TE Vwgh Erkenntnis 2018/6/19 Ra 2018/03/0021

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Veröffentlicht am 19.06.2018
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Index

E000 EU- Recht allgemein;
E3R E07403000;
001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
40/01 Verwaltungsverfahren;
41/01 Sicherheitsrecht;
92 Luftverkehr;

Norm

32008R0300 SicherheitsV Zivilluftfahrt;
32010R0185 LuftsicherheitDV;
AVG §37;
AVG §39 Abs2;
AVG §45 Abs2;
AVG §46;
AVG §73 Abs1;
AVG §73 Abs2;
AVG §73;
B-VG Art130 Abs1 Z3;
B-VG Art131 Abs1;
B-VG Art78a Abs1;
B-VG Art78a;
EURallg;
LuftfahrtsicherheitsG §1 Abs2;
LuftfahrtsicherheitsG §2 Abs4;
LuftfahrtsicherheitsG 2011 §4 Abs1;
NaSP-V 2011 §1 Abs1;
SPG 1991 §4 Abs1;
SPG 1991 §4 Abs2;
SPG 1991 §4;
VwGVG 2014 §28 Abs7;
VwGVG 2014 §8 Abs1;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Thienel und die Hofräte Dr. Handstanger, Dr. Lehofer, Mag. Nedwed und Mag. Samm als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Revision des F F MAS, MSc in F, vertreten durch Mag. Michael Lang, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Zedlitzgasse 3, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Niederösterreich vom 4. September 2017, Zl. LVwG-AV-1036/001-2016, betreffend Anerkennung als Ausbilder für Sicherheitsmaßnahmen im Bereich der Sicherheit der Zivilluftfahrt (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesminister für Inneres), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 I. Gegenstand

2 A. Zur Vorgeschichte wird auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 19. Dezember 2013, 2011/03/0161, verwiesen, mit dem der Verwaltungsgerichtshof den gegenüber dem Revisionswerber ergangenen Bescheid der belangten Behörde betreffend die Anerkennung als Ausbilder für Sicherheitsmaßnahmen im Bereich der Sicherheit der Zivilluftfahrt gemäß § 2 Abs. 4 Luftfahrtsicherheitsgesetz 2011 (LSG 2011) wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde aufgehoben hat. Dieses Erkenntnis wurde der vor dem Verwaltungsgericht belangten Behörde am 10. Februar 2014 zugestellt.

3 Da über den - nach Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes unerledigten - Antrag des Revisionswerbers keine Entscheidung der Verwaltungsbehörde erging, erhob dieser mit Schriftsatz vom 30. Oktober 2015 Säumnisbeschwerde an das Bundesverwaltungsgericht (BVwG).

4 B. Mit Beschluss vom 29. September 2016 leitete das BVwG die Säumnisbeschwerde des Revisionswerbers aufgrund Unzuständigkeit gemäß § 6 AVG iVm § 17 VwGVG an das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich (LVwG) weiter und sprach aus, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß § 25a Abs. 3 VwGG nicht zulässig sei.

5 Begründend führte es aus, dass das BVwG gemäß Art. 131 Abs. 2 B-VG über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG in Rechtssachen in den Angelegenheiten der Vollziehung des Bundes erkenne, die unmittelbar von Bundesbehörden besorgt werden. Nach der Generalklausel des Art. 131 Abs. 1 B-VG würden die Verwaltungsgerichte der Länder über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG erkennen, soweit sich aus Art. 131 Abs. 2 und 3 B-VG nicht anderes ergebe. Zur Abgrenzung der Zuständigkeiten der Verwaltungsgerichte werde in den Erläuterungen zur Regierungsvorlage RV 1618 BlgNR 24. GP zur Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012 ausgeführt, dass die Sicherheitsverwaltung, da diese weder in unmittelbarer noch in mittelbarer Bundesverwaltung besorgt werde, nach der Generalklausel des Art. 131 Abs. 1 B-VG in die Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte der Länder falle. Im vorliegenden Fall ergebe sich die Zuständigkeit des vor dem Verwaltungsgericht belangten Bundesministers für Inneres zur bescheidförmigen Entscheidung über den Antrag des Beschwerdeführers aus dem § 2 Abs. 4 LSG 2011. Dem Bundesminister für Inneres komme diese Zuständigkeit in seiner Funktion als oberste Sicherheitsbehörde des Bundes iSd Art. 78a Abs. 1 B-VG zu. In den Erläuterungen zur Regierungsvorlage zum LSG 2011 werde als Kompetenzgrundlage "Art. 10 Abs. 1 Z 6 (Zivilrechtswesen), Z 7 (Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit) und Z 9 (Verkehrswesen bezüglich der Luftfahrt) B-VG" angeführt, wobei sich der Verweis auf die "Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit" nur auf die im Gesetz vorgesehene Zuständigkeit der Sicherheitsbehörden des Bundes iSd Art. 78a ff B-VG beziehen könne. Außer der hier in Rede stehenden Zuständigkeit des Bundesministers für Inneres sehe das Gesetz weitere Zuständigkeiten des Bundesministers für Inneres, des Landespolizeidirektors, oder auch der örtlich zuständigen Sicherheitsbehörde vor. Dass der Bundesminister für Inneres bei Wahrnehmung seiner Aufgaben teilweise im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Verkehr, Innovation, und Technologie (BMVIT) vorzugehen habe, könne nichts am Charakter der Aufgabenwahrnehmung durch den Bundesminister für Inneres im Rahmen der Sicherheitsverwaltung ändern. Da es sich somit um eine Rechtssache handle, die vom Bundesminister für Inneres als Sicherheitsbehörde zu besorgen und dem Bereich der Sicherheitsverwaltung zuzurechnen sei, liege keine unmittelbare Bundesverwaltung vor.

6 C. Mit dem nunmehr angefochtenen Erkenntnis wies das LVwG die Säumnisbeschwerde des Revisionswerbers als unbegründet ab und sprach aus, dass eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nicht zulässig sei.

