechtsschutzinteresse) als Prozessvoraussetzung für das Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof versteht. Liegt diese Voraussetzung schon bei Einbringung einer Revision nicht vor, ist diese unzulässig. Fällt diese Voraussetzung erst nach Einbringung einer zulässigen Revision weg, so führt dies zu einer Einstellung des Verfahrens (VwGH 27.07.2017, Ra 2017/07/0014 mwN; 24.04.2018, Ra 2016/05/0112).

Das Rechtsschutzinteresse ist aus Sicht des Verwaltungsgerichtshofes immer dann zu verneinen, wenn es (auf Grund der geänderten Umstände) für die Rechtsstellung des Revisionswerbers keinen Unterschied mehr macht, ob die angefochtene Entscheidung aufrecht bleibt oder aufgehoben wird bzw. wenn die Erreichung des Verfahrenszieles für ihn keinen objektiven Nutzen hat, die in der Revision aufgeworfenen Rechtsfragen somit insoweit nur (mehr) theoretische Bedeutung besitzen. Der Verwaltungsgerichtshof ist, wenn er zur Erkenntnis gelangt, dass der Revisionswerber durch die angefochtene Entscheidung unabhängig von der Frage ihrer Gesetzmäßigkeit in seinem Recht nicht verletzt sein kann, zu einer rein abstrakten Prüfung der Rechtmäßigkeit einer verwaltungsgerichtlichen Entscheidung nicht berufen (vgl. zum Ganzen VwGH 29.06.2017, Ro 2015/04/0021 mwN).

3.2. Diese über den reinen Wortlaut des § 33 Abs. 1 VwGG hinausgehende (offenkundig unter Annahme einer planwidrigen Rechtslücke gefolgerte) Heranziehung der Bestimmung des § 33 Abs. 1 VwGG begründet der Verwaltungsgerichtshof damit, dass dem Rechtsmittelwerber nicht der Anspruch auf die Feststellung der Gesetzmäßigkeit eines Bescheides an sich zukommt, sondern dass diesem nur der Anspruch auf die Aufhebung gesetzwidriger Bescheide, die (fortwirkend) in dessen Rechtssphäre eingreifen, zukommt (vgl. VwGH 19.9.2006, Zl. 2005/06/0098, mwN; 15.09.2011, Zl. 2006/04/0108 mwN). Das Gesetz räumt nämlich keinen Anspruch auf Feststellung der Gesetzwidrigkeit von Bescheiden schlechthin ein. (vgl. etwa VwGH 19.12.1997, Zl. 96/19/0575; 13.05.2005, Zl. 2004/02/0386;

14.11.2007, Zl. 2007/20/0688; 17.12.2009, Zl. 2009/07/0088;

24.03.2011, Zl. 2009/07/0055 und 04.07.2014, Zl. 2012/04/0152).

Diese Überlegungen können nach der Rechtsprechung zufolge auf das Verfahren vor dem Verwaltungsgericht übertragen werden (VwGH 28.01.2016, Ra 2015/11/0027). Es erschiene auch die Annahme, dass mangels einer (im VwGVG normierten) ausdrücklichen Regelung der Zulässigkeit einer Verfahrenseinstellung im Falle des Wegfalls des rechtlichen Interesses erst während des vor dem Verwaltungsgericht geführten Rechtsmittelverfahrens das Verwaltungsgericht in der Sache zu entscheiden hat, als dem Gesetzgeber (insbesondere auch im Hinblick auf die erfolgte Lückenschließung des Verwaltungsgerichtshofs im Hinblick auf die Bestimmung des § 33 Abs. 1 VwGG für das verwaltungsgerichtliche Verfahren) nicht zusinnbarer Wertungswiderspruch.

Im Falle des Wegfalls des rechtlichen Interesses erst während des vor dem Verwaltungsgericht geführten Rechtsmittelverfahrens ist demnach das Verwaltungsgericht gehalten, das Verfahren infolge Wegfalls des rechtlichen Interesses an der Rechtsmittelentscheidung einzustellen, wobei hiezu die eingangs zitierte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu beachten ist.

3.3. Ein mangelndes rechtliches Interesse liegt nach der höchstgerichtlichen Judikatur grundsätzlich dann vor, wenn der Rechtsmittelwerber durch den angefochtenen Bescheid nicht in seinen Rechten verletzt sein kann (vgl. VwGH 01.10.2004, Zl. 2001/12/0148; 21.08.2014, Zl. 2012/11/0103; 15.12.2016, Zl. 2013/06/0104).

