TE Vwgh Erkenntnis 2018/6/21 Ro 2017/07/0031

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Veröffentlicht am 21.06.2018
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
81/01 Wasserrechtsgesetz;

Norm

AVG §39 Abs2;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwGVG 2014 §17;
VwRallg;
WRG 1959 §10 Abs1;
WRG 1959 §10 Abs2;
WRG 1959 §10;
WRG 1959 §138 Abs1 lita;
WRG 1959 §138 Abs1;
WRG 1959 §138 Abs6;
WRG 1959 §3 Abs1 lita;
WRG 1959 §3;
WRG 1959 §31 Abs1;
WRG 1959 §31 Abs3;
WRG 1959 §32 Abs1;
WRG 1959 §32 Abs2 litc;
WRG 1959 §32;
WRG 1959 §39 Abs1;
WRG 1959 §9 Abs2;
WRG 1959 §9;
WRG 1959;

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):Ro 2017/07/0032

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Beck sowie die Hofrätin Dr. Hinterwirth und die Hofräte Dr. N. Bachler, Dr. Lukasser und Mag. Haunold als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Klima, LL.M., über die Revision 1. des RAW und 2. der KW, beide in K, beide vertreten durch die Niederhuber & Partner Rechtsanwälte GmbH in 5020 Salzburg, Wilhelm-Spazier-Straße 2a, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Tirol vom 3. August 2017, Zl. LVwG- 2017/37/0657-13, betreffend Abweisung eines Antrags auf Erlassung eines wasserpolizeilichen Auftrags (Partei gemäß § 21 Abs. 1 Z 2 VwGG: Bezirkshauptmannschaft Kitzbühel; mitbeteiligte Partei:

B GmbH in Wien, vertreten durch Mag. Peter A. Miklautz, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Rotenturmstraße 19/II), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat den Revisionswerbern Aufwendungen in der Höhe von insgesamt EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Der Bürgermeister der Stadtgemeinde Kitzbühel erteilte der Mitbeteiligten mit (rechtskräftigem) Bescheid vom 14. Juni 2016 die baubehördliche Bewilligung für den Abbruch und den Neubau eines Wohnhauses auf einem in deren Eigentum stehenden Grundstück.

2 Das im Miteigentum der Revisionswerber stehende Grundstück grenzt unmittelbar an dieses Grundstück an.

3 Mit Schriftsatz vom 22. Dezember 2016 stellten die Revisionswerber den Antrag, die Bezirkshauptmannschaft Kitzbühel (belangte Behörde) möge auf Grundlage des § 138 WRG 1959

"a) umgehend die Einstellung der (...) durchgeführten Maßnahmen verfügen, sowie

b) die in Kapitel 6 der baugeologischen Beurteilung (...) genannten Sanierungsmaßnahmen auftragen".

4 Begründend führten die Revisionswerber aus, durch die Art der von der Mitbeteiligten zu vertretenden Bauführung auf dem Nachbargrundstück seien sämtliche unterirdischen Wässer, die bisher diffus in das Tal abgesickert seien, in die Baugrube geleitet und dort an der Sohle gesammelt worden. Dieses Wasser sei in weiterer Folge in die Hinterfüllung des Kellers ihres Hauses eingedrungen und habe entsprechende Schäden verursacht.

5 Die belangte Behörde gab den Anträgen der Revisionswerber mit Bescheid vom 31. Jänner 2017 gemäß § 138 WRG 1959 mit der Begründung, dass für die von der Mitbeteiligten durchgeführten Maßnahmen keine Bewilligungen nach dem WRG 1959 erforderlich seien, keine Folge.

6 Das Verwaltungsgericht wies die dagegen von den Revisionswerbern erhobene Beschwerde mit dem angefochtenen Erkenntnis als unbegründet ab.

