TE Bvwg Erkenntnis 2018/7/4 W132 2116245-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 04.07.2018
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Entscheidungsdatum

04.07.2018

Norm

B-VG Art.133 Abs4
VOG §1
VOG §2
VOG §6a

Spruch

W132 2116245-1/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Ursula GREBENICEK als Vorsitzende und den Richter Mag. Christian DÖLLINGER sowie den fachkundigen Laienrichter Mag. Michael SVOBODA als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX, geboren am XXXX, bevollmächtigt vertreten durch den Rechtsanwalt XXXX, gegen Spruchpunkt 2 des Bescheides des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle Steiermark vom XXXX, betreffend die Abweisung des Antrages auf Hilfeleistungen in Form von Pauschalentschädigung für Schmerzengeld gemäß § 1 Abs. 1 und § 2 Z 10 iVm § 6a Verbrechensopfergesetz (VOG), zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Die Beschwerdeführerin hat am 10.03.2014 beim Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (Kurzbezeichnung:

Sozialministeriumservice; in der Folge belangte Behörde genannt) einen Antrag auf Hilfeleistungen nach dem VOG gestellt und angegeben, ihr Sohn sei ermordet worden.

1.1. Zur Überprüfung des Antrages wurden von der belangten Behörde die Krankengeschichte der Beschwerdeführerin und Unterlagen zu den angegebenen Vorfällen sowie ein Sachverständigengutachten von Dr. XXXX, Facharzt für Psychiatrie, basierend auf der persönlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin am 17.11.2014, mit dem Ergebnis eingeholt, dass ein agitiert depressives Zustandsbild im Ausmaß einer leichten Körperverletzung mit Indikation für Psychotherapie festgestellt wurde.

1.2. Die belangte Behörde hat der Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 03.03.2015 gemäß § 45 Abs. 3 AVG das Ergebnis des Ermittlungsverfahrens zur Kenntnis gebracht und die Möglichkeit eingeräumt, dazu Stellung zu nehmen.

Die bevollmächtigte Vertretung hat im Wesentlichen eingewendet, dass das psychische Leiden der Beschwerdeführerin im Ausmaß einer schweren Körperverletzung vorläge, weil durch die vorgelegten Beweismittel ein Behandlungsverlauf von länger als 24 Tagen belegt werde. Die Beschwerdeführerin sei durch den Tod ihres Sohnes schwer traumatisiert worden. Es sei auch nicht nachvollziehbar, warum sich die Beurteilung von jener des Gatten der Beschwerdeführerin unterscheide.

1.3. Zur Überprüfung der Einwendungen wurde von der belangten Behörde vom bereits befassten Sachverständigen, Dr. XXXX, Facharzt für Psychiatrie, basierend auf der Aktenlage, eine mit 29.07.2015 datierte medizinischen Stellungnahme mit dem Ergebnis eingeholt, dass weder die erhobenen Einwendungen, noch die vorgelegten Beweismittel geeignet seien, eine geänderte Beurteilung zu begründen.

1.4. Mit dem angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde zwar den Antrag auf Hilfeleistungen nach dem VOG in Form von Zuschüssen für verbrechensbedingt notwendige psychotherapeutischer Behandlung für die Dauer der verbrechensbedingten Notwendigkeit gemäß § 1 Abs. 1 und § 2 Z 2 iVm § 4 Abs. 5 VOG bewilligt (Spruchpunkt 1.), jedoch die beantragte Pauschalentschädigung für Schmerzengeld gemäß § 1 Abs. 1 und § 2 Z 10 iVm § 6a VOG abgewiesen (Spruchpunkt 2.).