7 Der Revisionswerber habe in mehreren Stellungnahmen jeweils den Standpunkt vertreten, dass der Antrag aufgrund der Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der Antragstellung zu entscheiden sei und er somit eine weitere Mitwirkung im Verfahren für nicht erforderlich erachte. Insbesondere sei der Revisionswerber auch einer Einladung zum mündlichen Parteiengehör nicht nachgekommen, im Zuge dessen auch die Sach- und Rechtslage zu erörtern gewesen wäre. Dabei sei auf das schon genannte Erkenntnis des Verwaltungsgerichthofes vom 19. Dezember 2013 zu verweisen, wo ausgeführt worden sei, dass der tatsächliche Kenntnisstand des Revisionswerbers - etwa durch seine Einvernahme - nicht ermittelt worden sei. Gerade diese Ermittlung sei nun im zweiten Rechtsgang die Intention der Behörde gewesen, der Revisionswerber habe dies aber durch Verweigerung jeder Mitwirkung und Beharren auf seinem Standpunkt vereitelt, dass der Antrag inhaltlich ausreichend und nach Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der Antragstellung zu beurteilen wäre. Die Verfahrensverzögerung sei daher keineswegs auf ein überwiegendes Verschulden der Behörde zurückzuführen, weshalb die Voraussetzungen zur Erhebung einer Säumnisbeschwerde nach § 8 Abs. 1 VwGVG nicht vorlägen.

8 D.a. Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision, mit der insbesondere begehrt wird, das angefochtene Erkenntnis wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts oder infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

9 In der Zulässigkeitsbegründung bringt der Revisionswerber vor, das Verwaltungsgericht setze das Recht auf Parteiengehör mit einer allfälligen Mitwirkungspflicht an der Ermittlung des Sachverhaltes gleich. Dies widerspreche der Rechtslage. Das Recht auf Parteiengehör ergebe sich aus § 37 AVG und sei ein Parteirecht. Die Mitwirkungspflicht werde hingegen aus § 39 AVG abgeleitet und bedürfe einer materiell-rechtlichen Grundlage. Die Ansicht des Verwaltungsgerichts räume der Behörde erster Instanz die Möglichkeit ein, sich der Entscheidungspflicht völlig zu entziehen und der Partei im Gegenzug dazu jeglichen Rechtsschutz abzuschneiden.

10 D.b. Die belangte Behörde hat im vom Verwaltungsgerichtshof eingeleiteten Vorverfahren eine Revisionsbeantwortung erstattet, in welcher sie zusammengefasst ausführt, der Revisionswerber habe es unterlassen, seinen Antrag dahingehend zu konkretisieren, für welche spezifischen Schulungen er als Ausbilder anerkannt werden möchte. Nachdem der Revisionswerber trotz mehrmaliger Aufforderung der belangten Behörde nicht bereit gewesen sei, seinen Antrag zu konkretisieren, sei die belangte Behörde im Zweifel davon ausgegangen, dass der Antrag auf Anerkennung als Ausbilder für alle in der Verordnung EU Nr. 185/2010 genannten Schulungen zu verstehen sei und habe in weiterer Folge versucht, in Erfahrung zu bringen, ob der Antragsteller über die dafür erforderlichen Voraussetzungen verfüge. Aufgrund vorhandener Unterlagen und nach durchgeführten Erhebungen habe festgestellt werden können, dass der Revisionswerber als Qualitätsmanager bzw. im Bereich des Qualitäts- und Prozessmanagements, zu keiner Zeit aber als Ausbilder von Personen tätig gewesen sei, welche Sicherheitskontrollen im Sinne der Verordnung EU Nr. 185/2010 durchführten. Nachdem der Revisionswerber weder einen entsprechenden Nachweis hinsichtlich des Vorliegens der für die positive Erledigung seines Antrages erforderlichen Qualifikationen vorgelegt habe noch zu Erhebungen zu seinen tatsächlichen Fähigkeiten zur Verfügung stehen wollte, sei der belangten Behörde nur mehr die Möglichkeit geblieben, dies im Rahmen des Parteiengehörs durch eine Befragung des Revisionswerbers herauszufinden. Aber auch dazu sei der Revisionswerber nicht bereit gewesen. Somit sei es der Behörde ohne Mitwirkung des Revisionswerbers nicht möglich gewesen, den entscheidungsrelevanten Sachverhalt festzustellen, woraus sich ergebe, dass die Verzögerung nicht auf ein überwiegendes Verschulden der belangten Behörde zurückzuführen sei.

11 II. Rechtslage

12 A. Für den vorliegenden Fall maßgebliche Bestimmungen des B-VG idF BGBl. I Nr. 49/2012 (Art. 78a) bzw. BGBl. I Nr. 101/2014 (Art. 130) und BGBl. I Nr. 51/2012 (Art. 131) lauten (auszugsweise):

"Drittes Hauptstück

Vollziehung des Bundes

...

3. Sicherheitsbehörden des Bundes

Artikel 78a. (1) Oberste Sicherheitsbehörde ist der Bundesminister für Inneres. Ihm sind die Landespolizeidirektionen, ihnen wiederum die Bezirksverwaltungsbehörden als Sicherheitsbehörden nachgeordnet.

(2) Sind Leben, Gesundheit, Freiheit oder Eigentum von Menschen gegenwärtig gefährdet oder steht eine solche Gefährdung unmittelbar bevor, so sind die Sicherheitsbehörden, ungeachtet der Zuständigkeit einer anderen Behörde zur Abwehr der Gefahr, bis zum Einschreiten der jeweils zuständigen Behörde zur ersten allgemeinen Hilfeleistung zuständig.

(3) Inwieweit Organe der Gemeinden als Sicherheitsbehörden einzuschreiten haben, bestimmen die Bundesgesetze.

...

Siebentes Hauptstück

Garantien der Verfassung und Verwaltung A. Verwaltungsgerichtsbarkeit

...

     Artikel 130. (1) Die Verwaltungsgerichte erkennen über

Beschwerden

1.        gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen

Rechtswidrigkeit;

2.        gegen die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher

Befehls- und Zwangsgewalt wegen Rechtswidrigkeit;

3.        wegen Verletzung der Entscheidungspflicht durch eine

Verwaltungsbehörde;

4. gegen Weisungen gemäß Art. 81a Abs. 4.

