TE Vwgh Erkenntnis 2018/7/26 Ra 2018/11/0063

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Veröffentlicht am 26.07.2018
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
90/02 Führerscheingesetz;
90/02 Kraftfahrgesetz;

Norm

AVG §52;
AVG §63 Abs2;
FSG 1997 §8 Abs2;
FSG 1997 §8;
FSG-GV 1997 §14 Abs1 ;
FSG-GV 1997 §14 Abs1;
FSG-GV 1997 §14 Abs5;
FSG-GV 1997 §3 ;
FSG-GV 1997 §3 Abs3;
KFG 1967 §67 Abs2;
VwGG §42 Abs2 Z1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Rigler und die Hofräte Dr. Schick, Dr. Grünstäudl und Mag. Samm sowie die Hofrätin Dr. Pollak als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Kratschmayr, über die Revision des Dipl.Ing. G G in L, vertreten durch Dr. Günther Klepp, Mag. Dr. Peter Nöbauer, Mag. Franz Hintringer, Mag. Rupert Primetshofer und Mag. Markus Klepp, Rechtsanwälte in 4020 Linz, Museumstraße 15, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Oberösterreich vom 4. Jänner 2018, Zl. LVwG-650798/16/Kof/HK, betreffend Erteilung einer Lenkberechtigung (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Linz-Land), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Mit aktenkundigem Bescheid der belangten Behörde vom 1. Oktober 2014 war die Lenkberechtigung des Revisionswerbers für die Klassen AM, A und B gemäß § 26 Abs. 2 Z 1 FSG für die Dauer von 6 Monaten entzogen und ihm gemäß § 24 Abs. 3 FSG die Beibringung eines amtsärztlichen Gutachtens und einer verkehrspsychologischen Stellungnahme aufgetragen worden. Begründet wurde dies damit, dass der Revisionswerber am 22. September 2014 ein Kraftfahrzeug mit einem Alkoholgehalt der Atemluft von 1,35 mg/l gelenkt und dadurch eine Übertretung des § 99 Abs. 1 lit. a StVO 1960 begangen habe.

2 Mit dem gleichfalls aktenkundigen Bescheid der belangten Behörde vom 24. März 2015 war die Lenkberechtigung des Revisionswerbers gemäß § 25 Abs. 2 FSG für die Dauer der gesundheitlichen Nichteignung entzogen worden. Zur Begründung wurde auf das Gutachten des Amtsarztes verwiesen, der unter Bezugnahme auf die erstattete verkehrspsychologische Stellungnahme davon ausging, beim Revisionswerber lägen "deutliche Hinweise für ein Alkoholkonsumverhalten mit Krankheitscharakter" vor.

3 Mit dem gleichfalls aktenkundigen Bescheid der belangten Behörde vom 29. Juni 2015 wurde die Lenkberechtigung des Revisionswerbers für die genannten Klassen unter gleichzeitiger Vorschreibung von Auflagen (Vorlage von alkoholspezifischen Laborbefunden) befristet bis zum 29. Dezember 2016 erteilt. Begründend wurde auf ein amtsärztliches Gutachten vom 29. Juni 2015 verwiesen, nach welchem es im Untersuchungszeitpunkt keinen Hinweis (mehr) auf einen übermäßigen Alkoholkonsum gegeben habe.

4 Mit Bescheid der belangten Behörde vom 20. Dezember 2016 wurde die Lenkberechtigung des Revisionswerbers neuerlich befristet (bis zum 19. Dezember 2018) erteilt, dies abermals unter Vorschreibung von Auflagen. Begründend wurde auf das amtsärztliche Gutachten vom 19. Dezember 2016 verwiesen, dem zu entnehmen sei, dass es dem Revisionswerber, wie er durch Blutbefunde bestätigt habe, gelungen sei, "seit dem Führerscheinentzug 2015 die ersten 6 Monate abstinent zu sein und bis jetzt die Trinkmenge deutlich zu reduzieren".

5 In seiner dagegen erhobenen Beschwerde beantragte der Revisionswerber die unbefristete Erteilung der Lenkberechtigung ohne Auflagen.

