TE Bvwg Erkenntnis 2018/6/25 W220 2016194-1

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Veröffentlicht am 25.06.2018
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Entscheidungsdatum

25.06.2018

Norm

B-VG Art.133 Abs4
FPG §46a
VwGVG §28 Abs2

Spruch

W220 2016194-1/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Daniela UNTERER als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Indien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 25.11.2014, Zl. 450522506-14570974, zu Recht erkannt:

A)

Der Beschwerde wird stattgegeben und der angefochtene Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG behoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger von Indien, reiste unrechtmäßig nach Österreich ein und stellte am 27.04.2008 einen Antrag auf internationalen Schutz.

Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 12.09.2008, Zl.: 0803.732-BAW, wurde der Antrag gemäß §§ 3, 8, 10 AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100/2005, als unbegründet abgewiesen.

Die dagegen eingebrachte Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 13.02.2009, Zl. C11 401.830-1/2008/2E, abgewiesen.

2. Am 04.01.2010 stellte der Beschwerdeführer neuerlich einen Asylantrag.

Am 13.01.2010 fand eine Einvernahme des Beschwerdeführers vor dem Bundesasylamt statt. Im Anschluss an die Einvernahme wurde durch die Organwalterin des Bundesasylamtes der faktische Abschiebeschutz des Beschwerdeführers nach § 12a Abs. 2 AsylG 2005 aufgehoben

und der mündlich verkündete Bescheid in der Niederschrift gemäß § 22 Abs. 10 AsylG 2005 und § 62 Abs. 1 AVG protokolliert.

Mit Beschluss vom 22.01.2010, Zl. C11 401.830-2/2010/3E, bestätigte der Asylgerichtshof die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes gemäß § 12a Abs. 2 iVm. § 41a AsylG 2005.

Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 22.03.2010, FZ. 10 00.065-EAST-OST, wies das Bundesasylamt den zweiten Asylantrag des Beschwerdeführers vom 04.01.2010 gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurück (Spruchpunkt I.) und wies ihn neuerlich gemäß § 10 Abs. 1 AsylG 2005 aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Indien aus (Spruchpunkt II.).

Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Asylgerichtshofs vom 16.04.2010, Zl. C11 401.830-3/2010, abgewiesen.

3. Der Beschwerdeführer stellte einlangend am 22.04.2014 den verfahrensgegenständlichen Antrag auf "Erlassung eines Feststellungsbescheids bezüglich der Feststellung der tatsächlichen Unmöglichkeit der Abschiebung gem. § 46a Abs. 1a FPG und daraus resultierend die Ausstellung einer Karte für Geduldete gem. § 46a Abs. 2 FPG".

Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 25.11.2014, Zl. 450522506-14570974, wurde der Antrag auf Ausstellung einer Duldungskarte gem. § 46a Abs. 1a und 1b FPG gem. § 8 iVm § 73 AVG zurückgewiesen.

Die belangte Behörde begründete die Zurückweisung damit, dass nach dem Wortlaut des § 46a Abs. 1a FPG ein Aufenthalt von Fremden im Bundesgebiet geduldet sei, wenn das Bundesamt von Amts wegen feststelle, dass eine Abschiebung aus tatsächlichen, vom Fremden nicht zu vertretenden Gründen nicht möglich sei. Es bestehe somit kein Antragsrecht. Auch von Amts wegen habe nicht festgestellt werden können, dass die Abschiebung aus tatsächlichen Gründen nicht möglich sei. Der Antrag müsse daher als unzulässig zurückgewiesen werden. Bezüglich des Ersuchens um Ausstellung einer Karte für Geduldete gem. § 46a Abs. 2 FPG würde "informativ mitgeteilt", dass diesem Ersuchen ebenso nicht entsprochen werden könne, da der Beschwerdeführer nicht gem. § 46a FPG geduldet sei.

Gegen diesen am 28.11.2014 zugestellten Bescheid erhob der Beschwerdeführer am 10.12.2014 fristgerecht Beschwerde.

4. Am 29.08.2017 stellte der Beschwerdeführer einen dritten Antrag auf internationalen Schutz, der mit (rechtskräftigem) Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Zl. 450522506-171000251, gem. § 68 AVG zurückgewiesen wurde. Gegen den Beschwerdeführer wurden eine Rückkehrentscheidung und ein Einreiseverbot erlassen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der unter Punkt I. dargestellte Verfahrensgang wird als Sachverhalt festgestellt.

2. Beweiswürdigung:

Der oben angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unbedenklichen und unzweifelhaften Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakten des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl und des Gerichtsakts des Bundesverwaltungsgerichts.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchpunkt A):

3.1. § 46a idF. BGBl. I Nr. 87/2012 lautete auszugsweise:

"§ 46a. (1) Der Aufenthalt von Fremden im Bundesgebiet ist geduldet, solange deren Abschiebung gemäß

1. §§ 50 und 51 oder

2. §§ 8 Abs. 3a und 9 Abs. 2 AsylG 2005 unzulässig ist.