...

Artikel 131. (1) Soweit sich aus Abs. 2 und 3 nicht anderes ergibt, erkennen über Beschwerden nach Art. 130 Abs. 1 die Verwaltungsgerichte der Länder.

(2) Soweit sich aus Abs. 3 nicht anderes ergibt, erkennt das Verwaltungsgericht des Bundes über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 in Rechtssachen in den Angelegenheiten der Vollziehung des Bundes, die unmittelbar von Bundesbehörden besorgt werden. Sieht ein Gesetz gemäß Art. 130 Abs. 2 Z 2 eine Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte vor, erkennt das Verwaltungsgericht des Bundes über Beschwerden in Rechtssachen in den Angelegenheiten des öffentlichen Auftragswesens, die gemäß Art. 14b Abs. 2 Z 1 in Vollziehung Bundessache sind. Sieht ein Gesetz gemäß Art. 130 Abs. 2 Z 3 eine Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte vor, erkennt das Verwaltungsgericht des Bundes über Streitigkeiten in dienstrechtlichen Angelegenheiten der öffentlich Bediensteten des Bundes.

..."

13 B. Hier relevante Bestimmungen des VwGVG

lauten (auszugsweise):

"Frist zur Erhebung der Säumnisbeschwerde

§ 8. (1) Beschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 3 B-VG (Säumnisbeschwerde) kann erst erhoben werden, wenn die Behörde die Sache nicht innerhalb von sechs Monaten, wenn gesetzlich eine kürzere oder längere Entscheidungsfrist vorgesehen ist, innerhalb dieser entschieden hat. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Antrag auf Sachentscheidung bei der Stelle eingelangt ist, bei der er einzubringen war. Die Beschwerde ist abzuweisen, wenn die Verzögerung nicht auf ein überwiegendes Verschulden der Behörde zurückzuführen ist.

...

4. Abschnitt

Erkenntnisse und Beschlüsse Erkenntnisse

§ 28.

...

(7) Im Verfahren über Beschwerden wegen Verletzung der Entscheidungspflicht gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 3 B-VG kann das Verwaltungsgericht sein Erkenntnis vorerst auf die Entscheidung einzelner maßgeblicher Rechtsfragen beschränken und der Behörde auftragen, den versäumten Bescheid unter Zugrundelegung der hiermit festgelegten Rechtsanschauung binnen bestimmter, acht Wochen nicht übersteigender Frist zu erlassen. Kommt die Behörde dem Auftrag nicht nach, so entscheidet das Verwaltungsgericht über die Beschwerde durch Erkenntnis in der Sache selbst, wobei es auch das sonst der Behörde zustehende Ermessen handhabt.

..."

14 C. Für den vorliegenden Fall einschlägige Bestimmungen des AVG idF BGBl. I Nr. 158/1998 (§ 37), BGBl. I Nr. 65/2002, (§ 39) und BGBl. I Nr. 33/2013 (§ 73) lauten (auszugsweise):

"II. Teil: Ermittlungsverfahren

1. Abschnitt: Zweck und Gang des Ermittlungsverfahrens

Allgemeine Grundsätze

§ 37. Zweck des Ermittlungsverfahrens ist, den für die Erledigung einer Verwaltungssache maßgebenden Sachverhalt festzustellen und den Parteien Gelegenheit zur Geltendmachung ihrer Rechte und rechtlichen Interessen zu geben. Nach einer Antragsänderung (§ 13 Abs. 8) hat die Behörde das Ermittlungsverfahren insoweit zu ergänzen, als dies im Hinblick auf seinen Zweck notwendig ist.

...

§ 39. (1) Für die Durchführung des Ermittlungsverfahrens sind die Verwaltungsvorschriften maßgebend.

(2) Soweit die Verwaltungsvorschriften hierüber keine Anordnungen enthalten, hat die Behörde von Amts wegen vorzugehen und unter Beobachtung der in diesem Teil enthaltenen Vorschriften den Gang des Ermittlungsverfahrens zu bestimmen. Sie kann insbesondere von Amts wegen oder auf Antrag eine mündliche Verhandlung durchführen und mehrere Verwaltungssachen zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbinden oder sie wieder trennen. Die Behörde hat sich bei allen diesen Verfahrensanordnungen von Rücksichten auf möglichste Zweckmäßigkeit, Raschheit, Einfachheit und Kostenersparnis leiten zu lassen.

...

2. Abschnitt: Beweise

Allgemeine Grundsätze über den Beweis

§ 45. (1) Tatsachen, die bei der Behörde offenkundig sind, und solche, für deren Vorhandensein das Gesetz eine Vermutung aufstellt, bedürfen keines Beweises.

(2) Im übrigen hat die Behörde unter sorgfältiger Berücksichtigung der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht.

(3) Den Parteien ist Gelegenheit zu geben, vom Ergebnis der Beweisaufnahme Kenntnis und dazu Stellung zu nehmen.

§ 46. Als Beweismittel kommt alles in Betracht, was zur Feststellung des maßgebenden Sachverhaltes geeignet und nach Lage des einzelnen Falles zweckdienlich ist.

..

3. Abschnitt: Entscheidungspflicht

§ 73. (1) Die Behörden sind verpflichtet, wenn in den Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmt ist, über Anträge von Parteien (§ 8) und Berufungen ohne unnötigen Aufschub, spätestens aber sechs Monate nach deren Einlangen den Bescheid zu erlassen. Sofern sich in verbundenen Verfahren (§ 39 Abs. 2a) aus den anzuwendenden Rechtsvorschriften unterschiedliche Entscheidungsfristen ergeben, ist die zuletzt ablaufende maßgeblich.

(2) Wird ein Bescheid, gegen den Berufung erhoben werden kann, nicht innerhalb der Entscheidungsfrist erlassen, so geht auf schriftlichen Antrag der Partei die Zuständigkeit zur Entscheidung auf die Berufungsbehörde über (Devolutionsantrag). Der Devolutionsantrag ist bei der Berufungsbehörde einzubringen. Er ist abzuweisen, wenn die Verzögerung nicht auf ein überwiegendes Verschulden der Behörde zurückzuführen ist.

