Index
40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AVG §37;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Bayjones und Dr. Enzenhofer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Paal, über die Beschwerde der A B, (geboren am 19. März 1967), in Wien, vertreten durch Dr. Thomas Mayer, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Kärntnerstraße 37, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 4. Mai 1999, Zl. SD 227/99, betreffend Feststellung gemäß § 75 des Fremdengesetzes, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
I.
1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 4. Mai 1999 wurde über Antrag der Beschwerdeführerin, einer Staatsangehörigen von Ghana, gemäß § 75 des Fremdengesetzes 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, festgestellt, dass keine stichhaltigen Gründe für die Annahme bestünden, dass sie in Ghana gemäß § 57 Abs. 1 oder Abs. 2 FrG bedroht sei.
Nach Wiedergabe der maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen führte die belangte Behörde aus, dass die Beschwerdeführerin ihren Angaben zufolge am 21. Dezember 1995 mit einem gefälschten südafrikanischen Reisepass von Tunesien nach Wien-Schwechat geflogen sei. Den Reisepass hätte sie einem gewissen Hassan B., der sie nach Österreich begleitet hätte, zurückgegeben. Am 22. Dezember 1995 habe sie einen Asylantrag gestellt, der im Instanzenzug abgewiesen worden sei. Dagegen habe sie Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof erhoben, und es sei das diesbezügliche Verfahren noch anhängig. Im Zuge der gegen die Beschwerdeführerin am 10. Jänner 1996 von der Bezirkshauptmannschaft Baden erlassenen Ausweisung habe sie den vorliegenden Antrag gestellt, in dem sie auf ihre Angaben im Asylverfahren verwiesen habe. Dort habe sie am 28. Dezember 1995 angegeben, sie hätte zuletzt in Akim Oda gemeinsam mit einem anderen Mädchen ein Zimmer gemietet. Am 4. August 1995 hätte sie in ihrem Zimmer fünf Pakete vorgefunden, die ihrem Freund, einem Soldaten, gehört hätten. Noch am selben Tag wäre ihr Freund erschienen und hätte ihr gesagt, sie sollte die Pakete nicht anfassen und er würde diese in einer Woche an seinen Arbeitsplatz schicken. Am 8. August 1995 wären dann zwölf Soldaten mit Waffen in der Hand erschienen, um nach ihrem Freund zu suchen. In weiterer Folge hätten die Soldaten die unter ihrem Bett verstauten Pakete gefunden und geöffnet. Da in diesen Paketen Waffen und Munition gewesen wären, hätte man ihr vorgeworfen, ihren Freund dabei zu unterstützen, die Regierung zu destabilisieren. Sie wäre festgenommen, nach Accra in ein Wachzimmer gebracht und dort zwei Wochen lang angehalten worden. Während ihrer Inhaftierung wäre sie von niemandem befragt worden, man hätte ihr lediglich Essen gebracht. Eines Nachts wäre die Tür zu ihrem Raum offen gestanden und eine Stimme hätte ihr gesagt, dass ihr Leben in Gefahr wäre und sie nach draußen kommen sollte. Auf Zehenspitzen hätte sie sich nach draußen begeben, und eine Person hätte sie an der Hand genommen und dann, in einem Fahrzeug versteckt, nach Togo gebracht. Dort hätte sie eine Woche in einem Hotel verbracht und einen arabischen Geschäftsmann kennen gelernt, der ihr Liebhaber geworden wäre. Nach einem zweimonatigen Aufenthalt in Libyen hätte er ihr mitgeteilt, dass er sie nach Österreich mitnehmen könnte. Er hätte ihr daraufhin einen gefälschten Reisepass und ein Ticket besorgt.