7 Es stellte im Wesentlichen fest, dass die Mitbeteiligte im Juli 2016 mit den Bauarbeiten auf ihrem Grundstück begonnen habe. Dadurch sei es zu einem bis auf wenige Dezimeter an die umgebenden Grundgrenzen reichenden Abtrag gekommen, der Hanganschnitte bis etwa 10 m erfordert habe und zur Gänze mit einer vernagelten Spritzbetonschale gesichert worden sei. Zur notwendigen Entlastung dieser Baugrubensicherung gegen Wasserdruck aus Hangwässern seien in Abständen Entlastungsbohrungen in die Spritzbetonschale ausgeführt worden. Die Entlastungsbohrungen wiesen einen Durchmesser von 3 bis 5 cm auf und erfassten einen Bereich von ca. 3 m2.

8 Aufgrund der Errichtung dieser Baugrube seien die Wasserwege der vormals im Fels bzw. Untergrund unterirdisch abgeflossenen Hang- und Sickerwässer unterbrochen worden. Ein Teil dieser Hang- und Sickerwässer sei über die Entlastungsbohrungen und in weiterer Folge über die Spritzbetonwand in die Baugrube geflossen. Die Baugrube habe gleichsam als "Brunnen" gewirkt und tendenziell eine "Entwässerung" des umgebenden Geländes bewirkt.

9 Im Zuge der Herstellung der Liftgruben, deren Aushubniveau ca. 1 m unter der sonst tiefsten Baugrubensohle gelegen sei, habe ein relativ starker Wasserandrang festgestellt werden können. Da bei der Errichtung der Liftgruben ein kleinräumiger Bereich von lediglich 2 bis 3 m2 betroffen gewesen sei, hätten sich keine nachteiligen Auswirkungen auf die Bauführung ergeben.

10 Am Beginn der Bauarbeiten sei ein Sickerschacht errichtet worden. Er sei mit einem Notüberlauf ausgestattet worden. An den Sickerschacht schließe eine Drainageleitung an. Zweck dieser Drainageleitung sei, in der Baugrube anfallendes Wasser zu fassen, in den Sickerschacht zu leiten und dort zu versickern oder - falls erforderlich - über den Notüberlauf in den in der Gemeindestraße verlaufenden städtischen Schmutzwasserkanal einzuleiten. Der Sickerschacht sei überschüttet worden, weil dort die für das Bauvorhaben bzw. dessen Umsetzung notwendige Baustraße angelegt worden sei. Dieses Überschütten habe sich nicht nachteilig auf die Funktionsfähigkeit des Sickerschachtes ausgewirkt. Eine Wartung dieses Schachts sei allerdings nicht mehr möglich.

11 Während der Bauarbeiten seien in der Baugrube anfallende Wässer über die Ringdrainageleitung erfasst und - zumindest anteilsmäßig - über den Sickerschacht in den in der Gemeindestraße verlaufenden Schmutzwasserkanal eingeleitet worden.

12 Unterhalb der Bodenplatte/Betonplatte sei eine Filterbetonschicht mit einer Stärke von ca. 40 cm eingebracht worden. Eine derartige Filterbetonschicht weise ein Aufnahmevolumen von 30 bis 35 % auf, eine derartige Schicht könne daher pro m3 ca. 300 l Wasser aufnehmen.

13 Am 29.11.2016 hätten die Revisionswerber erstmalig Wasser im Keller ihres Wohnhauses bemerkt. In weiterer Folge sei permanent Wasser in den Keller eingetreten und hätten laufend 6.000 l aus dem Keller abgepumpt werden müssen. Das Wasser sei bis ca. einen halben Meter unter das Erdgeschoß gestanden.

14 Die auf das Grundstück der Revisionswerber unterirdisch zufließenden Wässer hätten sich zunächst in der Hinterfüllung des Kellers des Wohnhauses der Revisionswerber gesammelt und aufgestaut. Aufgrund des dadurch erhöhten Wasserdruckes sei es in weiterer Folge zum Eindringen in die Kellerräumlichkeiten des Wohnhauses der Revisionswerber gekommen.

15 Am 7. Dezember 2016 sei der Rohbau auf dem Grundstück der Mitbeteiligten weitgehend fertiggestellt gewesen. Im nördlichen Teil sei die Baugrubensohle offen gestanden, dort habe sich in etwa in Höhe der Zufahrt zur Baugrube im nordwestlichen Teil der Liegenschaft das in die Baugrube gelangte Hangwasser gestaut und sich in Richtung Osten bewegt. Ob ein Zufluss zur Gemeindestraße erfolgt sei, lasse sich nicht feststellen.