(3) Für die Berufungsbehörde beginnt die Entscheidungsfrist mit dem Tag des Einlangens des Devolutionsantrages zu laufen."

15 C. Für den gegenständlichen Fall maßgebliche Bestimmungen des Luftfahrtsicherheitsgesetzes 2011, BGBl. I Nr. 111/2010, idF BGBl. I Nr. 50/2012 (§ 5) (LSG 2011), lauten (auszugsweise):

"Sicherheitsprogramme

§ 2. (1) Das vom Zivilflugplatzhalter gemäß der Verordnung (EG) Nr. 300/2008 aufzustellende, für den Betrieb eines Zivilflugplatzes erforderliche Programm für die Flughafensicherheit ist auf Antrag vom Bundesminister für Inneres im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie zu genehmigen, wenn es den im nationalen Sicherheitsprogramm gemäß § 1 diesbezüglich vorgesehenen Voraussetzungen sowie den in § 1 genannten unionsrechtlichen Regelungen entspricht.

(2) Das von jedem Luftfahrtunternehmer gemäß der Verordnung (EG) Nr. 300/2008 aufzustellende Sicherheitsprogramm ist auf Antrag vom Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Inneres zu genehmigen, wenn es den im nationalen Sicherheitsprogramm diesbezüglich vorgesehenen Voraussetzungen sowie den in § 1 genannten unionsrechtlichen Regelungen entspricht.

(3) Das von Stellen gemäß der Verordnung (EG) Nr. 300/2008 aufzustellende Sicherheitsprogramm ist auf Antrag vom Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Inneres zu genehmigen, wenn es den im nationalen Sicherheitsprogramm diesbezüglich vorgesehenen Voraussetzungen sowie den in § 1 genannten unionsrechtlichen Regelungen entspricht. Unternehmen, deren Sicherheitsprogramm genehmigt wurde und die insoweit als reglementierte Beauftragte gelten, können vom Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie im Internet unter Angabe der Unternehmensbezeichnung und des Sitzes des jeweiligen Unternehmens bekannt gegeben werden.

(4) Soweit zur Durchführung von in den Sicherheitsprogrammen vorgesehenen Maßnahmen oder auf Grund der in § 1 genannten unionsrechtlichen Regelungen Personen über eine besondere Ausbildung verfügen müssen, die nicht im LFG geregelt ist, sind diese Ausbildungen durch geeignete Ausbilder oder Schulungseinrichtungen durchzuführen, die vom Bundesminister für Inneres im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie auf Antrag dazu ermächtigt wurden. Die Eignung ist nach Maßgabe der hiefür in der Verordnung (EG) Nr. 300/2008 und der Verordnung (EU) Nr. 185/2010 vorgesehenen Kriterien zu beurteilen.

...

Behörden

§ 4. (1) Soweit die unmittelbar anwendbaren unionsrechtlichen Vorschriften behördliche Entscheidungen und Bewilligungen vorsehen, die nicht bereits durch §§ 1 oder 2 erfasst sind, kommen diese dem Bundesminister für Inneres zu. Stehen diese jedoch in Zusammenhang mit

1. der Sicherheit der Luftfahrzeuge, Fracht und Post, Post

und Material von Luftfahrtunternehmen, Bordvorräten, Flughafenlieferungen, Sicherheitsmaßnahmen während des Fluges, ausgenommen jene für begleitende Sicherheitsbeamte, oder der damit in Zusammenhang stehenden Risikobewertung, obliegen sie dem Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Inneres;

2. Flughafenplanung, Zugangskontrolle oder Flugbesatzungs-

und Flughafenausweisen, einschließlich Zuverlässigkeitsüberprüfungen und beschäftigungsbezogenen Überprüfungen, obliegen sie dem Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie.

(2) Das nach der Verordnung (EG) Nr. 300/2008 vorgeschriebene nationale Qualitätskontrollprogramm wird vom Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie und vom Bundesminister für Inneres gemeinsam erstellt. Sicherheitsaudits gemäß der Verordnung (EU) Nr. 18/2010 werden von beiden Bundesministern gemeinsam vorgenommen.

Verpflichtungen des Zivilflugplatzhalters Durchsuchung der Passagiere

§ 5. Bei Flughäfen mit einem jährlichen Passagieraufkommen von mindestens 100 000 abfliegenden Passagieren ist der Zivilflugplatzhalter verpflichtet, für die Sicherheitsbehörden:

1.        zu gewährleisten, dass jeder Passagier, bevor er Zutritt

zu einem in einem Sicherheitsprogramm gemäß § 2 festgelegten

Sicherheitsbereich eines Zivilflugplatzes erhält, das von ihm

mitgeführte Gepäck sowie die mitgeführten persönlichen Gegenstände

mit der nach den jeweiligen Umständen gebotenen Sorgfalt nach

Maßgabe des § 3 Abs. 1 bis 3 durchsucht werden,

2.        dafür vorzusorgen, dass Durchsuchungen der Passagiere

unter möglichster Schonung der Betroffenen durchgeführt werden und

dass die händische Durchsuchung der Kleidung eines Betroffenen von

einem Menschen desselben Geschlechts durchgeführt wird,

3.        eine umfassende Aufsicht über die Tätigkeit seiner

Dienstnehmer auszuüben,

4.        durch den Abschluss einer Haftpflichtversicherung für

die Erfüllung von Schadenersatzverpflichtungen nach § 8 Abs. 2

vorzusorgen,

5.        zur Vornahme von Durchsuchungen der Passagiere nur

Dienstnehmer heranzuziehen, zu deren Verwendung eine nicht

widerrufene schriftliche Einverständniserklärung des

Landespolizeidirektors vorliegt,

6.        jene Dienstnehmer, die Durchsuchungen der Passagiere

besorgen, zu verpflichten, eine von einer Sicherheitsbehörde oder einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes im Zusammenhang mit der Qualität der Durchführung von Durchsuchungen erteilte Anordnung zu befolgen,

7. darüber eine Qualitätskontrolle nach den gleichen

Grundsätzen durchzuführen, wie sie für Behörden gemäß der Verordnung (EG) Nr. 300/2008 in Bezug auf Spezifikationen für nationale Qualitätskontrollprogramme im Bereich der Luftsicherheit in der Zivilluftfahrt gelten und am Ende eines jeden Quartals einen Bericht über die Qualitätskontrollmaßnahmen und deren Ergebnisse an das Bundesministerium für Inneres vorzulegen.