6 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurde die Beschwerde insoweit abgewiesen, als sowohl die Befristung der Lenkberechtigung als auch näher genannte Auflagen (insbesondere Vorlage von zwei Laborbefunden über alkoholspezifische Werte zu näher genannten Zeitpunkten) sowie die Vorschreibung einer amtsärztlichen Nachuntersuchung vor Ablauf der Befristung bestätigt wurden (hinsichtlich anderer, hier nicht relevanter Auflagen wurde der Beschwerde (bloß) "stattgegeben"). Gleichzeitig wurde gemäß § 25a VwGG ausgesprochen, dass eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig sei.

7 In der Begründung gab das Verwaltungsgericht das vom Revisionswerber vorgelegte Gutachten des Facharztes für Psychiatrie Dr. S. vom 22. November 2016 auszugsweise wie folgt wieder:

"Diagnose:

Anamnestisch schädlicher Gebrauch von Alkohol (DD Alkoholabhängigkeit), kontrollierter Alkoholkonsum seit Juli 2015 ohne Hinweis auf derzeit problematisches Trinkverhalten.

...

Beurteilung:

Anamnestisch kam es beim (Revisionswerber) seit dem frühen Erwachsenenalter zu immer wieder erhöhten Alkoholtrinkmengen, das Maximum des Alkoholkonsums wird während des Bundesheeres und der Studienzeit in Graz angegeben.

In den Jahren danach wurde bis zum gegenständlichen Führerscheinentzug vermehrt Alkohol konsumiert, zumindest von einem Alkoholmissbrauch ist auszugehen, differentialdiagnostisch finden sich auch Hinweise auf einen regelmäßigen Konsum im Sinne einer Abhängigkeit.

Dies ist retrospektiv nicht mit Sicherheit zu klären, erfreulicher Weise gelang es dem (Revisionswerber) nach dem gegenständlichen Führerscheinentzug, zunächst eine sechs Monate lange Alkoholabstinenz einzuhalten und im Anschluss daran die konsumierten Alkoholmengen deutlich zu reduzieren.

Seit etwa achtzehn Monaten wird Alkohol nun kontrolliert getrunken, die Angaben des (Revisionswerbers) stehen durchaus im Einklang mit den engmaschig überprüften, unauffälligen alkoholspezifischen Laborwerten.

Hinweise für ein neuerliches missbräuchliches Alkoholkonsummuster finden sich im Beurteilungszeitraum seit Wiederausfolgen der Lenkberechtigung nicht.

...

Empfehlungen:

-

Befristung auf zwei Jahre

-

Beibehalten der deutlich reduzierten Alkoholtrinkmenge

-

Kontrolle der alkoholspezifischen Laborwerte MCV, GGT und CDT viermal jährlich"

8 Anschließend gab das Verwaltungsgericht Teile des Protokolls der durchgeführten mündlichen Verhandlung wieder. Demnach habe die Amtsärztin in der Verhandlung zum psychiatrischen Gutachten (u.a.) ausgeführt, "die Diagnosen Alkoholabhängigkeit einerseits und gehäufter Alkoholmissbrauch andererseits stehen im Raum". Ob diese Diagnosen beim Revisionswerber zu bejahen seien, habe der Facharzt zu beurteilen.

9 Daher habe das Verwaltungsgericht mit verfahrensleitendem Beschluss vom 27. Juli 2017 dem Revisionswerber aufgetragen, ein psychiatrisches Ergänzungsgutachten zur Frage vorzulegen, ob die im zitierten psychiatrischen Gutachten Dris. S. "enthaltenen ‚Empfehlungen' gemäß § 14 Abs. 5 FSG-GV erforderlich sind".

10 Dem letztzitierten Beschluss sei der Revisionswerber nicht nachgekommen und habe damit seine spezifische Mitwirkungspflicht, deren Verletzung zur Versagung der Lenkberechtigung führen könne (Hinweis auf VwGH 24.7.2013, 2013/11/0089 und 17.5.2016, Ra 2016/11/0069), verletzt.

11 Nach einer Bezugnahme auf § 14 Abs. 5 und § 2 Abs. 1 FSG-GV verwies das Verwaltungsgericht auf hg. Judikatur (VwGH 31.7.2017, Ra 2017/11/0064, und vom 30.6.2016, Ra 2016/11/0088), nach der "bei Abhängigkeit in der Vergangenheit" ärztliche Kontrolluntersuchungen in Verbindung mit der Befristung der Lenkberechtigung zu verfügen seien. Dies sei mit dem angefochtenen Erkenntnis erfolgt.