16 Von den Revisionswerbern würde im Wesentlichen gefordert, dass die in der Baugrubensohle aufgestauten Wässer abgeleitet würden. Dies würde die Errichtung geschlossener Rohrleitungen von den Tiefpunkten des Baugrundstückes bis zu einer geeigneten Vorflut oder zu einem Kanal erforderlich machen. Um auch zukünftig den Zufluss von Wässern in die Hinterfüllung des Kellers des Wohnhauses der Revisionswerber zu verhindern, müssten Horizontalfilterbrunnen errichtet werden, die unter das Niveau des Kellers des Wohnhauses der Revisionswerber reichten. Dadurch solle sichergestellt werden, dass anströmende Wässer über die Horizontalfilterbrunnen gesammelt und ordnungsgemäß abgeleitet werden.

17 Gemäß den rechtlichen Erwägungen des Verwaltungsgerichtes sei der durch die Bauführung bewirkte Eingriff auf die unterirdisch abfließenden Hang- und Schichtenwässer unter dem Gesichtspunkt wasserrechtlicher Bewilligungstatbestände und des Verbots nach § 39 WRG 1959 sowie möglicher nachteiliger Auswirkungen auf wasserrechtlich geschützte Rechte der Revisionswerber zu prüfen.

18 Die (ursprünglich) unter dem Baugrundstück unterirdisch abfließenden Wässer seien als Grundwasser zu qualifizieren. Allerdings handle es sich dabei um einzelne, isolierte Wasserstränge/Wasserzonen und nicht um ein räumlich zusammenhängendes unterirdisches Wassersystem. Die Bewilligungstatbestände der §§ 10 und 32 WRG 1959 würden aber ein solches unterirdisches Wassersystem voraussetzen, weil die Erschließung und/oder Benutzung von Grundwasser nur bei einem räumlich zusammenhängenden unterirdischen Wassersystem möglich sei. Der Bewilligungstatbestand des § 10 Abs. 2 WRG 1959 sei zudem mangels Absicht zur Benutzung oder Erschließung des Grundwassers, jener des § 32 WRG 1959 mangels Einwirkung auf die Wasserbeschaffenheit nicht erfüllt.

19 Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. VwGH 26.4.2013, 2011/07/0204, mwN) sei bezüglich des Verbots in § 39 WRG 1959 relevant, ob von den Revisionswerbern als Nachbarn in einem baurechtlichen Verfahren gegen die auf dem Baugrundstück gesetzten Maßnahmen vorgegangen und von ihnen auf diese Weise Abhilfe geschaffen werden hätte können. Zumal Beeinträchtigungen während der Bauausführung keine subjektiv-öffentlichen Nachbarrechte im Sinne der Tiroler Bauordnung 2011 begründeten, sei § 39 WRG 1959 anzuwenden, obwohl hier keine unverbauten, landwirtschaftlichen Zwecken dienenden Grundstücke betroffen seien. Der Verbotstatbestand des § 39 WRG 1959 sei aber nicht erfüllt, weil dieser Grundwasser nicht erfasse und ein willkürliches Handeln infolge Vorliegens der baubehördlichen Bewilligung nicht vorliege.

