TE OGH 2018/5/15 5Ob35/18k

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Veröffentlicht am 15.05.2018
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Jensik als Vorsitzenden sowie die Hofrätin Dr. Grohmann, die Hofräte Mag. Wurzer, Mag. Painsi und Dr. Steger als weitere Richter in der Grundbuchsache der Antragsteller 1. Dr. A*****, 2. J*****, 3. Dr. M*****, und 4. M*****, alle vertreten durch Dr. Ernst Sonnleitner, öffentlicher Notar in Salzburg, wegen Einverleibung des Eigentumsrechts an den Liegenschaften EZZ *****, *****, *****, *****, ***** und *****, jeweils KG *****, und EZZ ***** und ***** KG *****, über den Revisionsrekurs der Antragsteller gegen den Beschluss des Landesgerichts Salzburg als Rekursgericht vom 21. Dezember 2017, AZ 53 R 258/17y, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Salzburg vom 21. September 2017, TZ 5487/2017, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass es lautet:

Aufgrund folgender Urkunden

1 Europäisches Nachlasszeugnis (Amtsgericht

München, Aktenzeichen: 61 VI 11575/16)

vom 14.12.2016

2 Testament (des Notars Walter Zöller

in München,Urkundenrolle Nr. *****)

vom 01.06.1994

3 Einheitswertauskunft (EZZ ***** und

***** je KG *****) vom 12.01.2017

4 Einheitswertauskunft (EZ ***** KG *****

und EZ ***** Katastralgemeinde *****)

vom 12.01.2017

5 Einheitswertauskunft (EZZ *****, ***** und ***** je

KG *****) vom 12.01.2017

6 Einheitswertauskunft (EZ ***** KG *****)

vom 09.01.2017

7 Geburtsurkunde (Standesamt München II, Nr. *****)

vom 07.01.1975

8 Abstammungsurkunde (Standesamt I München,

Nr. *****) vom 27.06.1980

9 Abstammungsurkunde (Standesamt I München,

Nr. *****) vom 21.10.1981

10 Abstammungsurkunde (Standesamt I München,

Nr. *****) vom 20.05.1985

11 Trennungs- und Scheidungsvereinbarung vom

27.05.1993

werden nachstehende Eintragungen bewilligt:

1 in EZ ***** KG *****

auf Anteil B-LNR 4

4 ANTEIL: 1/1

A*****:

Bundesrepublik Deutschland, *****

zu 1/4 (hinsichtlich der Liegenschaft)

die Einverleibung des Eigentumsrechtes

für *****, Deutschland

2 in EZ ***** KG *****

auf Anteil B-LNR 4

4 ANTEIL: 1/1

A*****:

Bundesrepublik Deutschland, *****

zu 1/4 (hinsichtlich der Liegenschaft)

die Einverleibung des Eigentumsrechtes

für J*****, Deutschland

3 in EZ ***** KG *****

auf Anteil B-LNR 4

4 ANTEIL: 1/1

A*****:

Bundesrepublik Deutschland, *****

zu 1/4 (hinsichtlich der Liegenschaft)

die Einverleibung des Eigentumsrechtes

für Dr. M*****,

Deutschland

4 in EZ ***** KG *****

auf Anteil B-LNR 4

4 ANTEIL: 1/1

A*****:

Bundesrepublik Deutschland, *****

zu 1/4 (hinsichtlich der Liegenschaft)