Bei ihrer Eheschließung am 19. Juni 1996 habe die Beschwerdeführerin in Wien einen am 2. April 1996 in Accra/Ghana ausgestellten Reisepass vorgelegt. Anlässlich ihrer Erstbefragung im Asylverfahren habe sie hingegen angegeben, niemals einen Reisepass besessen zu haben. Als sie dann von der Asylbehörde am 19. Dezember 1996 dazu befragt worden sei, wie sie in den Besitz des anlässlich ihrer Eheschließung vorgelegten Reisepasses gekommen sei, der ihr immerhin vier Monate nach ihrer Asylantragstellung in Österreich in Accra ausgestellt worden sei, habe sie sich mehrfach in Widersprüche verwickelt. Feststehe lediglich, dass sie ihren Reisepass nach ihrer Eheschließung an die ghanaische Botschaft in Bern zur Namensänderung geschickt habe, worauf ihr am 7. März 1997 von dieser Botschaft ein neuer, bis 6. März 2007 gültiger Reisepass ausgestellt worden sei.
Wenn die Beschwerdeführerin im gegenständlichen Verfahren nun einwende, die Tatsache, dass sie einen gültigen ghanaischen Reisepass habe, wäre kein Grund zu glauben, dass sie in Ghana nicht verfolgt würde, zumal sie das Recht hätte, einen Reisepass zur Identifikation ihrer Person und ihrer Staatsbürgerschaft ausgestellt zu bekommen, und daher die ghanaischen Botschaften im Ausland verpflichtet wären, ihren Staatsangehörigen Pässe auszustellen, müsse ihr entgegengehalten werden, dass sie damit die wesentliche Frage umgehe, wieso sie am 2. April 1996 in ihrer Heimat, und zwar in Accra, einen Reisepass ausgestellt erhalten habe, obwohl sie angeblich zu diesem Zeitpunkt längst politisch verfolgt worden sei. Es sei nämlich mehr als unglaubwürdig, dass ein Staat einer Person, die als Regimegegner gelte und der die Flucht aus der Haft gelungen sein solle, danach problemlos einen Reisepass ausstelle.
Wenn die Beschwerdeführerin weiters vorbringe, sie hätte ihrer "Errettung" zu verdanken, dass sie nicht exekutiert worden sei, weil Regimegegner und solche Personen, die Putschversuche unternähmen oder beabsichtigten, mit dem Tod bzw. lebenslanger Inhaftierung bestraft würden, müsse ihr entgegnet werden, dass es sich mit den Erfahrungen des täglichen Lebens absolut nicht vereinbaren lasse, dass sie, wenn ein so schwer wiegender Verdacht gegen sie erhoben worden sei, ganz einfach und problemlos aus dem Raum, in dem sie angehalten worden sei, habe weggehen können. Überdies sei nicht nachvollziehbar, dass sie während ihrer zweiwöchigen Inhaftierung niemals zu den bei ihr vorgefundenen Waffen befragt worden wäre, sondern lediglich regelmäßig Essen erhalten hätte.
Bei dieser Sachlage und vor allem im Hinblick darauf, dass die Beschwerdeführerin vier Monate, nachdem sie ihre Heimat verlassen habe, offenbar problemlos einen Reisepass in Accra ausgestellt bekommen habe, könnten keine stichhaltigen Gründe für eine konkrete und aktuelle Bedrohung iS des § 57 Abs. 1 oder Abs. 2 FrG erkannt werden.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und/oder Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufzuheben.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Im Rahmen eines Feststellungsverfahrens nach § 75 FrG hat der Fremde das Bestehen einer aktuellen, also im Fall der Abschiebung des Fremden in den von seinem Antrag erfassten Staat dort gegebenen, durch staatliche Stellen zumindest gebilligten oder infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt nicht abwendbaren Bedrohung iS des § 57 Abs. 1 und/oder Abs. 2 FrG glaubhaft zu machen, wobei diese aktuelle Bedrohungssituation mittels konkreter, die Person des Fremden betreffender, durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerter Angaben dazutun ist. Ebenso wie im Asylverfahren ist auch im Verfahren nach § 75 FrG die konkrete Einzelsituation in ihrer Gesamtheit, gegebenenfalls vor dem Hintergrund der allgemeinen Verhältnisse, in Form einer Prognose für den gedachten Fall der Abschiebung des Fremden in diesen Staat zu beurteilen (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 7. Juli 1999, Zl. 99/18/0080, mwN).
