TE Bvwg Erkenntnis 2018/7/30 W128 2182016-1

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Veröffentlicht am 30.07.2018
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Entscheidungsdatum

30.07.2018

Norm

B-VG Art.133 Abs4
StubeiV 2004 §2b Abs4 Z1
UG §91 Abs1
UG §92 Abs1 Z4
VwGVG §28 Abs2

Spruch

W128 2182016-1/5E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Michael FUCHS-ROBETIN als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , vertreten durch XXXX , Rechtsberatung der ÖH WU, Welthandelsplatz 1, Gebäude SC, 1020 Wien, gegen den Bescheid des Rektorates der Wirtschaftsuniversität Wien (WU Wien) vom 10.10.2017, Zl. B/1690/02/12, zu Recht erkannt:

A)

Der Beschwerde wird stattgegeben.

XXXX wird gemäß § 92 Abs. 1 Z 4 Universitätsgesetz 2002 (UG), BGBl. I Nr. 120/2002, idgF, der Studienbeitrag für das Wintersemester 2017/18 erlassen. Ein bereits bezahlter Studienbeitrag ist rückzuerstatten.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Die Beschwerdeführerin ist österreichische Staatsangehörige und wurde an der WU Wien im Wintersemester 2012 zum Bachelorstudium Wirtschafts-und Sozialwissenschaften (Studienkennzahl J 033 561) sowie im Wintersemester 2013 zum konsekutiven Masterstudium Wirtschaftsrecht (Studienkennzahl J 066 900) zugelassen.

2. Mit Formularantrag vom 22.06.2017 begehrte die Beschwerdeführerin den Erlass des Studienbeitrages für das Wintersemester 2017, führte als Erlassgrund eine Krankheit an, durch die sie mehr als 2 Monate am Studium gehindert gewesen sei bzw. sein werde und legte ein Konvolut mit fachärztlichen Bestätigungen vor.

3. Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde den Antrag vom 2. 20.06.2017 ab und führte in der Begründung zusammenfassend aus, dass für den Erlass des Studienbeitrags gemäß § 92 Abs. 1 Z. 4 UG das Studierend während der Zeit der Hinderung unmöglich sein müsse. Wie sich aus dem Erfolgsnachweis der Beschwerdeführerin ergebe und sie selbst ausführe, sei ihr zwar ein zügiges Fortschreiten im Studium nicht möglich, eine faktische Hinderung am Studium liege aber nicht vor.

4. Mit Schriftsatz vom 06.11.2017 brachte die Beschwerdeführerin rechtzeitig durch ihren Vertreter die gegenständliche Beschwerde ein. In der Begründung führte die Beschwerdeführerin aus, dass sie sich einerseits in ihrem gesetzlich gewährleisteten subjektiven Recht auf Entscheidung durch die zuständige Behörde, und andererseits in ihrem gesetzlich gewährleisteten subjektiven Recht auf Erlass des Studienbeitrages, verletzt sehe.

Zur Zuständigkeit der erlassenden Behörde führte die Beschwerdeführerin zusammengefasst aus, dass nach seinem Wortlaut der angefochtene Bescheid durch das Rektorat der Wirtschaftsuniversität Wien erlassen worden sei, jedoch aufgrund der Geschäftsordnung des Rektorats der Wirtschaftsuniversität Wien von der Vizedirektorin für Lehre und Studierende erlassen hätte werden müssen. Die Übertragung der Zuständigkeit für den Erlass des Studienbeitrags an die Vizedirektorin sei jedoch, wie näher ausgeführt wird, gesetzeswidrig. Hinsichtlich der entsprechenden Bestimmung der Geschäftsordnung des Rektorats der Wirtschaftsuniversität Wien werde die Einleitung eines Normenprüfungsverfahrens gemäß Art. 139 Abs. 1 B-VG angeregt.

In der Sache brachte die Beschwerdeführerin vor, dass die belangte Behörde aufgrund einer falschen Interpretation der maßgeblichen Bestimmungen zu Unrecht zu dem Ergebnis gelangt sei, dass ihr der Studienbeitrag für das Wintersemester 2017/2018 nicht zu erlassen sei.