die Einverleibung des Eigentumsrechtes

für M*****,

Deutschland

5 in EZ ***** KG *****

*****

6 in EZ ***** KG *****

*****

7 in EZ ***** KG *****

*****

8 in EZ ***** KG *****

*****

9 in EZ ***** KG *****

*****

10 in EZ ***** KG *****

*****

11 in EZ ***** KG *****

*****

12 in EZ ***** KG *****

*****

13 in EZ ***** KG *****

*****

14 in EZ ***** KG *****

*****

15 in EZ ***** KG *****

*****

16 in EZ ***** KG *****

*****

17 in EZ ***** KG *****

*****

18 in EZ ***** KG *****

*****

19 in EZ ***** KG *****

*****

20 in EZ ***** KG *****

*****

21 in EZ ***** KG *****

*****

22 in EZ ***** KG *****

*****

23 in EZ ***** KG *****

*****

24 in EZ ***** KG *****

*****

25 in EZ ***** KG *****

*****

26 in EZ ***** KG *****

*****

27 in EZ ***** KG *****

*****

28 in EZ ***** KG *****

*****

29 in EZ ***** KG *****

*****

30 in EZ ***** KG *****

*****

31 in EZ ***** KG *****

*****

32 in EZ ***** KG *****

*****

Hievon werden verständigt:

1. Dr. M*****

2. M*****

3. J*****

4. Dr. A*****

1-4 zu Handen des Antragstellervertreter

Dr. Ernst Sonnleitner, öffentlicher Notar,

Leonhard-von-Keutschach-Straße 6,

5020 Salzburg,

5. Magistrat der Stadt Salzburg

6. Finanzamt Salzburg-Stadt

Der Vollzug der bewilligten Eintragungen und die Verständigung der Beteiligten obliegt dem Erstgericht.

Text

Begründung:

Die Antragsteller begehren unter Vorlage einer beglaubigten Abschrift des von einem deutschen Amtsgericht am 14. 12. 2016 ausgestellten Europäischen Nachlasszeugnisses und anderer Urkunden die Einverleibung ihres anteiligen Eigentumsrechts an den im Spruch ausgewiesenen Liegenschaften. An keiner dieser Liegenschaften ist Wohnungseigentum begründet.

Sie sind Erben nach dem im Grundbuch als (Mit-)Eigentümer eingetragenen österreichischen Staatsbürger und haben die Erbschaft ohne Vorbehalt angenommen. Nach dem Inhalt des Europäischen Nachlasszeugnisses haben sie als Miterben je zu einem Viertel Anspruch auf den gesamten Nachlass. Als ihnen zugewiesene Vermögenswerte ist „Grundbesitz in Österreich“ genannt.

Das Erstgericht wies das Grundbuchsgesuch ab. Es vertrat zusammengefasst die Auffassung, dass die Voraussetzungen für eine Eigentumseinverleibung nach österreichischem Recht zu beurteilen seien. Das Europäische Nachlasszeugnis bedürfe gemäß § 433 ABGB iVm § 33 Abs 1 lit d GBG der Angabe der jeweiligen Einlagezahlen und Katastralgemeinden. Solche Angaben über die Bezeichnung der Liegenschaften seien in der vorgelegten Urkunde nicht enthalten.

Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung. Das Ansuchen und dessen Beilagen seien einer genauen Prüfung zu unterziehen, wobei eine grundbücherliche Eintragung nur dann bewilligt werden dürfe, wenn das Begehren durch den Inhalt der beigebrachten Urkunden begründet erscheine und diese in der Form vorlägen, die zur Bewilligung einer Einverleibung, Vormerkung oder Anmerkung erforderlich sei. Der im Grundbuch einverleibte Eigentümer habe seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland gehabt und sei am 1. 8. 2016 und damit nach dem Inkrafttreten der Verordnung (EU) Nr 650/2012 vom 4. 7. 2012 verstorben. Aus dem mit dem Antrag vorgelegten Europäischen Nachlasszeugnis ergebe sich bindend, dass die Antragsteller zu je einem Viertel Erben des Verstorbenen seien. Art 1 Abs 2 lit l EuErbVO nehme jede Eintragung von Rechten an beweglichen oder unbeweglichen Vermögensgegenständen in einem Register einschließlich der gesetzlichen Voraussetzungen für eine solche Eintragung sowie die Wirkung der Eintragung oder fehlenden Eintragung solcher Rechte in einem Register vom Anwendungsbereich der Verordnung aus. Diese Bestimmung stehe zwar in einem gewissen Spannungsverhältnis zu Art 69 EuErbVO, der festlege, dass das Europäische Nachlasszeugnis ein wirksames Schriftstück für die Eintragung des Nachlassvermögens in das einschlägige Register eines Mitgliedstaats sei, doch sei davon auszugehen, dass die nationalen Erfordernisse für die Eintragung im Register aufrecht blieben. Da aus einem nationalen Einantwortungsbeschluss hervorgehen müsse, welche Liegenschaft im Erbweg übergegangen sei, sei auch für das Europäische Nachlasszeugnis zu fordern, dass dem Formalerfordernis nach österreichischem Grundbuchsrecht, wonach auch in Urkunden nach § 33 Abs 1 lit d GBG jene Liegenschaft genannt werden müsse, die im Erbweg übergegangen sei, entsprochen werde. Art 68 EuErbVO eröffne die Möglichkeit, das Verzeichnis der Rechte und/oder Vermögenswerte, die einem bestimmten Erben zustünden, in das Europäische Nachlasszeugnis aufzunehmen.

