TE Lvwg Erkenntnis 2018/7/10 LVwG-2016/46/1079-11

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Veröffentlicht am 10.07.2018
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Entscheidungsdatum

10.07.2018

Index

82/03 Ärzte Sonstiges Sanitätspersonal

Norm

ÄrzteG 1998 §2 Abs2

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Tirol erkennt durch seine Richterin Mag.a Wieser über die Beschwerde des AA, wohnhaft in Z, vertreten durch BB in Y, Adresse 1, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft X vom 07.04.2016, Zl *****, betreffend eine Übertretung nach dem Ärztegesetz,

zu Recht:

1.       Der Beschwerde wird Folge gegeben, das gegenständliche Straferkenntnis behoben und das Verwaltungsstrafverfahren nach § 45 Abs 1 Z 2 VStG eingestellt.

2.       Die ordentliche Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.       Verfahrensgang:

Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft X vom 07.04.2016 wurde dem Beschwerdeführer folgender Sachverhalt zur Last gelegt:

„Sie haben zumindest im Zeitraum zwischen 01.10.2014 und 12.11.2015 in W., Adresse 2 nachfolgend näher beschriebene Tätigkeiten bei Frau CC, geb. am XX.XX.XXXX, welche an Krebs erkrankt ist, durchgeführt, die gemäß § 2 bzw. § 3 Ärztegesetz, BGBl. I Nr. 169/1998 i.d.g.F. Ärzten vorbehalten sind, ohne hierzu nach dem Ärztegesetz oder nach anderen gesetzlichen Vorschriften berechtigt zu sein. Es handelte sich hierbei um folgende Tätigkeiten bzw. lief die von Ihnen bei Frau CC durchgeführte „Therapie“ wie folgt ab:

Zu Beginn der „Behandlung“ führten Sie ein ausführliches Gespräch mit Frau CC, dann musste sich diese auf eine Liege sowohl auf den Bauch als auch auf den Rücken legen und fuhren Sie mit Ihren Händen beginnend bei den Füßen hinauf zum Kopf. Während dieser „Therapie“ beteten Sie und erklärten Frau CC, dass Sie mit Ihrem Handeln „Energie spenden würden um den Körper auf Selbstheilung anzuregen“. Sich selbst haben Sie als „Wunderheiler“ bzw. „Geistheiler“ bezeichnet und Frau CC die Heilung versprochen. Nach der oben beschriebenen Behandlung wurde wiederum ein ausführliches Gespräch mit Frau CC durchgeführt.“

Der Beschwerdeführer habe dadurch eine Verwaltungsübertretung nach § 199 Abs 1 iVm § 2 bzw 3 Ärztegesetz, BGBl I Nr 169/1998 idgF begangen und wurde daher über ihn gemäß § 199 Abs 1 ÄrzteG 1998 eine Geldstrafe in der Höhe von Euro 800,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 3 Tage) verhängt.

Dagegen wurde fristgerecht Beschwerde erhoben und seitens der rechtsfreundlichen Vertretung ausgeführt, dass lediglich Frau CC Angaben darüber machen könne, was der Beschwerdeführer mit ihr getan oder auch nicht getan habe. Es gäbe die eindeutige Angabe vor der Polizei von Frau CC, dass der Beschwerdeführer ihr von Beginn an gesagt habe, dass er ihren Krebs nicht heilen könne. Der Beschwerdeführer habe ihr nicht, wie von der belangten Behörde vorgeworfen, die Heilung versprochen. Es sei anzunehmen, dass die belangte Behörde ihre Feststellungen aufgrund von Aussagen anderer Zeugen getroffen habe, wobei keine dieser Zeugen eigene Wahrnehmungen darüber gemacht habe, dass der Beschwerdeführer Frau CC die Heilung versprochen habe. Es ergebe sich aus dem ganzen Beweisverfahren nicht, dass der Beschwerdeführer Diagnosen abgegeben habe, von medizinischen Unterstützungen abgeraten oder gar versucht habe, Frau CC die Chemotherapie auszureden. Die vorgehaltenen Gespräche könnten denkunmöglich in den Arztvorbehalt eingreifen. Schon beim ersten Treffen mit dem Beschwerdeführer sei die Krankheit von Frau CC diagnostiziert gewesen. Es sei bei allem darum gegangen, Frau CC seelische Erleichterung zu verschaffen und sie psychisch zu unterstützen.