...

Behördliche Aufsicht

§ 13. (1) Bei Wahrnehmung von Aufgaben nach § 5 untersteht der Zivilflugplatzhalter der Aufsicht und den Anordnungen der Sicherheitsbehörde erster Instanz, in deren örtlichen Wirkungsbereich sich der Zivilflugplatz befindet, und ihrer Organe."

16 D. § 1 der Nationales Sicherheitsprogramm-Verordnung, BGBl. II Nr. 276/2011 (NaSP-VO), lautet:

"Verantwortlichkeiten der Zivilflugplatzhalter, Luftfahrtunternehmen und Stellen

§ 1. (1) Die Durchführung der gemäß der Anlage den Zivilflugplatzhaltern obliegenden Maßnahmen ist von den Inhabern einer Zivilflugplatzbewilligung (§ 68 des Luftfahrtgesetzes - LFG, BGBl. Nr. 253/1957) sowie im Falle von Militärflugplätzen, die gemäß § 62 LFG für Zwecke der Zivilluftfahrt benützt werden, von den Inhabern der Benützungsbewilligung zu gewährleisten.

(2) Die Durchführung der gemäß der Anlage den Luftfahrtunternehmen obliegenden Maßnahmen ist durch das jeweilige Luftfahrtunternehmen, welches Personen oder Güter von einem im Abs. 1 genannten Flugplatz befördert, zu gewährleisten.

(3) Die Durchführung der gemäß der Anlage bestimmten Stellen (§ 1 Abs. 1 LSG 2011) obliegenden Maßnahmen ist durch folgende Stellen zu gewährleisten:

1. reglementierte Beauftragte im Sinne des Art. 3 Abs. 26 der Verordnung (EG) Nr. 300/2008,

2. bekannte Versender im Sinne des Art. 3 Abs. 27 der Verordnung (EG) Nr. 300/2008 sowie

3. reglementierte Lieferanten im Sinne des Punktes 8.0.2. des Anhangs der Verordnung (EU) Nr. 185/2010.

Reglementierte Beauftragte und bekannte Versender müssen Personen, die einen unbegleiteten Zugang zu identifizierbarer Luftfracht oder Luftpost, für welche die erforderlichen Sicherheitskontrollen durchgeführt wurden, in anderen Bereichen als Sicherheitsbereichen haben, einer beschäftigungsbezogenen Überprüfung gemäß Punkt 11.1.4 des Anhanges der Verordnung (EU) Nr. 185/2010 unterziehen. Soweit gemäß den Punkten 6.5.2., 8.1.4. und 9.1.3 des Anhanges der Verordnung (EU) Nr. 185/2010 die Benennung von geschäftlichen Versendern (Art. 3 Abs. 28 der Verordnung (EG) Nr. 300/2008) und bekannten Lieferanten (Punkte 8.0.2. und 9.0.2. des Anhangs der Verordnung (EU) Nr. 185/2010) durch reglementierte Beauftragte, Luftfahrtunternehmen, reglementierte Lieferanten oder Zivilflugplatzhalter erfolgen kann, hat die jeweilige benennende Organisation die Einhaltung der unionsrechtlichen Verpflichtungen durch die Benannten zu gewährleisten. Eine Benennung als geschäftlicher Versender oder bekannter Lieferant darf nur erfolgen, wenn das jeweilige Unternehmen für Durchsuchungen oder als Sicherheitsbeauftragte ausschließlich Personen heranzieht, die sich der hiefür in § 2 Abs. 7 LSG 2011 vorgesehenen Sicherheitsüberprüfung unterzogen haben.

(4) Luftfahrtunternehmen, die zugleich die in Abs. 3 genannten Stellen sind, haben auch die diesen Stellen obliegenden Maßnahmen wahrzunehmen.

(5) Maßnahmen, die gemäß unionsrechtlichen oder bundesgesetzlichen Bestimmungen von Behörden durchzuführen sind, sind von den Verantwortlichkeiten gemäß Abs. 1 bis 4 ausgenommen."

17 E. § 4 des Sicherheitspolizeigesetzes, BGBl. Nr. 566/1991 idF BGBl. I Nr. 50/2012 (SPG), lautet (auszugsweise) wie folgt:

"Sicherheitsbehörden

§ 4. (1) Oberste Sicherheitsbehörde ist der Bundesminister für Inneres.

(2) Dem Bundesminister für Inneres unmittelbar unterstellt besorgen Landespolizeidirektionen, ihnen nachgeordnet Bezirksverwaltungsbehörden die Sicherheitsverwaltung in den Ländern.

..."

18 III. Erwägungen

19 A. Die Revision erweist sich - wie sich aus dem Folgenden ergibt und wie schon in der Revision geltend gemacht wurde - im Interesse der Klarstellung der Rechtslage sowie angesichts der Abweichung der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs als zulässig und im Ergebnis als begründet.

20 B. Gemäß § 8 Abs. 1 VwGVG kann Beschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 3 B-VG (Säumnisbeschwerde) erhoben werden, wenn die Behörde die Sache (ausgenommen kürzerer oder längerer gesetzlicher Entscheidungsfristen) nicht innerhalb von sechs Monaten entschieden hat. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Antrag auf Sachentscheidung bei der Stelle eingelangt ist, bei der er einzubringen war. Die Beschwerde ist abzuweisen, wenn die Verzögerung nicht auf ein überwiegendes Verschulden der Behörde zurückzuführen ist.