Der ordentliche Revisionsrekurs sei zulässig, weil zur Frage, ob in einem Europäischen Nachlasszeugnis eine Bezeichnung der in Österreich gelegenen Liegenschaften enthalten sein müsse, keine höchstgerichtliche Rechtsprechung vorliege.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist aus dem vom Rekursgericht genannten Grund zulässig; er ist auch berechtigt.

1.1 Das Europäische Nachlasszeugnis (idF auch Zeugnis), wie es von den Antragstellern als Grundlage ihres Einverleibungsbegehrens vorgelegt wurde, ist mit Art 62 der Verordnung (EU) Nr 650/2012 vom 4. 7. 2012 (in Kraft seit 17. 8. 2015) eingeführt worden. Die Urschrift eines solchen Zeugnisses verbleibt bei der ausstellenden Behörde. Von ihr sind über Verlangen beglaubigte Abschriften herzustellen, die für einen begrenzten Zeitraum von sechs Monaten gültig sind, wobei das Ablaufdatum in der Abschrift anzugeben ist (Art 70 Abs 1 und Abs 3 EuErbVO). Die von den Antragstellern vorgelegte Abschrift war bis 15. 6. 2017 gültig.

1.2 Nach § 93 GBG ist für die Beurteilung eines Grundbuchsgesuchs der Zeitpunkt entscheidend, in dem es beim Gundbuchsgericht einlangt. Das gilt für alle Instanzen (RIS-Justiz RS0061117; GKodek in Kodek, Grundbuchsrecht² § 93 GBG Rz 3 mwN) und auch für die Beurteilung der Urkunden (Kodek aaO Rz 9), sodass sich die Prüfung in dritter Instanz, ob das Begehren durch den Inhalt der beigebrachten Urkunden gedeckt ist, ebenfalls nach diesem Zeitpunkt richtet. Im Zeitpunkt des Einlangens ihres Gesuchs war die von den Antragstellern vorgelegte Abschrift des Zeugnisses noch gültig und ist daher der Beurteilung ihres Begehrens zugrunde zu legen.

2.1 Kommt kein anderer Zuständigkeitstatbestand der Verordnung zum Tragen, sind nach Art 4 EuErbVO die Gerichte des Mitgliedstaats, in dem der Verstorbene im Zeitpunkt seines Todes den gewöhnlichen Aufenthalt hatte, für Entscheidungen in Erbsachen für den gesamten Nachlass international zuständig. Den Gerichten dieses Mitgliedstaats obliegt, bestehen keine abweichenden innerstaatlichen Regelungen, dann auch die Ausstellung des Europäischen Nachlasszeugnisses (Art 64 EuErbVO).