Am 23.08.2016 wurde vor dem Landesverwaltungsgericht Tirol eine öffentliche mündliche Verhandlung durchgeführt, zu der der Beschwerdeführer persönlich in Begleitung seiner rechtsfreundlichen Vertretung erschien. In der öffentlichen mündlichen Verhandlung wurde der Ehegatte der mittlerweile verstorbenen CC als Zeuge einvernommen. Des Weiteren wurde eine vom Beschwerdeführer mitgebrachte Dame als Zeugin einvernommen, die in den letzten Wochen in engem Kontakt mit der Verstorbenen stand.

Beweis wurde aufgenommen durch Einsichtnahme in den verwaltungsbehördlichen Akt, dabei vor allem in die Aussage der mittlerweile Verstobenen vom 30.12.2015, sowie insbesondere durch die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung in der der Beschwerdeführer persönlich einvernommen wurde. Darüber hinaus wurden der Ehegatte der Frau CC, sowie eine Bekannte der Verstorbenen als Zeugen einvernommen.

Das im ersten Rechtsgang ergangene Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Tirol vom 17.07.2017, Zahl LVwG-2016/46/1079-5, mit dem der Beschwerde insofern Folge gegeben wurde, als die von der belangten Behörde verhängte Geldstrafe in Höhe von Euro 800,00 (Ersatzfreiheitsstrafe 3 Tage), auf Euro 500,00 (Ersatzfreiheitsstrafe 2 Tage) herabgesetzt wurde, wurde mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 26.04.2018, Zahl Ro 2017/11/0018-3, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.

Bei Erlassung der Ersatzentscheidung ist das Landesverwaltungsgericht Tirol an die vom Verwaltungsgerichtshof in seinem aufhebenden Erkenntnis geäußerte Rechtsanschauung wie folgt gebunden:

Behandlungsmethoden fallen nur dann in den ärztlichen Vorbehaltsbereich, wenn sie ein gewisses Mindestmaß an Rationalität aufweisen und für ihre Durchführung das typischerweise durch ein Medizinstudium vermittelte umfassende Wissen erforderlich ist. Dementsprechend erfüllen „Geistheiler“ und „verwandte Methoden“ nicht einmal das Kriterium der Mindestrationalität, geschweige denn ist das Beherrschen des durch das Medizinstudium vermittelten Wissens erforderlich, weshalb sie auch nicht in den ärztlichen Vorbehaltsbereich fallen.

II.      Sachverhalt:

Der Beschwerdeführer verfügt über eine Reiki-Ausbildung bis zum Lehrer Grad und bezeichnet sich selber als „Meister Lehrer Geistheiler“. Über eine ärztliche Ausbildung verfügt der Beschwerdeführer nicht.

Frau CC suchte im Zeitraum vom 01.10.2014 bis kurz vor ihrem Tod Anfang Mai 2016, also auch im Tatzeitraum, regelmäßig den Beschwerdeführer auf. Schon vor den ersten Besuchen stand seit Juli 2013 bei Frau CC fest, dass sie an Krebs erkrankt war und befand sie sich diesbezüglich in ärztlicher Behandlung. Sie hatte bis Ende 2014 auch schon zweimal eine Chemotherapie durchgemacht.

Der Beschwerdeführer hat bei der Erkrankten keine Diagnose gestellt, diese lag bereits vor. Der Beschwerdeführer hat aber zahlreiche Sitzungen mit der Erkrankten durchgeführt. Zunächst wurden Gespräche geführt und hat der Beschwerdeführer anschließend „Energie“ auf die Erkrankte übertragen. Dies passierte durch Auflegen der Hände mit damit einhergehenden Gebeten beginnend von den Füßen bis zum Kopf, ohne dass jedoch Druck auf den Körper ausgeübt wurde.