21 Zweck des Rechtsbehelfs der Säumnisbeschwerde ist es, demjenigen, der durch die Untätigkeit einer Behörde beschwert ist, ein rechtliches Instrument zur Verfügung zu stellen, um eine Entscheidung in der Sache zu erlangen (vgl. VwGH 28.6.2016, Ra 2015/10/0107). Der Verwaltungsgerichtshof hat in den Fällen der Verletzung der Entscheidungspflicht zur Frage des "überwiegenden Verschuldens der Behörde" in ständiger Rechtsprechung ausgesprochen, dass der Begriff des Verschuldens der Behörde nach § 73 Abs. 2 AVG bzw. nach § 8 Abs. 1 VwGVG nicht im Sinne eines Verschuldens von Organwaltern der Behörde, sondern insofern "objektiv" zu verstehen ist, als ein solches "Verschulden" dann anzunehmen ist, wenn die zur Entscheidung berufene Behörde nicht durch schuldhaftes Verhalten der Partei oder durch unüberwindliche Hindernisse an der Entscheidung gehindert war. So wurde beispielsweise ein überwiegendes Verschulden der Behörde iSd § 73 Abs. 2 AVG bzw. des § 8 Abs. 1 VwGVG dann angenommen, wenn diese die für die zügige Verfahrensführung notwendigen Schritte unterlässt oder mit diesen grundlos zuwartet. Weiters hat der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen, dass der allgemeine Hinweis auf die Überlastung der Behörde die Geltendmachung der Entscheidungspflicht nicht vereiteln kann (vgl. etwa VwGH 20.3.2018, Ro 2017/03/0033; 25.10.2017, Ra 2017/07/0073; 22.6.2017, Ra 2017/20/0133). Gleiches gilt etwa für die Abhaltung von Besprechungen über Sachverhalte außerhalb des Verfahrensinhaltes oder wenn die Behörde erst nach Verstreichen von etwa mehr als zwei Drittel des gesetzlich vorgesehenen Entscheidungszeitraumes erstmals zielführende Verfahrensschritte setzt. Der Umstand allein, dass es sich um eine komplexe Materie handelt, kann nicht ausreichen, um vom Vorliegen eines unüberwindlichen, einer iSd § 73 Abs. 1 AVG fristgerechten Entscheidung entgegenstehenden Hindernisses auszugehen (vgl. etwa VwGH 26.2.2016, Ro 2014/03/0002).

22 Im vorliegenden Fall erblickt das Verwaltungsgericht in der Unterlassung des Revisionswerbers, an der Ermittlung des entscheidungsrelevanten Sachverhalts mitzuwirken, ein schuldhaftes Verhalten, auf Grund dessen die belangte Behörde an der fristgerechten Entscheidung gehindert gewesen sei.

23 Nach § 37 AVG ist es der Zweck des Ermittlungsverfahrens, den für die Erledigung einer Verwaltungssache maßgebenden Sachverhalt festzustellen und den Parteien Gelegenheit zur Geltendmachung ihrer Rechte und rechtlichen Interessen zu geben (vgl. etwa VwGH 23.11.2017, Ra 2016/11/0160; 27.2.2014, 2013/12/0218). Nach § 39 Abs. 2 erster Satz AVG hat die Behörde dabei (soweit die Verwaltungsvorschriften nichts anderes anordnen) von Amts wegen vorzugehen und unter Beobachtung der weiteren einschlägigen Vorschriften des AVG den Gang des Ermittlungsverfahrens zu bestimmen. Der dort normierte Grundsatz der Amtswegigkeit beherrscht das Ermittlungsverfahren. Die Behörde hat danach von sich aus den vollständigen und wahren entscheidungsrelevanten Sachverhalt durch Aufnahme aller nötigen Beweise festzustellen, ohne in tatsächlicher Hinsicht an das Parteienvorbringen gebunden zu sein (vgl. etwa VwGH 23.5.2012, 2009/22/0328).

24 Dem Grundsatz der Amtswegigkeit des Verwaltungsverfahrens korrespondiert freilich die Pflicht der Parteien, an der Ermittlung des Sachverhalts mitzuwirken. Das Offizialprinzip entbindet die Parteien nicht davon, durch ein substantiiertes Vorbringen zur Ermittlung des Sachverhalts beizutragen, wenn es einer solchen Mitwirkung bedarf. Dort, wo es der Behörde nicht möglich ist, den entscheidungswesentlichen Sachverhalt ohne Mitwirkung der Partei festzustellen, ist von einer Mitwirkungspflicht der Partei auszugehen, was insbesondere bei Informationen betreffend betriebsbezogene bzw. personenbezogene Umstände der Fall ist, über die allein die Partei verfügt (vgl. aus der ständigen Rechtsprechung etwa VwGH 26.4.2016, Ra 2016/03/0038; 22.11.2014, 2013/03/0092; 27.11.2014, 2013/02/0223; 27.9.2013, 2011/05/0065). Die Mitwirkungspflicht der Partei ist gerade dort von Bedeutung, wo ein Sachverhalt nur im Zusammenwirken mit der Partei geklärt werden kann, weil die Behörde außerstande ist, sich die Kenntnis von ausschließlich in der Sphäre der Partei liegenden Umständen von Amts wegen zu beschaffen. So ist etwa die Weigerung ohne triftigen Grund, sich einer ärztlichen Untersuchung zu unterziehen, als Verletzung der Mitwirkungspflicht der Partei angesehen worden; die Verweigerung der Mitwirkung an der Feststellung des Sachverhaltes ist derart nur dann berechtigt, wenn hiefür ausreichende Gründe vorliegen oder dem Betroffenen der Nachweis gelingt, dass die Anordnung dieser Untersuchung den Bestimmungen des § 39 Abs. 2 AVG widerstreitet, also dass die Untersuchung unbegründet angeordnet worden ist (vgl. beispielsweise VwGH 23.2.2018, Ro 2017/03/0025; 15.12.2014, Ro 2014/17/0121; 31.3.2004, 2002/06/0214).

25 Ausgehend davon trifft daher grundsätzlich die Behörde die Pflicht zur Feststellung des entscheidungswesentlichen Sachverhaltes; diese kann nicht auf die Partei abgewälzt werden (vgl. VwGH 31.3.2004, 2002/06/0214). Die Pflicht zur amtswegigen Erforschung des Sachverhaltes kann jedoch dort eine Grenze finden, wo eine Partei die ihr obliegende Mitwirkung trotz der ihr (allenfalls nach Rechtsbelehrung unter Setzung einer angemessenen Frist) gebotenen Möglichkeit unterlässt.