2.2 Das allgemeine Erbstatut (Art 23 Abs 1 EuErbVO) richtet sich primär ebenfalls nach dem gewöhnlichen Aufenthalt des Erblassers im Zeitpunkt seines Todes (Art 21 Abs 1 EuErbVO). Ihm unterliegen gemäß Art 23 Abs 2 lit a EuErbVO etwa die Gründe für den Eintritt des Erbfalls sowie dessen Zeitpunkt und Ort; darunter fällt auch die erbrechtliche Umschreibung des Nachlasses (Traar in Burgstaller/Neumayr/Geroldinger/Schmaranzer, IZVR Art 23 EuErbVO Rz 4).

2.3 Das nach dem Erbstatut anzuwendende deutsche Recht kennt keine den §§ 177 f AußStrG vergleichbare Beschlussfassung über die Einantwortung. Nach § 2353 BGB ist dem Erben über Antrag ein Zeugnis über sein Erbrecht (Erbschein) auszustellen, in dem, wenn er nur zum Teil der Erbschaft berufen ist, die Größe des Erbteils auszuweisen ist. Bezeugt wird nur die Beerbung, also nur die unmittelbar vom Erblasser abgeleitete neue Rechtszuständigkeit (Grziwotz in MünchKomm BGB7 § 2353 Rn 22).

2.4 In das europäische Nachlasszeugnis sind die in Art 68 EuErbVO angeführten Angaben aufzunehmen, sofern dies für die Zwecke, zu denen es ausgestellt ist, erforderlich ist. Es handelt sich dabei um eine abschließende Aufzählung (Oswald, Grenzüberschreitende Erbrechtsfälle [2016], 221; Mondl/Tschugguel in Burgstaller/Neumayr/Geroldinger/ Schmaranzer, Die EU-Erbrechtsverordnung Art 68 Rz 1). Nach Art 68 lit l EuErbVO gehört dazu der Erbteil jedes Erben und gegebenenfalls das Verzeichnis der Rechte und/oder der Vermögenswerte, die einem bestimmten Erben zustehen. Daraus leitet das Rekursgericht ab, dass die Bezeichnung der Liegenschaften auch in einem Fall, wie dem vorliegenden, in das Zeugnis aufgenommen werden könne. Deutsche Gerichte vertreten dazu die Ansicht, dass, kommt
– wie im vorliegenden Fall – deutsches Erbrecht zur Anwendung, die Angabe einzelner Nachlassgegenstände im Europäischen Nachlasszeugnis nicht möglich ist (OLG Nürnberg, 15 W 299/17; OLG München, 31 Wx 275/17 je mwN).

3.1 Nach Art 69 Abs 1 der EuErbVO entfaltet das Zeugnis Wirkungen in allen Mitgliedstaaten, ohne dass es eines besonderen Verfahrens bedarf. Nach Abs 2 dieses Artikels wird vermutet, dass die Person, die im Zeugnis als Erbe oder Vermächtnisnehmer genannt ist, die in dem Zeugnis genannte Rechtsstellung und die in dem Zeugnis aufgeführten Rechte hat und dass diese Rechte keinen anderen als den im Zeugnis aufgeführten Bedingungen und/oder Beschränkungen unterliegen. Es bildet gemäß Art 69 Abs 5 EuErbVO ein wirksames Schriftstück für die Eintragung des Nachlassvermögens in das einschlägige Register eines Mitgliedstaats, unbeschadet des Art 1 Abs 2 lit k und l.

3.2 Erwägungsgrund (ErwG) 69 der Verordnung stellt zur Wirkung des Europäischen Nachlasszeugnisses klar, dass eine Behörde oder Person, der ein in einem anderen Mitgliedstaat ausgestelltes Zeugnis vorgelegt wird, nicht verlangen können soll, dass statt des Zeugnisses eine Entscheidung, eine öffentliche Urkunde oder ein gerichtlicher Vergleich vorgelegt wird. Dem Zeugnis kommt daher gegenüber der Registerbehörde Legitimationswirkung zu (Rechberger/Kieweler in Rechberger/Zöchling-Jud, Die EU-Erbrechtsverordnung in Österreich [2015], 309 f; Neumayr, Europäisches Nachlasszeugnis, AnwBl 2016, 262 [263]; Oswald aaO 226). Der Europäische Gerichtshof hat bereits ausgesprochen, dass das Zeugnis jedem Erben, Vermächtnisnehmer oder darin genannten Rechtsnachfolger ermöglichen muss, in einem anderen Mitgliedstaat seine Rechtsstellung und seine Rechte nachzuweisen (EuGH C-218/16 Rz 59; in diesem Sinn auch ErwG 18 der Verordnung).