5. Am 01.12.2017 teilte der mit der Angelegenheit befasste Senat der WU Wien mit, dass kein Gutachten zur Beschwerde erstellt werde.

6. Einlangend mit 05.01.2018 legte die belangte Behörde die Beschwerde dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vor, ohne von der Möglichkeit einer Beschwerdevorentscheidung Gebrauch zu machen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Die Beschwerdeführerin ist seit 30.06.2009 an der Wirtschaftsuniversität Wien zugelassen, am 28.10.2013 schloss sie das Bachelorstudium Wirtschaftsrecht ab. Seit 05.11.2013 ist sie zum Masterstudium Wirtschaftsrecht zugelassen. Zusätzlich ist sie seit 01.08.2012 zum Bachelorstudium Wirtschafts- und Sozialwissenschaften zugelassen. Seit dem Wintersemester 2016/2017 ist ihr ein Studienbeitrag vorzuschreiben, da sie mit diesem Semester die für das Studium vorgesehene Studiendauer von 6 Semestern zuzüglich zweier Toleranzsemester überschritten hat.

Am 27.07.2017 stellte sie den vorliegenden Antrag auf Erlass des Studienbeitrages für das Wintersemester 2017/2018 und brachte vor, dass sie wegen einer Krankheit mehr als 2 Monaten am Studium gehindert gewesen sei. Dem Antrag beigelegt war ein Konvolut an fachärztlichen Bestätigungen.

Aufgrund dieser fachärztlichen Bestätigungen kann folgendes festgestellt werden:

Die Beschwerdeführerin leidet

* an einer rezidivierenden depressiven Störung (F 33.0),

* unter diskreten Handlungszwängen (F 42.1),

* einem rezidivierenden Handekzem und Gelenksschwellung der Hände unter Stressbelastung sowie

* unter hyperreagiblen Atemwegen.

Die Beschwerdeführerin wurde wegen dieser Symptomatik vom 25 8. 2016 bis 05.10.2016 stationär behandelt. Laut Bestätigung der behandelnden Psychotherapeutin vom 27.06.2017 ist eine fortgesetzte Krankenbehandlung weiterhin zweckmäßig. Der Beschwerdeführerin wurde von ihrer Sozialversicherungsanstalt eine weitere Behandlung von 13.06.2017 bis 29.05.2018 genehmigt. Die Behandlung erfolgt in Form von Therapiesitzungen im Zeitabstand von 14 Tagen. Laut fachärztlicher Bestätigung durch eine Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie vom 17.10.2017 steht die Beschwerdeführerin seit März 2015 in regelmäßiger Behandlung und konnte in dieser Zeit nur eingeschränkt an Kursen und Vorlesungen teilnehmen. Die Therapie erfolgt medikamentös durch Mutan 60 sowie durch Psychotherapie.

Die Beschwerdeführerin war dementsprechend im Wintersemester 2017/2018 mehr als 2 Monate durch Krankheit am Studium gehindert.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen zum maßgeblichen Sachverhalt ergeben sich aus dem Verwaltungsakt, dem Verfahren vor der belangten Behörde und dem Vorbringen der Beschwerdeführerin. Der verfahrensmaßgebliche Sachverhalt entspricht dem oben angeführten Verfahrensgang und konnte auf Grund der vorliegenden Aktenlage zweifelsfrei und vollständig festgestellt werden.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zur Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit:

3.1.1. Gemäß § 22 Abs. 1 UG leitet das Rektorat die Universität und vertritt diese nach außen. Es hat alle Aufgaben wahrzunehmen, die durch dieses Bundesgesetz nicht einem anderen Organ zugewiesen sind.

Zu seinen Aufgaben zählen insbesondere:

1. [...]

17. [...]

