TE OGH 2018/8/3 14Os77/18g

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Veröffentlicht am 03.08.2018
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 3. August 2018 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Danek als Vorsitzenden, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger, die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer und Dr. Oshidari sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Mann in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Wieser als Schriftführerin in der Strafsache gegen Daniel B***** und andere Angeklagte wegen des Vergehens des Diebstahls nach § 127 StGB und weiterer strafbarer Handlungen, AZ 2 U 34/13p des Bezirksgerichts Lilienfeld, über die von der Generalprokuratur gegen den Beschluss dieses Gerichts vom 23. Jänner 2017, GZ 2 U 34/13p-72, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur

Wahrung des Gesetzes nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Mag. Leitner, zu Recht erkannt:

Spruch

Der Florian G***** betreffende Beschluss des Bezirksgerichts Lilienfeld, vom 23. Jänner 2017, GZ 2 U 34/13p-72, verletzt § 203 Abs 4 StPO sowie den im 16. Hauptstück der StPO verankerten Grundsatz der Bindungswirkung gerichtlicher Entscheidungen.

Dieser Beschluss wird ersatzlos aufgehoben.

Text

Gründe:

Mit Strafantrag vom 24. Oktober 2013, AZ 30 BAZ 993/13h, legte die Staatsanwaltschaft St. Pölten Florian G***** als Vergehen des Diebstahls nach §§ 15, 127 StGB zur Last, er habe am 1. September 2013 in R***** gemeinsam mit Daniel B***** (mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz) versucht, Gewahrsamsträgern der Freiwilligen Feuerwehr R***** fremde bewegliche Sachen, nämlich „Getränke“, wegzunehmen (ON 3 in ON 5).

Nachdem dieses Verfahren in jenes des Bezirksgerichts Lilienfeld zum AZ 2 U 34/13p gegen Daniel B***** und andere wegen § 127 StGB und weiterer strafbarer Handlungen einbezogen worden war (ON 1 S 2 in ON 5 iVm ON 1 S 3), fasste das genannte Gericht im Zuge der Hauptverhandlung vom 30. Oktober 2014 den – unbekämpft in Rechtskraft erwachsenen – Beschluss auf vorläufige Einstellung (auch) des gegen Florian G***** geführten Verfahrens gemäß § 203 Abs 1 und Abs 3 StPO iVm §§ 198, 199 StPO für eine Probezeit von zwei Jahren und verpflichtete den Genannten unter einem zur Zahlung eines Pauschalkostenbeitrags von 60 Euro binnen drei Wochen („zu ON 35“ S 4, ON 38).

Mit Beschluss vom 9. April 2015, GZ 2 U 34/13p-50, wurde das Verfahren gegen Florian G***** gemäß § 205 Abs 2 Z 2 StPO fortgesetzt, weil dieser seiner Zahlungsverpflichtung trotz förmlicher Mahnung und Nachfristsetzung (ON 49) nicht nachgekommen war. Diese Entscheidung erwuchs in Rechtskraft.

Mit gekürzt ausgefertigtem (am 18. Jänner 2016 rechtskräftigem [ON 58]) Urteil des Bezirksgerichts Lilienfeld vom 14. Jänner 2016, GZ 2 U 34/13p-57, wurde Florian G***** im Sinn des oben angeführten Strafantrags der Staatsanwaltschaft St. Pölten des Vergehens des Diebstahls nach §§ 15, 127 StGB schuldig erkannt und zu einer Geldstrafe in der Höhe von 20 Tagessätzen zu je 4 Euro, im Fall der Uneinbringlichkeit zu zehn Tagen Ersatzfreiheitsstrafe verurteilt.

Ungeachtet dessen fasste dasselbe Gericht am 23. Jänner 2017 den Beschluss, das Verfahren gegen Florian G***** „gemäß § 203 Abs 4 iVm § 199 StPO“ endgültig einzustellen (ON 72).

Rechtliche Beurteilung

Wie die Generalprokuratur in ihrer dagegen erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes zutreffend aufzeigt, steht dieser Beschluss mit dem Gesetz nicht in Einklang:

Nach § 203 Abs 4 StPO, welche Bestimmung nach Einbringung der Anklage wegen Begehung einer strafbaren Handlung, die von Amts wegen zu verfolgen ist, auch für das Gericht gilt (§ 199 StPO), ist ein unter Setzung einer Probezeit gemäß § 203 Abs 1 StPO vorläufig eingestelltes Strafverfahren bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen nur dann endgültig einzustellen, wenn dieses Verfahren nicht gemäß § 205 StPO nachträglich fortzusetzen ist.

Wurde nach Fassung eines solchen Fortsetzungsbeschlusses durch das Gericht (vgl dazu Schroll, WK-StPO § 205 Rz 21) in diesem (fortgesetzten) Verfahren über den Anklagevorwurf bereits mit Urteil abgesprochen, steht einer endgültigen Einstellung des Verfahrens der im 16.

 Hauptstück der StPO verankerte Grundsatz der

Bindungswirkung gerichtlicher Entscheidungen entgegen (RIS-Justiz RS0101270).

Zum Zeitpunkt der in Rede stehenden Beschlussfassung vom 23. Jänner 2017 war das – durch gerichtlichen Beschluss nach § 205 Abs 2 Z 2 StPO fortgesetzte – Strafverfahren gegen Florian G***** wegen §§ 15, 127 StGB aufgrund des Urteils des Bezirksgerichts Lilienfeld vom 14. Jänner 2016, GZ 2 U 34/13p-57, bereits rechtskräftig abgeschlossen.

Der dennoch ergangene Einstellungsbeschluss verletzt demnach sowohl den im 16. Hauptstück der StPO verankerten Grundsatz der Bindungswirkung gerichtlicher Entscheidungen als auch § 203 Abs 4 StPO, vermag jedoch keine Rechtswirkung zu erzeugen (vgl dazu 12 Os 165/09w) und ist daher unbeachtlich. Er war demzufolge nur zur Klarstellung zu beseitigen (RIS-Justiz RS0116267 [va T8]; Ratz, WK-StPO § 292 Rz 45 f; Lewisch, WK-StPO Vor §§ 352–363 Rz 87 ff).

Textnummer

E122487

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2018:0140OS00077.18G.0803.000

Im RIS seit

27.08.2018

Zuletzt aktualisiert am

27.07.2021
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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