3.3 Die Registerbehörde hat das Europäische Nachlasszeugnis daher grundsätzlich als Grundlage seiner Eintragung zu akzeptieren, ohne weitere Nachweise der Rechtsposition des Eintragungswerbers verlangen zu können (Schauer, Europäisches Nachlasszeugnis, 93; ders in Deixler-Hübner/Schauer, EuErbVO Art 69 Rz 43; Rechberger/Kieweler aaO 310; Oswald aaO 226; Dutta in MünchKomm BGB7 Art 69 EuErbVO Rn 30). Der Gesetzgeber hat mit dem Erbrechtsänderungsgesetz, BGBl I 2015/87, das Europäische Nachlasszeugnis zur Klarstellung als Urkunde, aufgrund deren Einverleibungen erfolgen können, in den Katalog des § 33 Abs 1 lit d GBG aufgenommen (RV 688 BlgNR 25. GP 3, 46), sodass die Rechtslage auch nach nationalem Grundbuchsrecht insoweit eindeutig ist (vgl auch Verweijen, Handbuch des Verlassenschaftsverfahren [2018], 116). Wurde daher ein Europäisches Nachlasszeugnis von der dazu zuständigen Behörde eines Mitgliedstaats (Art 4 iVm Art 67 EuErbVO) ausgestellt und eine Abschrift davon dem Grundbuchsgericht vorgelegt, kann aus nationaler Sicht nicht etwa auch ein Einantwortungsbeschluss verlangt werden.

4.1 Art 1 Abs 2 lit l EuErbVO nimmt vom Anwendungsbereich der Verordnung jede Eintragung von Rechten an beweglichen oder unbeweglichen Vermögensgegenständen in einem Register einschließlich der gesetzlichen Voraussetzungen für eine solche Eintragung sowie die Wirkung der Eintragung oder fehlenden Eintragung solcher Rechte in einem Register aus (vgl auch EuGH C-218/16 Rn 52). ErwG 18 legt dazu dar, dass das Recht des Mitgliedstaats, in dem das Register für unbewegliches Vermögen geführt wird (lex rei sitae), bestimmen soll, unter welchen gesetzlichen Voraussetzungen und wie die Eintragung vorzunehmen ist und welche Behörden wie etwa Grundbuchämter oder Notare dafür zuständig sind zu prüfen, dass alle Eintragungsvoraussetzungen erfüllt und die vorgelegten oder erstellten Unterlagen vollständig sind bzw die erforderlichen Angaben enthalten.

4.2 Das behördliche Registerverfahren ist damit von der Verordnung zur Gänze ausgenommen (vgl Rudolf/Zöchling-Jud/Kogler aaO 206 f), sodass sich die Voraussetzungen für die Eintragungen, die aufgrund der beglaubigten Abschrift eines Europäischen Nachlasszeugnisses vorgenommen werden sollen, wie insbesondere die hiefür vorzulegenden Dokumente (Erklärungen über Steuern) ausschließlich nach dem Recht des Registerstaats richten (vgl Schauer in Deixler-Hübner/Schauer aaO Art 69 Rz 45). Erfasst sind von dieser Ausnahme aus österreichischer Sicht das formelle und materielle Grundbuchsrecht, also auch das immobilienbezogene Sachenrecht (Mankowski in Deixler-Hübner/Schauer aaO Art 1 Rz 97). Danach bestimmt sich, ob allenfalls neben dem Zeugnis zusätzliche verfahrensrechtliche Erfordernisse zur Umschreibung eines eingetragenen Rechts verlangt werden können (Dutta aaO Art 69 EuErbVO Rz 30).