26 So wird es nach der Rechtsprechung nicht als rechtswidrig angesehen, wenn die Behörde in diesem Fall keine weiteren Ermittlungen durchführt, sondern diese Unterlassung gemäß § 45 Abs. 2 und § 46 AVG in die Würdigung der vorliegenden Ermittlungsergebnisse einbezieht. Dies allerdings nur, wenn und soweit die Behörde ohne Mitwirkung der Partei ergänzende Ermittlungen nicht oder nur mit einem unzumutbaren Aufwand durchführen kann oder deren Notwendigkeit gar nicht zu erkennen vermag. Die Verletzung der Obliegenheit einer Partei zur Mitwirkung bei der Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes ("Mitwirkungspflicht") enthebt die Behörde nicht von ihrer Verpflichtung, den entscheidungswesentlichen Sachverhalt überhaupt festzustellen, ebenso wenig wie ihrer Verpflichtung zur Gewährung von Parteiengehör sowie ihrer Begründungspflicht (vgl. VwGH 23.2.2018, Ro 2017/03/0025; 27.1.2011, 2008/09/0189; 4.9.2013, 2011/08/0201; 2.6.1999, 98/04/0111).

27 C. Vor diesem Hintergrund kann - ungeachtet dessen, ob den Revisionswerber im konkreten Fall eine Mitwirkungsverpflichtung trifft - eine Unterlassung der Mitwirkung bzw. eine Verletzung der Mitwirkungspflicht durch den Revisionswerber nicht dazu führen, dass die Behörde von ihrer Verpflichtung entbunden wird, über den Antrag des Revisionswerbers innerhalb der in § 73 AVG normierten Entscheidungsfrist einen Bescheid zu erlassen.

28 Eine Mitwirkungspflichtverletzung des Revisionswerbers ist daher nicht als schuldhaftes Verhalten im Rahmen der Abwägung des überwiegenden Verschuldens iSd § 8 Abs. 1 VwGVG zu werten, welches die Behörde an der Entscheidung gehindert hat. Vielmehr hätte die Behörde die unterlassene Mitwirkung des Revisionswerbers würdigen und ihre (aufgrund der fehlenden Mitwirkung allenfalls auch negativ ausfallende) Entscheidung innerhalb der gesetzlich vorgeschriebenen Entscheidungsfrist treffen müssen (vgl. in diesem Sinn VwGH 20.3.2018, Ra 2017/03/0092). Auch sonst ist nicht erkennbar, dass die belangte Behörde durch ein Verschulden des Revisionswerbers oder durch unüberwindbare Hindernisse im Sinne der dargestellten Rechtslage an der Entscheidung über den gegenständlichen Antrag gehindert gewesen wäre.

29 Die Ansicht des Verwaltungsgerichts, der Revisionswerber habe durch die Unterlassung jeglicher Mitwirkung bei der Ermittlung des entscheidungswesentlichen Sachverhalts eine fristgerechte Entscheidung durch die belangte Behörde vereitelt, weshalb kein überwiegendes Verschulden der belangten Behörde iSd § 8 Abs. 1 VwGVG vorliege, erweist sich daher als verfehlt.

30 Das Verwaltungsgericht hätte damit keine abweisende Entscheidung über die Säumnisbeschwerde treffen dürfen. Im Verfahren über Beschwerden wegen Verletzung der Entscheidungspflicht stellt es § 28 Abs. 7 VwGVG ins Ermessen des Verwaltungsgerichts, entweder in der Sache selbst zu entscheiden oder sich auf die Entscheidung einzelner maßgeblicher Rechtsfragen zu beschränken und gleichzeitig das Verfahren an die Behörde mit dem Auftrag zurückzuverweisen, den ausstehenden Bescheid unter Bindung an die Rechtsansicht des Verwaltungsgerichts innerhalb einer Frist von höchstens acht Wochen nachzuholen. Auch wenn das Gesetz nicht explizit Determinanten für die Ausübung dieses Ermessens nennt, ist davon auszugehen, dass das Verwaltungsgericht bei seiner Entscheidung in erster Linie die Grundsätze der Verfahrensökonomie zu beachten hat (vgl. VwGH 22.2.2018, Ra 2018/01/0032).

31 D. Vollständigkeitshalber ist hinsichtlich der Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtes noch auf Folgendes hinzuweisen:

32 Art. 131 B-VG sieht eine Aufteilung der (sachlichen) Zuständigkeiten der Verwaltungsgerichte in Form von Generalklauseln zu Gunsten der Landesverwaltungsgerichte (Art. 131 Abs. 1 und 6 leg. cit.) in Verbindung mit einer taxativen Aufzählung jener Angelegenheiten vor, über die die Verwaltungsgerichte des Bundes entscheiden (Art. 131 Abs. 2 und 3 leg. cit.). So normiert Art. 131 Abs. 2 B-VG eine Zuständigkeit des BVwG in Angelegenheiten, die unmittelbar durch Bundesbehörden besorgt werden.

33 Die Vollziehung der gemeinsamen Grundstandards für den Schutz der Zivilluftfahrt vor unrechtmäßigen Eingriffen, welche die Sicherheit der Zivilluftfahrt gefährden, hat in Österreich einheitlich durch die Sicherheitsbehörden des Bundes zu erfolgen.

§ 4 Abs. 1 LSG 2011 benennt für die in den unmittelbar anwendbaren unionsrechtlichen Vorschriften vorgesehenen Entscheidungen und Bewilligungen den Bundesminister für Inneres als zuständige Behörde, soweit diese nicht bereits durch §§ 1 oder 2 leg. cit. erfasst sind. Dem Bundesminister für Inneres als oberster Sicherheitsbehörde des Bundes sind bereits nach der verfassungsrechtlichen Bestimmung des Art. 78a Abs. 1 zweiter Satz B-VG die Landespolizeidirektionen als Sicherheitsbehörden nachgeordnet, was durch § 4 Abs. 1 und 2 SPG auf einfachgesetzlicher Ebene wiederholt wird.

