TE Vwgh Beschluss 2018/8/2 Ra 2017/05/0007

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Veröffentlicht am 02.08.2018
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Index

L37159 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag Interessentenbeitrag
Wien;
L80009 Raumordnung Raumplanung Flächenwidmung Bebauungsplan Wien;
L80409 Altstadterhaltung Ortsbildschutz Wien;
L82000 Bauordnung;
L82009 Bauordnung Wien;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §37;
AVG §45 Abs3;
AVG §66 Abs4;
BauO Wr §129 Abs10;
BauRallg;
VwGVG 2014 §17;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Bernegger und die Hofräte Dr. Enzenhofer und Dr. Moritz als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Artmann, über die Revision 1. der Dr. S Z und 2. des Dr. C H, beide in H, beide vertreten durch Dr. Diethard Schimmer, Rechtsanwalt in 1130 Wien, Hietzinger Kai 5/11, gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes Wien vom 4. November 2016, Zlen. VGW-211/005/12252/2016/VOR-5, VGW-211/005/12253/2016/VOR, betreffend einen Bauauftrag (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Magistrat der Stadt Wien; weitere Partei:

Wiener Landesregierung), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die Revisionswerber haben der Bundeshauptstadt Wien Aufwendungen in der Höhe von insgesamt EUR 553,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

2 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

3 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden.

4 Nach ständiger hg. Judikatur hat der Verwaltungsgerichtshof die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nur im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. Der Verwaltungsgerichtshof ist weder verpflichtet, Gründe für die Zulässigkeit einer Revision anhand der übrigen Revisionsausführungen gleichsam zu suchen, noch berechtigt, von Amts wegen erkannte Gründe, die zur Zulässigkeit einer Revision hätten führen können, aufzugreifen (vgl. etwa VwGH 23.1.2018, Ra 2018/05/0003,0004, mwN).

5 Die Revisionswerber sind - neben weiteren, am Beschwerdeverfahren nicht beteiligten Personen - Miteigentümer einer (näher bezeichneten) Liegenschaft und eines darauf errichteten Gebäudes mit mehreren Wohnungen in Wien, an denen jeweils Wohnungseigentum begründet ist, sowie gemeinsam Eigentümer eines dieser Wohnungseigentumsobjekte.

6 Mit dem angefochtenen, die Beschwerde der Revisionswerber gegen den Bescheid des Magistrates der Stadt Wien (im Folgenden: Magistrat) vom 19. Februar 2016 (als Maßgabebestätigung) abweisenden Erkenntnis wurde sämtlichen Miteigentümern der genannten Liegenschaft, darunter auch den Revisionswerbern, gemäß § 129 Abs. 10 Bauordnung für Wien (im Folgenden: BO) aufgetragen, binnen sechs Monaten ab Rechtskraft des Bescheides eine Reihe von vorschriftswidrig errichteten - in 22 Spruchpunkten näher beschriebenen - Fenstern und Türen bzw. Fixverglasungen, Terrassen sowie Dachgeschosserweiterung und Gaupe im 1. und 2. Dachgeschoss des Hauses (Wohnungen top. 9 und 10) zu entfernen sowie das Mauerwerk, die Dachfläche bzw. Fenster, Türen, Fix-Verglasungen und Terrassen laut dem (näher bezeichneten) Bewilligungsbescheid vom 2. Oktober 2009 und der (näher bezeichneten) Bauanzeige vom 17. März 2015 herzustellen.

7 Dazu vertrat das Verwaltungsgericht Wien (im Folgenden: Verwaltungsgericht) die Auffassung, dass alle Miteigentümer der Baulichkeit die Folgen einer konsenslosen Bauführung an allgemeinen Teilen tragen müssten, die auftragsgegenständlichen Abweichungen jedenfalls allgemeine Teile des Hauses (äußeres Ansehen) beträfen, die nicht ohne Zustimmung aller Miteigentümer bewilligt werden könnten, und sämtliche beauftragten Maßnahmen das äußere Ansehen des Gebäudes beträfen.

8 Die Revision bringt in ihrer Zulässigkeitsbegründung (§ 28 Abs. 3 VwGG) im Wesentlichen vor, dass die Frage, ob ein Bauauftrag nach § 129 Abs. 10 BO Mit- bzw. Wohnungseigentümern, die zum einen die konsenswidrigen baulichen Maßnahmen nicht selbst gesetzt und zum anderen keine faktische Möglichkeit hätten, den Auftrag zu erfüllen, zu erteilen sei, eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung darstelle. Auch wenn nach der hg. Judikatur der Auftrag sämtlichen Miteigentümern zu erteilen sei, wenn es sich um Änderungen an allgemeinen Teilen der Liegenschaft handle, entspreche es weder der Intention dieser Judikatur noch der des Gesetzgebers, Aufträge an Personen zu erteilen, die zu deren Erfüllung faktisch nicht in der Lage seien, weil dies Maßnahmen außerhalb ihres Einflussbereiches betreffe. Den anderen Miteigentümern bleibe nur die Möglichkeit, gerichtliche Schritte gegen den die konsenswidrigen Baumaßnahmen veranlassenden Eigentümer einzuleiten. Das Klagebegehren der Revisionswerber im (näher genannten) Verfahren vor dem Bezirksgericht D., der B. GmbH die Benützung der konsenswidrigen Wohnungen top. 9 und 10, für die keine Fertigstellungsanzeigen vorlägen, zu untersagen, sei jedoch rechtskräftig abgewiesen worden, weil die bauordnungswidrige Benützung einer Wohnung keine verwaltungsstrafrechtliche Verantwortlichkeit der übrigen Wohnungseigentümer begründe (Hinweis auf hg. Judikatur). Eine auch durch Umbauarbeiten an allgemeinen Teilen (Dach, Fenster ...) bewirkte konsenswidrige Benützung könne nicht anders gewertet werden als ein konsenswidriger Umbau. Seien die übrigen Wohnungseigentümer für die gesetzwidrige Benützung nicht verantwortlich, könnten sie auch nicht für die Wiederherstellung des "konsenswidrigen" Zustandes verantwortlich gemacht werden.

9 Mit diesem Vorbringen werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme:

10 § 129 Abs. 10 BO, LGBl. Nr. 11/1930, in der Fassung LGBl. Nr. 25/2014 lautet (auszugsweise):

     "(10) Jede Abweichung von den Bauvorschriften einschließlich

der Bebauungsvorschriften ist zu beheben. ... Gegebenenfalls kann

die Behörde Aufträge erteilen; ... Aufträge sind an den Eigentümer

(jeden Miteigentümer) des Bauwerkes zu richten; im Falle des Wohnungseigentums sind sie gegebenenfalls an den Wohnungseigentümer der betroffenen Nutzungseinheit zu richten. ..."

11 Bauaufträge nach dieser Gesetzesbestimmung sind im Falle des Miteigentums somit grundsätzlich - sofern keine anders lautende Sondervorschrift besteht - an alle Miteigentümer (vgl. etwa VwGH 23.07.2013, 2013/05/0012, mwN) und im Falle des Wohnungseigentums an den Wohnungseigentümer der betroffenen Nutzungseinheit zu richten. Dies bedeutet, dass in Fällen, in denen sich der Auftrag auf eine konkrete Nutzungseinheit beschränkt, nur der konkrete Wohnungseigentümer als Adressat des Auftrages heranzuziehen ist und in allen anderen Fällen, in denen es um Aufträge betreffend allgemeine Teile der Baulichkeit geht, jeder Miteigentümer zur Instandhaltung und zur Beseitigung von Konsenswidrigkeiten verpflichtet ist (vgl. etwa VwGH 12.10.2007, 2006/05/0293; ferner etwa VwGH 27.2.2018, Ra 2018/05/0030, mwN).

12 Die Außenflächen bzw. die Außenhaut des Gebäudes zählen zu den allgemeinen Teilen des Gebäudes (vgl. etwa VwGH 29.4.2015, 2013/06/0151, mwN). Dass es sich bei den in den einzelnen Punkten des hier in Rede stehenden Bauauftrages angeführten Bauwerksteilen jedenfalls um allgemeine Teile des Gebäudes handle, wird von der Revision in ihrer Zulässigkeitsbegründung nicht in Abrede gestellt.

13 Wenn bauliche Veränderungen an allgemeinen Gebäudeteilen gegebenenfalls ohne ein schuldhaftes Verhalten eines Wohnungseigentümers bzw. Miteigentümers der Baulichkeit konsenslos hergestellt wurden, so ändert dies nichts daran, dass ein diesbezüglicher Bauauftrag nach § 129 Abs. 10 BO allen Wohnungseigentümern bzw. Miteigentümern zu erteilen ist, weshalb es auch nicht von Belang ist, ob die betreffende Bauführung mit Zustimmung sämtlicher übriger Wohnungs- bzw. Miteigentümer oder eigenmächtig vorgenommen worden ist (vgl. etwa VwGH 29.3.1994, 93/05/0289).

14 Die Frage, wem im Falle des Mit- bzw. Wohnungseigentums ein Bauauftrag zur Behebung einer Abweichung von den Bauvorschriften zu erteilen ist, ist somit auf dem Boden der dargestellten Rechtslage und hg. Judikatur hinreichend geklärt, weshalb die Revision mit ihrem oben wiedergegebenen Vorbringen keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG aufzeigt. Die Revision legt auch nicht konkret dar, in welchen Punkten das angefochtene Erkenntnis von welcher Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht bzw. konkret welche Rechtsfrage dieser uneinheitlich oder noch nicht beantwortet hat (zur Verpflichtung einer entsprechenden Darlegung in diesem Sinn vgl. etwa VwGH 21.11.2017, Ra 2016/05/0092, mwN). Inwieweit das von der Revision zitierte Erkenntnis VwGH 11.12.1990, 88/05/0227, 0228, der rechtlichen Beurteilung des Verwaltungsgerichtes entgegensteht, ist nicht erkennbar. Auch der Verweis auf die verwaltungsstrafrechtliche Verantwortlichkeit der Wohnungseigentümer verfängt nicht, weil es sich im vorliegenden Fall nicht um ein Verwaltungsstrafverfahren, sondern um ein Bauauftragsverfahren handelt.

15 Die Revision bringt in ihrer Zulässigkeitsbegründung weiters vor, dass den Revisionswerbern anlässlich der erstinstanzlichen Verhandlung am 27. Mai 2015 an Ort und Stelle der Zutritt zu den Wohnungen top. 9 und  10 durch die B. GmbH verweigert worden sei, sie daher an einem wesentlichen Verfahrensteil nicht hätten teilnehmen können und dadurch ihr Recht auf Parteiengehör in nicht sanierbarer Weise verletzt worden sei. Durch die Verweigerung des Zutritts zu diesen Wohnungen hätten sie nicht feststellen können, welche Umbauten konkret vom Magistrat bemängelt würden, sodass sie dazu auch kein Vorbringen hätten erstatten können.

16 Mit diesem Vorbringen wirft die Revision eine Rechtsfrage des Verfahrensrechts auf, der jedoch nur dann grundsätzliche Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zukäme, wenn tragende Grundsätze des Verfahrensrechtes auf dem Spiel stünden bzw. wenn die in der angefochtenen Entscheidung getroffene Beurteilung grob fehlerhaft erfolgt wäre, wozu kommt, dass auch die Relevanz des behaupteten Verfahrensmangels darzulegen ist (vgl. aus der ständigen hg. Judikatur etwa VwGH 23.01.2018, Ra 2018/05/0002, mwN). Die Relevanz des behaupteten Verfahrensmangels ist jedoch schon deshalb nicht erkennbar, weil die Gebäudeteile, die konkret vom Magistrat bemängelt werden, in den 22 Spruchpunkten des erstinstanzlichen Bescheides konkret angeführt sind. Im Übrigen werden allfällige Mängel des Verwaltungsverfahrens vor der belangten Behörde durch ein mängelfreies Verfahren vor dem Verwaltungsgericht saniert (vgl. etwa VwGH 26.11.2015, Ra 2015/07/0144, mwN).

17 Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG zurückzuweisen.

18 Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung, BGBl. II Nr. 518/2013, in der Fassung BGBl. II Nr. 8/2014.

Wien, am 2. August 2018

Schlagworte

Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung VerfahrensmangelParteiengehör Erhebungen ErmittlungsverfahrenBaupolizei Baupolizeiliche Aufträge Baustrafrecht Kosten Konsenslosigkeit und Konsenswidrigkeit unbefugtes Bauen BauRallg9/2Heilung von Verfahrensmängeln der Vorinstanz im Berufungsverfahren

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2018:RA2017050007.L00

Im RIS seit

30.08.2018

Zuletzt aktualisiert am

03.09.2018
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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