4.3 Zutreffend sind die Vorinstanzen davon ausgegangen, dass für die Durchführung von grundbücherlichen Einverleibungen aufgrund eines Europäischen Nachlasszeugnisses die Formerfordernisse des GBG zu beachten sind. Nach § 94 Abs 1 GBG hat das Grundbuchsgericht das Ansuchen und dessen Beilagen einer genauen Prüfung zu unterziehen und darf eine grundbücherliche Eintragung (unter anderem) nur dann bewilligen, wenn (Z 3) das Begehren durch den Inhalt der beigebrachten Urkunden begründet erscheint und (Z 4) die Urkunden in der Form vorliegen, die zur Bewilligung einer Einverleibung, Vormerkung oder Anmerkung erforderlich ist. Damit ist zu prüfen, ob die von den Vorinstanzen vermisste Bezeichnung der Liegenschaften formales Erfordernis bzw das von den Antragstellern vorgelegte Zeugnis wegen des Fehlens dieser Angaben unvollständig ist und deswegen das Begehren der Antragsteller nicht zu begründen vermag.

5.1 Nach § 32 Abs 1 GBG müssen Privaturkunden, aufgrund derer eine Einverleibung stattfinden soll, außer den Erfordernissen nach §§ 26, 27 GBG (unter anderem) die genaue Angabe der Liegenschaft oder des Rechts, in Betreff deren die Einverleibung erfolgen soll enthalten (§ 32 Abs 1 lit a GBG). Demgegenüber nennt § 33 Abs 1 GBG die öffentlichen Urkunden, aufgrund deren Einverleibungen stattfinden können. Das sind

„a) die über Rechtsgeschäfte von einer öffentlichen Behörde oder von einem Notar innerhalb der Grenzen ihrer Amtsbefugnisse aufgenommenen Urkunden, wenn sie mit den in § 32 GBG vorgeschriebenen Erfordernissen versehen sind;

[…]

d) andere Urkunden, die die Eigenschaft eines gerichtlich vollziehbaren Ausspruchs einer öffentlichen Behörde haben. Dahin gehören insbesondere rechtskräftige Erkenntnisse, Beschlüsse über bücherliche Einverleibungen und Löschungen zur Ausführung des Verteilungsbeschlusses (§ 237 EO), Amtsbestätigungen über die freiwillige Versteigerung einer Liegenschaft, die Einantwortungsbeschlüsse und Amtsbestätigungen der Verlassenschaftsgerichte (§§ 178 und 182 AußStrG), sowie europäische Nachlasszeugnisse und Erbenbescheinigungen von Behörden, die nach der EuErbVO zu ihrer Ausstellung zuständig sind.“

5.2 Die genaue Angabe der Liegenschaft, in Betreff deren die Einverleibung erfolgen soll, wie von § 32 Abs 1 GBG für Privaturkunden gefordert, ist mangels Verweises auf diese Bestimmung in lit d des § 33 Abs 1 GBG kein ausdrücklich genanntes Erfordernis. Auch für eine Einverleibung aufgrund eines österreichischen Einantwortungsbeschlusses wird das Erfordernis, die Liegenschaft genau zu bezeichnen, im Grundbuchsgesetz nicht genannt.

5.3 § 178 Abs 2 Z 2 AußStrG ordnet an, dass in den Einantwortungsbeschluss, sind von der Einantwortung auch Liegenschaften umfasst, jeder Grundbuchskörper aufzunehmen ist, auf dem aufgrund der Einantwortung die Grundbuchsordnung herzustellen sein wird. Diese Vorschrift hat für das Verlassenschaftsverfahren Geltung (III. Hauptstück des AußStrG) und ist als Anweisung an das österreichische Verlassenschaftsgericht anzusehen (so auch Sailer in Gitschthaler/Höllwerth, AußStrG § 178 Rz 1). Sie legt (insoweit zwingend) den Inhalt des Einantwortungsbeschlusses fest, soll er taugliche Eintragungsgrundlage gemäß § 33 Abs 1 lit d GBG sein (5 Ob 107/11p), ist aber nicht Bestandteil des formellen Registerrechts iSd Art 1 Abs 2 lit 1 EuErbVO (so schon 5 Ob 186/17i).

