TE Vwgh Beschluss 2018/7/24 Ra 2018/20/0344

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Veröffentlicht am 24.07.2018
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
19/05 Menschenrechte;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AsylG 2005 §7 Abs1 Z1;
AsylG 2005 §7 Abs4;
AsylG 2005 §8 Abs1 Z1;
B-VG Art133 Abs4;
MRK Art8;
VwGG §28 Abs3;
VwGG §34 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bachler, die Hofrätin Dr. Leonhartsberger und den Hofrat Dr. Schwarz als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Honeder BSc, in der Rechtssache der Revision des A H in K, vertreten durch Dr. Farhad Paya, Rechtsanwalt in 9020 Klagenfurt, Herrengasse 12/I, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 25. Mai 2018, Zl. W182 1248893- 3/3E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Der Revisionswerber ist ein Staatsangehöriger der Russischen Föderation, gehört der tschetschenischen Volksgruppe an und stellte am 12. Juni 2003 gemeinsam mit seinen Eltern in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz.

2 Mit Bescheiden des Unabhängigen Bundesasylsenates vom 13. April 2004 wurde dem Vater des Revisionswerbers der Asylstatus zuerkannt sowie der Mutter des Revisionswerbers und dem Revisionswerber selbst durch Erstreckung Asyl gewährt.

3 Mit Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt vom 9. Oktober 2017 wurde der Revisionswerber nach dem Suchtmittelgesetz wegen der grenzübertretenden Einfuhr von und dem Handel mit Suchtgift im Mindestzeitraum vom September 2016 bis April 2017 zu einer unbedingten Haftstrafe von drei Jahren rechtskräftig verurteilt; zudem weist er mehrere strafgerichtliche Vorverurteilungen auf.

4 Aufgrund der letzten Verurteilung erkannte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) mit Bescheid vom 30. November 2017 dem Revisionswerber den Status des Asylberechtigten gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 ab, stellte fest, dass ihm gemäß § 7 Abs. 4 AsylG 2005 die Flüchtlingseigenschaft nicht mehr zukomme (Spruchpunkt I), erkannte ihm den Status eines subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 nicht zu (Spruchpunkt II), erteilte ihm keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 (Spruchpunkt III), erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV), stellte die Zulässigkeit der Abschiebung in die Russische Föderation fest (Spruchpunkt V), erkannte der Beschwerde die aufschiebende Wirkung ab (Spruchpunkt VI) und erteilte keine Frist für die freiwillige Ausreise (Spruchpunkt VII). Weiters wurde ein befristetes Einreiseverbot für die Dauer von zehn Jahren (Spruchpunkt VIII) erlassen.

5 Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) mit Erkenntnis vom 4. Jänner 2018 hinsichtlich der Aberkennung des Status des Asylberechtigten als unbegründet ab. Die Spruchpunkte II bis VIII des Bescheides wurden behoben und gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG zur Erlassung eines neuen Bescheides an das BFA zurückverwiesen.

6 Nach Verfahrensergänzungen erkannte das BFA mit Bescheid vom 13. April 2018 dem Revisionswerber abermals gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 den Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht zu, erteilte ihm keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung und stellte die Zulässigkeit der Abschiebung in die Russische Föderation fest. Zudem wurde neuerlich ein befristetes Einreiseverbot für die Dauer von zehn Jahren erlassen.

7 Die dagegen erhobene Beschwerde des Revisionswerbers wies das BVwG mit dem angefochtenen Erkenntnis als unbegründet ab; mit der Maßgabe, dass die Dauer des Einreiseverbotes auf sieben Jahre herabgesetzt wurde. Weiters sprach es aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

8 Der Revisionswerber bringt zur Zulässigkeit der gegenständlichen außerordentlichen Revision im Wesentlichen und zusammengefasst vor, dass der für die Beweiswürdigung notwendige Sachverhalt nicht ausreichend erhoben worden sei. Der Vater des Revisionswerbers sei im "tschetschenischen Widerstand" involviert gewesen. Das BVwG habe sich hinsichtlich einer Rückkehrgefährdung und in weiterer Folge einer Art. 3 EMRK-Verletzung nicht damit auseinandergesetzt, ob Familienangehörigen von Aufständischen bzw. (mutmaßlichen) Unterstützern von Aufständischen Kollektivstrafen durch das derzeitige tschetschenische Regime drohten. Auch bemängelt die Revision das Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung, die Bemessung der Dauer des Einreiseverbotes und die Interessensabwägung nach Art. 8 EMRK.