Die Angaben der Beschwerdeführerin, das Ergebnis des Ermittlungsverfahrens und die gesetzlichen Bestimmungen würdigend, wird unter Zitierung der maßgebenden gesetzlichen Bestimmungen im Wesentlichen ausgeführt, dass die grundsätzlichen Anspruchsvoraussetzungen für Hilfeleistungen nach dem VOG vorlägen, weil die Beschwerdeführerin durch den Tod ihres Sohnes im Sinne des § 1 Abs. 1 Z 1 nach Maßgabe der bürgerlich-rechtlichen Kriterien einen Schock mit psychischer Beeinträchtigung von Krankheitswert erlitten habe. Nach den eingeholten Sachverständigengutachten Dris. XXXX stelle die psychische Gesundheitsschädigung zwar keine schwere Körperverletzung im Sinne des § 84 StGB dar, jedoch sei eine verbrechenskausale Psychotherapie indiziert.

2. Gegen diesen Bescheid hat die bevollmächtigte Vertretung der Beschwerdeführerin fristgerecht Beschwerde erhoben. Ohne Vorlage medizinischer Beweismittel wurde im Wesentlichen vorgebracht, dass die Diagnose Dris. XXXX vom 28.02.2014, wonach die Beschwerdeführerin eine schwere reaktive Depression erlitten habe, unberücksichtigt geblieben sei. Das Datum der Diagnoseerstellung belege, dass das auslösende Ereignis und somit der Beginn der gesundheitsbeeinträchtigenden psychischen Erkrankung mehr als 24 Tage zurückgelegen habe. Auch habe die belangte Behörde verkannt, dass die vorliegenden Symptome eines agitiert-depressiven Erlebens jedenfalls als schwere Körperverletzung im Sinne des § 84 StGB zu werten seien. Insbesondere hätten diese Symptome im Untersuchungszeitpunkt 17.11.2014 über einen Zeitraum von zehn Monaten, sohin länger als 24 Tage, vorgelegen. Die Beschwerdeführerin weise, wie auch ihr Gatte, eine schwere Traumatisierung auf, welche sich in einer schweren, seit mehr als einem Jahr bestehenden, behandlungsbedürftigen Depression äußern würden. Sie leide an Lust-, Schlaf- und Antriebslosigkeit, ihr würde die Erledigung der Aufgaben des täglichen Lebens unsagbar schwerfallen. Es bleibe unverständlich, inwiefern ein Unterschied zu ihrem Gatten, welchem Schmerzengeld in Höhe von € 2.000 bewilligt worden sei, vorliege. Es sei die Beschwerdeführerin gewesen, die am der Tat folgenden Tag völlig unerwartet durch einen Zeitungsbericht vom gewaltsamen Tod ihres Sohnes erfahren habe. Dieses Erlebnis habe eine schwere Traumatisierung ausgelöst, welche trotz der mehrfachen Inanspruchnahme des Dr. XXXX in Graz, bis heute nicht bewältigt worden sei. Eine schwere Depression sei jedenfalls unter § 84 StGB zu subsummieren. Es möge daher Schmerzengeld in Höhe von € 2.000 bewilligt werden. Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung wurde nicht beantragt.

Als Beweis wurde der Bescheid der belangten Behörde betreffend die Zuerkennung von Schmerzengeld an den Gatten der Beschwerdeführerin vorgelegt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Die grundsätzlichen Anspruchsvoraussetzungen liegen insofern vor, als die Beschwerdeführerin österreichische Staatsbürgerin ist und durch die Nachricht vom gewaltsamen Tod ihres Sohnes, welcher durch eine mit einer zum Entscheidungszeitpunkt mehr als sechsmonatigen Freiheitsstrafe bedrohte rechtswidrige und vorsätzliche Handlung herbeigeführt wurde, nach Maßgabe der bürgerlich-rechtlichen Kriterien einen Schock mit psychischer Beeinträchtigung von Krankheitswert erlitten hat.

Ein Ausschlussgrund gemäß § 8 VOG liegt nicht vor.

Mit dem Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz vom 20.05.2014 zu 12 Hv 22/14z wurde E.K. wegen des Verbrechens des Totschlages am Sohn der Beschwerdeführerin am 25.01.2014 nach § 76 StGB rechtskräftig verurteilt.

Der Antrag auf Hilfeleistungen nach dem VOG ist am 10.03.2014 bei der belangten Behörde eingelangt.