2. Die Beschwerde bringt vor, die Beschwerdeführerin habe bereits in ihrer Berufung gegen den erstinstanzlichen Asylbescheid releviert, dass ihre Angaben bei ihrer Vernehmung vor der Asylbehörde falsch und unvollständig protokolliert worden seien, der sie vernehmende Beamte es unterlassen habe, ihm unklare Zusammenhänge durch präzise Fragestellung zu erhellen, und ihr die Niederschrift nicht vollständig, sondern nur stichwortartig übersetzt worden sei. Dadurch habe man ihr die Möglichkeit einer "sinnvollen Replik zur Verbesserung von Fehlern, Auslassungen und Unschärfen" genommen. Es sei unrichtig, dass sie anlässlich ihrer ersten Befragung im Asylverfahren behauptet hätte, niemals einen Reisepass besessen zu haben, und dass sie sich hierauf mehrfach in Widersprüche verwickelt hätte. Die Unterlassung von Ermittlungen durch die belangte Behörde schade der Beschwerdeführerin insbesondere auf Grund etwaiger Widersprüchlichkeiten bezüglich der Erlangung ihres Reisepasses, der nach ihrer Einreise nach Österreich in Accra ausgestellt worden sei.
3. Mit diesem Vorbringen zeigt die Beschwerde keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf.
Ob die Beschwerdeführerin bei ihrer ersten Vernehmung angab, niemals einen Reisepass besessen zu haben, und ob sie sich hinsichtlich der Frage, wie sie in den Besitz des anlässlich ihrer Eheschließung vorgelegten Reisepasses gekommen sei, bei einer weiteren Vernehmung vor der Asylbehörde in Widersprüche verwickelte (vgl. Seite 4 des angefochtenen Bescheides), ist - wie im Folgenden noch darzulegen sein wird - im vorliegenden Fall nicht von entscheidungswesentlicher Bedeutung. Darüber hinaus konkretisiert die Beschwerde nicht, welche sonstigen Angaben der Beschwerdeführerin von der Asylbehörde falsch oder inwieweit diese unvollständig protokolliert worden seien, welche Fragen ihr bei ihrer Vernehmung noch zu stellen gewesen wären und welche Angaben sie im Hinblick auf eine unvollständige Übersetzung der Niederschrift im Einzelnen unterlassen habe, sodass die Relevanz des behaupteten Verfahrensmangels nicht dargetan ist. Im Übrigen behauptet die Beschwerde nicht, dass die Angaben der Beschwerdeführerin vor der Asylbehörde vom 28. Dezember 1995 im angefochtenen Bescheid (dort auf den Seiten 3 und 4) unrichtig wiedergegeben seien, und gesteht die Feststellung der belangten Behörde, dass die Beschwerdeführerin den für sie am 2. April 1996, somit nach der von ihr behaupteten Flucht aus Ghana, in Accra ausgestellten Reisepass zur Namensänderung an die ghanaische Botschaft in Bern geschickt habe, worauf ihr von dieser ein neuer, bis 6. März 2007 gültiger Reisepass ausgestellt worden sei, als richtig zu. Wenn nun die belangte Behörde das Schwergewicht ihrer Beweiswürdigung auf den Umstand gelegt hat, dass die Beschwerdeführerin vier Monate nach Verlassen ihrer Heimat offenbar problemlos einen Reisepass in Accra ausgestellt bekommen hatte (vgl. die diesbezüglichen Ausführungen auf Seite 5 des angefochtenen Bescheides), und die Behauptungen der Beschwerdeführerin, diese sei in Ghana wegen des Vorwurfs der regierungsfeindlichen Tätigkeit inhaftiert worden und aus der Haft geflohen und habe in diesem Staat den Tod bzw. lebenslange Inhaftierung zu erwarten, für unglaubwürdig gehalten hat, so begegnet diese Beweiswürdigung im Rahmen der dem Verwaltungsgerichtshof zukommenden Kontrollbefugnis (vgl. das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 3. Oktober 1985, Zl. 85/02/0053) keinem Einwand, wäre es doch höchst unwahrscheinlich, dass ein Staat, der einen geflohenen Gegner und (mutmaßlichen) Straftäter verfolgt und inhaftieren will, diesem ein Reisedokument ausstellt und ihm dadurch die Fortsetzung seiner Flucht erleichtert.