12 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.

13 Die belangte Behörde hat eine Revisionsbeantwortung erstattet.

14 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

15 Das FSG, BGBl. I Nr. 120/1997 in der hier maßgebenden

Fassung BGBl. I Nr. 15/2017, lautet auszugsweise:

"Gesundheitliche Eignung

§ 8. (1) Vor der Erteilung einer Lenkberechtigung hat der Antragsteller der Behörde ein ärztliches Gutachten vorzulegen, daß er zum Lenken von Kraftfahrzeugen gesundheitlich geeignet ist. Das ärztliche Gutachten hat auszusprechen, für welche Gruppe(n) von Lenkberechtigungen der Antragsteller gesundheitlich geeignet ist, darf im Zeitpunkt der Entscheidung nicht älter als 18 Monate sein und ist von einem in die Ärzteliste eingetragenen sachverständigen Arzt gemäß § 34 zu erstellen. ...

(2) Sind zur Erstattung des ärztlichen Gutachtens besondere Befunde oder im Hinblick auf ein verkehrspsychologisch auffälliges Verhalten eine Stellungnahme einer verkehrspsychologischen Untersuchungsstelle erforderlich, so ist das ärztliche Gutachten von einem Amtsarzt zu erstellen; der Antragsteller hat diese Befunde oder Stellungnahmen zu erbringen. Wenn im Rahmen der amtsärztlichen Untersuchung eine sichere Entscheidung im Hinblick auf die gesundheitliche Eignung nicht getroffen werden kann, so ist erforderlichenfalls eine Beobachtungsfahrt anzuordnen.

(3) Das ärztliche Gutachten hat abschließend auszusprechen:

‚geeignet', ‚bedingt geeignet', ‚beschränkt geeignet' oder ‚nicht geeignet'. ...

...

(6) Der Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie hat nach den Erfordernissen der Verkehrs- und Betriebssicherheit, dem jeweiligen Stand der medizinischen und psychologischen Wissenschaft und der Technik entsprechend, durch Verordnung die näheren Bestimmungen festzusetzen über:

1. die ärztliche Untersuchung und die Erstellung des

ärztlichen Gutachtens (Abs. 1 und 2); hiebei ist auch festzusetzen, unter welchen Auflagen oder Beschränkungen Personen, bei denen bestimmte gesundheitliche Beeinträchtigungen vorliegen, als zum Lenken von Kraftfahrzeugen geeignet zu gelten haben (Abs. 3 Z 2 und 3);

..."

16 Die Führerscheingesetz-Gesundheitsverordnung, BGBl. II Nr. 322/1997 in der hier maßgebenden Fassung BGBl. II Nr. 206/2016 (FSG-GV), lautet auszugsweise:

"Allgemeines

§ 2. (1) Das ärztliche Gutachten hat gegebenenfalls auszusprechen:

1.        ob und nach welchem Zeitraum eine amtsärztliche

Nachuntersuchung erforderlich ist,

2.        ob und in welchen Zeitabständen ärztliche

Kontrolluntersuchungen erforderlich sind,

     ...

Werden in den Fällen der §§ 5 bis 16 ärztliche Kontrolluntersuchungen als Auflage vorgeschrieben, so dürfen diese niemals alleine, sondern immer nur in Verbindung mit einer Befristung der Lenkberechtigung und einer amtsärztlichen Nachuntersuchung bei Ablauf dieser Befristung verfügt werden.

...

Allgemeine Bestimmungen über die gesundheitliche Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen

§ 3. (1) Als zum Lenken von Kraftfahrzeugen einer bestimmten Fahrzeugklasse im Sinne des § 8 FSG gesundheitlich geeignet gilt, wer für das sichere Beherrschen dieser Kraftfahrzeuge und das Einhalten der für das Lenken dieser Kraftfahrzeuge geltenden Vorschriften

1. die nötige körperliche und psychische Gesundheit besitzt,

...