1.2. Die Beschwerdeführerin hat durch das Verbrechen ein agitiert-depressives Zustandsbild im Ausmaß einer leichten Körperverletzung mit Indikation für Psychotherapie erlitten.

2. Beweiswürdigung:

Zu 1.1.) Die Feststellungen zu den allgemeinen Voraussetzungen ergeben sich aus dem vorgelegten Staatsbürgerschaftsnachweis sowie dem diesbezüglich widerspruchsfreien, unbedenklichen und unbestrittenen Akteninhalt

Zu 1.2.) Die Feststellungen zu Art, Ausmaß und Kausalität der Funktionseinschränkungen gründen sich - in freier Beweiswürdigung - in nachstehend ausgeführtem Umfang auf die vorgelegten und eingeholten Beweismittel:

Die von der belangten Behörde eingeholten Sachverständigengutachten Dris. XXXX sind vollständig, schlüssig, nachvollziehbar und frei von Widersprüchen. Es wurde auf die Art der Leiden und deren Ausmaß ausführlich eingegangen. Auch wurde zur Kausalität der festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen eingehend Stellung genommen.

Die getroffenen Einschätzungen, basierend auf dem im Rahmen persönlicher Untersuchung der Beschwerdeführerin erhobenen klinischen Befund, entsprechen unter Berücksichtigung der vorgelegten Beweismittel dem festgestellten Ausmaß der Körperverletzung und dem festgestellten Kausalverlauf.

Die vorgelegten Beweismittel sind nicht geeignet, die gutachterlichen Feststellungen überzeugend in Frage zu stellen.

Im Attest Dris. XXXX, Arzt für Allgemeinmedizin, vom 28.02.2014 wird eine schwere reaktive Depression aufgrund des schicksalhaften Ablebens des Sohnes sowie psychologische und psychotherapeutische Behandlung empfohlen. Dieses Attest ist hinsichtlich der Bewertung des Ausmaßes des Krankheitsbildes fachlich nicht überzeugend. Dr. XXXX ist weder klinischer Psychologe noch Facharzt für Psychiatrie. Mangels klinischem Befund und ohne nachvollziehbare Schlussfolgerungen ist dieser nicht geeignet, die gutachterliche Beurteilung in Frage zu stellen.

Lässt ein ärztliches Attest nicht erkennen, auf welchem Weg sein Aussteller zu seinen Schlussfolgerungen gekommen ist, ist es mit einem wesentlichen Mangel behaftet und als Beweismittel nicht geeignet. Dies gilt unabhängig davon, dass für den Kausalitätsnachweis nach § 4 Abs. 1 KOVG 1957 Wahrscheinlichkeit ausreicht. Eine Vermutung, dass das in einem "befundlosen" Attest abgegebene Fachurteil nach den Regeln der Wissenschaft erstellt worden sei, besteht nicht. (VwGH vom 06.11.2001, Zl. 94/09/0060)

Die Beschwerdeführerin und ihr Gatte waren zur Bewältigung der durch den Tod des Sohnes entstandenen psychischen Belastung am 18.03.2014 und am 15.04.2014 zur Krisenberatung in der Landesnervenklinik Sigmund Freud Graz. Zusammenfassend wurde im diesbezüglichen Bericht Dris. XXXX, klinischer Psychologe und Psychotherapeut, vom 06.08.2014 ausgeführt, dass es sich bei den Ehepartnern um eine depressive Reaktion handle. Aufgrund der Verbesserung der Symptomatik seien nach dem Folgetermin keine weiteren Gespräche vereinbart worden. Im Bedarfsfall möge sich das Ehepaar an das Beratungszentrum wenden. Im Bericht vom 12.11.2014 wurde ergänzt, dass das Ehepaar gemeinsam zu vier Gesprächsterminen gekommen sei. In den Gesprächen sei deutlich geworden, dass es diesen kaum gelinge, Abstand vom Geschehen zu bekommen. die Gedanken würden sich immer wieder um die Umstände des Tatherganges und die vermeintlich unvollständigen Ermittlungen der Polizei drehen, welche dazu geführt hätten, dass der Täter mit einem relativ milden Urteil davongekommen sei. Es bestünde weiterhin eine dysphorische Verstimmtheit, verbunden mit Grübeln, zunehmender Verbitterung und Schlafstörungen. Im Bedarfsfall möge sich das Ehepaar erneut an das Beratungszentrum wenden. Diese Beurteilung steht im Einklang mit der Bewertung durch Dr. XXXX

