TE OGH 2018/5/23 10ObS146/17v

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Veröffentlicht am 23.05.2018
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Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Univ.-Prof. Dr. Neumayr als Vorsitzenden, die Hofrätin Dr. Fichtenau, den Hofrat Mag. Ziegelbauer, sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Klaus Oblasser (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Wolfgang Jelinek (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Dr. A*****, vertreten durch Bechtold und Wichtl Rechtsanwälte GmbH in Dornbirn, gegen die beklagte Partei Vorarlberger Gebietskrankenkasse, 6850 Dornbirn, Jahngasse 4, vertreten durch Thurnher Wittwer Pfefferkorn & Partner Rechtsanwälte GmbH in Dornbirn, wegen Rückforderung von Kinderbetreuungsgeld, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 28. September 2017, GZ 23 Rs 31/17f-11, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichts Feldkirch als Arbeits- und Sozialgericht vom 15. November 2016, GZ 36 Cgs 203/16a-7, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 418,78 EUR bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten 69,80 EUR USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Aus Anlass der Geburt des Sohnes der Klägerin am 1. 5. 2012 erkannte die beklagte Vorarlberger Gebietskrankenkasse der Klägerin das Kinderbetreuungsgeld als Ersatz des Erwerbseinkommens für den Zeitraum von 6. 7. 2012 bis 31. 12. 2012 in der Höhe von insgesamt 10.593,22 EUR zu und zahlte dieses auch aus.

Bezogen auf das ganze Jahr 2012 erzielte die Klägerin – neben Einkünften aus unselbständiger Tätigkeit im Zeitraum von Jänner 2012 bis 14. 3. 2012 – Einkünfte aus selbständiger Erwerbstätigkeit im Betrag von gesamt 12.999,05 EUR.

Im Zeitraum von 6. 7. 2012 bis 31. 12. 2012 erzielte die Klägerin lediglich 370,43 EUR an Einkünften aus selbständiger Erwerbstätigkeit, darüber hinaus in diesem Zeitraum keine weiteren Einkünfte. Gegenüber der Beklagten meldete die Klägerin ihre Einkünfte für das Jahr 2012 erstmals nach Erlassung des nunmehr angefochtenen Rückforderungsbescheids vom 8. 7. 2016 und grenzte sie auch ab.

Mit Bescheid vom 8. 7. 2016 widerrief die Beklagte die Zuerkennung des Kinderbetreuungsgeldes als Ersatz des Erwerbseinkommens für den Zeitraum von 6. 7. 2012 bis 31. 12. 2012 und verpflichtete die Klägerin zum Ersatz der unberechtigt empfangenen Leistung von 10.593,22 EUR. Für das Jahr 2012 errechne sich (inklusive eines Zuschlags von 30 % für Geburten nach dem 31. 12. 2011) ein Gesamtbetrag der maßgeblichen Einkünfte von 16.898,77 EUR, der den Grenzbetrag von 6.100 EUR gemäß § 24 Abs 1 Z 3 KBGG übersteige. Da die Klägerin das Kinderbetreuungsgeld als Ersatz des Erwerbseinkommens im genannten Zeitraum unberechtigt empfangen habe, sei „gemäß § 30 iVm § 31 KBGG“ zu entscheiden gewesen.

Mit ihrer gegen diesen Bescheid gerichteten Klage begehrt die Klägerin die Feststellung, dass der von der Beklagten erhobene Anspruch auf Rückersatz des im Zeitraum von 6. 7. 2012 bis 31. 12. 2012 geleisteten Kinderbetreuungsgeldes in Höhe von 10.593,22 EUR nicht zu Recht bestehe. Die von der Klägerin im Bezugszeitraum erzielten Einkünfte aus selbständiger Erwerbstätigkeit hätten die maßgebliche Zuverdienstgrenze nicht überschritten. Eine Aufforderung der Beklagten an die Klägerin, ihre Einkünfte abzugrenzen, sei nicht erfolgt, sodass der Klägerin die Versäumung der zweijährigen Frist des § 8 Abs 1 Z 2 KBGG nicht schade.