Dass der Beschwerdeführer der Erkrankten die Heilung konkret versprochen hat, konnte nicht festgestellt werden, dennoch musste bei der Verstorbenen dadurch, dass der Beschwerdeführer sich selbst als “Geistheiler“ bezeichnet und er ihr auch gesagt hat „Das kriegen wir hin“ der Eindruck erweckt werden, die Sitzungen würden ihren Gesundheitszustand verbessern.

Bei den Sitzungen war außer der Erkrankten niemand anwesend. Es konnte deshalb nicht festgestellt werden, ob der Beschwerdeführer der Erkrankten von der Durchführung der dritten Chemotherapie abgeraten hat. Die Erkrankte hat diese zwar begonnen, hat sie aber abgebrochen, weil es ihr aufgrund der Chemotherapie sehr schlecht ging. Die ärztliche Behandlung im Tatzeitraum beschränkte sich jedoch auf Kontrolltermine und Blutuntersuchungen.

Der Beschwerdeführer hat sie nicht explizit darauf hingewiesen, dass die von ihm durchgeführten Sitzungen keine Therapie oder Behandlung im medizinischen Sinn, sondern eine Art religiöse Handlung sind, die eine ärztliche Behandlung nicht ersetzen kann. Für die Durchführung der „Behandlung“ vom Beschwerdeführer ist kein typischerweise durch ein Medizinstudium vermitteltes umfassendes Wissen erforderlich und weist diese Methode kein Mindestmaß an Rationalität auf.

III.     Beweiswürdigung:

Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich für das Landesverwaltungsgericht Tirol insbesondere aus den Aussagen des Beschwerdeführers und der mittlerweile Verstorbenen, die am 30.12.2015 von Beamten der Polizeiinspektion V als Zeugin einvernommen wurde. Da sie mittlerweile verstorben ist, konnte sie nicht mehr vor dem Landesverwaltungsgericht Tirol befragt werden, sodass diese Beweise nur mittelbar aufgenommen werden konnten.

Dass bei Frau CC der Eindruck entstanden ist, dass die Sitzungen beim Beschwerdeführer zu einer gesundheitlichen Verbesserung ihres Zustandes oder sogar zur Heilung führen könnten geht aus der Aussage vom 30.12.2015 hervor, in der sie davon spricht, dass sie regelmäßig „Therapien“ bei ihm hatte, sie körperlich gestärkt nach Hause käme und er ihr durch Energieübertragung dabei helfe, sich selbst zu heilen. Das im Rahmen der Beschwerde vorgelegte handschriftliche Schreiben liefert keinen Beweis dafür, dass der Beschwerdeführer keine ärztliche Tätigkeit ausgeübt hat. Auch ein Arzt kann keine Heilung versprechen. Entgeltlichkeit ist für die Verwaltungsübertretung nach § 199 ÄrzteG 1998 nicht erforderlich. Darüber hinaus ist das Schreiben undatiert und kann nicht mehr festgestellt werden, ob es tatsächlich von Frau CC stammte.

Der Ablauf der Sitzungen ergibt sich auch aus den Aussagen des Beschwerdeführers und den Angaben der Erkrankten. Bei den Sitzungen war außer dem Beschwerdeführer und der Erkrankten niemand anwesend. Dass der Beschwerdeführer gesagt habe „Das kriegen wir hin“ geht aus der durchaus glaubwürdigen Aussage des Ehemannes hervor. Es konnte zwar nicht festgestellt werden, dass er ihr die Heilung tatsächlich in Worten so versprochen hat. Dennoch ergibt sich aus dem Gesamtbild, auch aus der Aussage der Verstorbenen, dass sie den Eindruck hatte, es handle sich um Therapien und ihr Körper werde gestärkt.

Die Erkrankte hat dann auch die dritte Chemotherapie begonnen. Der Ehemann der Erkrankten gab aber nach Befragung bei der öffentlichen mündlichen Verhandlung auch an, dass sie diese abgebrochen hat, weil es ihr körperlich so schlecht ging und nicht weil der Beschwerdeführer sie davon abgehalten habe.