Die eingeholten Sachverständigengutachten Dris. XXXX stehen mit den Erfahrungen des Lebens, der ärztlichen Wissenschaft und den Denkgesetzen nicht in Widerspruch. Auch war dem Vorbringen sowie den eingeholten und vorgelegten Beweismitteln kein Anhaltspunkt zu entnehmen, die Tauglichkeit des befassten Sachverständigen oder dessen Beurteilung beziehungsweise Feststellungen in Zweifel zu ziehen.

Dem Gutachten eines Sachverständigen kann zwar auch ohne Gegengutachten in der Weise entgegengetreten werden, als die Parteien Unschlüssigkeiten oder Unvollständigkeiten des Gutachtens aufzeigen. Die Beschwerdeführerin ist den - nicht als unschlüssig zu erkennenden - Sachverständigengutachten nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten.

Zu den im Rahmen des Parteiengehörs erhobenen Einwendungen führt Dr. XXXX fachärztlich überzeugend aus, dass eine Verbesserung der Symptomatik der Beschwerdeführerin belegt ist. Die zum Gatten der Beschwerdeführerin abweichende Beurteilung begründet er damit, dass das Paar das Erlebte unterschiedlich verarbeitet habe und eine unterschiedliche Grundstruktur psychischen Erlebens und Verarbeitens bestehe.

Die Angaben der Beschwerdeführerin konnten nicht über den erstellten Befund hinaus objektiviert werden.

Zur Erörterung der Rechtsfrage ob eine schwere Körperverletzung gemäß § 84 Abs. 1 StGB vorliegt, siehe die rechtlichen Erwägungen dazu unter Punkt II.3.1.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 6 des Bundesgesetzes über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz - BVwGG) entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gemäß § 9d Abs. 1 VOG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht in Verfahren über Beschwerden in Rechtssachen in den Angelegenheiten des VOG durch einen Senat, dem ein fachkundiger Laienrichter angehört. Es liegt somit Senatszuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichts-verfahrensgesetz - VwGVG) geregelt (§ 1 leg.cit.).

Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben ist, den angefochtenen Bescheid auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Zu A)

1. Zur Entscheidung in der Sache:

Anspruch auf Hilfe haben österreichische Staatsbürger, wenn mit Wahrscheinlichkeit anzunehmen ist, dass sie

1. durch eine zum Entscheidungszeitpunkt mit einer mehr als sechsmonatigen Freiheitsstrafe bedrohte rechtswidrige und vorsätzliche Handlung eine Körperverletzung oder eine Gesundheitsschädigung erlitten haben oder

2. durch eine an einer anderen Person begangene Handlung im Sinne der Z 1 nach Maßgabe der bürgerlich-rechtlichen Kriterien einen Schock mit psychischer Beeinträchtigung von Krankheitswert erlitten haben oder

und ihnen dadurch Heilungskosten erwachsen sind oder ihre Erwerbsfähigkeit gemindert ist.

(§ 1 Abs. 1 VOG auszugsweise)

Als Hilfeleistungen sind u.a. vorgesehen:

10. Pauschalentschädigung für Schmerzengeld.

(§ 2 VOG auszugsweise)

Hilfe nach § 2 Z 10 ist für eine schwere Körperverletzung (§ 84 Abs. 1 StGB) infolge einer Handlung im Sinne des § 1 Abs. 1 als einmalige Geldleistung im Betrag von 2 000 Euro zu leisten; sie beträgt 4 000 Euro, sofern die durch die schwere Körperverletzung verursachte Gesundheitsschädigung oder Berufsunfähigkeit länger als drei Monate andauert. (§ 6a Abs. 1 VOG auszugsweise)

