TE Vwgh Beschluss 2018/7/30 Ra 2018/11/0083

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Veröffentlicht am 30.07.2018
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Index

20/01 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB);
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

ABGB §865;
AVG §37;
AVG §39 Abs2;
AVG §45 Abs2;
AVG §52;
AVG §9;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Rigler und die Hofräte Dr. Schick und Dr. Grünstäudl als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Kratschmayr, über die Revision der G L-S in A, vertreten durch Mag. Dr. Norbert Winkler, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Schmerlingstraße 4, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Tirol vom 22. Februar 2018, Zl. LVwG- 2017/24/2073-3, betreffend Hinterbliebenenunterstützung und Bestattungsbeihilfe (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht:

Verwaltungsausschuss des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Tirol; mitbeteiligte Partei: C S, vertreten durch Mag. Dominik Hiehs, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Anichstraße 33), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Verwaltungsgericht, den "Beschluss" (Bescheid) der belangten Behörde vom 4. Oktober 2016 bestätigend, dem Antrag auf Zuerkennung der Leistung von Hinterbliebenenunterstützung und Bestattungsbeihilfe nach dem verstorbenen Arzt Dr. H S., soweit dieser Antrag von der mitbeteiligten Partei gestellt wurde, in Höhe von (insgesamt) EUR 27.690,-- brutto statt und wies einen gleichartigen Antrag der Revisionswerberin ab.

2 Gleichzeitig wurde gemäß § 25a VwGG ausgesprochen, dass eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig sei.

3 In der Begründung wurde festgestellt, dass Dr. H S. Bezieher einer Invaliditätsversorgung aus dem Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer Tirol gewesen und am 11. Oktober 2014 verstorben sei. In einer eigenhändig unterfertigten Verfügung vom 12. Oktober 1983 habe er angeordnet, die Todesfallbeihilfe (seit der ÄrzteG-Novelle BGBl. Nr. 179/2004 Bestattungsbeihilfe und Hinterbliebenenunterstützung) nach seinem Ableben (primär) der Dr. P S. (Mutter) und "bei unserem gleichzeitigen Ableben" an die Revisionswerberin (seine Schwester) auszubezahlen. Im Zeitpunkt der Unterzeichnung dieser Verfügung sei Dr. H S. unverheiratet und kinderlos gewesen.

Im Zeitpunkt seines Ablebens sei Dr. H S. mit der Mitbeteiligten verheiratet gewesen und habe mit dieser zwei Kinder gehabt.

Dr. P S. habe am 21. November 2014 eine von der Mitbeteiligten verfasste Erklärung über ihren Verzicht auf die nach dem Tod ihres Sohnes anfallende Todesfallbeihilfe unterfertigt; sie sei am 25. Oktober 2015 verstorben.

Das Verwaltungsgericht stellte fest, es könne nicht festgestellt werden, dass Dr. P S. im Zeitpunkt der Unterfertigung der Verzichtserklärung die Fähigkeit zur Abgabe einer wirksamen Verzichtserklärung gefehlt habe. Weiters wurde festgestellt, dass eine verlässliche fachliche Beurteilung des Gesundheitszustandes der Dr. P S. für den Zeitpunkt der Unterfertigung der Verzichtserklärung im Wege eines neurologisch/psychiatrischen Gutachtens nicht (mehr) möglich sei.

4 Die letztgenannte Annahme stützte das Verwaltungsgericht in seiner Beweiswürdigung darauf, dass der Sachverständige Dr. M (dieser hatte nach der Aktenlage im Mai 2015 in einem anderen Verfahren ein neurologisches/psychiatrisches Fachgutachten über den - allerdings im Begutachtungszeitpunkt gegebenen - Gesundheitszustand der Dr. P S. erstattet) über Anfrage der belangten Behörde vom 7. September 2016 mitgeteilt habe, dass mangels weiterer objektiver Unterlagen eine "retrospektive Beurteilung der Geschäftsfähigkeit" der Dr. P S. zum angefragten Zeitpunkt (21. November 2014) "unmöglich" sei (vgl. die aktenkundige Email des Dr. M vom 8. September 2016).

5 In der rechtlichen Beurteilung ging das Verwaltungsgericht folglich von einem rechtswirksamen Verzicht der Dr. P S. auf die ihr durch die Verfügung vom 12. Oktober 1983 zugedachte Todesfallbeihilfe aus. Auch die Revisionswerberin, welche die fehlende Geschäftsfähigkeit der Dr. P S. im Zeitpunkt der Verzichtserklärung behauptet habe und dafür die Beweislast trage (Verweis auf Judikatur des OGH), habe Gegenteiliges nicht dargelegt. Daher wäre die Revisionswerberin nach der genannten Verfügung nur dann zum Zug gekommen, wenn Dr. H S. und seine Mutter Dr. P S. "gleichzeitig" verstorben wären, was nicht der Fall sei.

6 Da somit die Verfügung vom 12. Oktober 1983 keine Rechtswirkungen entfalte, stünden die Hinterbliebenenunterstützung und die Bestattungsbeihilfe gemäß § 104 ÄrzteG 1998 und § 33c der Satzung des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Tirol der Witwe des verstorbenen Kammerangehörigen, gegenständlich sohin der Mitbeteiligten, zu.

7 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.

8 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Auf Beschlüsse der Verwaltungsgerichte ist Art. 133 Abs. 4 B-VG sinngemäß anzuwenden (Art. 133 Abs. 9 B-VG).

9 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

10 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. Diesem Erfordernis wird insbesondere nicht schon durch nähere Ausführungen zur behaupteten Rechtswidrigkeit der bekämpften Entscheidung (§ 28 Abs. 1 Z 5 VwGG) oder zu den Rechten, in denen sich der Revisionswerber verletzt erachtet (§ 28 Abs. 1 Z 4 VwGG), Genüge getan (vgl. VwGH 25.3.2014, Ra 2014/04/0001 und 18.2.2015, Ra 2015/08/0008).

