TE OGH 2018/7/17 4Ob107/18s

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Veröffentlicht am 17.07.2018
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsrekursgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Vogel als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Schwarzenbacher, Hon.-Prof. Dr. Brenn, Dr. Rassi und MMag. Matzka als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Ö***** R*****, vertreten durch Korn Rechtsanwälte OG in Wien, gegen die beklagte Partei H***** S*****, vertreten durch Gheneff-Rami-Sommer Rechtsanwälte OG in Wien, wegen Unterlassung, Urteilsveröffentlichung und Zahlung (Streitwert im Sicherungsverfahren 38.000 EUR), über den außerordentlichen Revisionsrekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Rekursgericht vom 27. April 2018, GZ 4 R 48/18k-11, mit dem der Beschluss des Handelsgerichts Wien vom 15. März 2018, GZ 29 Cg 18/18v-6, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei hat die Kosten des Revisionsrekurses endgültig und die klagende Partei die Kosten der Revisionsrekursbeantwortung vorläufig selbst zu tragen.

Text

Begründung:

Der Kläger ist ein österreichischer Rundfunkveranstalter, der Beklagte ist (unter anderem) Bundesparteiobmann einer politischen Partei. Im Februar 2018 veröffentlichte der Beklagte auf seiner Facebook-Webseite ein Posting, für das er – ohne Genehmigung des Klägers – ein von ihm bearbeitetes Foto eines Moderators einer Nachrichtensendung mit dem Begleittext „Es gibt einen Ort, an dem Lügen zu Nachrichten werden. Das ist der [Kläger].“ verwendete. Dieses Foto wurde im Jahr 2015 von einem beim Kläger beschäftigten Fotografen hergestellt, der sämtliche Werknutzungsrechte an den Kläger abgetreten hat.

Zur Sicherung seines auf § 81 UrhG gestützten Unterlassungsbegehrens begehrte der Kläger, es dem Beklagten zu verbieten, Fotos, an denen ihm Werknutzungsrechte zustehen, insbesondere das hier inkriminierte Foto und/oder Bearbeitungen hiervon, ohne seine Zustimmung auf Facebook zur Verfügung zu stellen, insbesondere wenn dies mit dem angeführten Begleittext geschieht. Aufgrund des Eingriffs in seine Werknutzungsrechte habe er sowohl einen Unterlassungsanspruch nach § 81 UrhG als auch ein berechtigtes Interesse an der Urteilsveröffentlichung nach § 85 UrhG.

Der Beklagte gestand das beanstandete Posting zu und bot dem Kläger einen Teilvergleich über das Unterlassungsbegehren an. Die Verpflichtung zur Urteilsveröffentlichung nahm er davon aus, weil die Information der Öffentlichkeit über die Widerrechtlichkeit einer Bildnisveröffentlichung kein Aufklärungsinteresse begründe.

Das Erstgericht erließ die beantragte einstweilige Verfügung. Die Wiederholungsgefahr werde nur dann beseitigt, wenn der Beklagte einen den gesamten Unterlassungsanspruch umfassenden, an keine Bedingungen geknüpften vollstreckbaren Unterlassungsvergleich anbiete; das Vergleichsanbot müsse in der Regel auch die Urteilsveröffentlichung auf Kosten des Beklagten umfassen. Der Kläger habe ein berechtigtes Interesse an der begehrten Urteilsveröffentlichung auf Facebook; der Beklagte sei dem auch nicht begründet entgegengetreten.

Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung. Das Aufklärungsinteresse des Klägers sei zu bejahen, weil ein Eingriff in die Werknutzungsrechte am fraglichen Lichtbild sowie in das Urheberpersönlichkeitsrecht vorliege. Der ordentliche Revisionsrekurs sei nicht zulässig, weil keine erhebliche Rechtsfrage vorliege.

Gegen diese Entscheidung richtet sich der außerordentliche Revisionsrekurs des Beklagten, mit dem er die Abweisung des Sicherungsantrags anstrebt.