Leistungen nach § 2 dürfen nur von dem Monat an erbracht werden, in dem die Voraussetzungen hiefür erfüllt sind, sofern der Antrag binnen zwei Jahren nach der Körperverletzung oder Gesundheitsschädigung (§ 1 Abs. 1) bzw. nach dem Tod des Opfers (§ 1 Abs. 4) gestellt wird. (§ 10 Abs. 1 VOG auszugsweise idF des BGBl. I Nr. 58/2013)

Nach ständiger Rechtsprechung des OGH gebührt nahen Angehörigen eines Getöteten für den ihnen verursachten Schockschaden mit Krankheitswert ebenfalls Schmerzengeld, weil diese "Dritten" durch das Erleiden eines Nervenschadens in ihrem absolut geschützten Recht auf körperliche Unversehrtheit beeinträchtigt und als unmittelbar Geschädigte anzusehen sind (vergleiche RS0031111). Die Rechtswidrigkeit einer solchen Körperverletzung wird dabei zwar nicht aus dem Schutzzweck der Verhaltensvorschrift, welche die Erstverletzung verhindern soll, aber aus der bei Verletzung absolut geschützter Rechte gebotenen Interessenabwägung abgeleitet. Die Gefahr einer unzumutbaren Ausweitung der Haftung wird dadurch eingegrenzt, dass es eines besonders starken Zurechnungsgrundes bedarf, also die Verletzungshandlung gegenüber dem Angehörigen in hohem Maß geeignet erscheint, einen Vorheriger Schockschaden herbeizuführen. Der Schock muss im Hinblick auf seinen Anlass verständlich sein. Auslöser für die erlittene psychische Erkrankung in diesem Sinne kann aber bei nahem Verwandten auch die Todesnachricht sein, weil bei einer besonders engen persönlichen Verbundenheit, wie sie zwischen nahen Angehörigen typischerweise besteht, die Erstschädigung (Tötung) auch für den dritten Schockgeschädigten so gefährlich ist, dass von einer deliktischen Zufügung des Schockschadens gesprochen werden kann (so schon 2 Ob 79/00g). (RS0116865)

Die grundsätzlichen Voraussetzungen für Hilfeleitungen nach dem VOG liegen zwar vor, hinsichtlich des beantragten Schmerzengeldes konnten die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens den geforderten Grad der Wahrscheinlichkeit jedoch nicht begründen.

Schwere Körperverletzung

Hat die Tat eine länger als vierundzwanzig Tage dauernde Gesundheitsschädigung oder Berufsunfähigkeit zur Folge oder ist die Verletzung oder Gesundheitsschädigung an sich schwer, so ist der Täter mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren zu bestrafen. (§ 84 Abs. 1 StGB)

Im Lichte der Gesetzesmaterialien (GP XIII RV 40. S. 8) zum VOG 1972, die auf das Kriegsopferversorgungsgesetz 1957 (KOVG) verweisen, ist es nicht rechtswidrig, wenn sich die Behörde auf die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zum KOVG 1957 beruft und davon ausgeht, dass eine ausreichende Wahrscheinlichkeit iSd. § 1 Abs. 1 VOG 1972 erst gegeben ist, wenn erheblich mehr für als gegen das Vorliegen einer Vorsatztat spricht (Hinweis E vom 19. Oktober 2005, 2002/09/0132, zu § 4 Abs. 1 KVOG 1957, demzufolge "Wahrscheinlichkeit" dafür, dass die festgestellte Gesundheitsschädigung auf das schädigende Ereignis oder die der Dienstleistung eigentümlichen Verhältnisse ursächlich zurückzuführen ist, dann gegeben ist, wenn nach der geltenden ärztlich-wissenschaftlichen Lehrmeinung erheblich mehr für als gegen einen ursächlichen Zusammenhang spricht). (VwGH vom 21.11.2013, Zl. 2011/11/0205, vom 26.04.2013, Zl. 2012/11/0001)