(1a) Darüber hinaus ist der Aufenthalt von Fremden im Bundesgebiet geduldet, wenn das Bundesamt von Amts wegen feststellt, dass die Abschiebung des Betroffenen aus tatsächlichen, vom Fremden nicht zu vertretenden Gründen nicht möglich ist, es sei denn, dass nach einer zurückweisenden Entscheidung gemäß § 5 AsylG 2005 eine Zuständigkeit des anderen Staates weiterhin besteht oder dieser die Zuständigkeit weiterhin oder neuerlich anerkennt. Diese Duldung kann vom Bundesamt mit Auflagen verbunden werden, sie endet jedenfalls mit Wegfall der Hinderungsgründe. Die festgesetzten Auflagen sind dem Fremden vom Bundesamt mit Verfahrensanordnung (§ 63 Abs. 2 AVG) mitzuteilen. § 56 gilt sinngemäß.

(1b) Vom Fremden zu vertretende Gründe liegen jedenfalls vor, wenn er

1. seine Identität verschleiert,

2. einen Ladungstermin zur Klärung seiner Identität oder zur Einholung eines Ersatzreisedokumentes nicht befolgt oder

3. an den zur Erlangung eines Ersatzreisedokumentes notwendigen Schritten nicht mitwirkt oder diese vereitelt.

(1c) Der Aufenthalt von Fremden im Bundesgebiet ist ebenfalls geduldet, wenn das Bundesamt festgestellt hat, dass die Erlassung einer Rückkehrentscheidung im Hinblick auf § 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG vorübergehend unzulässig ist.

(2) Das Bundesamt hat Fremden, deren Aufenthalt im Bundesgebiet geduldet ist, eine Karte für Geduldete auszustellen. Die Karte dient dem Nachweis der Identität des Fremden im Verfahren vor dem Bundesamt und hat insbesondere die Bezeichnungen "Republik Österreich" und "Karte für Geduldete", weiters Namen, Geschlecht, Geburtsdatum, Staatsangehörigkeit, Lichtbild und Unterschrift des Geduldeten sowie die Bezeichnung der Behörde, Datum der Ausstellung und Namen des Genehmigenden zu enthalten. Die nähere Gestaltung der Karte legt der Bundesminister für Inneres durch Verordnung fest.

(3) [...]"

§ 46a FPG idgF. lautet auszugsweise:

"§ 46a. (1) Der Aufenthalt von Fremden im Bundesgebiet ist zu dulden, solange

1. deren Abschiebung gemäß §§ 50, 51 oder 52 Abs. 9 Satz 1 unzulässig ist, vorausgesetzt die Abschiebung ist nicht in einen anderen Staat zulässig;

2. deren Abschiebung gemäß §§ 8 Abs. 3a und 9 Abs. 2 AsylG 2005 unzulässig ist;

3. deren Abschiebung aus tatsächlichen, vom Fremden nicht zu vertretenen Gründen unmöglich erscheint oder

4. die Rückkehrentscheidung im Sinne des § 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG vorübergehend unzulässig ist;

es sei denn, es besteht nach einer Entscheidung gemäß § 61 weiterhin die Zuständigkeit eines anderen Staates oder dieser erkennt sie weiterhin oder neuerlich an. Die Ausreiseverpflichtung eines Fremden, dessen Aufenthalt im Bundesgebiet gemäß Satz 1 geduldet ist, bleibt unberührt.

(2) [...]

(3) Vom Fremden zu vertretende Gründe (Abschiebungshindernisse) liegen jedenfalls vor, wenn er

1. seine Identität verschleiert,

2. einen Ladungstermin zur Klärung seiner Identität oder zur Einholung eines Ersatzreisedokumentes nicht befolgt oder

3. an den zur Erlangung eines Ersatzreisedokumentes notwendigen Schritten nicht mitwirkt oder diese vereitelt.

(4) Bei Vorliegen der Voraussetzungen nach Abs. 1 hat das Bundesamt von Amts wegen oder auf Antrag eine Karte für Geduldete auszustellen. Im Antrag ist der Grund der Duldung gemäß Abs. 1 Z 1, 2, 3 oder 4 zu bezeichnen. Die Karte dient dem Nachweis der Identität des Fremden im Verfahren vor dem Bundesamt und hat insbesondere die Bezeichnungen "Republik Österreich" und "Karte für Geduldete", weiters Namen, Geschlecht, Geburtsdatum, Staatsangehörigkeit, Lichtbild und Unterschrift des Geduldeten sowie die Bezeichnung der Behörde, Datum der Ausstellung und Namen des Genehmigenden zu enthalten. Die nähere Gestaltung der Karte legt der Bundesminister für Inneres durch Verordnung fest.