Gemäß § 22 Abs. 6 UG hat das Rektorat eine Geschäftsordnung zu erlassen, die der Genehmigung des Universitätsrats bedarf und im Mitteilungsblatt zu verlautbaren ist. In der Geschäftsordnung ist festzulegen, welche Agenden gemäß Abs. 1 den einzelnen Mitgliedern des Rektorats allein zukommen, welche Agenden von zwei Mitgliedern des Rektorats und welche von allen Mitgliedern gemeinsam wahrzunehmen sind. Entscheidungen in wirtschaftlichen Angelegenheiten sind jedenfalls von mindestens zwei Mitgliedern des Rektorats zu treffen. In der Geschäftsordnung ist auch die Vertretungsbefugnis festzulegen.

3.1.2. Wenn die Beschwerdeführerin vermeint, dass gemäß § 22 Abs. 6 zweiter Satz UG nur Agenden gemäß Abs. 1 leg.cit. den einzelnen Mitgliedern des Rektorats übertragen werden dürften, der Erlass von Studienbeiträgen jedoch offenkundig nicht zu diesen zählten, so übersieht sie, dass die im § 22 Abs. 1 UG angeführte Liste nur demonstrativen Charakter hat, was deutlich am Wort "insbesondere" zu erkennen ist. Das Rektorat hat demnach alle Aufgaben wahrzunehmen, die durch dieses Bundesgesetz (das Universitätsgesetz 2002) nicht einem anderen Organ zugewiesen sind.

Gemäß § 92 Abs. 2 UG entscheidet das Rektorat über den Antrag auf Erlass des Studienbeitrages. Somit tritt deutlich zutage, dass es sich beim Erlass des Studienbeitrages um eine Aufgabe im Sinne des § 22 Abs. 1 UG handelt, da sie nicht einem anderen Organ zugewiesen ist.

Unbestritten handelt es sich beim Rektorat um ein Kollegialorgan. Eine Ermächtigung anderer Organe im Namen dieses Kollegiums zu entscheiden bedarf daher einer gesetzlichen Grundlage (vgl. Hengstschläger/Leeb, AVG § 18 Rz 5 [Stand 1.1.2014, rdb.at]). Deren Existenz ist mit § 22 Abs. 6 UG evident. Die Bedenken der Beschwerdeführerin bezüglich § 8 Abs. 1 Z 4 der Geschäftsordnung des Rektorats der Wirtschaftsuniversität Wien, Mitteilungsblatt vom 19.07.2017, 43. Stück, Nr. 221 (StF) und der korrespondierenden Anmerkung im Anhang werden daher vom Bundesverwaltungsgericht nicht geteilt.

3.2. Zu A) Erlass des Studienbeitrags für das Wintersemester 2017/2018

3.2.1 Gemäß § 92 Abs. 1 Z. 4 UG ist der Studienbeitrag ordentlichen Studierenden insbesondere zu erlassen, welche die Voraussetzungen gemäß § 91 Abs. 1 erfüllen, auch bei Überschreitung des in Abs. 1 festgelegten Zeitraumes für Semester, in denen sie nachweislich mehr als zwei Monate durch Krankheit oder Schwangerschaft bzw. durch Kinderbetreuungspflichten von Kindern bis zum 7. Geburtstag oder einem allfälligen späteren Schuleintritt oder durch andere gleichartige Betreuungspflichten am Studium gehindert waren.

Gemäß § 2b Abs. 4 Z. 1 Studienbeitragsverordnung 2004, BGBl. II Nr. 55/2004, idgF, ist die Hinderung am Studium durch mehr als zwei Monate durch Krankheit oder Schwangerschaft (§ 92 Abs. 1 Z 4 des Universitätsgesetzes 2002) durch eine entsprechende fachärztliche Bestätigung nachzuweisen.

3.2.2. Gegenständlich begründet die belangte Behörde ihre abweisende Entscheidung damit, dass die Beschwerdeführerin in den vergangenen Studienjahren Prüfungen abgelegt habe und somit nicht zur Gänze im notwendigen Ausmaß am Studieren gehindert war.