9 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

10 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

11 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

12 Entgegen den Revisionsausführungen hat sich das BVwG mit dem Vorbringen des Revisionswerbers auseinandergesetzt und festgestellt, dass der Revisionswerber aufgrund der Involvierung seines Vaters im Tschetschenienkrieg keine Verfolgung zu befürchten habe, zumal die Familienangehörigen väterlicherseits weiterhin unbehelligt in Tschetschenien leben würden. Das BVwG führte aus, dass aus den Angaben des Vaters des Revisionswerbers eindeutig hervorgehe, dass dieser weder im ersten noch im zweiten Tschetschenienkrieg an Kampfhandlungen teilgenommen habe. Somit komme den Berichten, wonach die tschetschenischen Behörden Anfragen an die Archivbehörde des Verteidigungsministeriums in Moskau gerichtet hätten, keine Relevanz zu, weil sich diese Anfragen auf Kampfhandlungen in den beiden Kriegen, an denen der Vater des Revisionswerbers nicht teilgenommen habe, beziehen würden. Auch aus dem Tod des Cousins des Vaters des Revisionswerbers sei keine Gefährdung des Revisionswerbers bei einer Rückkehr ableitbar.

13 Das BVwG hat konkrete, sowohl die persönliche Situation des Revisionswerbers, als auch die allgemeine Sicherheits- und Menschenrechtslage im Herkunftsstaat betreffende Feststellungen getroffen.

14 Hinsichtlich des Einreiseverbotes ist festzuhalten, dass die bei Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme unter Bedachtnahme auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalls in Form einer Gesamtbetrachtung vorgenommene Interessenabwägung im Allgemeinen - wenn sie auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage erfolgte und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde - nicht revisibel ist. Das gilt sinngemäß auch für die einzelfallbezogene Erstellung einer Gefährdungsprognose und für die Bemessung der Dauer eines Einreiseverbotes (vgl. VwGH 20.9.2017, Ra 2017/19/0276, mwN).

15 Soweit der Revisionswerber vorbringt, dass es sich bei der Verurteilung durch das Landesgericht Klagenfurt um die einzige Verurteilung des Revisionswerbers im Zusammenhang mit Suchtmitteldelikten handelt, ist auszuführen, dass der Revisionswerber bereits drei strafgerichtliche Vorverurteilungen wegen Körperverletzungs- und Eigentumsdelikten aufweist und der Verwaltungsgerichtshof in Bezug auf Suchtgiftdelinquenz bereits wiederholt festgehalten hat, dass diese ein besonders verpöntes Fehlverhalten darstellt, bei dem erfahrungsgemäß eine hohe Wiederholungsgefahr gegeben ist und an dessen Verhinderung ein besonders großes öffentliches Interesse besteht (vgl. VwGH 23.2.2016, Ra 2015/01/0249, mwN). Das BVwG hat im Rahmen der Interessenabwägung nach Art. 8 EMRK alle wesentlichen Kriterien berücksichtigt und gelangte dabei zu einer auf einer nachvollziehbaren und sachgerechten Gewichtung beruhenden Beurteilung, die auf der Grundlage der Rechtsprechung jedenfalls nicht unvertretbar ist und gegen die daher keine Bedenken bestehen.

16 Vor diesem Hintergrund ist fallbezogen nicht ersichtlich, dass das BVwG von den vom Verwaltungsgerichtshof aufgestellten Leitlinien zur mündlichen Verhandlung abgewichen ist (VwGH 28.5.2014, Ra 2014/20/0017, 0018).

17 In der Revision werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 24. Juli 2018

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2018:RA2018200344.L00

Im RIS seit

10.08.2018

Zuletzt aktualisiert am

27.08.2018
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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