Die Beklagte wandte dagegen ein, dass die Klägerin die zweijährige Frist des § 8 Abs 1 Z 2 KBGG nicht gewahrt habe, um der Beklagten mitzuteilen, welche Einkünfte während des Bezugszeitraums angefallen seien. Rechtsfolge der Versäumung dieser Frist sei, dass von den gesamten von der Klägerin im Jahr 2012 erzielten Einkünften aus selbständiger Erwerbstätigkeit auszugehen sei. Die Beklagte sei zur Rückforderung berechtigt, weil die Klägerin die Zuverdienstgrenze für das Jahr 2012 überschritten habe. Die Klägerin sei über die bestehende Frist gemäß § 8 Abs 1 Z 2 KBGG informiert gewesen.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Die Klägerin habe zwar die Frist des § 8 Abs 1 Z 2 KBGG versäumt, weil sie der Beklagten nicht bis Ende des Jahres 2014 die maßgeblichen Einkünfte für 2012 nachgewiesen habe. § 31 Abs 2 Satz 1 KBGG berechtige die Beklagte jedoch nur dann zur Rückforderung, wenn die zur Ermittlung des Gesamtbetrags der maßgeblichen Einkünfte (§§ 8, 8b KBGG) erforderliche Mitwirkung trotz Aufforderung innerhalb angemessener Frist verweigert werde. Eine zeitnahe Aufforderung der Beklagten sei jedoch nicht erfolgt, die Übermittlung eines Informationsblatts an die Klägerin im Jahr 2012 stelle keine Aufforderung in diesem Sinn dar.

Das Berufungsgericht gab der von der Beklagten gegen dieses Urteil erhobenen Berufung nicht Folge. Anders als im Fall einer Nichtdurchführung einer Mutter-Kind-Pass-Untersuchung sei das Unterbleiben der Zuordnungserklärung in § 8 Abs 1 Z 2 dritter und vierter Satz KBGG nicht als Anspruchsvoraussetzung formuliert. Das Unterbleiben einer solchen Zuordnungserklärung schade auch nicht, weil es sich dabei um keine Präklusivfrist handle, bei deren Überschreiten dem Kinderbetreuungsgeldwerber die Erbringung des Zuordnungsnachweises erst – wie auch hier – nach Erlassung des Rückforderungsbescheids im gerichtlichen Verfahren verwehrt sei. Der Gesetzgeber habe durch die zeitgleich mit der Änderung des § 8 Abs 1 Z 2 KBGG erfolgte Neueinführung des § 32 Abs 3 KBGG vielmehr zum Ausdruck gebracht, dass Sanktion für eine verspätete Folge des Zuordnungsnachweises die in dieser Bestimmung angeordneten Kostenfolgen seien. Anhaltspunkte dafür, dass die Klägerin die Zuordnungserklärung schuldhaft verspätet abgegeben habe, fehlten jedoch im vorliegenden Fall und seien von der Beklagten gar nicht behauptet worden, sodass § 77 Abs 3 ASGG nicht anwendbar sei.

Das Berufungsgericht sprach aus, dass die Revision nicht zulässig sei, weil es sich in allen erheblichen Rechtsfragen auf eine einheitliche Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs stützen könne.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die außerordentliche Revision der Beklagten, mit der sie die Abweisung des Klagebegehrens begehrt.

In ihrer ihr vom Obersten Gerichtshof freigestellten Revisionsbeantwortung beantragt die Klägerin die Zurück- bzw die Abweisung der Revision.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Zulassungsausspruch des Berufungsgerichts zum Zweck der Klarstellung zulässig, sie ist jedoch nicht berechtigt.

In ihrer Rechtsrüge vertritt die Beklagte zusammengefasst, dass es sich bei der zweijährigen Frist des § 8 Abs 1 Z 2 KBGG um eine Präklusivfrist handle. Bei deren Versäumen sei dem Kinderbetreuungsgeldwerber die Möglichkeit einer verspäteten Durchführung der Abgrenzung der Einkünfte und verspäteten Nachreichung der Zuordnungserklärung verwehrt. Der Gesetzgeber habe zwar ein Erinnerungsschreiben empfohlen (und die Beklagte werde aus Anlass dieses Falls in Zukunft über Antrag der Eltern auch eine zeitgerechte Erinnerung an die Vornahme der Abgrenzung der Einkünfte an die Eltern senden); sie sei jedoch dazu gesetzlich nicht verpflichtet. Bei Nichteinhaltung der Frist des § 8 Abs 1 Z 2 KBGG sei bei der Berechnung des Gesamtbetrags von den Jahreseinkünften des Kinderbetreuungsgeldwerbers auszugehen, dies auch im Fall einer – verspäteten – Nachreichung der Abgrenzung.