20 Die Voraussetzungen für die Erteilung eines Auftrages nach § 138 Abs. 1 lit. a WRG 1959 lägen somit nicht vor.

21 Eine Stattgebung des Antrags auf Einstellung der von der Mitbeteiligten durchgeführten Maßnahmen hätte in letzter Konsequenz die Baueinstellung und damit den Eingriff in eine rechtskräftig erteilte Baubewilligung zur Folge gehabt. § 138 Abs. 1 lit. a WRG 1959 rechtfertige - bei Vorliegen der erforderlichen Voraussetzungen - aber nur einen Auftrag, die mit einem unzulässigen, wasserrechtlich bewilligungspflichtigen Vorgehen verbundenen möglichen nachteiligen Folgen für geschützte Rechte nach § 12 Abs. 2 WRG 1959 zu unterbinden. Zudem hätten die Revisionswerber die festgestellten Sanierungsmaßnahmen beantragt. Mit § 138 Abs. 1 lit. a WRG 1959 lasse sich jedoch ein wasserpolizeilicher Auftrag, der über die gesetzliche Verpflichtung zur bloßen Beseitigung einer eigenmächtig vorgenommenen Neuerung hinausgehe, nicht begründen. Auf die genannte Bestimmung gestützte Aufträge dürften ausschließlich die Entfernung der konsenslosen Neuerung, nicht aber die Verpflichtung zur Setzung einer neuen Maßnahme beinhalten. Der Antrag der Mitbeteiligten, die Errichtung von Horizontalfilterbrunnen aufzutragen, finde somit keine Deckung in § 138 Abs. 1 lit. a WRG 1959.

22 Das Verwaltungsgericht erklärte eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof für zulässig. Die Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung formulierte das Verwaltungsgericht wie folgt:

"Bei der Auslegung der § 10 Abs. 2 und § 32 Abs. 2 WRG 1959 hat sich das Landesverwaltungsgericht (...) im Wesentlichen auf die klare Gesetzeslage und die zu den beiden Bestimmungen ergangene Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes gestützt. Das Landesverwaltungsgericht (...) hat allerdings festgehalten, dass bei der Anwendung der zitierten Bestimmungen unter dem Begriff "Grundwasser" ein unterirdisches räumlich zusammenhängendes Wassersystem zu verstehen ist, nicht aber einzelne isolierte Wasserstränge (Hang- und Schichtenwasser). Insofern kommt auch der Auslegung des § 10 Abs. 2 und des § 32 Abs. 2 lit. c WRG 1959, bezogen auf diesen Fall, eine erhebliche Bedeutung zu.

Die Anwendbarkeit des § 39 WRG 1959 auf unterirdische Wässer/Grundwasser hat der Verwaltungsgerichtshof - soweit ersichtlich - nur in der Entscheidung vom 13.07.1978, Zl. 2077/77, behandelt, allerdings im Zusammenhang mit einem Schotterabbau im Grundwasserschwankungsbereich. Zum Verhältnis des § 39 WRG 1959 und der TBO 2011 liegt keine Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes vor. Den im Zusammenhang mit § 39 WRG 1959 erörterten Rechtsfragen kommt daher eine über den gegenständlichen Fall hinausgehende und somit erhebliche Bedeutung zu.".

23 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die Revision der Revisionswerber mit dem Antrag dieses wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts und/oder infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben, in eventu in der Sache selbst zu entscheiden. Die Revisionswerber begehren Aufwandersatz.

24 Die belangte Behörde erstattete eine Revisionsbeantwortung, in welcher die kostenpflichtige Abweisung der Revision beantragt wurde.

25 Die Mitbeteiligte beantragte in ihrer Revisionsbeantwortung die kostenpflichtige Zurückweisung, in eventu Abweisung der Revision.

26 Der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft begehrte in seiner Revisionsbeantwortung die Abweisung der Revision.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

27 Gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes ist die Revision nach Art. 133 Abs. 4 erster Satz B-VG zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

28 Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

29 Nach § 34 Abs. 1a erster Satz VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden.

30 Die Revisionswerber bringen im Rahmen der Zulässigkeitsgründe gemäß § 28 Abs. 3 VwGG im Wesentlichen vor, die Rechtsansicht des Verwaltungsgerichtes, dass die Bewilligungstatbestände der §§ 10 und 32 WRG 1959 nur bei Vorliegen eines "räumlich zusammenhängenden Wassersystems" gegeben seien, verstoße gegen das Gesetz und die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes.

31 Die Revision erweist sich als zulässig. Sie ist auch begründet.

32 Die §§ 3, 10, 32, 39 und 138 WRG 1959 idgF. lauten

auszugsweise wie folgt:

"(...)

Privatgewässer

§ 3. (1) Außer den im § 2 Abs. 2 bezeichneten Gewässern sind folgende Gewässer Privatgewässer und gehören, wenn nicht von anderen erworbene Rechte vorliegen, dem Grundeigentümer:

a) das in einem Grundstück enthaltene unterirdische Wasser (Grundwasser) und das aus einem Grundstücke zutage quellende Wasser;

(...)

