TE Vwgh Erkenntnis 2000/1/26 98/08/0122

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Veröffentlicht am 26.01.2000
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Index

62 Arbeitsmarktverwaltung;
66/02 Andere Sozialversicherungsgesetze;

Norm

AlVG 1977 §10 Abs1;
AlVG 1977 §9 Abs1;
AlVG 1977 §9 Abs2;
AlVG 1977 §9;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Knell und die Hofräte Dr. Müller, Dr. Sulyok, Dr. Nowakowski und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hackl, über die Beschwerde des E in Ö, vertreten durch Dr. Paul Ladurner, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Adolf-Pichler-Platz 4/II, gegen den auf Grund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Tirol vom 13. März 1998, Zl. LGSTi/V/1212/3736 01 13 63-701/1998, betreffend Verlust des Anspruches auf Arbeitslosengeld gemäß § 10 AlVG, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund (Bundesminister für Arbeit, Gesundheit und Soziales) Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Das Beschäftigungsverhältnis des Beschwerdeführers als Hilfsarbeiter zu einer Baugesellschaft mbH wurde mit 31. Dezember 1997 durch Kündigung des Dienstgebers gelöst. Am 2. Jänner 1998 beantragte der Beschwerdeführer bei der zuständigen regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice die Zuerkennung von Arbeitslosengeld. Der Anspruch des Beschwerdeführers auf Arbeitslosengeld wurde ab 1. Jänner 1998 anerkannt. Bei der Antragstellung wurde dem Beschwerdeführer gleichzeitig eine Beschäftigung als Abwäscher in einem Hotelbetrieb in Obergurgl mit einer kollektivvertraglichen Entlohnung zuzüglich Unterkunft und Verpflegung mit Arbeitsantritt 10. Jänner 1998 angeboten. Das zugewiesene Beschäftigungsverhältnis kam nicht zu Stande. Der Beschwerdeführer erklärte bei seiner niederschriftlichen Einvernahme am 9. Jänner 1998 vor der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice dazu Folgendes:

"Trotz Belehrung über die Rechtsfolgen nach § 10 Arbeitslosenversicherungsgesetz (AlVG) - Verlust des Anspruches auf Arbeitslosengeld/Notstandshilfe für die Dauer der Weigerung, mindestens jedoch für die Dauer von sechs oder acht Wochen - bin ich nicht bereit, die mir zugewiesene Beschäftigung anzunehmen, weil Herr W./Hotel Hochfirst zu mir gesagt hat, dass er einen Abwäscher für die ganze Saison braucht und ich bald am Bau wieder zu arbeiten beginnen kann."

Der Inhaber des Hotelbetriebes teilte der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice mit, dass der Beschwerdeführer nicht eingestellt worden sei, weil er das Stellenangebot abgelehnt habe (will nicht arbeiten).

Mit Bescheid vom 12. Februar 1998 sprach die regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice aus, dass der Beschwerdeführer den Anspruch auf Arbeitslosengeld gemäß § 10 AlVG für den Zeitraum vom 10. Jänner 1998 bis 16. März 1998 verloren habe. Der Zeitraum verlängere sich um die in ihm liegenden Zeiträume, während derer Krankengeld bezogen worden sei. Eine Nachsicht werde nicht erteilt. In der Begründung ist nach auszugsweiser Wiedergabe des § 10 AlVG zu lesen, der Beschwerdeführer habe die Arbeitsaufnahme als Abwäscher im Hotel Hochfirst verweigert. Berücksichtigungswürdige Gründe für eine Nachsicht lägen hier nicht vor. Die Sperre verlängere sich um die Zeit seines Krankengeldbezuges.

Der Beschwerdeführer erhob Berufung. Darin führte er aus, er habe sich auftragsgemäß beim Hotel Hochfirst beworben. Der Dienstgeber habe ihn gefragt, wo er sonst arbeite und wann er wieder zu seinem üblichen Arbeitgeber zurückkehre. Da er tatsächlich in absehbarer Zeit wieder bei der Baufirma seine Tätigkeit aufnehmen werde, habe ihn der Chef des Hotels mit der Bemerkung weggeschickt, er bräuchte jemand für das ganze Jahr.

Mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid wurde der Berufung keine Folge gegeben. In der Begründung des Bescheides führte die belangte Behörde nach Darstellung des Verwaltungsgeschehens und auszugsweise Wiedergabe des § 10 AlVG aus, die dem Beschwerdeführer zugewiesene Beschäftigung wäre nach dem Kollektivvertrag entlohnt worden und sei dadurch als angemessen entlohnt anzusehen. Außerdem wären dem Beschwerdeführer Unterkunft und Verpflegung kostenlos zur Verfügung gestellt worden. Da der Beschwerdeführer zuletzt als Hilfsarbeiter gearbeitet habe, wäre ihm die Aufnahme der Beschäftigung als Abwäscher durchaus zumutbar gewesen. Das Beschäftigungsverhältnis sei vor allem deshalb nicht zu Stande gekommen, weil der Beschwerdeführer beim Vorstellungsgespräch angegeben habe, dass er ohnehin bald wieder bei der Baufirma, bei welcher er zuletzt gearbeitet habe, zu arbeiten beginnen werde. Der Behauptung des Beschwerdeführers, er sei nur deshalb nicht eingestellt worden, weil er nicht für die ganze Saison zur Verfügung gestanden wäre, sei entgegenzuhalten, dass er auch ausnahmsweise beschäftigt worden wäre, weil im Hotel ein dringender Personalbedarf bestanden hätte. Der Beschwerdeführer habe beim Hotelbetrieb vielmehr den Eindruck hinterlassen, dass er nicht im Gastgewerbe arbeiten wolle.