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist für die Begründung eines Versorgungsanspruches nur die Wahrscheinlichkeit, nicht die bloße Möglichkeit einer Verursachung der Gewissheit gleichgestellt. Für die Auslegung des Begriffes "wahrscheinlich" ist der allgemeine Sprachgebrauch maßgebend. Wahrscheinlichkeit ist gegeben, wenn nach der geltenden ärztlichen-wissenschaftlichen Lehrmeinung erheblich mehr für als gegen einen ursächlichen Zusammenhang spricht. (vgl. u.a. VwGH zu § 4 KOVG vom 19.10.2005, Zl. 2002/09/0132, 15.12.1994, Zl. 94/09/0142 mit Hinweis E 18.2.1988, 87/09/0250)

Als Gesundheitsschädigung ist jede nicht ganz unerhebliche Beeinträchtigung des körperlichen oder seelischen Wohlbefindens einer Person anzusehen, wobei das Andauern dieses Zustandes nicht mit der Heilungsdauer identisch sein muss. (RS0092408)

Ob ein Leiden schwer ist, hängt von der in einer Gesamtschau zu würdigenden Erheblichkeit und Wichtigkeit der Gesundheitsschädigung ab.

Die Beurteilung der Frage, ob eine Verletzung als leichte oder schwere anzusehen ist, obliegt dem Gericht. Der Sachverständige gibt dem Gericht nur die Grundlagen für dessen Entscheidung an die Hand und nimmt zur Frage, ob die Verletzung als schwer oder leicht anzusehen ist, vom Standpunkt der medizinischen Wissenschaft Stellung. (OGH vom 17.09.1951 5 Os 450/51)

Auch rein psychische Einwirkungen können eine Gesundheitsstörung bewirken, wenn dadurch ein körperlich oder seelisch krankhafter Zustand herbeigeführt wird. In gleicher Weise können schwerere qualifizierende Tatfolgen im psychischen Bereich liegen, sofern sie den Gesamtzustand des Tatopfers in einem den §§ 84 Abs. 1 oder 85 StGB entsprechenden Ausmaß beeinträchtigen. (13Os98/86; 11Os52/99; 12Os79/04; 11Os23/07b; 13Os100/11x)

Eine schwere Depression ist als schwere Körperverletzung zu werten (14Os15/99 vom 06.04.1999).

Im von der belangten Behörde eingeholten psychiatrischen Sachverständigengutachten konnte lediglich ein agitiert-depressives Zustandsbild festgestellt werden. Dies steht im Einklang mit der von Dr. XXXX klinisch psychologischen Beurteilung der Gesundheitsschädigung der Beschwerdeführerin als dysphorische Verstimmtheit. Das allgemeinmedizinische Attest Dris. XXXX ist fachlich nicht fundiert und daher nicht geeignet die Beurteilung zu entkräften. Es lag demnach kein länger als 24 Tage dauernder maßgebender Krankheitswert vor.

Die Beschwerdeführerin ist - wie unter Punkt II.2. bereits ausgeführt - der gutachterlichen Beurteilungen weder substantiiert noch auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten und hat auch sonst keine Beweismittel vorgelegt, welche fundierte Anhaltspunkte enthalten, das Ergebnis des eingeholten Sachverständigenbeweises zu entkräften. das Beschwerdevorbringen und die vorgelegten Beweismittel sind nicht geeignet, die Beurteilung der belangten Behörde zu entkräften.

Will eine Partei außer einem vorliegenden schlüssigen und vollständigen Gutachten noch ein weiteres in das Verfahren einbezogen wissen, so steht es ihr frei, selbst ein Gutachten eines privaten Sachverständigen zu beschaffen oder vorzulegen. Durch eine bloße gegenteilige Behauptung, die in ihrer Qualität nicht auf gleicher fachlicher Ebene erfolgt, kann das Gutachten eines Sachverständigen hingegen nicht entkräftet werden (22.02.2018, Ra 2018/09/0001, 24.04.2014, 2013/09/0119, mwN).