Benutzung des Grundwassers

§ 10. (1) Der Grundeigentümer bedarf zur Benutzung des Grundwassers für den notwendigen Haus- und Wirtschaftsbedarf keiner Bewilligung der Wasserrechtsbehörde, wenn die Förderung nur durch handbetriebene Pump- oder Schöpfwerke erfolgt oder wenn die Entnahme in einem angemessenen Verhältnis zum eigenen Grunde steht.

(2) In allen anderen Fällen ist zur Erschließung oder Benutzung des Grundwassers und zu den damit im Zusammenhang stehenden Eingriffen in den Grundwasserhaushalt sowie zur Errichtung oder Änderung der hiefür dienenden Anlagen die Bewilligung der Wasserrechtsbehörde erforderlich.

(...)

Bewilligungspflichtige Maßnahmen

§ 32. (1) Einwirkungen auf Gewässer, die unmittelbar oder mittelbar deren Beschaffenheit (§ 30 Abs. 3) beeinträchtigen, sind nur nach wasserrechtlicher Bewilligung zulässig. Bloß geringfügige Einwirkungen, insbesondere der Gemeingebrauch (§ 8) sowie die ordnungsgemäße land- und forstwirtschaftliche Bodennutzung (Abs. 8), gelten bis zum Beweis des Gegenteils nicht als Beeinträchtigung.

(2) Nach Maßgabe des Abs. 1 bedürfen einer Bewilligung insbesondere

a) die Einbringung von Stoffen in festem, flüssigem oder gasförmigem Zustand in Gewässer (Einbringungen) mit den dafür erforderlichen Anlagen,

b) Einwirkungen auf Gewässer durch ionisierende Strahlung oder Temperaturänderung,

c) Maßnahmen, die zur Folge haben, daß durch Eindringen (Versickern) von Stoffen in den Boden das Grundwasser verunreinigt wird,

d) die Reinigung von gewerblichen oder städtischen Abwässern durch Verrieselung oder Verregnung,

e) eine erhebliche Änderung von Menge oder Beschaffenheit der bewilligten Einwirkung.

(...)

Änderung der natürlichen Abflußverhältnisse

§ 39. (1) Der Eigentümer eines Grundstückes darf den natürlichen Abfluß der darauf sich ansammelnden oder darüber fließenden Gewässer zum Nachteile des unteren Grundstückes nicht willkürlich ändern.

(...)

Herstellung des gesetzmäßigen Zustandes

§ 138. (1) Unabhängig von Bestrafung und Schadenersatzpflicht ist derjenige, der die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes übertreten hat, wenn das öffentliche Interesse es erfordert oder der Betroffene es verlangt, von der Wasserrechtsbehörde zu verhalten, auf seine Kosten

a) eigenmächtig vorgenommene Neuerungen zu beseitigen oder die unterlassenen Arbeiten nachzuholen,

(...)

(6) Als Betroffene im Sinne des Abs. 1 sind die Inhaber bestehender Rechte (§ 12 Abs. 2), die Fischereiberechtigten sowie die Einforstungsberechtigten anzusehen."

33 Als eigenmächtige Neuerung im Sinne des § 138 Abs. 1 lit. a WRG 1959 ist die Errichtung von Anlagen oder die Setzung von Maßnahmen zu verstehen, für die eine wasserrechtliche Bewilligung einzuholen gewesen wäre, eine solche aber nicht erwirkt wurde (vgl. VwGH 30.3.2017, Ra 2015/07/0114).

34 Entscheidungswesentlich ist daher, ob die von der Mitbeteiligten im Zuge der Realisierung des baubehördlich bewilligten Vorhabens gesetzten Maßnahmen einer Bewilligung nach dem WRG 1959 bedurft hätten.

35 Unter Grundwasser ist im Gegensatz zu Tagwasser jedes Wasser zu verstehen, welches in die Erdoberfläche eindringt, um dann unter ihr fortzufließen oder in wasserhaltenden Schichten zu stagnieren, wobei es keinen Unterschied macht, ob das Wasser die Schichten durchsickert oder in größerer Menge durch Felsspalten in die Erde eindringt (vgl. VwGH 13.12.1906, 13261, VwSlg. 4837 A, 4.7.1930, A 676/29, VwSlg. 16257 A; Bumberger/Hinterwirth, WRG2, § 3 K6).