34 In diesem Sinne werden in § 3 Abs. 1 LSG 2011 die Sicherheitsbehörden und Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes ermächtigt, den Zutritt von Passagieren zu einem in einem Sicherheitsprogramm festgelegten Sicherheitsbereich eines Zivilflugplatzes von ihrer Bereitschaft abhängig zu machen, ihre Kleidung, ihr Gepäck und die von ihnen mitgeführten persönlichen Gegenstände durchsuchen zu lassen, und sie im Falle der Weigerung vom Zutritt zum Sicherheitsbereich auszuschließen. Auf gleiche Weise wird in § 13 Abs. 1 LSG 2011 der Zivilflugplatzhalter, der nach § 5 LSG 2011 bei Flughäfen mit einem jährlichen Passagieraufkommen von mindestens 100.000 abfliegenden Passagieren verpflichtet ist, für die Sicherheitsbehörden die Durchsuchung der Passagiere vorzunehmen, der Aufsicht und den Anordnungen der Sicherheitsbehörde erster Instanz, in deren örtlichen Wirkungsbereich sich der Zivilflugplatz befindet, und deren Organen unterstellt.

35 Bei der Übertragung der Verantwortlichkeiten für die nach der Verordnung (EG) Nr. 300/2008 durchzuführenden Maßnahmen an den Zivilflugplatzhalter nach § 1 Abs. 2 LSG 2011, § 1 Abs. 1 NaSP-VO und der Anlage der Verordnung handelt es sich um eine Inpflichtnahme eines privaten Rechtsträgers. Die in § 1 Abs. 2 LSG 2011, § 1 Abs. 1 NaSP-VO und der Anlage an den Zivilflugplatzhalter übertragenen Verantwortlichkeiten stellen eine Teilnahme an der Ausübung hoheitlicher Befugnisse zur Wahrung der allgemeinen Belange des Staates dar (vgl. VwGH 13.9.2016, Ro 2014/03/0062; vgl. in diesem Zusammenhang auch VwGH 27.11.2012, 2012/03/0091). In diesem Sinne ist der Zivilflugplatzhalter als Hilfsorgan der Sicherheitsbehörde erster Instanz anzusehen, in deren örtlichen Wirkungsbereich sich der Zivilflugplatz befindet, weil der Zivilflugplatzhalter für die Sicherheitsbehörde erster Instanz tätig wird und damit zumindest ihrer Aufsicht untersteht. Daraus folgt, dass die zur Durchführung der in den Sicherheitsprogrammen vorgesehenen Maßnahmen eingesetzten Personen im Rahmen der Sicherheitsverwaltung tätig werden, da auch die vom Zivilflugplatzhalter im Rahmen der Inpflichtnahme beauftragten Personen der Sicherheitsverwaltung zuzurechnen sind (vgl. dazu VwGH 18.10.2016, Ro 2015/03/0029).

36 Soweit Personen zur Durchführung von in den Sicherheitsprogrammen oder in den unionsrechtlichen Regelungen vorgesehenen Maßnahmen über eine besondere Ausbildung verfügen müssen, sind diese Ausbildungen durch geeignete Ausbilder oder Schulungseinrichtungen durchzuführen. Die geeigneten Ausbilder und Schulungseinrichtungen sind vom Bundesminister für Inneres im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie dazu auf Antrag zu ermächtigen, wobei die Eignung nach Maßgabe der dazu in der Verordnung (EG) Nr. 300/2008 und der Verordnung (EU) Nr. 185/2010 vorgesehenen Kriterien zu beurteilen ist (§ 2 Abs. 4 LSG 2011). Die Ausbildung dieser Personen steht somit in einer wechselseitigen Beziehung zur Durchführung der in den Sicherheitsprogrammen oder in den unionsrechtlichen Regelungen vorgesehenen Maßnahmen im Rahmen der Sicherheitsverwaltung, weil die Durchführung der genannten Maßnahmen von einer entsprechenden Ausbildung der dazu beauftragten Personen abhängt. Damit ist auch die bescheidmäßige Erledigung eines Antrags zur Zertifizierung als Ausbilder der diese Maßnahmen iSd § 2 Abs. 4 LSG 2011 durchführenden Personen durch die belangte Behörde dem Bereich der Sicherheitsverwaltung zuzurechnen.

37 Die von den Sicherheitsbehörden nach den Art. 78a ff B-VG sowie § 4 SPG besorgte Sicherheitsverwaltung ist weder dem Bereich der mittelbaren noch dem der unmittelbaren Bundesverwaltung zuzuordnen (vgl. idS ErlRV 1618 BlgNR 24. GP, 15), sodass sie unter die Generalklausel des Art. 131 Abs. 1 B-VG fällt (vgl. dazu VwGH 17.11.2016, Ro 2016/21/0016, mwH), weshalb in diesem Bereich das Landesverwaltungsgericht zuständig ist.

38 IV. Ergebnis

39 A. Das angefochtene Erkenntnis war daher vom Verwaltungsgerichtshof gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

40 B. Eine mündliche Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte unterbleiben, weil die in der angefochtenen Entscheidung getroffene rechtliche Beurteilung - wie dargestellt - von den Leitlinien der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht (vgl. § 39 Abs. 2 Z 4 VwGG). Ferner konnte auch gemäß § 39 Abs. 2 Z 6 VwGG von der Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung abgesehen werden, weil schon das Verwaltungsgericht - ein Tribunal iSd EMRK bzw. ein Gericht iSd Art. 47 GRC - eine mündliche Verhandlung durchgeführt hat (vgl. dazu VwGH 1.9.2017, Ra 2017/03/0030).

41 C. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet auf §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 19. Juni 2018

Schlagworte

Sachverhalt SachverhaltsfeststellungErmessen VwRallg8Verfahrensgrundsätze im Anwendungsbereich des AVG Offizialmaxime Mitwirkungspflicht Manuduktionspflicht VwRallg10/1/1Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Verhältnis der wörtlichen Auslegung zur teleologischen und historischen Auslegung Bedeutung der Gesetzesmaterialien VwRallg3/2/2Gemeinschaftsrecht Verordnung EURallg5Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung Mitwirkungspflicht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2018:RA2018030021.L00

Im RIS seit

13.07.2018

Zuletzt aktualisiert am

23.07.2018
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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