Die Negativfeststellung betreffend das Abraten von der dritten Chemotherapie musste getroffen werden, da aufgrund des Todes der Zeugin kein unmittelbarer Beweis eingeholt werden konnte. Dadurch konnte die Aussage des Ehemannes nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit erwiesen werden. Im Zweifel war eine Negativfeststellung zu treffen. Abgesehen davon ist dieses „Abraten“ nicht Teil des Tatvorwurfes und deshalb nicht von Relevanz für das gegenständliche Verfahren.

IV.      Rechtslage:

Die im gegenständlichen Fall maßgeblichen Bestimmungen des Ärztegesetzes 1998, BGBl I Nr 169/1998, idF BGBl I Nr 90/2015, lauten wie folgt:

„Der Beruf des Arztes

§ 2.

(1) Der Arzt ist zur Ausübung der Medizin berufen.

(2) Die Ausübung des ärztlichen Berufes umfaßt jede auf medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnissen begründete Tätigkeit, die unmittelbar am Menschen oder mittelbar für den Menschen ausgeführt wird, insbesondere

1.

die Untersuchung auf das Vorliegen oder Nichtvorliegen von körperlichen und psychischen Krankheiten oder Störungen, von Behinderungen oder Mißbildungen und Anomalien, die krankhafter Natur sind;

2.

die Beurteilung von in Z 1 angeführten Zuständen bei Verwendung medizinisch-diagnostischer Hilfsmittel;

3.

die Behandlung solcher Zustände (Z 1);

4.

die Vornahme operativer Eingriffe einschließlich der Entnahme oder Infusion von Blut;

5.

die Vorbeugung von Erkrankungen;

6.

die Geburtshilfe sowie die Anwendung von Maßnahmen der medizinischen Fortpflanzungshilfe;

7.

die Verordnung von Heilmitteln, Heilbehelfen und medizinisch diagnostischen Hilfsmitteln;

8.

die Vornahme von Leichenöffnungen.

(3) Jeder zur selbständigen Ausübung des Berufes berechtigte Arzt ist befugt, ärztliche Zeugnisse auszustellen und ärztliche Gutachten zu erstatten.

Strafbestimmungen

§ 199.

(1) Wer eine in den §§ 2 Abs. 2 und 3 umschriebene Tätigkeit ausübt, ohne hiezu nach diesem Bundesgesetz oder nach anderen gesetzlichen Vorschriften berechtigt zu sein, begeht, sofern die Tat nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet, eine Verwaltungsübertretung und ist mit Geldstrafe bis zu 3 630 Euro zu bestrafen. Der Versuch ist strafbar.

(2) Sofern aus der Tat (Abs. 1) eine schwer wiegende Gefahr für Leib, Leben oder Gesundheit einer Person entstanden ist oder der Täter bereits zweimal wegen unbefugter ärztlicher Tätigkeit bestraft worden ist, ist der Täter mit Geldstrafe bis zu 21 800 Euro zu bestrafen.

(3) Wer den im § 7 Abs. 3, § 8 Abs. 2, § 12 Abs. 3, § 12a Abs. 4, § 15 Abs. 5, § 27 Abs. 2 oder Abs. 7 zweiter Satz, § 29 Abs. 1, § 31 Abs. 3, § 32 Abs. 3, § 35 Abs. 7, § 36, § 37 Abs. 1 oder 8, § 43 Abs. 2, 3, 4 oder 6, § 45 Abs. 3 oder 4, § 46, § 47 Abs. 1, § 48, § 49, § 50 Abs. 1 oder 3, § 50a, § 50b, § 51, § 52 Abs. 2, § 53 Abs. 1 bis 3, § 54 Abs. 1, § 55, § 56 Abs. 1, § 57 Abs. 1, § 63, § 89 oder § 194 erster Satz enthaltenen Anordnungen oder Verboten zuwiderhandelt, begeht, sofern die Tat nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet, eine Verwaltungsübertretung und ist mit Geldstrafe bis zu 2 180 Euro zu bestrafen. Der Versuch ist strafbar.