Aus dem Leistungsakt sei ersichtlich, dass die vom Beschwerdeführer angesprochene Baufirma ihre Beschäftigung im Frühjahr immer erst gegen Ende April aufgenommen habe. Da der Beschwerdeführer im Hotel bereits ab 10. Jänner 1998 zu arbeiten hätte beginnen können, hätte er seine Arbeitslosigkeit um mehr als drei Monate früher beenden können. Der Beschwerdeführer habe seine mangelnde Arbeitswilligkeit auch dadurch zum Ausdruck gebracht, dass auch auf Grund einer weiteren Zuweisung zu einem anderen Hotelbetrieb eine Beschäftigung nicht zu Stande gekommen sei, weil der Beschwerdeführer laut Angaben des Dienstgebers auf der Vermittlungskarte nicht arbeiten habe wollen.

Das Nichtzustandekommen des angebotenen zumutbaren Beschäftigungsverhältnisses sei daher dem Beschwerdeführer anzulasten. Er habe durch sein Verhalten den Tatbestand des § 10 Abs. 1 AlVG verwirklicht, welcher den Ausschluss des Arbeitslosengeldes für die Dauer von sechs Wochen vorsehe.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, ihn kostenpflichtig aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 9 Abs. 1 AlVG ist arbeitswillig, wer (u.a.) bereit ist, eine durch die regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice vermittelte zumutbare Beschäftigung anzunehmen oder von einer sonst sich bietenden Arbeitsmöglichkeit Gebrauch zu machen. Eine solche Beschäftigung ist gemäß § 9 Abs. 2 AlVG zumutbar, wenn sie den körperlichen Fähigkeiten des Arbeitslosen angemessen ist, seine Gesundheit und Sittlichkeit nicht gefährdet, angemessen entlohnt ist und dem Arbeitslosen eine künftige Verwendung in seinem Beruf nicht wesentlich erschwert. Grundvoraussetzung für die Zuweisungstauglichkeit einer Beschäftigung an einen Arbeitslosen ist, dass dessen Kenntnisse und Fähigkeiten jenen Kenntnissen und Fähigkeiten entsprechen, die an der zugewiesenen Arbeitsstelle verlangt werden (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 30. September 1997, Zl. 97/08/0414).

Gemäß § 10 Abs. 1 AlVG verliert ein Arbeitsloser, der sich weigert, eine ihm von der regionalen Geschäftsstelle zugewiesene zumutbare Beschäftigung anzunehmen oder die Annahme einer solchen Beschäftigung vereitelt, für die Dauer der Weigerung, jedenfalls aber für die Dauer der auf die Weigerung folgenden sechs Wochen den Anspruch auf Arbeitslosengeld.

Nach ständiger Rechtsprechung (vgl. zuletzt das Erkenntnis vom 20. Oktober 1999, Zl. 99/08/0136) sind die genannten Bestimmungen Ausdruck der dem gesamten Arbeitslosenversicherungsrecht zu Grunde liegenden Gesetzeszwecke, den arbeitslos gewordenen Versicherten, der trotz Arbeitsfähigkeit und Arbeitswilligkeit nach Beendigung seines Beschäftigungsverhältnisses keinerlei Beschäftigung gefunden hat, möglichst wieder durch Vermittlung in eine ihm zumutbare Beschäftigung einzugliedern und ihn so in die Lage zu versetzen, seinen Lebensunterhalt ohne Zuhilfenahme öffentlicher Mittel zu bestreiten. Wer eine Leistung der Versichertengemeinschaft der Arbeitslosenversicherung in Anspruch nimmt, muss sich daher darauf einstellen, eine ihm angebotene, zumutbare Beschäftigung auch anzunehmen, das heißt bezogen auf eben diesen Arbeitsplatz arbeitswillig zu sein.

Um sich in Bezug auf eine von der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice vermittelte, zumutbare Beschäftigung arbeitswillig zu zeigen, bedarf es grundsätzlich einerseits eines auf die Erlangung des Arbeitsplatzes ausgerichteten (und daher unverzüglich zu entfaltenden) aktiven Handelns des Arbeitslosen, andererseits (und deshalb) aber auch der Unterlassung jedes Verhaltens, welches objektiv geeignet ist, das Zustandekommen des konkret angebotenen Beschäftigungsverhältnisses zu verhindern.