5.4 Der Inhalt des Europäischen Nachlasszeugnisses richtet sich ausschließlich nach Art 68 EuErbVO, der entsprechend seinem Wortlaut und den Zielen der Verordnung autonom auszulegen ist. Das schließt den Rückgriff auf nationales Recht aus (Traar aaO Vor § 1 EuErbVO Rz 4; Dutta aaO Vor Art 1 EuErbVO Rn 23 mwN). Damit kann dem Zeugnis nicht ein Inhalt gegeben werden, der sich aus einer nationalen Vorschrift ableitet, die auch nicht formales Registerrecht ist. Darauf zielt aber die Argumentation des Rekursgerichts ab, wenn es unter Bezugnahme auf die Entscheidung 5 Ob 107/11p die für einen Einantwortungsbeschluss nach österreichischem Recht geforderte Bezeichnung der Liegenschaft auch für das Zeugnis verlangt.

5.5 Anders als § 178 Abs 2 Z 2 AußStrG für den Einantwortungsbeschluss, nennt Art 68 der Verordnung die Bezeichnung der Liegenschaften, die im Erbweg übergegangen sind, nicht als Bestandteil des Europäischen Nachlasszeugnisses. Nach Art 68 lit l EuErbVO hat das Zeugnis gegebenenfalls zwar auch ein Verzeichnis der Rechte und/oder Vermögenswerte zu enthalten, die einem bestimmten Erben zustehen. Das folgt aber aus dem in der Verordnung verankerten Zweck des Zeugnisses, das auch als Nachweis für die Zuweisung bestimmter Vermögenswerte des Nachlasses an Erben oder Vermächtnisnehmer dienen kann (Art 63 Abs 2 lit b EuErbVO). Wie im Fall einer „Zuweisung“ einer oder einzelner Liegenschaften an bestimmte im Zeugnis als Erben oder Vermächtnisnehmer genannte Personen deren Bezeichnung zu erfolgen hätte, muss im vorliegenden Fall nicht untersucht werden, weil die Antragsteller nach dem Inhalt des Zeugnisses jeweils anteilig Anspruch auf den gesamten Nachlass des Verstorbenen haben. Dass die Bezeichnung von Liegenschaften ganz allgemein notwendiger Inhalt eines Europäischen Nachlasszeugnisses wäre, ergibt sich aus diesen Bestimmungen jedenfalls nicht. Das von den Antragstellern vorgelegte Zeugnis ist damit nicht mangelhaft, sondern entspricht den Inhaltsvorgaben der Verordnung.

5.5 Grundbücherliche Eintragungen dürfen nur dann bewilligt werden, wenn das Begehren durch den Inhalt der beigebrachten Urkunden begründet erscheint. Das Ansuchen kann somit nur dann bewilligt werden, wenn der Urkundeninhalt auch materiell-rechtlich keine Zweifel aufkommen lässt (RIS-Justiz RS0060878).