Mit seiner – vom Obersten Gerichtshof freigestellten – Revisionsrekursbeantwortung beantragt der Kläger, das Rechtsmittel der Gegenseite zurückzuweisen, in eventu, diesem den Erfolg zu versagen.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig, weil zur Frage des Veröffentlichungsinteresses bei einem Eingriff in urheberrechtlich geschützte Rechte eine Klarstellung durch den Obersten Gerichtshof geboten ist; der Revisionsrekurs ist aber nicht berechtigt.

1. Der Beklagte bestreitet den Eingriff in die Werknutzungsrechte des Klägers nicht. Er steht aber auf dem Standpunkt, dass der Kläger keinen Anspruch auf Urteilsveröffentlichung habe und der von ihm angebotene Unterlassungsvergleich daher für den Wegfall der Wiederholungsgefahr ausreichend gewesen sei.

Damit ist der Beklagte nicht im Recht.

2.1 Die Berechtigung eines Veröffentlichungsbegehrens hängt davon ab, ob ein schutzwürdiges Interesse des Klägers an der Aufklärung des Publikums im begehrten Ausmaß besteht (RIS-Justiz RS0079737). Die Urteilsveröffentlichung nach § 85 UrhG hat nicht den Charakter einer Strafe. Ein berechtigtes Aufklärungsinteresse liegt daher nur dann vor, wenn die Veröffentlichung ein geeignetes Mittel zur Beseitigung jener Nachteile ist, die eine Verletzung der im Urheberrechtsgesetz normierten (Verwertungs-)Rechte mit sich gebracht hat oder noch mit sich bringen könnte (RIS-Justiz RS0077294; RS0077338). Die Urteilsveröffentlichung muss dabei geeignet sein, falsche Eindrücke zu beseitigen, die durch die Veröffentlichung entstanden sind (4 Ob 61/16y mwN).

2.2 Die Beurteilung der Vorinstanzen, dass diese Voraussetzungen im Anlassfall gegeben sind, ist nicht zu beanstanden. Die vom Kläger geltend gemachte Verletzungshandlung bezieht sich auf die unerlaubte Verwendung und Bearbeitung des fraglichen Lichtbilds. Dadurch wurde vom Beklagten der falsche Eindruck vermittelt, er habe die Zustimmung des Lichtbildherstellers bzw des Werknutzungsberechtigten zu diesen Handlungen eingeholt.

2.3 Der Beklagte führt im Revisionsrekurs unter Hinweis auf die Entscheidung zu 4 Ob 97/17v selbst aus, dass bei einer Verletzung der Urheberrechte eines Urhebers oder der Werknutzungsrechte eines Werknutzungsberechtigten das Interesse an der Aufklärung des Publikums über die am Werk bestehenden Rechte und die damit verbundene Verletzung zu bejahen ist. Nach dem unstrittigen Sachverhalt liegt eine derartige Verletzung vor. Aus diesem Grund schlägt auch der Hinweis des Beklagten auf angeblich unzureichende Tatsachenbehauptungen des Klägers fehl.

Entgegen den Überlegungen des Beklagten wurde in der zitierten Entscheidung ausgesprochen, dass die Rechtsprechung, wonach ein Veröffentlichungsinteresse im Fall einer bloßen Information der Öffentlichkeit über die Widerrechtlichkeit der Veröffentlichung fehle, im Zusammenhang mit Bildnisschutzverletzungen entwickelt wurden und daher jedenfalls nicht einschlägig ist, wenn ein Eingriff in Rechte des Fotoherstellers an dem von ihm hergestellten Lichtbild sowie in sein Urheberpersönlichkeitsrecht (fehlende bzw unrichtige Herstellerangabe) vorliegt. Für einen Eingriff in Werknutzungsrechte gilt nichts anderes.