(4) Wer den Anordnungen zuwiderhandelt, die in den auf Grund dieses Bundesgesetzes erlassenen Verordnungen enthalten sind, begeht, sofern die Tat nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet, eine Verwaltungsübertretung und ist mit Geldstrafe bis zu 2 180 Euro zu bestrafen. Der Versuch ist strafbar.“

V.       Erwägungen:

Im Beschwerdefall ist nicht festgestellt und wird nicht behauptet, dass der Beschwerdeführer, ein Nichtarzt, die ihm vorgeworfene Tätigkeit in Bezug auf eine größere Zahl von Menschen ausgeübt hat, weshalb es an einem der Tatbestandsmerkmale des § 184 StGB fehlt. Das diesbezügliche Verfahren der Staatsanwaltschaft Innsbruck zu Zl 55 BAZ 257/16d-4, wurde am 21.03.2016 eingestellt. Es geht daher im Beschwerdefall ausschließlich um die Frage, ob das dem Revisionswerber angelastete Verhalten eine den Ärzten vorbehaltene Tätigkeit darstellt, was gemäß § 3 ÄrzteG 1998 der Fall wäre, wenn es sich um eine oder mehrere Tätigkeiten handelte, die in § 2 Abs 2 ÄrzteG 1998 durch eine Generalklausel umschrieben sind – nämlich Tätigkeiten, die auf medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnissen begründet (gemeint: gegründet) sind und unmittelbar am Menschen ausgeführt werden – und anschließend in den Z 1 bis 8 demonstrativ expliziert werden.

In seiner jüngeren wettbewerbsrechtlichen Rechtsprechung zu 4 Ob 166/03w führte der OGH aus, dass die Erstellung einer Diagnose eine den Ärzten vorbehaltene Tätigkeit sei. Bei der Beurteilung, ob das Verhalten eines Nichtarztes ein sittenwidriger Eingriff in den Ärztevorbehalt ist oder das Verhalten nicht geeignet ist, sich auf die Wettbewerbslage zwischen Ärzten und Nichtärzten auszuwirken, sei darauf abzustellen, welchen Eindruck der Ratsuchende vom Verhalten des Nichtarztes gewinnen musste. Wer als Nichtarzt Untersuchungen – welcher Art immer – mit der erkennbaren Absicht vornehme, einem Ratsuchenden dadurch Auskünfte über das Vorliegen oder Nichtvorliegen von Krankheiten oder krankhaften Störungen, Behinderungen oder Missbildungen zu erteilen, oder wer als Nichtarzt solche Auskünfte in Form einer Diagnose – auf welcher Erkenntnisquelle immer- erteile, erwecke den Anschein, ein Arztbesuch sei entbehrlich und verstoße gegen § 1 UWG. Ein solches Verhalten könne allerdings einer Person, die sich als Energiebehandlerin bezeichne, nicht vorgeworfen werden, die Besucher ihres Instituts für Geist- und Naturheilung ausdrücklich darauf hinweise, dass die von ihr durchgeführten „Aurainterpretationen“ mittels Einhandrute keine Diagnose, Therapie oder Behandlung im medizinischen Sinn wären, sondern eine religiöse Handlung, die eine ärztliche Behandlung nicht ersetze. Die „Körperenergiemessung“ mittels Einhandrute, die Erklärung, es fehle die Energiebalance und die Aufforderung, eine ärztliche Untersuchung in Anspruch zu nehmen, möge als „Untersuchung“ im weitesten Sinn aufgefasst und damit ganz allgemein dem medizinischen Bereich zugeordnet werden können, orientiere sich aber nicht an wissenschaftlicher Methodik und genüge daher objektiv nicht dem Wissenschaftskriterium als Voraussetzung für eine Ärzten vorbehaltene Tätigkeit. Es entstehe auch nicht der Eindruck, ein Besuch bei ihr ersetze den Arztbesuch.

Im Beschluss vom 14.03.2006, 4 Ob 256/05h, bestätigte der OGH seine neue Judikaturlinie, wonach eine auf medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnissen gegründete Tätigkeit nur ausgeübt werde, wenn die angewendete Methode ein gewisses Mindestmaß an Rationalität aufweist und für ihre Durchführung das typischerweise durch das Medizinstudium vermittelte umfassende Wissen erforderlich ist. Diese Rechtsansicht wurde vom OGH im Beschluss vom 5.10.2018, 4 Ob 155/10p noch einmal bestätigt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat sich bereits im Erkenntnis vom 14.12.2010, 2008/11/0038, der dargestellten neueren Judikatur des OGH ausdrücklich angeschlossen. Der gegenständliche Fall gibt keinen Anlass von dieser Rechtsauffassung abzugehen.