36 Dem angefochtenen Erkenntnis zufolge sei die "Erschließung und/oder Benutzung von Grundwasser" nur bei Vorliegen eines "räumlich zusammenhängenden unterirdischen Wassersystems" möglich. Die Erfüllung des Bewilligungstatbestandes des § 10 Abs. 2 WRG 1959 setze daher - ebenso wie jener des § 32 WRG 1959 - ein solches Wassersystem voraus.

37 Diese Auffassung widerspricht dem Wortlaut des Gesetzes und der Intention des Gesetzgebers, sämtliche Maßnahmen, die nach dem WRG 1959 nicht bewilligungsfrei sind, einer Bewilligungspflicht zu unterwerfen:

38 Der Gesetzgeber unterscheidet die bewilligungsfreie (vgl. § 10 Abs. 1 WRG 1959) und die bewilligungspflichtige Erschließung oder Benutzung des Grundwassers (vgl. § 10 Abs. 2 WRG 1959). Abgesehen von bloß geringfügigen Einwirkungen auf das Grundwasser, insbesondere dem Gemeingebrauch (vgl. § 32 Abs. 1 WRG 1959), sind zudem Maßnahmen, die zur Folge haben, dass durch Eindringen (Versickern) von Stoffen in den Boden das Grundwasser verunreinigt wird (vgl. § 32 Abs. 2 lit. c WRG 1959), bewilligungspflichtig. Wenn in § 10 oder § 32 WRG 1959 von "Grundwasser" die Rede ist, wird damit uneingeschränkt auf das in einem Grundstück enthaltene unterirdische Wasser im Sinne des § 3 WRG 1959 und nicht auf Wassersysteme abgestellt.

39 Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist bei der Frage, ob eine Anlage oder Maßnahme als vorübergehender Eingriff in den Wasserhaushalt bzw. als bewilligungspflichtige Wasserbenutzungsanlage im Sinne der §§ 9, 10 und 32 WRG 1959 zu beurteilen ist oder vom WRG 1959 überhaupt nicht umfasst ist, auf den Zweck der Anlage abzustellen (vgl. VwGH 16.10.2003, 2002/07/0169, mwN).

40 Fehlt es bei einem Vorhaben an der Erschließungs- oder Benützungsabsicht des angeschnittenen Grundwassers, so unterliegt das Vorhaben nicht der Bewilligungspflicht gemäß § 10 Abs. 2 WRG 1959. Insofern sind ungewollte Wasserzutritte, wie etwa bei Anschneiden wasserführender Schichten bei Straßenbauten oder Aushubarbeiten oder Wasserzutritte in Baugruben und Stollen, nicht nach § 10 Abs. 2 WRG 1959 bewilligungspflichtig (vgl. jüngst VwGH 16.11.2017, Ro 2016/07/0004, mwN).

41 Dem Umstand, dass eine Erschließung und/oder Benutzung von Grundwasser mangels eines "räumlich zusammenhängenden unterirdischen Wassersystems" nicht möglich sein könnte, wird bereits durch diese Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes Rechnung getragen. An der Erschließung oder Benützung von nicht nutzbarem, in Schichten stagnierendem und damit nicht in Zusammenhang mit anderem Grundwasser stehendem Grundwasser, besteht naturgemäß kein Interesse, weshalb eine Bewilligungspflicht nach § 10 Abs. 2 WRG 1959 in der Regel mangels Absicht zur Erschließung oder Benützung des Grundwassers ausscheidet.

42 Beim Bewilligungstatbestand des § 10 WRG 1959 ist sohin auf den dem WRG 1959 zugrundeliegenden Begriff des Grundwassers, der auch jenes Wasser, welches in die Erdoberfläche eindringt und in wasserhaltenden Schichten stagniert, umfasst, abzustellen.