3.1 Die zu RIS-Justiz RS0077343 indizierten Entscheidungen, wonach dann kein berechtigtes Interesse am Veröffentlichungsbegehren besteht, wenn die bloße Information der Öffentlichkeit über die Widerrechtlichkeit der Veröffentlichung eines Bildnisses nicht die Wirkung des nachteiligen Zusammenhangs, in dem das Bildnis des Klägers veröffentlicht wurde, beseitigen kann, betreffen – mit Ausnahme der schon besprochenen Entscheidung zu 4 Ob 97/17v – Eingriffe in den Bildnisschutz nach § 78 UrhG.

3.2 Thurner vertritt in ihrer Glosse zu der zuletzt erwähnten Entscheidung in MR 2018, 22 (23 f) die Auffassung, dass die Beurteilung des Obersten Gerichtshofs, wonach die Rechtsprechung zum fehlenden Veröffentlichungsinteresse bei bloßer Information der Öffentlichkeit über die Widerrechtlichkeit der Bildnisveröffentlichung für Urheberrechtsverletzungen nicht einschlägig ist, im Widerspruch zur Entscheidung 4 Ob 153/11w stehe. Die Frage, ob bzw inwieweit ein Veröffentlichungsinteresse in Bezug auf die (reine) Verletzung von Verwertungsrechten bestehe, werde in der Entscheidung nicht angesprochen. Vor diesem Hintergrund wäre es wünschenswert gewesen, wenn der Oberste Gerichtshof im Sinn der zutreffenden Kritik von G. Korn (in MR 2016, 281) explizit klargestellt hätte, dass besagte Judikatur zu 4 Ob 153/11w für urheberrechtliche Sachverhalte nicht mehr anwendbar sei.

3.3 G. Korn referiert in seinem Beitrag „Urteilsveröffentlichung und Urheberrechtsverletzung“ (in MR 2016, 281) zunächst die Entscheidung zu 4 Ob 153/11w und die in dieser Entscheidung zitierten Judikate. Daran schließt sich seine Kritik an, derzufolge die Beurteilung des Obersten Gerichtshofs im Einzelfall bei einem Begehren auf Veröffentlichung eines Unterlassungsurteils wegen Verletzung des § 78 UrhG zutreffend sein könne, wenn das Begehren „ungeschickt“ formuliert sei. Bei einem rechtswidrigen Eingriff in Urheber- oder Leistungsschutzrechte bzw davon abgeleitete Werknutzungsrechte bedürfe es hingegen keines über die bloße Widerrechtlichkeit der Veröffentlichung hinausgehenden Aufklärungsinteresses, weil sich dieses in allen Fällen bereits aus der Information über die Rechtsverletzung als solche ergäbe. Vor einer Urteilsveröffentlichung wisse das relevante Publikum, das die Primärveröffentlichung gesehen oder gehört habe, nämlich nicht, dass der Veröffentlichende nicht über die erforderlichen Rechte verfügt habe. Das Publikum erfahre erstmals mit der Urteilsveröffentlichung, dass es zu Eingriffen in die Rechte des Urhebers bzw Leistungsschutzberechtigten oder Nutzungsberechtigten gekommen sei. Die Judikatur sei daher zumindest in Bezug auf die Veröffentlichung von Unterlassungsurteilen wegen einer Verletzung von Urheber-, Leistungsschutz- oder Werknutzungsrechten unzutreffend.

3.4 Der – in Wirklichkeit nur scheinbare – Widerspruch der Entscheidung 4 Ob 153/11w zur sonstigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs ist wie folgt aufzulösen:

Richtig ist, dass in dieser Entscheidung das Veröffentlichungsbegehren im Ergebnis abgewiesen wurde, obwohl die Klage eine Urheberrechtsverletzung betroffen hat. Dazu wurde allerdings im Einklang mit der (bisherigen) Rechtsprechung festgehalten, dass

- die Urteilsveröffentlichung nach § 85 UrhG nicht den Charakter einer Strafe hat und daher an der bloßen Information der Öffentlichkeit über die Widerrechtlichkeit einer Bildnisveröffentlichung kein berechtigtes Interesse besteht,

- ein berechtigtes Interesse im Sinn dieser Bestimmung aber dann vorliegt, wenn die Veröffentlichung ein geeignetes Mittel zur Beseitigung jener Nachteile ist, die eine Verletzung der im Urheberrechtsgesetz geregelten Ausschließlichkeits- oder Persönlichkeitsrechte mit sich gebracht hat oder doch noch mit sich bringen könnte (RIS-Justiz RS0077338); die Urteilsveröffentlichung muss daher geeignet sein, falsche Eindrücke zu beseitigen, die durch die Bildnisveröffentlichung entstanden sind.