Die Abgrenzung des ärztlichen Vorbehaltsbereichs ist grundsätzlich nur nach objektiven Kriterien vorzunehmen. Maßgebend für die Zugehörigkeit einer Tätigkeit zum ärztlichen Vorbehaltsbereich ist demnach, ob die angewendete Methode ein gewisses Mindestmaß an Rationalität aufweist und für die Durchführung das typischerweise durch das Medizinstudium vermittelte umfassende Wissen erforderlich ist. Die in der älteren strafrechtlichen Judikatur zu § 184 StGB vertretene Auffassung, die schon im ÄrzteG 1949 eigentümliche und (nunmehr) in § 2 Abs 2 ÄrzteG 1998 enthaltene Wendung „auf medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnissen begründete“ sei für die Abgrenzung des ärztlichen Vorbehaltsbereichs irrelevant, weil sie nur eine Standespflicht normiere, ist mit dem Wortlaut schlicht unvereinbar (sie wird auch, soweit ersichtlich, in der neueren Lehre nicht mehr vertreten).

Aus den Feststellungen ergibt sich, dass die als „Energieübertragung“ bezeichnete „Behandlung“ der Verstorbenen darin bestand, dieser unter Beten mit den Händen beginnend von den Füßen bis zum Kopf hinauf zu streicheln. Dass dabei spezieller Druck ausgeübt wurde, wurde nicht festgestellt. Im Lichte der dargestellten Judikatur gibt es auf der Grundlage dieser Feststellungen keinen Hinweis darauf, dass für die Durchführung einer solchen „Behandlung“ das typischerweise durch ein Medizinstudium vermittelte umfassende Wissen erforderlich ist oder diese Methode ein Mindestmaß an Rationalität im oben dargestellten Sinn aufweist.

Gemäß § 45 Abs 1 Z 2 VStG hat die Behörde von der Einleitung oder Fortführung eines Strafverfahrens abzusehen und die Einstellung zu verfügen, wenn der Beschuldigte die ihm zur Last gelegte Verwaltungsübertretung nicht begangen hat. Dies ist hier der Fall. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

VI.      Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Darüber hinaus sei angemerkt, dass in dieser Sache bereits vom VwGH (26.04.2018, Zl Ro 2017/11/0018) erkannt wurde und daher Judikatur zum gegenständlichen Sachverhalt vorliegt.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Soweit die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof in Wien für zulässig erklärt worden ist, kann innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung dieser Entscheidung eine ordentliche Revision erhoben werden. Im Fall der Nichtzulassung der ordentlichen Revision kann innerhalb dieser Frist nur die außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden.

Jedenfalls kann gegen diese Entscheidung binnen sechs Wochen ab der Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, Freyung 8, 1010 Wien, erhoben werden.

Die genannten Rechtsmittel sind von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw einer bevollmächtigten Rechtsanwältin abzufassen und einzubringen, und es ist eine Eingabegebühr von Euro 240,00 zu entrichten. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist direkt bei diesem, die (ordentliche oder außerordentliche) Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist beim Landesverwaltungsgericht Tirol einzubringen.

Es besteht die Möglichkeit, auf die Revision beim Verwaltungsgerichtshof und die Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof zu verzichten. Ein solcher Verzicht hat zur Folge, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof und eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof nicht mehr erhoben werden können.

Landesverwaltungsgericht Tirol

Mag.a Wieser

(Richterin)

Schlagworte

Geistheiler; Handauflegen; Energieübertragung

Anmerkung

Aufgrund der ordentlichen Revision hob der Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 26.04.2018, Z Ro 2017/11/0018-3, das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Tirol vom 17.07.2017, Z LVwG-2016/46/1079-5 wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes auf.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGTI:2018:LVwG.2016.46.1079.11

Zuletzt aktualisiert am

19.07.2018
Quelle: Landesverwaltungsgericht Tirol LVwg Tirol, https://www.lvwg-tirol.gv.at
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