(3) Ergibt sich aus der Vorgeschichte oder anläßlich der Untersuchung der Verdacht auf das Vorliegen eines Zustandes, der die Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen einschränken oder ausschließen würde, so ist gegebenenfalls die Vorlage allfälliger fachärztlicher oder verkehrspsychologischer Stellungnahmen zu verlangen.

...

Alkohol, Sucht- und Arzneimittel

§ 14. (1) Personen, die von Alkohol, einem Sucht- oder Arzneimittel abhängig sind oder den Konsum dieser Mittel nicht so weit einschränken können, daß sie beim Lenken eines Kraftfahrzeuges nicht beeinträchtigt sind, darf, soweit nicht Abs. 4 anzuwenden ist, eine Lenkberechtigung weder erteilt noch belassen werden. Personen, bei denen der Verdacht einer Alkohol-, Suchtmittel- oder Arzneimittelabhängigkeit besteht, haben eine fachärztliche psychiatrische Stellungnahme beizubringen.

(2) Lenker von Kraftfahrzeugen, bei denen ein Alkoholgehalt des Blutes von 1,6 g/l (1,6 Promille) oder mehr oder der Atemluft von 0,8 mg/l oder mehr festgestellt wurde, haben ihre psychologische Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen durch eine verkehrspsychologische Stellungnahme nachzuweisen.

...

(5) Personen, die alkohol-, suchtmittel- oder arzneimittelabhängig waren oder damit gehäuften Mißbrauch begangen haben, ist nach einer befürwortenden fachärztlichen Stellungnahme und unter der Auflage ärztlicher Kontrolluntersuchungen eine Lenkberechtigung der Gruppe 1 zu erteilen oder wiederzuerteilen.

..."

17 Die Revision ist zulässig, weil, wie sie zutreffend geltend macht, das Verwaltungsgericht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. etwa VwGH 21.4.2016, Ra 2016/11/0019) abgewichen ist, indem es die Tatbestandsvoraussetzungen des § 14 Abs. 5 FSG-GV für die Vorschreibung ärztlicher Kontrolluntersuchungen (fallbezogen: Laborbefunde über alkoholspezifische Werte) und daran anknüpfend die Tatbestandsvoraussetzungen des § 2 Abs. 1 letzter Satz FSG-GV für die Befristung der Lenkberechtigung samt vorhergehender amtsärztlicher Nachuntersuchung als erfüllt angesehen hat, ohne tragfähige Feststellungen über eine Alkoholabhängigkeit oder einen gehäuften Alkoholmissbrauch des Revisionswerbers in der Vergangenheit (und gegebenenfalls für welchen Zeitraum eine solche Diagnose bzw. solche Vorfälle zu bejahen sind) zu treffen.

18 Das Verwaltungsgericht stützte das angefochtene Erkenntnis nämlich im Wesentlichen auf die Rechtsansicht, dass diesbezügliche Beweisergebnisse (psychiatrisches Ergänzungsgutachten) aufgrund des erwähnten verfahrensleitenden Beschlusses vom 27. Juli 2017 vom Revisionswerber hätten beigebracht werden müssen und nahm - mangels Vorlage eines solchen Ergänzungsgutachtens durch den Revisionswerber - erkennbar eine in der Vergangenheit liegende Alkoholabhängigkeit des Revisionswerbers iSd § 14 Abs. 5 FSG-GV an (Anhaltspunkte, dass das Verwaltungsgericht das Vorliegen einer aktuellen Alkoholabhängigkeit iSd Abs. 1 leg. cit. bejaht hätte, finden sich nicht).

19 Diese Vorgangsweise war aus folgenden Gründen nicht rechtens:

20 Zwar ist es grundsätzlich zulässig, wenn bei einer Person nach einem von ihr begangenen Alkoholdelikt, das in der Folge nach einer amtsärztlichen Begutachtung zur Entziehung der Lenkberechtigung für die Dauer der gesundheitlichen Nichteignung (fallbezogen: wegen "Alkoholkonsumverhalten mit Krankheitscharakter") führt, in einem anschließenden Erteilungsverfahren vom Verdacht einer weiterhin zumindest eingeschränkten Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen iSd § 3 Abs. 3 FSG-GV ausgegangen wird (vgl. auch § 14 Abs. 1 zweiter Satz FSG-GV zum Verdacht einer Alkoholabhängigkeit), sodass in einem solchen Fall aufgrund der genannten Bestimmungen die Vorlage fachärztlicher Stellungnahmen verlangt werden kann.