In der Folge ging der Oberste Gerichtshof in dieser Entscheidung auf den (zu veröffentlichenden) Unterlassungsanspruch ein und hielt dazu fest, dass den dortigen Beklagten nach dem zwischenzeitlich rechtskräftigen Unterlassungstitel (lediglich) untersagt ist, das dort beanstandete Lichtbild ohne Einwilligung des dortigen Klägers „zu vervielfältigen, zu verbreiten, öffentlich vorzuführen, anzubieten oder sonst der Öffentlichkeit zur Verfügung zu stellen“. Weiters führte der Oberste Gerichtshof aus, dass die Veröffentlichung (nur) dieser Teile der erstgerichtlichen Entscheidung das Publikum nur über das Bestehen des Unterlassungsanspruchs informieren würde; daraus würde es wohl ableiten, dass es zu Eingriffen in die genannten Rechte des Klägers gekommen sei; dass und in welcher Form die Beklagten durch diese Urheberrechtsverletzung auch in das Recht des Klägers am eigenen Bild (§ 78 UrhG) eingegriffen haben, könne das Publikum dem veröffentlichten Spruch aber nicht entnehmen. Damit könne die begehrte Veröffentlichung den von den Beklagten erweckten (falschen) Eindruck nicht richtigstellen. Gründe für ein rechtliches Interesse an der Information der Öffentlichkeit nur über die Urheberrechtsverletzung zeige der Kläger nicht auf.

3.5 Nach der besprochenen Entscheidung scheiterte das Veröffentlichungsbegehren nicht am Umstand, dass die Klage einen Eingriff in Verwertungsrechte betroffen hat, sondern an der Formulierung des Unterlassungsurteils, in dem kein Bezug zur Art und Weise der Bildnisveröffentlichung und zu dem dadurch verschafften falschen bzw nachteiligen Eindruck hergestellt wurde. Aus diesem Grund konnte durch die Veröffentlichung der Unterlassungsverpflichtung auch nicht über die durch die Veröffentlichung des Lichtbilds entstandenen Nachteile aufgeklärt werden.

4.1 Zusammenfassend ist am Grundsatz festzuhalten, dass an der bloßen Information der Öffentlichkeit über die Widerrechtlichkeit der Veröffentlichung eines Bildnisses kein berechtigtes Interesse besteht. Ein Veröffentlichungsbegehren ist aber dann gerechtfertigt, wenn sich aus der zu veröffentlichenden Unterlassungsverpflichtung (zusätzlich zur widerrechtlichen Veröffentlichung eines Lichtbilds) der konkrete Zusammenhang zu einer Verletzung von Urheber- oder Leistungsschutzrechten oder aber zu einer persönlichkeitsverletzenden Aussage in einem Bildbegleittext ergibt (vgl dazu 6 Ob 287/02b) und durch die Veröffentlichung auch über diesen Verletzungszusammenhang aufgeklärt wird.

4.2 Die Beurteilung der Vorinstanzen, dass diese Voraussetzungen für die Berechtigung des Veröffentlichungsbegehrens im Anlassfall erfüllt sind, steht mit diesen Grundsätzen im Einklang. Dem Revisionsrekurs des Beklagten war daher der Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 393 Abs 1 EO iVm §§ 41, 50 ZPO.

Schlagworte

Veröffentlichungsinteresse,

Textnummer

E122278

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2018:0040OB00107.18S.0717.000

Im RIS seit

03.08.2018

Zuletzt aktualisiert am

09.01.2019
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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