5.6 An der Rechtsstellung der Antragsteller bestehen schon wegen der in Art 69 Abs 2 der EuErbVO normierten Vermutungswirkungen (dazu Neumayr aaO 263) keine Bedenken. Dass der im Zeugnis genannte Verstorbene Eigentümer der vom Antrag erfassten Liegenschaften war, haben die Vorinstanzen nicht in Zweifel gezogen. Dafür besteht nach dem Grundbuchsstand und der Urkundenlage auch kein Anlass. Damit bleibt für Bedenken, wie sie der Oberste Gerichtshof im Fall einer Amtsbestätigung nach § 182 Abs 3 AußStrG hatte, weil darin die genaue Angabe der Liegenschaft, auf der die Dienstbarkeit des Fruchtgenussrechts zugunsten einer Vermächtnisnehmerin einverleibt werden sollte, fehlte (5 Ob 227/08f), im Fall des vorgelegten Europäischen Nachlasszeugnisses kein Raum. Danach haben die Antragsteller als Erben zu je einem Viertel Anspruch auf den gesamten Nachlass des im Zeugnis genannten Verstorbenen. Damit bestehen keine Zweifel, dass ihr Anspruch alle in Österreich gelegenen Liegenschaften erfasst, die im Eigentum des Verstorbenen standen. Ausgehend von der vorgelegten Urkunde und dem Grundbuchsstand sind daher keine Rückschlüsse über die Rechtsnachfolge des Verstorbenen an den Liegenschaften erforderlich.

6. Zusammengefasst folgt, dass § 33 Abs 1 lit d GBG (mangels Verweises auf § 32 Abs 1 GBG) die genaue Angabe der Liegenschaft, in Betreff deren die Einverleibung erfolgen soll, nicht fordert, sodass nach dem formellen Registerrecht die konkrete Bezeichnung der Liegenschaft im Europäischen Nachlasszeugnis (bzw dessen Abschrift) keine zwingende Voraussetzung für eine Einverleibung ist. Der Inhalt eines solchen Zeugnisses richtet sich ausschließlich nach Art 68 EuErbVO, der die darin aufzunehmenden Angaben abschließend regelt und die Bezeichnung der Liegenschaft ebenfalls nicht fordert, sodass allein das Fehlen dieser Angabe die Bewilligung der Einverleibung auf der Grundlage eines solchen Zeugnisses nicht hindert. Der Inhalt des von den Antragstellern vorgelegten Zeugnisses ist damit in formaler Beziehung unbedenklich und lässt auch in materiell-rechtlicher Hinsicht keine Zweifel aufkommen, weil damit die (widerlegliche) Vermutung verknüpft ist, dass ihre im Zeugnis ausgewiesene Rechtsstellung tatsächlich besteht.

7. Das für Salzburg geltende Grundverkehrsgesetz (Grundverkehrsgesetz 2001 – GVG 2001), LGBl 9/2002 idgF, enthält eigene Bestimmungen über den Erwerb von Todes wegen. Danach bedarf unter anderem der Rechtserwerb durch Kinder keiner Zustimmung durch die Grundverkehrsbehörde, wenn ihre Stellung zum Verstorbenen in der Einantwortungsurkunde oder Amtsbestätigung nach § 178 AußStrG (nunmehr § 182 Abs 3 AußStrG) festgehalten ist (§ 22 Abs 2 iVm § 23 GVG 2001). Zweck dieser Regelungen ist der urkundliche Nachweis des Verhältnisses der Erben zum Verstorbenen durch die zur Ausstellung befugte Behörde. Das Europäische Nachlasszeugnis entspricht einer solchen Bestätigung, weil es gemäß Art 68 lit e EuErbVO Angaben zu einem etwaigen Verwandtschafts- oder Schwägerschaftsverhältnis des Antragstellers zum Verstorbenen zu enthalten hat, und ist damit den in § 23 GVG 2001 erwähnten Urkunden gleichzuhalten. In dem von den Antragstellern vorgelegten Zeugnis wird festgehalten, dass sie die Töchter und Söhne des Verstorbenen sind, sodass den begehrten Eintragungen auch kein grundverkehrsrechtliches Hindernis entgegensteht.

8. Somit liegt kein Grund vor, der den begehrten Einverleibungen entgegenstünde, sodass dem Revisionsrekurs stattzugeben und das Gesuch der Antragsteller zu bewilligen ist.

Textnummer

E122111

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2018:0050OB00035.18K.0515.000

Im RIS seit

03.08.2018

Zuletzt aktualisiert am

07.01.2020
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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