21 In diesem Sinne hat der Verwaltungsgerichtshof zur im Wesentlichen selben Rechtslage im (auch vom Verwaltungsgericht zitierten) Erkenntnis vom 28.6.2001, 2000/11/0254, ausgeführt:

"Liegen die Voraussetzungen des § 3 Abs. 3 erster Satz FSG-GV vor, so hat die Behörde gestützt auf § 8 Abs. 2 erster Satz FSG dem Antragsteller im Wege einer Verfahrensanordnung gemäß § 63 Abs. 2 AVG die Vorlage der zur Erstattung des amtsärztlichen Gutachtens erforderlichen Befunde und/oder Stellungnahmen aufzutragen (vgl. hiezu die zur insoweit vergleichbaren Rechtslage des § 67 Abs. 2 KFG 1967 ergangene hg. Rechtsprechung, insbes. die hg. Erkenntnisse vom 20. November 1981, Slg NF Nr. 10.598/A, und vom 21. März 1995, Zl. 95/11/0054). Werden die erforderlichen fachärztlichen Befunde und/oder Stellungnahmen vom Antragsteller nicht beigebracht und kann deshalb die für die Erteilung der Lenkberechtigung notwendige amtsärztliche Gesamtbeurteilung im Sinne des § 3 Abs. 3 FSG-GV (§ 8 Abs. 2 FSG) nicht erstellt werden, so hat die Behörde davon auszugehen, dass eine wesentliche Voraussetzung für die Erteilung der Lenkberechtigung, nämlich die durch ein amtsärztliches Gutachten im Sinne des § 8 Abs. 2 FSG nachzuweisende gesundheitliche Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen, nicht vorliegt (vgl. hiezu das bereits zitierte hg. Erkenntnis vom 21. März 1995, Zl. 95/11/0054, m. w. N.).

Der Antrag auf Erteilung (Verlängerung) der Lenkberechtigung darf aber nur dann mit der Begründung, der Antragsteller habe dem Auftrag der Behörde, bestimmte fachärztliche Stellungnahmen vorzulegen (‚zu erbringen'), keine Folge geleistet, abgewiesen werden, wenn dieses "Verlangen" der Behörde zur Vorlage der Stellungnahmen begründet war. ..."

22 Nach dem Gesagten (vgl. zur erforderlichen Beibringung einer fachärztlichen Stellungnahme auch VwGH 17.5.2016, Ra 2016/11/0069) kann daher nur eine rechtmäßige Aufforderung zur Beibringung entsprechender fachärztlicher Befunde und/oder Stellungnahmen die Obliegenheit des Revisionswerbers zur Beibringung derselben auslösen und, falls dieser Aufforderung nicht entsprochen wird, die Nichtstattgabe (bzw. bloß eingeschränkte Stattgabe) seines Antrages auf Erteilung einer Lenkberechtigung bewirken.

23 Gegenständlich wurde der Revisionswerber jedoch, wie bereits dargestellt, mit verfahrensleitendem Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 27. Juli 2017 aufgefordert, ein psychiatrisches (Ergänzungs-)Gutachten zur Frage vorzulegen, ob die in dem (von ihm bereits vorgelegten) psychiatrischen Gutachten Dris. S. "enthaltenen ‚Empfehlungen' gemäß § 14 Abs. 5 FSG-GV erforderlich sind".

24 Dabei handelt es sich um eine nicht vom Facharzt, sondern vom Verwaltungsgericht zu beantwortende Rechtsfrage (im Unterschied zu der vom Sachverständigen zu klärenden Frage, ob und gegebenenfalls in welchem Zeitraum - vgl. das bereits zitierte Erkenntnis Ra 2016/11/0019 - beim Revisionswerber eine Alkoholabhängigkeit bestand), sodass das Verwaltungsgericht gegenständlich aufgrund der Nichtbeibringung dieses Ergänzungsgutachtens nicht von einer nur beschränkten gesundheitlichen Eignung ausgehen bzw. eine in der jüngeren (rezenten; vgl. VwGH 22.8.2017, Ra 2017/11/0064) Vergangenheit liegende Alkoholabhängigkeit annehmen durfte (Letzteres gilt umso mehr angesichts der Angaben der Amtsärztin in der Verhandlung, dass die Feststellung einer früheren Alkoholabhängigkeit des Revisionswerbers nur mithilfe eines fachärztlichen Gutachtens erfolgen könne).