Dem durch die die unter Punkt I.1.1. festgestellten Verbrechen entstandene Behandlungsbedarf wurde durch die unter Spruchpunkt I. bewilligte Kostenübernahme für psychotherapeutische Krankenbehandlung entsprochen. Jedoch konnte eine schwere Körperverletzung nicht objektiviert werden, daher liegen die Voraussetzungen für die Gewährung einer Pauschalentschädigung für Schmerzengeld nicht vor.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

2. Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung:

Das Verwaltungsgericht hat auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

(§ 24 Abs. 1 VwGVG)

Die Verhandlung kann entfallen, wenn

1. der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder

2. die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist.

(§ 24 Abs. 2 VwGVG)

Der Beschwerdeführer hat die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Den sonstigen Parteien ist Gelegenheit zu geben, binnen angemessener, zwei Wochen nicht übersteigender Frist einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden. (§ 24 Abs. 3 VwGVG)

Soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, kann das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen. (§ 24 Abs. 4 VwGVG)

Das Verwaltungsgericht kann von der Durchführung (Fortsetzung) einer Verhandlung absehen, wenn die Parteien ausdrücklich darauf verzichten. Ein solcher Verzicht kann bis zum Beginn der (fortgesetzten) Verhandlung erklärt werden. (§ 24 Abs. 5 VwGVG)

Maßgebend für die gegenständliche Entscheidung, ob bei der Beschwerdeführerin eine Pauschalentschädigung für Schmerzengeld gebührt, ist die Schwere der durch das Verbrechen erlittenen Körperverletzung.

Zur Klärung des Sachverhaltes wurden daher, die der angefochtenen Entscheidung zugrunde gelegten Sachverständigengutachten geprüft. Wie unter Punkt II. 2. bereits ausgeführt, wurden diese als nachvollziehbar, vollständig und schlüssig erachtet.

Im Rahmen des Beschwerdevorbringens hatte die Beschwerdeführerin die Möglichkeit sich zu äußern bzw. Beweismittel vorzulegen. Es wurden der Beschwerde jedoch keine Beweismittel beigelegt, welche mit der gutachterlichen Beurteilung der Funktionseinschränkungen nicht in Einklang stehen. Das Beschwerdevorbringen war - wie unter Punkt II.2. bzw. II.3.1. bereits ausgeführt - nicht geeignet, relevante Bedenken an den sachverständigen Feststellungen und Beurteilungen hervorzurufen. Die Beschwerdeführerin wurde im behördlichen Verfahren persönlich von einem Facharzt für Psychiatrie untersucht. Die vorgebrachten Argumente und vorgelegten Beweismittel wurden im eingeholten Sachverständigengutachten berücksichtigt. Das Bundesverwaltungsgericht hat sich den tragenden beweiswürdigenden Erwägungen der belangten Behörde, dass das eingeholte Sachverständigengutachten schlüssig und frei von Widersprüchen ist, angeschlossen. Sohin ist der Sachverhalt geklärt. Daher konnte die Durchführung einer mündlichen Verhandlung unterbleiben. Im Übrigen wurde eine mündliche Verhandlung vom anwaltlich vertretenen Beschwerdeführer nicht beantragt, worin ein konkludenter Verzicht zu sehen ist. (VwGH vom 14.09.2016, Zl. Ra 2016/08/0137) Der Anspruch einer Partei auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung ist auch kein absoluter. (VfGH vom 09.06.2017, E 1162/2017)

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG) hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt.

Maßgebend sind die Art, die Schwere des Leidenszustandes und die Kausalität der festgestellten Gesundheitsschädigungen.

Die Entscheidung hängt sohin einerseits von Tatsachenfragen ab. Andererseits sind Rechtsfragen zu lösen, welchen keine grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage zu § 6a VOG stützen.

Insoweit die in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu früheren Rechtslagen ergangen ist, ist sie nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts auf die inhaltlich im Wesentlichen gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.

Es handelt sich um eine einzelfallbezogene Beurteilung, welche im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen worden ist.

Schlagworte

Körperverletzung, Sachverständigengutachten, Schmerzengeld

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:W132.2116245.1.00

Zuletzt aktualisiert am

13.07.2018
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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