Das Nichtzustandekommen eines den Zustand der Arbeitslosigkeit beendenden (zumutbaren) Beschäftigungsverhältnisses kann vom Arbeitslosen somit auf zwei Wegen verschuldet (das heißt dessen Zustandekommen vereitelt) werden: Nämlich dadurch, dass der Arbeitslose ein auf die Erlangung des Arbeitsplatzes ausgerichtetes Handeln erst gar nicht entfaltet (Unterlassen der Vereinbarung eines Vorstellungstermines, Nichtantritt der Arbeit etc.), oder aber, dass er den Erfolg seiner (nach Außen zu Tage tretenden) Bemühungen durch ein Verhalten, welches nach allgemeiner Erfahrung geeignet ist, den potenziellen Dienstgeber von der Einstellung des Arbeitslosen abzubringen, zunichte macht.

Unter "Vereitelung" iSd § 10 Abs. 1 AlVG ist daher ein auf das zugewiesene Beschäftigungsverhältnis bezogenes Verhalten des Vermittelten zu verstehen, das - bei Zumutbarkeit der Beschäftigung - das Nichtzustandekommen des konkret angebotenen Beschäftigungsverhältnisses herbeiführt; das Nichtzustandekommen muss in einem darauf gerichteten oder dieses zumindest in Kauf nehmenden Tun des Vermittelten seinen Grund haben. Die Vereitelung iSd § 10 Abs. 1 AlVG verlangt ein vorsätzliches Handeln des Vermittelten, wobei bedingter Vorsatz (dolus eventualis) genügt. Ein bloß fahrlässiges Handeln, also die Außerachtlassung der gehörigen Sorgfalt, reicht zur Verwirklichung dieses Tatbestandes hingegen nicht hin (vgl. das Erkenntnis vom 20. Oktober 1992, Slg. 13.722/A - ständige Rechtsprechung).

Die Zuweisungstauglichkeit der dem Beschwerdeführer von der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice vermittelten Beschäftigung ist im Beschwerdefall zu Recht nicht strittig.

Die belangte Behörde vertritt die Auffassung, die Nichtannahme der zugewiesenen und zumutbaren Beschäftigung durch den Beschwerdeführer, weil er in drei bis vier Monaten ohnehin wieder bei seinem ehemaligen Dienstgeber eine Beschäftigung aufnehmen werde, erfülle die Voraussetzungen des § 10 Abs. 1 AlVG.

In der Beschwerde wird dagegen im Wesentlichen ins Treffen geführt, die Behörde habe dem Beschwerdeführer keine Möglichkeit geboten, zu den Behauptungen des potenziellen Dienstgebers Stellung zu nehmen und habe es unterlassen, ihn auf die Folgen hinzuweisen, die mit der Behauptung des potenziellen Dienstgebers verbunden seien.

Damit kann der Beschwerdeführer jedoch keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufzeigen. Zunächst ist der Beschwerdeführer darauf hinzuweisen, dass die belangte Behörde nicht die Mitteilung des potenziellen Dienstgebers zur ausschlaggebenden Begründung ihres Bescheidspruches heranzog, sondern seine Angaben in der Niederschrift am 9. Jänner 1998. Nach dem - oben wiedergegebenen - Inhalt dieser Niederschrift wurde der Beschwerdeführer entgegen seiner Behauptung in der Beschwerde über die Rechtsfolgen nach § 10 AlVG belehrt und hat er sich trotzdem nicht bereit erklärt, die zugewiesene Beschäftigung anzunehmen. Sein vorgetragener Grund, er werde in absehbarer Zeit wieder bei seinem ehemaligen Dienstgeber zu arbeiten beginnen, wurde von der belangten Behörde zu Recht als Vereitelung im Sinne des § 10 AlVG beurteilt. Eine solche Vereitelung hat der Verwaltungsgerichtshof wiederholt auch dann bejaht (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom 20. Dezember 1994, Zl. 93/08/0129, vom 27. Februar 1996, Zl. 95/08/0080, und vom 8. April 1997, Zl. 94/08/0072, jeweils mit weiteren Nachweisen), wenn der Arbeitslose beim Vorstellungsgespräch, wenn auch wahrheitsgemäß, seine Intention zum Ausdruck bringt, die mit der Spezifikation einer Dauerstellung angebotene zumutbare Beschäftigung wohl als Übergangslösung zu betrachten, weil er damit - bezogen auf den konkret angebotenen Arbeitsplatz als Dauerstellung - seine Arbeitswilligkeit in Zweifel stellt.

Im vorliegenden Fall hatte der Beschwerdeführer vor Beginn der angebotenen Beschäftigung trotz Belehrung über die Rechtsfolgen darauf beharrt, die Stelle nicht anzunehmen, weil er ohnehin wieder bei seinem ehemaligen Arbeitgeber Beschäftigung finden werde. Ob der Beschwerdeführer vom potenziellen Arbeitgeber auch aushilfsweise, d.h. befristet, beschäftigt worden wäre, wie die belangte Behörde vermeint, ist daher nicht entscheidend. Die Auffassung der belangten Behörde, dass dieses Verhalten des Beschwerdeführers den Verlust seines Anspruches auf Arbeitslosengeld nach § 10 Abs. 1 AlVG zur Folge hat, entspricht daher der oben dargestellten Rechtslage.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 26. Jänner 2000

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2000:1998080122.X00

Im RIS seit

18.10.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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