11 § 104 ÄrzteG 1998 in der hier maßgebenden Fassung BGBl. I Nr. 135/2009 lautet auszugsweise:

     "§ 104. (1) Beim Tod eines Kammerangehörigen oder eines

Empfängers einer Alters- oder Invaliditätsversorgung kann die

Satzung des Wohlfahrtsfonds unter Berücksichtigung des

Beitragsaufkommens für alle oder einzelne Gruppen von

Hinterbliebenen von Kammerangehörigen oder Empfängern einer Alters-

oder Invaliditätsversorgung die Gewährung

1.        einer Bestattungsbeihilfe,

2.        einer Hinterbliebenenunterstützung

     vorsehen.

...

(3) Auf die Bestattungsbeihilfe und die Hinterbliebenenunterstützung haben, sofern der verstorbene Kammerangehörige oder Empfänger einer Alters- oder Invaliditätsversorgung nicht einen anderen Zahlungsempfänger namhaft gemacht und hierüber eine schriftliche, eigenhändig unterschriebene Erklärung beim Wohlfahrtsfonds hinterlegt hat, nacheinander Anspruch:

1.        die Witwe (der Witwer) oder der eingetragene Partner,

2.        die Waisen und

3.        sonstige gesetzliche Erben.

..."

12 Die hier maßgebende Satzung des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Tirol lautet auszugsweise:

"§ 33c Anspruchsberechtigte

(1) Auf die Hinterbliebenenunterstützung und die Bestattungsbeihilfe haben, sofern der verstorbene Kammerangehörige oder Empfänger einer Alters- oder Invaliditätsversorgung nicht einen anderen Zahlungsempfänger namhaft gemacht und hierüber eine schriftliche, eigenhändig unterschriebene Erklärung beim Wohlfahrtsfonds hinterlegt hat, nacheinander Anspruch:

1.        die Witwe (der Witwer) oder der eingetragene Partner

unter den in § 30 festgesetzten Voraussetzungen,

2.        die Waisen (§ 32) und

3.        sonstige gesetzliche Erben

     ..."

13 In der Revision wird zu ihrer Zulässigkeit vorgebracht, das Verwaltungsgericht sei von der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (Hinweis auf VwGH 28.3.2007, 2006/12/0138, und VwGH 5.7.2006, 2005/12/0104) abgewichen, nach welcher das Vorbringen über das Fehlen der Geschäftsfähigkeit amtswegig einer Lösung hätte zugeführt werden müssen. Erst nach Ausschöpfung aller diesbezüglichen Mittel sei von der Zweifelsregel auszugehen, nach der mangels Nachweisbarkeit von Geschäftsunfähigkeit vom Vorliegen der Geschäftsfähigkeit auszugehen sei. Das Verwaltungsgericht hätte daher den beantragten Sachverständigenbeweis eines Facharztes der Psychiatrie und Neurologie aufnehmen müssen und wäre dann zum Ergebnis gelangt, dass Frau Dr. P S. im Zeitpunkt der Unterfertigung der Verzichtserklärung nicht geschäftsfähig gewesen sei.

14 Im zitierten Erkenntnis VwGH 2006/12/0138 wurde, soweit hier relevant, mit Verweis auf das genannte Erkenntnis VwGH 2005/12/0104 ausgeführt, dass es dann, wenn kein schlüssiges Sachverständigengutachten betreffend den psychischen Zustand des Betreffenden im Zeitpunkt der Abgabe seiner Erklärung vorlag, im Hinblick auf das erstattete Vorbringen betreffend die fehlende Geschäftsfähigkeit geboten gewesen wäre, diese Frage unter Ausnützung sämtlicher hiefür geeigneter Erkenntnisquellen amtswegig einer Lösung zuzuführen. Erst nach Erschöpfung aller diesbezüglichen Mittel wäre von der Zweifelsregel auszugehen, wonach mangels Nachweisbarkeit von Geschäftsunfähigkeit Geschäftsfähigkeit vorliege.

15 Entgegen dem Revisionsvorbringen ist das Verwaltungsgericht von dieser Rechtsprechung nicht abgewichen, weil die Klärung der von der Revisionswerberin ins Treffen geführten Behauptung, Frau Dr. P S. sei - im Zeitpunkt ihrer Unterfertigung der Verzichtserklärung (21. November 2014) - nicht geschäftsfähig gewesen, bereits im Verfahren vor der belangten Behörde durch eine entsprechende Anfrage beim neurologisch/psychiatrischen Sachverständigen versucht wurde. Der Antwort des Sachverständigen, dass ein diesbezügliches ("retrospektives") Gutachten "unmöglich" sei (darauf wurde bereits im Beschluss der belangten Behörde vom 4. Oktober 2016 hingewiesen), ist die Revisionswerberin nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegen getreten.

16 Die Revision konkretisiert im Rahmen der Zulässigkeitsausführungen auch keine sonstigen Beweismittel, die vom Verwaltungsgericht zur (retrospektiven) Klärung der Geschäftsfähigkeit hätten angewendet werden müssen.

17 Vor diesem Hintergrund ist in der von der Revision angesprochenen Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichts betreffend das Vorliegen der Geschäftsfähigkeit der Dr. P S. keine Rechtsfrage zu erkennen, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme.

18 Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 30. Juli 2018

Schlagworte

Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung BeweislastSachverständiger Erfordernis der Beiziehung ArztAnforderung an ein GutachtenBeweismittel

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2018:RA2018110083.L00

Im RIS seit

21.08.2018

Zuletzt aktualisiert am

03.09.2018
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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