Von einem mangelnden rechtlichen Interesse eines Rechtsmittelwerbers an einer Sachentscheidung der Rechtsmittelinstanz ist ferner immer dann auszugehen, wenn der Rechtsmittelwerber durch die Aufhebung des angefochtenen Bescheides durch die Rechtsmittelinstanz nicht günstiger gestellt wäre, als dies ohne meritorische Entscheidung über das Rechtsmittel infolge der nach der Rechtsmittelerhebung eingetretenen Umstände der Fall ist (vgl. etwa VwGH 10.11.2008, Zl. 2008/12/0097; 23.06.2014, Zl. 2011/12/0016; 18.09.2013, Zl. 2011/03/0129; 05.05.2014, Zl. 2012/03/0074).

Ein rechtliches Interesse wird daher stets dann verneint, wenn es aufgrund der geänderten Umstände für die Rechtsstellung des Rechtsmittelwerbers keinen Unterschied mehr macht, ob der angefochtene Bescheid aufrecht bleibt oder aufgehoben wird bzw. wenn die Erreichung des Verfahrenszieles für den Rechtsmittelwerber keinen objektiven Nutzen (mehr) hat, die im Rechtsmittel aufgeworfenen Rechtsfragen soweit sohin nur (mehr) theoretische Bedeutung besitzen (vgl. etwa VwGH 13.12.2010, Zl. 2009/10/0050; 27.03.2014, Zl. 2011/10/0100; 27.04.2017, Ro 2016/12/0012).

3.4. Da das Gesetz keinen Anspruch auf Feststellung der Gesetzwidrigkeit von Bescheiden schlechthin einräumt und auch sonst nicht ersichtlich ist, inwiefern die Rechtssphäre der beschwerdeführenden Partei durch eine allfällige Aufhebung des angefochtenen Bescheides zu ihren Gunsten und/oder der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung dieser Beschwerde gegen den Ladungsbescheid verändert werden könnte, ist fallbezogen von einer mangelnden Beschwer des Beschwerdeführers im Hinblick auf den gegenständlichen Ladungsbescheid auszugehen.

Der Beschwerdeführer hat der ihm mit dem angefochtenen Bescheid auferlegten Verpflichtung entsprochen und ist beim türkischen Konsulat am 13.06.2018 - noch bevor die gegenständliche Beschwerde dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vorgelegt wurde - erschienen. Er hat ferner bei der Beantragung eines Heimreisezertifikates im erforderlichen Umfang mitgewirkt. Aus welchem Motiv heraus die Mitwirkung letztlich erfolgte, ist dabei unerheblich.

Ausgehend davon kommt ein Vollzug des angefochtenen Bescheides nicht mehr in Betracht, insbesondere hat der Beschwerdeführer nicht die Verhängung der ihm angedrohten Zwangsmittel für den Fall des Nichterscheinens zu befürchten. Selbst eine Aufhebung des angefochtenen Bescheides durch das Bundesverwaltungsgericht könnte den Beschwerdeführer somit nicht besserstellen, als dies ohne meritorische Erledigung der Fall ist. Durch eine Entscheidung in der Sache könnte nämlich nicht bewirkt werden, dass die bereits erfolgte Mitwirkung des Beschwerdeführers nachträglich getilgt wird. Aus der Stellungnahme der Rechtsvertretung des Beschwerdeführers vom 19.06.2018 geht nichts Gegenteiliges hervor.

Eine Verpflichtung des Bundesverwaltungsgerichtes, im Nachhinein festzustellen, ob das Bundesamt den angefochtenen Bescheid mit bereits verstrichenem Ladungstermin rechtmäßig erlassen hat, kann dem Gesetz nicht entnommen werden. Das Interesse an einer grundsätzlichen Klärung der Rechtssache kann am Fehlen der Möglichkeit, durch den angefochtenen Bescheid fortdauernd in den Rechten verletzt zu sein, nach der Rechtsprechung im Übrigen nichts ändern (VwGH 21.08.2014, Zl. 2012/11/0103).

Da es - wie erwähnt - nicht angezeigt ist, in einer Beschwerdesache zu entscheiden, wenn der Entscheidung nach der Sachlage praktisch überhaupt keine Bedeutung mehr zukommt und letztlich bloß eine Entscheidung über theoretische Rechtsfragen ergehen könnte, ist das Beschwerdeverfahren wie im Spruch ersichtlich einzustellen (vgl. nochmals VwGH 27.04.2017, Ro 2016/12/0012; 20.05.2015, Ro 2015/10/0021).

Zu B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen, vorstehend zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor, zumal der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 28.01.2016, Ra 2015/11/0027, explizit festgehalten hat, dass die Überlegungen zur Einstellung von Revisionsverfahren infolge Gegenstandslosigkeit auf das Verfahren vor den Verwaltungsgerichten übertragen werden können.

Schlagworte

geänderte Verhältnisse, Gegenstandslosigkeit, Ladungsbescheid,
Mitwirkungspflicht, Prüfgegenstand, Reisedokument,
Staatsangehörigkeit, Verfahrenseinstellung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:L521.2196176.3.00

Zuletzt aktualisiert am

03.09.2018
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten