TE OGH 1984/11/8 8Ob58/84

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Veröffentlicht am 08.11.1984
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Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Stix als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Kralik, Dr. Vogel, Dr. Kropfitsch und Dr. Zehetner als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Klaus Z*****, vertreten durch Dr. Paul Flach, Rechtsanwalt in Innsbruck, wider die beklagten Parteien 1) Yvan B*****, 2) I*****, und 3) V*****, alle vertreten durch Dr. Peter Lechner, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen 341.526,36 S sA und Feststellung (61.000 S), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 2. Mai 1984, GZ 5 R 93/84-35, womit infolge Berufung der zweit- und der drittbeklagten Partei das Urteil des Landesgerichts Innsbruck vom 30. Dezember 1983, GZ 14 Cg 312/81-30, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der zweit- und der drittbeklagten Partei die mit 14.928,10 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin Barauslagen von 1.920 S und Umsatzsteuer von 1.182,55 S) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Am 12. 5. 1978 ereignete sich gegen 18:30 Uhr auf der B*****-Bundesstraße bei Km 7,4 im Gemeindegebiet von ***** ein Verkehrsunfall, an dem der Kläger als Halter und Lenker des PKW mit dem Kennzeichen ***** und der Erstbeklagte als Lenker des Omnibusses mit dem Kennzeichen ***** beteiligt waren. Die Zweitbeklagte ist der Halter des letztgenannten Kraftfahrzeugs; die Drittbeklagte haftet im Sinne des § 62 KFG für beim Betrieb dieses Kraftfahrzeugs entstandene Schäden. Die beiden Fahrzeuge kollidierten im Begegnungsverkehr. Dabei wurden unter anderem der Kläger und der Erstbeklagte verletzt; beide Fahrzeuge wurden beschädigt. Wegen dieses Verkehrsunfalls wurde gegen den Kläger zu 10 U 690/78 des Bezirksgerichts Innsbruck ein Strafverfahren eingeleitet; mit Urteil vom 18. 2. 1980 wurde er gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen.

Im vorliegenden Rechtsstreit begehrte der Kläger aus dem Rechtsgrund des Schadenersatzes aus diesem Verkehrsunfall von den Beklagten die Zahlung von 341.526,36 S sA (das sind zwei Drittel seines behaupteten Schadens); überdies stellte er ein auf Feststellung der Haftung der Beklagten für zwei Drittel seiner künftigen Unfallschäden gerichtetes Feststellungsbegehren. Dem Grunde nach stützte der Kläger sein Begehren im Wesentlichen auf die Behauptung, dass den Erstbeklagten ein Verschulden an diesem Verkehrsunfall treffe, weil er nicht rechts gefahren sei. Sollte aber der Unfallshergang nicht aufklärbar und dem Erstbeklagten ein Verschulden nicht nachzuweisen sein, sei von einer überwiegenden Betriebsgefahr des Omnibusses der Zweitbeklagten auszugehen. Aus prozessökonomischen Gründen mache der Kläger nur zwei Drittel seines Schadens geltend.

Die Beklagten wendeten dem Grunde nach ein, dass den Kläger das Alleinverschulden an diesem Verkehrsunfall treffe, weil er mit überhöhter Geschwindigkeit gefahren sei und mit seinem PKW die Fahrbahnmitte überfahren habe. Schließlich wendeten die Beklagten eine Schadenersatzforderung des Erstbeklagten aus diesem Verkehrsunfall in der Höhe von 30.000 S (Schmerzengeld, Verdienstentgang) aufrechnungsweise gegen die Klagsforderung ein.

Das Erstgericht wies das gegen den Erstbeklagten gerichtete Klagebegehren ab (Punkte 3 und 5 des Urteilsspruchs) und verurteilte die Zweit- und die Drittbeklagte unter Abweisung eines Zinsenmehrbegehrens (Punkt 2 des Urteilsspruchs) zur Zahlung von 341.526,36 S sA (Punkt 1 des Urteilsspruchs). Dem Feststellungsbegehren des Klägers gab es gegenüber der Zweit- und der Drittbeklagten statt (Punkt 4 des Urteilsspruchs).

Das Erstgericht traf zum Unfallsablauf im Wesentlichen folgende Feststellungen:

Die B*****-Bundesstraße ist im Bereich der etwa 28 m nördlich des Kilometersteins 7,4 m gelegenen Unfallstelle sehr kurvenreich und durch entsprechende Gefahrenzeichen als kurvenreiche Strecke gekennzeichnet. In Richtung B***** gesehen beschreibt die Fahrbahn eine zunächst weitgezogene, im weiteren Verlauf aber zunehmend stärker gekrümmte Rechtskurve, die aus beiden Fahrtrichtungen sehr unübersichtlich ist. Die beiderseits durch weiße Randlinien begrenzte und mit Rauhasphalt versehene Fahrbahn hat im Nahbereich der Unfallstelle eine Breite von etwa 7,1 m. Die Fahrbahn wird durch eine nicht genau in der Fahrbahnmitte verlaufende Leitlinie derart geteilt, dass der Verkehr in Richtung B***** einen 3,7 m breiten Fahrstreifen und der Gegenverkehr einen 3,4 m breiten Fahrstreifen zur Verfügung hat. Für den Verkehr in Richtung B***** besteht im Bereich der Unfallstelle eine Geschwindigkeitsbeschränkung auf 50 km/h, während für den Gegenverkehr eine von der gesetzlichen Regelung abweichende besondere Geschwindigkeitsbeschränkung nicht hervorgekommen ist. Die Sicht der in dieser Kurve einander begegnenden Fahrzeuglenker wird durch eine an der Kurveninnenseite unmittelbar an den Fahrbahnrand anschließende etwa 1 m hohe Steinmauer und eine anschließend an diese ansteigende Böschung begrenzt. Die Sicht ist dadurch sehr schlecht und nach der jeweiligen Lage und Fahrlinie sehr veränderlich. Die Fahrbahn weist in Fahrtrichtung B***** eine geringfügige, ziffernmäßig nicht näher festgestellte Steigung auf. Ebenfalls in Fahrtrichtung B***** gesehen erstreckt sich im Nahbereich der Zusammenstoßstelle eine langgezogene und mehrere Meter breite Ausweiche und Parkfläche.

Diese Verhältnisse waren auch zur Unfallszeit (12. 5. 1978 gegen 18:30 Uhr) gegeben. Es herrschte Tageslicht und es regnete. Die Fahrbahn war regennass. Die wechselseitige Sicht der am Unfall beteiligten Lenker wurde durch den Regen aber nicht beachtenswert eingeschränkt.

Der Kläger war mit seinem PKW in Richtung B***** unterwegs und hielt bei der Annäherung an die Unfallstelle eine nicht ausreichend genau abklärbare Fahrgeschwindigkeit und eine nicht ausreichend genau feststellbare Fahrlinie ein. Zur selben Zeit näherte sich aus der Gegenrichtung der vom Erstbeklagten gelenkte und mit etwa 16 Fahrgästen besetzte Reiseomnibus der Zweitbeklagten. Dieses 7,69 m lange und 2,5 m breite Fahrzeug fuhr bei der Annäherung an die Unfallstelle mit etwa 50 km/h. Seine Fahrlinie ist nicht feststellbar. Insbesondere war nicht ausreichend genau abklärbar, ob und in welchem Ausmaß die linke Seite des Omnibusses bei der Annäherung an die Unfallstelle die Leitlinie überfuhr.

Der Zusammenstoß der Fahrzeuge erfolgte etwa im Bereich der Leitlinie mit einer Überdeckung von etwa 0,8 bis 1 m, wobei der PKW mit der linken Vorderseite gegen die linke Frontseite des Omnibusses stieß. Im Zeitpunkt der Kollision betrug die Geschwindigkeit des PKW etwa 50 km/h und die Geschwindigkeit des Omnibusses rund 40 km/h. Der Erstbeklagte hatte vor dem Zusammenstoß die Gefahr einer drohenden Kollision erkannt und gebremst.

Welche Fahrlinien beide Fahrzeuge im Moment des Zusammenstoßes einhielten, war mit einer zur Feststellung des Unfallhergangs erforderlichen Genauigkeit nicht zu klären. Wahrscheinlich befand sich die linke Seite des Omnibusses zur Zeit des Zusammenstoßes knapp an der Leitlinie und demnach der PKW des Klägers etwa 0,8 m bis 1 m auf der vom Erstbeklagten befahrenen Fahrbahnhälfte. Es ist aber auch durchaus möglich, dass beide Fahrzeuge mit der erwähnten Überdeckung etwa 20 cm nach links oder rechts – gesehen jeweils in der Fahrtrichtung des Erstbeklagten – seitlich versetzt waren. Überdies ist nicht feststellbar, aus welchem Grund der Kläger vor dem Zusammenstoß mit seinem PKW teilweise über die Leitlinie geriet; insbesondere war nicht abklärbar, ob der Kläger beim Befahren der Kurve eine überhöhte Fahrgeschwindigkeit einhielt und/oder bei Wahrnehmung des entgegenkommenden Omnibusses schreckhaft durch unsachgemäßes Bremsen reagierte und aus diesem Grund über die Leitlinie geriet. Es war ferner nicht ausreichend feststellbar, wann, wo und auf welche Weise beide Fahrzeuglenker auf das entgegenkommende Fahrzeug reagierten und ob und wodurch beide oder der eine oder andere den Zusammenstoß bei gehörigem Verhalten hätte vermeiden können.

Im Rahmen seiner Beweiswürdigung führte das Erstgericht aus, es sei zwar hervorgekommen, dass das Fahrzeug des Klägers zur Zeit des Zusammenstoßes zumindest teilweise die Leitlinie überfahren hatte, doch sei nicht feststellbar gewesen, aus welchem Grund es dazu gekommen sei; diese Unsicherheit habe zusammen mit den anderen Unklarheiten eine verlässliche Aufklärung des Unfallgeschehens verhindert.

Rechtlich beurteilte das Erstgericht den festgestellten Sachverhalt im Wesentlichen dahin, dass ein Verschulden eines der am Unfall beteiligten Fahrzeuglenker ebensowenig festzustellen sei wie eine außergewöhnliche Betriebsgefahr eines der beteiligten Fahrzeuge. Da die gewöhnliche Betriebsgefahr des Omnibusses der Zweitbeklagten beträchtlich größer sei als die gewöhnliche Betriebsgefahr des PKW des Klägers, sei eine Schadensteilung im Verhältnis von 1 : 2 zu Lasten der Zweitbeklagetn als Fahrzeughalterin berechtigt. Die Zweit- und die Drittbeklagte hätten somit dem Kläger zwei Drittel des ihm entstandenen Schadens zu ersetzen. Hingegen sei eine Haftung des Erstbeklagten in Ermangelung eines erwiesenen Verschuldens am Unfall nicht gegeben. Da die gegenüber dem Erstbeklagten erhobene Forderung nicht zu Recht bestehe, erübrige es sich, über die von ihm eingewendete Gegenforderung abzusprechen.

Dieses Urteil wurde in seinem klagsstattgebenden Teil von der Zweit- und der Drittbeklagten mit Berufung bekämpft. Mit dem angefochtenen Urteil gab das Berufungsgericht diesem Rechtsmittel Folge und änderte die Entscheidung des Erstgerichts dahin ab, dass es auch das gegen die Zweit- und die Drittbeklagte gerichtete Klagebegehren abwies. Das Berufungsgericht sprach aus, dass der von der Abänderung betroffene Wert des Streitgegenstands 15.000 S und 300.000 S übersteigt.

Das Berufungsgericht übernahm die Feststellungen des Erstgerichts als unbedenklich und führte rechtlich im Wesentlichen aus, dass der den Gegenstand des Rechtsstreits bildende Schadensausgleich nach den Bestimmungen des Übereinkommens über das auf Straßenverkehrsunfälle anzuwendende Recht nach österreichischem Recht zu beurteilen sei, und zwar nach § 11 Abs 1 EKHG. Demnach komme es in erster Linie auf das Verschulden der am Unfall beteiligten Lenker und erst in zweiter und dritter Rangstufe auf die außerordentliche bzw überwiegende gewöhnliche Betriebsgefahr der beteiligten Fahrzeuge an, wobei das Verschulden eines Beteiligten die gewöhnliche Betriebsgefahr als haftungsbegründendes Element in der Regel in den Hintergrund treten lasse. Bei dem nach § 11 EKHG zu beurteilenden Schadensausgleich komme es auf die Erbringung eines Entlastungsbeweises im Sinne des § 9 Abs 2 EKHG nicht an. Die Regel, dass unaufgeklärte Umstände des Unfallsablaufs zu Lasten des in Anspruch genommenen Halters gingen, gelte nur für den Entlastungsbeweis nach § 9 Abs 2 EKHG, nicht aber für die Beurteilung der gegenseitigen Ersatzpflicht der Beteiligten nach § 11 EKHG. Insoweit gingen unaufgeklärte Umstände zu Lasten dessen, der ein Verschulden des Gegners behaupte.

Aus den getroffenen Feststellungen ergebe sich, dass der PKW des Klägers im Zeitpunkt der Kollision die 3,7 m vom rechten Fahrbahnrand des PKW und 3,4 m vom rechten Fahrbahnrand des Omnibusses entfernte Leitlinie überschritten habe. Selbst in dem für den Kläger günstigsten Fall habe sich der PKW im Zeitpunkt des Zusammenstoßes 0,6 m auf der dem Omnibus vorbehaltenen Gegenfahrbahn befunden; in dem für den Kläger ungünstigsten Fall habe der PKW die Leitlinie in diesem Augenblick sogar um 1,2 m überragt.

Daraus ergebe sich, dass der Kläger objektiv die Vorschrift des § 7 Abs 1 StVO verletzt habe. Bei der Beurteilung des Verhaltens des Erstbeklagten sei davon auszugehen, dass sich der 2,5 m breite Omnibus im Moment der Kollision 0,7 m von seinem rechten Fahrbahnrand entfernt befunden habe. Ein derartiger Abstand vom rechten Fahrbahnrand sei für einen Omnibus beim Durchfahren einer Linkskurve auf einer insgesamt 7,1 m breiten Fahrbahn aus der Sicht des § 7 StVO nicht zu beanstanden.

Die Verkehrsvorschrift des § 7 Abs 1 StVO stelle eine Schutznorm im Sinne des § 1311 ABGB dar. Nur die verschuldete Übertretung einer Schutznorm mache haftbar; bei objektiver Verletzung einer Schutznorm habe aber der Schädiger den Beweis für seine Schuldlosigkeit zu erbringen, Demgemäß obliege es dem Lenker eines Fahrzeugs, das auf die dem Gegenverkehr vorbehaltene Fahrbahnseite geraten sei, den Beweis dafür zu führen, dass er an der Einhaltung des Rechtsfahrgebots des § 7 StVO unverschuldet gehindert gewesen sei. Diesen Beweis habe der Kläger nicht erbringen können. Es sei daher davon auszugehen, dass er schuldhaft gegen das Rechtsfahrgebot des § 7 StVO verstoßen habe. Hingegen habe gegenüber dem Erstbeklagten der vom Kläger erhobene Vorwurf einer Verletzung des Rechtsfahrgebots des § 7 StVO nicht bewiesen werden können. Stehe aber bei dem nach § 11 Abs 1 EKHG zu beurteilenden Schadensausgleich der bloßen gewöhnlichen Betriebsgefahr des Omnibusses – eine außergewöhnliche Betriebsgefahr sei nicht vorgelegen – das Alleinverschulden des Klägers gegenüber, dann sei auch eine Verpflichtung der Zweit- und der Drittbeklagten zum Schadensausgleich nicht gegeben. Das Klagebegehren sei daher auch gegenüber der Zweit- und der Drittbeklagten abzuweisen.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision des Klägers. Er bekämpft sie aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil im Sinne der Wiederherstellung der Entscheidung des Erstgerichts abzuändern.

Die Zweit- und die Drittbeklagte haben eine Revisionsbeantwortung mit dem Antrag erstattet, der Revision keine Folge zu geben.

Im Hinblick auf den Streitgegenstand, über den das Berufungsgericht entschieden hat, ist die Revision im Sinne des § 502 Abs 4 Z 2 ZPO ohne die im § 503 Abs 2 ZPO normierte Einschränkung der Revisionsgründe zulässig; sachlich ist sie aber nicht berechtigt.

Das Berufungsgericht hat zutreffend ausgeführt, dass im Hinblick auf den Unfallsort die geltend gemachten Schadenersatzansprüche nach österreichischem Recht zu beurteilen sind (Art 3 des Übereinkommens über das auf Straßenverkehrsunfälle anzuwendende Recht, BGBl 1975/387).

Rechtliche Beurteilung

Für die gegenseitige Ersatzpflicht der Beteiligten sind demnach die im § 11 Abs 1 EKHG normierten Grundsätze anzuwenden. Im Verhältnis der Beteiligten kommt es nicht auf die Erbringung eines Entlastungsbeweises an (ZVR 1974/226; 8 Ob 47/82; 8 Ob 95/83 uva). Da nämlich die gegenseitige Ersatzpflicht der Beteiligten im Sinne des § 11 Abs 1 2. Satz EKHG eine Folge ihrer Schadenersatzpflicht ist und ohne sie nicht bestehen kann, setzt sie geradezu voraus, dass die Beteiligten den Entlastungsbeweis im Sinne des § 9 EKHG nicht erbringen können, weil ansonsten nämlich für sie keine Schadenersatzpflicht bestünde (vgl E MGA EKHG3 § 11/I 5, 6 und VI 1, 3; 8 Ob 95/83 ua). Im Sinne der Bestimmung des § 11 Abs 1 EKHG hängt vielmehr die gegenseitige Ersatzpflicht der Beteiligten von den Umständen, insbesondere davon ab, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder anderen Beteiligten verschuldet oder durch außergewöhnliche Betriebsgefahr oder überwiegende gewöhnliche Betriebsgefahr verursacht wurde. Dabei tritt nach ständiger Rechtsprechung die gewöhnliche Betriebsgefahr als Zurechnungskriterium hinter dem Verschulden eines Beteiligten in der Regel zurück (ZVR 1974/227; ZVR 1976/109; ZVR 1981/7; 8 Ob 115/81; 8 Ob 144/82; 8 Ob 95/83 uva). Die Behauptungs- und Beweislast für die Tatumstände, aus denen ein die Haftung für die Unfallsfolgen begründendes Verschulden des Gegners abgeleitet wird, trifft den, der sich auf ein solches Verschulden beruft; jede in dieser Richtung verbleibende Unklarheit in tatsächlicher Hinsicht geht zu Lasten dessen, der ein Verschulden des Gegners behauptet (ZVR 1976/194; ZVR 1979/58; 8 Ob 191/82; 8 Ob 188/83 uva).

Prüft man im vorliegenden Fall den von den Vorinstanzen festgestellten Sachverhalt nach diesen Gesichtspunkten, dann ist zunächst festzuhalten, dass die Rechtsrüge des Klägers, soweit sie nicht von diesem Sachverhalt ausgeht (auch die Feststellung, dass eine bestimmte Tatsache nicht festgestellt werden kann, gehört zur irreversiblen Tatsachengrundlage), nicht dem Gesetz gemäß ausgeführt ist, sodass in diesem Umfang nicht zu ihr Stellung genommen werden kann. Es trifft nicht zu, dass es sich bei den Feststellungen der Vorinstanzen über die Position der beiden am Unfall beteiligten Fahrzeuge im Augenblick des Zusammenstoßes um Vermutungen handelt. Vielmehr hat das Erstgericht, wie bereits das Berufungsgericht zutreffend ausführte, diesbezüglich festgestellt, dass der PKW des Klägers im Augenblick des Kontakts die Leitlinie um 0,6 bis 1,2 m überfahren hatte, während der Omnibus mit der linken Fahrzeugbegrenzung 0,2 m rechts bis 0,2 m links der Leitlinie fuhr. Bei der Beurteilung eines allfälligen Verschuldens der beiden beteiligten Lenker ist somit in Anwendung der dargestellten Grundsätze zu Gunsten des Klägers davon auszugehen, dass er die Leitlinie nur um 0,6 m überfahren hatte und zu Gunsten des Erstbeklagten davon, dass er mit der linken Begrenzung des Omnibusses 0,2 m rechts der Leitlinie fuhr.

Nach ständiger Rechtsprechung ist auch bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 7 Abs 2 StVO ein Kraftfahrzeuglenker nicht verpflichtet, am äußersten rechten Fahrbahnrand zu fahren. Es ist ihm vielmehr auch in diesen Fällen die Einhaltung eines Sicherheitsabstands zum rechten Fahrbahnrand zuzubilligen, der allerdings jenes Maß nicht überschreiten darf, das zur Vermeidung einer Personen- oder Sachgefährdung erforderlich ist. Das Ausmaß des zulässigen rechtsseitigen Sicherheitsabstands richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls, insbesondere nach der Breite, der Beschaffenheit und dem Verlauf der Fahrbahn, der eingehaltenen Geschwindigkeit und dergleichen (ZVR 1975/67; ZVR 1976/191; ZVR 1981/201; 8 Ob 266/82 uva).

Unter diesen Gesichtspunkten kann aus einer Kontaktposition des Omnibusses mit einem rechtsseitigen Sicherheitsabstand zum Fahrbahnrand von 0,7 m (Fahrstreifen von 3,4 m abzüglich 2,5 m Fahrzeugbreite und Abstand von 0,2 m zur Leitlinie) noch kein Verstoß des Erstbeklagten gegen § 7 Abs 2 StVO abgeleitet werden, zumal für den Gegenverkehr unter diesen Umständen eine Fahrbahnbreite von 3,9 m frei blieb. Wohl aber ist aus einer Kontaktposition des PKW des Klägers bei Überfahren der Leitlinie um 0,6 m ein derartiger Verstoß des Klägers eindeutig abzuleiten, weil sich daraus ergibt, dass der Kläger mit seinem rund 1,53 m breiten Fahrzeug (Strafakt S 6) einen Abstand von über 2,7 m zum rechten Fahrbahnrand einhielt (Fahrstreifen von 3,7 m zuzüglich 0,6 m Überschreitung abzüglich Fahrzeugbreite von rund 1,53 m), der das zur Vermeidung einer Personen- oder Sachgefährdung erforderliche Ausmaß jedenfalls weit überschritt.

Aus den Feststellungen der Vorinstanzen ergibt sich daher, dass der Kläger im Augenblick des Zusammenstoßes jedenfalls objektiv gegen § 7 Abs 2 StVO verstoßen hat, während dem Erstbeklagten ein solcher Verstoß nicht angelastet werden kann.

Bei der Bestimmung des § 7 Abs 2 StVO handelt es sich um eine Schutznorm im Sinne des § 1311 ABGB, die jedenfalls auch dem Schutz des Gegenverkehrs dient (ZVR 1980/33; 8 Ob 118/81; 8 Ob 93/82; 8 Ob 145/83; 8 Ob 27/84 uva). Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs macht nur die schuldhafte Übertretung einer Schutznorm haftbar. Den Beweis für die Schuldlosigkeit hat jedoch der Übertreter der Schutznorm zu erbringen, weil § 1298 ABGB dem, der vorgibt, an der Erfüllung seiner gesetzlichen Verbindlichkeit ohne sein Verschulden verhindert worden zu sein, den Beweis dafür auferlegt (SZ 51/109; SZ 52/109 SZ 53/49; ZVR 1982/98; ZVR 1983/173 uva). Da nicht aufgeklärt werden konnte, warum der Kläger mit seinem PKW in die der Vorschrift des § 7 Abs 2 StVO widersprechende Kontaktposition geriet, ist ihm der ihm obliegende Beweis seiner Schuldlosigkeit nicht gelungen.

Mit Recht ist daher das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass den Kläger ein Verschulden an diesem Verkehrsunfall trifft, während dem Erstbeklagten kein Verschulden zur Last gelegt werden kann. Da, wie bereits eingangs ausgeführt, die gewöhnliche Betriebsgefahr eines Fahrzeugs (eine vom Omnibus der Zweitbeklagten ausgehende außergewöhnliche Betriebsgefahr im Sinne des § 9 Abs 2 EKHG lag nach den Feststellungen der Vorinstanzen nicht vor) nach der im § 11 Abs 1 EKHG normierten Rangordnung als Zurechnungskriterium durch das Verschulden eines Beteiligten in der Regel gänzlich zurückgedrängt wird, entspricht unter diesen Umständen die Entscheidung des Berufungsgerichts durchaus der Sach- und Rechtslage, sodass der Revision des Klägers ein Erfolg versagt bleiben muss.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.

Textnummer

E122510

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1984:0080OB00058.840.1108.000

Im RIS seit

29.08.2018

Zuletzt aktualisiert am

29.08.2018
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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