Darüber hinaus können auch die weiteren Erwägungen der belangten Behörde nicht als unschlüssig angesehen werden, denenzufolge es nicht nachvollziehbar ist, dass eine (behauptetermaßen) nach Ansicht der Behörden von Ghana regierungsfeindliche (und somit staatsgefährliche) Person, wie die Beschwerdeführerin, nach deren Freund gesucht wurde, während ihrer zwei Wochen dauernden Inhaftierung keinem Verhör unterzogen wurde und ihr ganz einfach und problemlos die Flucht aus dem Gefängnis gelang, zumal sich weder aus dem angefochtenen Bescheid noch der Beschwerde Anhaltspunkte dafür ergeben, dass die Beschwerdeführerin ihre angebliche Flucht aus dem Gefängnis initiiert habe und aus welchen Gründen ihr die - im Übrigen nicht näher individualisierte - Person geholfen habe. Das Beschwerdevorbringen, dass diese Schlussfolgerungen der belangten Behörde unrichtig und nicht verständlich seien, ohne jedoch im Einzelnen darzulegen, inwieweit deren Argumentation mit den Denkgesetzen nicht in Einklang zu bringen sei, vermag die Beweiswürdigung der belangten Behörde nicht zu erschüttern.
Da deren Ansicht, dass die Angaben der Beschwerdeführerin zu den sie betreffenden Verfolgungshandlungen in Ghana unglaubwürdig seien, bereits auf Grund der dargelegten Erwägungen als unbedenklich erscheint, kommt dem oben erwähnten Vorbringen der Beschwerdeführerin, es sei unrichtig, dass sie anlässlich ihrer ersten Befragung im Asylverfahren behauptet hätte, niemals einen Reisepass besessen zu haben, und sich hierauf zur Frage, wie sie in den Besitz des unstrittig anlässlich ihrer Eheschließung vorgelegten Reisepasses gekommen sei, in Widersprüche verwickelt hätte, keine entscheidungswesentliche Bedeutung zu und bedurfte es auch keiner weiteren Nachforschungen der belangten Behörde dazu, ob es möglich sei, trotz politischer Verfolgung vom Ausland aus einen ghanaischen Reisepass zu erlangen. Die diesbezügliche, in der Beschwerde erhobene Verfahrensrüge, die Behörde hätte solche Nachforschungen in Anbetracht des Umstandes anstellen müssen, dass die ghanaische Regierung zur Ausstellung von Reisepässen an von ihr verfolgte Angehörige ihres Staates verpflichtet sei und sich zur Wahrung ihres außenpolitischen Status sicherlich keine Blöße geben werde, wolle sie weiter gehende völkerrechtliche und menschenrechtliche Sanktionen vermeiden, ist daher nicht zielführend, zumal die Beschwerde nicht weiter ausführt, welche Beweise die belangte Behörde in concreto hätte aufnehmen müssen.
4. In Anbetracht der mangelnden Glaubwürdigkeit des Vorbringens der Beschwerdeführerin zu ihren Fluchtgründen geht auch der in der Beschwerde erhobene Vorwurf ins Leere, es sei notorisch und die belangte Behörde hätte weiterführenden Erkundigungen darüber einholen müssen, dass in Ghana Regimegegner unbarmherzig verfolgt würden und mit einem fairen Gerichtsverfahren nicht gerechnet werden könne.
5. Mangels Glaubhaftmachung konkreter, die Person der Beschwerdeführerin betreffender Verfolgunghandlungen in Ghana begegnet die Rechtsansicht der belangten Behörde, es bestünden keine stichhaltigen Gründe für die Annahme, dass die Beschwerdeführerin dort iS des § 57 Abs. 1 oder Abs. 2 FrG gefährdet bzw. bedroht sei, keinem Einwand.
6. Da somit bereits der Beschwerdeinhalt erkennen lässt, dass die von der Beschwerdeführerin behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nicht öffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.
Wien, am 18. Jänner 2000
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2000:1999180385.X00Im RIS seit
07.01.2002