43 Weil erst die Absicht zur Benutzung oder Erschließung des Grundwassers eine Bewilligungspflicht nach § 10 WRG 1959 auszulösen vermag (vgl. VwGH 16.11.2017, Ro 2016/07/0004, mwN), ist zu prüfen, ob der Zweck der Anlage in einer Benutzung oder Erschließung des Grundwassers besteht (vgl. VwGH 30.3.2017, Ra 2015/07/0114).

44 Als "Erschließung" ist eine Maßnahme anzusehen, die auf Grundwasser hinzielt (vgl. VwGH 16.11.2017, Ro 2016/07/0004, mwN). Eine "Benutzung" des Gewässers liegt bei dessen Inanspruchnahme vor (vgl. VwGH 28.6.2017, Ra 2017/07/0010, zu § 9 WRG 1959).

45 Der Zweck von Baugrubensicherungen besteht in der Regel in der Verhinderung von Einsturz, nachrutschendem Erdreich, eindringendem Wasser oder Erosion. Im vorliegenden Fall trat das Grundwasser ungewollt in die Baugrube ein und wurde mittels technischer Einrichtungen versickert bzw. in einen Schmutzwasserkanal eingeleitet. Dieser Vorgang erfolgte in einer Beseitigungsabsicht des Grundwassers. Von einer nach § 10 Abs. 2 WRG 1959 erforderlichen Erschließungs- oder Benutzungsabsicht des Grundwassers kann daher nicht ausgegangen werden (vgl. VwGH 16.11.2017, Ro 2016/07/0004, mwN).

46 Handelt ein Grundstückseigentümer der Vorschrift des § 39 Abs. 1 WRG 1959 zuwider, dann verwirklicht er damit den Tatbestand des § 138 Abs. 1 lit. a WRG 1959 (vgl. VwGH 23.4.2014, 2011/07/0236).

47 Nach den unstrittigen Feststellungen des Verwaltungsgerichts waren ausschließlich unterirdisch zufließende Wässer für den Wasserandrang auf dem Grundstück der Revisionswerber kausal.

48 Der Verbotstatbestand des § 39 WRG 1959 gelangt hier schon deswegen nicht zur Anwendung, weil unter den im § 39 Abs. 1 WRG 1959 genannten, sich auf einem Grundstück ansammelnden oder darüber fließenden, Gewässer Tagwässer im Sinne des § 9 Abs. 2 WRG 1959, nicht aber das Grundwasser zu verstehen ist (vgl. VwGH 13.7.1978, 2077/77). Auf das weitere Vorbringen der Revisionswerber zu diesem Verbotstatbestand war daher nicht näher einzugehen.

49 Für die Bewilligungspflicht nach § 32 Abs. 2 lit. c WRG 1959 kann nur maßgeblich sein, dass das Grundwasser des in Betracht kommenden Bereiches verunreinigt wird. Welchen Zwecken das Grundwasser zugeführt wird, hat dabei außer Betracht zu bleiben (vgl. VwGH 21.6.1968, 80/68).

50 Insofern kommt es aber auch in Zusammenhang mit der Bewilligungspflicht nach § 32 Abs. 2 lit. c WRG 1959 nicht auf die Möglichkeit der Nutzung des Grundwassers und damit - gemäß der Argumentation des Verwaltungsgerichts - auch nicht auf ein "räumlich zusammenhängendes unterirdisches Wassersystem" an. Auch dieser Bewilligungstatbestand stellt auf den dem WRG 1959 zugrunde liegenden - oben näher beschriebenen - Grundwasserbegriff ab.

51 Das Verwaltungsgericht hat die Bewilligungspflicht nach § 32 Abs. 2 lit. c WRG 1959 mangels eines "räumlich geschlossenen unterirdischen Wassersystems" verneint. Dementsprechend fehlen im angefochtenen Erkenntnis jegliche Feststellungen zu dem genannten Kriterium der Beeinträchtigung der Beschaffenheit des Gewässers nach § 32 WRG 1959.