(5) [...]

(6) Der Aufenthalt des Fremden gilt mit Ausfolgung der Karte als geduldet, es sei denn das Vorliegen der Voraussetzungen nach Abs. 1 wurde bereits zu einem früheren Zeitpunkt rechtskräftig festgestellt. Diesfalls gilt der Aufenthalt ab dem Zeitpunkt der Rechtskraft der Feststellung als geduldet."

3.2. Der VfGH hat in seinem E vom 9. Dezember 2014, G 160/2014 ua, dargelegt, die behördliche Pflicht zur Ausstellung einer Karte für Geduldete diene auch dem Schutz der Interessen spezifischer Einzelpersonen, weshalb der Verpflichtung der Behörde zur Ausstellung dieser Karte ein entsprechendes Recht eines Fremden gegenüberstehe. Dieses subjektive öffentliche Recht begründe in Verbindung mit § 8 AVG die Parteistellung des Fremden in einem Verfahren über die Ausstellung der Karte - und damit einen Anspruch auf eine meritorische Entscheidung über dieses Recht, aus dem sich wieder ein Antragsrecht auf Ausstellung der Karte ergebe. Eine Duldung nach § 46a Abs. 1a FrPolG 2005 trete mit dem Vorliegen ihrer tatsächlichen Voraussetzungen ex lege ein. Dem Fremden komme daher ein Antragsrecht auf Ausstellung einer Karte für Geduldete iSd § 46a Abs. 2 FrPolG 2005 zu. In dem über diesen Antrag abzuführenden Verfahren sei auch das Vorliegen der Voraussetzungen für eine Duldung inhaltlich zu prüfen (Hinweis E VfGH 10. Dezember 2014, B 609/2013; E VfGH 24. Februar 2015, B 77/2013). Diesen Überlegungen des VfGH ist beizutreten. Demzufolge hat ein Fremder das Recht, einen Antrag auf Ausstellung einer Karte für Geduldete zu stellen. Der Antrag des Fremden wäre daher nicht zurückzuweisen, sondern einer meritorischen Erledigung zuzuführen gewesen. Durch die dennoch erfolgte Verweigerung einer Sachentscheidung hat die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet, sodass dieser gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben war (vgl. VwGH 19.05.2015, 2015/21/0001).

Der Antrag des Beschwerdeführers wurde demnach im gegenständlichen Fall rechtswidrig zurückgewiesen, da ihm nach dem Gesagten ein Antragsrecht zukam. Die belangte Behörde belastete den angefochtenen Bescheid durch Verweigerung einer Sachentscheidung mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit.

3.3. Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z. 1 B VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht (Z 1) oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist (Z 2).

Gemäß Abs. 5 leg.cit. sind die Behörden verpflichtet, in der betreffenden Rechtssache mit den ihnen zu Gebote stehenden rechtlichen Mitteln unverzüglich den der Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichts entsprechenden Rechtszustand herzustellen, wenn das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid aufhebt.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs darf ein Verwaltungsgericht auf Grund einer gegen eine Zurückweisung erhobenen Beschwerde nur über die Rechtmäßigkeit des Zurückweisungsbescheides, nicht hingegen über den Antrag selbst entscheiden. (vgl. dazu etwa VwGH 12.10.2015, Zl. Ra 2015/22/0115, mit Verweis auf VwGH 29.04.2015, Zl. 2013/08/013627.01.2010).

"Sache" im Sinne des § 28 Abs. 2 VwGVG und demnach Gegenstand des Beschwerdeverfahrens vor dem Bundesverwaltungsgericht ist im vorliegenden Fall die Rechtmäßigkeit der Zurückweisung des Antrages auf Ausstellung einer Karte für Geduldete durch das BFA (vgl. VwGH 12.10.2015, Zl. Ra 2015/22/0115, mit Verweis auf VwGH 18.12.2014, Zl. Ra 2014/07/0002, 0003; VwGH 23.06.2015, Zl. Ra 2015/22/0040; VwGH 16.09.2015, Zl. Ra 2015/22/0082 bis 0084).

Da der angefochtene Bescheid durch Verweigerung einer Sachentscheidung mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet ist, war er gem. § 28 Abs. 2 VwGVG zu beheben.

4. Zum Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung:

Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG entfallen, zumal aufgrund der Aktenlage feststeht, dass der mit der Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben ist.

Zu Spruchpunkt B):

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung (vgl. VwGH 19.05.2015, 2015/21/0001). Die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht vorgekommen.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte

Antragsrecht, Duldung, Entscheidung in der Sache, ersatzlose
Behebung, Rechtsanschauung des VfGH

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:W220.2016194.1.00

Zuletzt aktualisiert am

09.07.2018
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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