Diese Ansicht ist insofern verfehlt, als sich die belangte Behörde auf das Ablegen von Prüfungen stützt, jedoch der Gesetzgeber ausdrücklich nicht das Ablegen von Prüfungen, im Sinne von einem "erfolgreichen Studieren", als Kriterium heranzieht, sondern alleine darauf abstellt, ob der Studierende mehr als 2 Monate durch Krankheit am Studium gehindert war. Voraussetzung ist somit, dass eine Krankheit vorliegt, die mehr als 2 Monate andauert. Bei der Beschwerdeführerin ist dies, wie durch fachärztliche Bestätigungen nachgewiesen, unbestritten der Fall. Die Hinderung am Studium ergibt sich bereits evident aus der Überschreitung des in § 91 Abs. 1 UG festgelegten Zeitraumes, wie auch schon die einleitende Formulierung des § 92 Abs. 1 Z. 4 UG erkennen lässt. Aus einer Zusammenschau mit § 67 UG ist klar erkennbar, dass auch der Gesetzgeber davon ausgeht, dass hier unterschiedliche Tatbestände in Bezug auf die "Hinderung am Studieren" vorliegen, da nur während einer Beurlaubung im Sinne des § 67 UG wegen einer länger dauernden Krankheit die Teilnahme an Lehrveranstaltungen, die Ablegung von Prüfungen sowie die Einreichung und Beurteilung wissenschaftlicher sowie künstlerischer Arbeiten unzulässig ist.

Demgegenüber steht der Fall des § 92 Abs. 1 Z. 4 UG, wo eine mehr als 2 Monate dauernde Krankheit den Studierenden am Studieren hindert, ohne jedoch eine Einschränkung bezüglich des Ablegens von Prüfungen oder des Besuchs von Lehrveranstaltungen besteht. Es wird einzig und allein darauf abgestellt, dass die Krankheit sowie die übrigen in § 92 Abs. 1 UG demonstrativ aufgezählten Gründe für die Überschreitung der maximalen studienbeitragsfreien Zeit kausal ist, wobei sich die Kausalität in den Fällen der Z 4 an der Dauer der Beeinträchtigung, nämlich 2 Monate im Zeitraum eines Semesters, bemisst. So wird es auch im zweiten, in § 92 Abs. 1 Z. 4 UG geregelten Fall, der Schwangerschaft, genügen, dass zwei der Schwangerschaftsmonate in den Zeitraum des Semesters fallen und ist auch hier nicht darauf abzustellen, ob Lehrveranstaltungen besucht, oder Prüfungen abgelegt wurden. Andererseits würde die von der belangten Behörde vorgenommene Interpretation zu einer Reihe von gleichheitsrechtlichen Problemstellungen führen und sich insbesondere im Hinblick auf die Diskriminierung von Menschen mit Behinderung und der Gleichstellung von Mann und Frau als verfassungswidrig erweisen (vgl. hiezu auch die Ausführungen in Perthold-Stoitzner in Perthold-Stoitzner, UG³ § 92 RZ 5).

3.2.3. Gegenständlich konnte gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung Abstand genommen werden, da der für die Entscheidung maßgebliche Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit dem Beschwerdevorbringen geklärt ist und eine mündliche Erörterung die weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt. Weder war der Sachverhalt in wesentlichen Punkten ergänzungsbedürftig noch erschien er in entscheidenden Punkten als nicht richtig.

3.3. Zu B) Zulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, weil die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Zu den hier aufgeworfenen Rechtsfragen insbesondere zur vorgenommenen Interpretation des §§ 92 Abs. 4 Z. 1 UG existiert keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Die verfahrensgegenständliche Lösung von Rechtsfragen ist über den hier vorliegenden Einzelfall hinaus anwendbar und somit von grundsätzlicher Bedeutung.

3.4. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte

ärztliche Bestätigung, Kausalzusammenhang, Krankheit, Semester,
Studienbeitrag - Erlass, Studienbeitrag - Rückerstattung,
Zeitraumbezogenheit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:W128.2182016.1.00

Zuletzt aktualisiert am

13.08.2018
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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