52 In diesem Zusammenhang übersieht der Verwaltungsgerichtshof auch nicht die Tatsache, wonach sich das Tatbild der fehlenden wasserrechtlichen Bewilligung gemäß § 32 WRG 1959 von dem des § 31 leg. cit. dadurch unterscheidet, dass im ersteren Fall ein konkret wirksamer und beabsichtigter Angriff auf die bisherige Beschaffenheit von Wasser vorliegen muss, der - was im Revisionsfall zu bezweifeln sein könnte - plangemäß unter Verwendung von Anlagen erfolgt, während im zweiten Fall die Verpflichtung zur Vermeidung von Verunreinigungen sich in erster Linie auf Anlagen und Maßnahmen bezieht, bei denen eine Einwirkung auf Gewässer zwar nicht vorgesehen, aber erfahrungsgemäß möglich ist (VwGH 24.10.1995, 93/07/0145, mwN). In diesem Zusammenhang ist die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu erwähnen, wonach eine Rechtsverletzung eines Verpflichteten dann nicht vorliegt, wenn die Behörde einen wasserpolizeilichen Auftrag unzutreffend auf § 138 Abs. 1 lit. a iVm § 32 WRG 1959 anstatt richtigerweise auf § 31 Abs. 1 iVm § 31 Abs. 3 erster Satz erste Alternative WRG 1959 stützt, wenn der von der Behörde festgestellte Sachverhalt geeignet ist, die Verwirklichung verschiedener Verstöße gegen § 31 Abs. 1 WRG 1959 aufzuzeigen (VwGH 26.3.2015, Ra 2014/07/0067, mwN).

53 Ein auf Antrag eines Betroffenen erlassener Beseitigungsauftrag gemäß § 138 Abs. 1 WRG 1959 ist nur soweit gerechtfertigt, als dies zur Beseitigung der Verletzung wasserrechtlich geschützter Rechte erforderlich ist. In diesem Umfang hat der Betroffene einen Rechtsanspruch darauf, dass über seinen Antrag ein wasserpolizeilicher Auftrag zur Beseitigung der eigenmächtigen Neuerung erlassen wird. Es ist aber nicht Sache des Betroffenen, der eine Beeinträchtigung seiner wasserrechtlich geschützten Rechte durch eine unzulässige Neuerung geltend gemacht hat, in seinem Antrag auf Erlassung eines wasserpolizeilichen Auftrags zur Beseitigung dieser Neuerung im Sinne des § 138 Abs. 1 lit. a in Verbindung mit Abs. 6 WRG 1959 die hiefür dem Adressaten aufzutragenden konkreten (technischen) Maßnahmen im Einzelnen anzuführen. Die Umschreibung des Auftrags und die Schaffung der dafür notwendigen sachverhaltsmäßigen Grundlagen fallen vielmehr in die amtswegig wahrzunehmende Aufgabe der Verwaltungsbehörde bzw. des Verwaltungsgerichts. Wenngleich ein Verfahren nach § 138 Abs. 1 lit. a WRG 1959 auf "Verlangen" eines Betroffenen im Sinne des Abs. 6 leg. cit. ausgelöst wird, ist dieses von Amts wegen durchzuführen (vgl. VwGH 25.6.2009, 2007/07/0032, mwN).

54 Es schadet daher nicht, wenn der Betroffene in seinem Verlangen Maßnahmen begehrt, die durch § 138 Abs. 1 WRG 1959 nicht gedeckt sind, bezweckt dieses doch bloß die Einleitung eines wasserpolizeilichen Verfahrens nach dieser Bestimmung durch die Behörde.

55 Das angefochtene Erkenntnis erweist sich somit aus den obigen Gründen als inhaltlich rechtswidrig und war gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

56 Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 518/2013 in der Fassung BGBl. II Nr. 8/2014.

Wien, am 21. Juni 2018

Schlagworte

Besondere RechtsgebieteAuslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Verhältnis der wörtlichen Auslegung zur teleologischen und historischen Auslegung Bedeutung der Gesetzesmaterialien VwRallg3/2/2Auslegung unbestimmter Begriffe VwRallg3/4Individuelle Normen und Parteienrechte Rechtsanspruch Antragsrecht Anfechtungsrecht VwRallg9/2

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2018:RO2017070031.J00

Im RIS seit

27.07.2018

Zuletzt aktualisiert am

12.11.2018
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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