25 Außerdem wurde das erwähnte psychiatrische Gutachten des Dr. S. vom 22. November 2016 nach den erwähnten Feststellungen des Verwaltungsgerichts (ebenso die Revisionsbeantwortung) im gegenständlichen Verfahren über Aufforderung vom Revisionswerber vorgelegt. Beweisthema dieses Gutachtens war bereits die Frage einer in der Vergangenheit liegenden Alkoholabhängigkeit des Revisionswerbers, hat sich doch der Sachverständige bereits dahin geäußert, dass er (bloß "differentialdiagnostisch") "Hinweise auf einen regelmäßigen Konsum im Sinne einer Abhängigkeit" gesehen hat, die (aus seiner fachärztlichen Sicht) "retrospektiv nicht mit Sicherheit zu klären" seien. Weder § 8 Abs. 2 erster Satz FSG noch § 3 Abs. 3 bzw. § 14 Abs. 1 FSG-GV bieten eine Rechtsgrundlage dafür, vom Antragsteller in einem Verfahren wiederholt die Beibringung von Befunden oder Stellungnahmen zu verlangen, obwohl er solche Befunde oder Stellungnahmen aus dem gleichen Fachgebiet (und überdies zum selben Beweisthema) bereits vorgelegt hat.

26 Sofern das Verwaltungsgericht daher die Angaben des Sachverständigen im vom Revisionswerber vorgelegten psychiatrischen Gutachten für nicht schlüssig hielt, hätte es von sich aus (von Amts wegen) ein weiteres Gutachten zu dieser Frage einholen müssen. Nur bei schlüssigen (auf nachvollziehbaren gutachterlichen Äußerungen beruhenden) Feststellungen über eine frühere Alkoholabhängigkeit oder einen gehäuften Alkoholmissbrauch des Revisionswerbers, die im angefochtenen Erkenntnis jedoch zur Gänze fehlen, durfte das Verwaltungsgericht die Voraussetzungen des § 14 Abs. 5 FSG-GV als erfüllt ansehen.

27 Was dabei den "gehäuften Alkoholmissbrauch" iSd § 14 Abs. 5 FSG-GV anlangt, so ist dieser vor dem Hintergrund der Zielsetzung des FSG und der FSG-GV, nur solchen Personen, die zum Lenken von Kraftfahrzeugen hinreichend gesund sind, eine Lenkberechtigung zu erteilen und zu belassen (vgl. etwa VwGH 30.6.2016, Ra 2016/11/0088), zu beurteilen. Der Verwaltungsgerichtshof hat einen gehäuften Alkoholmissbrauch bei einem in der jüngeren Vergangenheit liegenden exzessiven Alkoholkonsum (VwGH 31.7.2017, Ra 2017/11/0064) angenommen, für den die Häufigkeit und die Intensität des Alkoholkonsums ausschlaggebend sind (VwGH 18.10.2017, Ra 2017/11/0232), wobei eine entsprechende Phase der Abstinenz zu berücksichtigen ist (VwGH 22.04.2008, 2006/11/0152). Zumindest der letztgenannte Aspekt (der auch nach den Äußerungen der Sachverständigen im gegenständlichen Verfahren eine wesentliche Rolle spielt) wird nicht zuletzt in der Revisionsbeantwortung der belangten Behörde übersehen.

28 Da das Verwaltungsgericht somit, ausgehend von einer unzutreffenden Rechtsansicht, die erforderlichen Feststellungen unterlassen hat, war das angefochtene Erkenntnis wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

29 Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 26. Juli 2018

Schlagworte

Sachverständiger Erfordernis der Beiziehung Arzt

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2018:RA2018110063.L00

Im RIS seit

22.08.2018

Zuletzt aktualisiert am

03.09.2018
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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