Dazu ist auszuführen:

1.1 Obwohl der Rückzahlungspflichtige im Verfahren vor dem Sozialgericht formell als Kläger aufzutreten und ein negatives Feststellungsbegehren zu stellen hat, kommt die materielle Klägerrolle dem beklagten Versicherungsträger zu, der bereits erbrachte Versicherungsleistungen zurückfordert. Wird dieses Rückforderungsbegehren ausdrücklich auf einen bestimmten Rechtsgrund gestützt, so ist das Gericht daran gebunden und darf dem Begehren nicht aus einem anderen Rechtsgrund stattgeben (RIS-Justiz RS0086067). Die beklagte Gebietskrankenkasse hat einen Rückforderungstatbestand zu behaupten und zu beweisen (10 ObS 19/17t; RIS-Justiz RS0086067 [T4]).

1.2 Die Beklagte hat die Rückforderung im angefochtenen Bescheid darauf gestützt, dass die Klägerin mit ihrem gesamten im Jahr 2012 erzielten Einkommen aus selbständiger Erwerbstätigkeit die für dieses Jahr geltende Zuverdienstgrenze des § 24 Abs 1 Z 3 KBGG überschritten habe. Die Beklagte macht damit den Rückforderungstatbestand des § 31 Abs 2 Satz 2 KBGG geltend. Der von einem Verschulden des Leistungsempfängers unabhängige Rückforderungstatbestand des § 31 Abs 2 Satz 2 KBGG stellt ausschließlich auf die objektive Überschreitung der Zuverdienst- bzw Freigrenze ab, die an Hand der Meldung der Einkunftsdaten durch die Abgabenbehörde an die Niederösterreichische Gebietskrankenkasse ermittelt wird (10 ObS 4/13f, SSV-NF 27/7). Für die Heranziehung des § 31 Abs 2 Satz 2 KBGG ist das zusätzliche Vorliegen eines der Rückforderungstatbestände des § 31 Abs 2 Satz 1 KBGG nicht erforderlich (RIS-Justiz RS0128672).

2.1 Die Anspruchsberechtigung für das Kinderbetreuungsgeld als Ersatz des Erwerbseinkommens ist seit der Novelle BGBl I 2009/116 in § 24 KBGG geregelt. Die negative Anspruchsvoraussetzung der Nichtüberschreitung der Zuverdienstgrenze ist für das Kinderbetreuungsgeld als Ersatz des Erwerbseinkommens in § 24 Abs 1 Z 3 KBGG normiert. § 24 Abs 1 Z 3 KBGG in der hier gemäß § 50 Abs 3 KBGG anzuwendenden Fassung BGBl I 2011/139 lautet (Hervorhebung durch den Senat):

„§ 24. (1) Anspruch auf Kinderbetreuungsgeld nach diesem Abschnitt hat ein Elternteil (Adoptivelternteil, Pflegeelternteil) für sein Kind (Adoptivkind, Pflegekind), sofern

1. …

2. …

3. … dieser Elternteil während des Bezuges des Kinderbetreuungsgeldes keine Erwerbseinkünfte, erzielt, wobei sich ein Gesamtbetrag an maßgeblichen Einkünften (§ 8 Abs. 1) von nicht mehr als 6.100 EUR pro Kalenderjahr nicht schädlich auswirkt, und keine Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung erhält.“

2.2 Der Gesetzeswortlaut bezeichnet daher – bereits seit der Novelle BGBl I 2009/116nur solche Erwerbseinkünfte als für die Beurteilung der Zuverdienstgrenze für das Kinderbetreuungsgeld als Ersatz des Erwerbseinkommens maßgeblich, die während des Bezugs des Kinderbetreuungsgeldes erzielt werden. Diese Absicht des Gesetzgebers kommt auch in den Gesetzesmaterialien zur Einführung des Kinderbetreuungsgeldes als Ersatz des Erwerbseinkommens mit der Novelle BGBl I 2009/116 klar zum Ausdruck (ErläutRV 340 BlgNR 24. GP 4 und 17):

„Während des Bezuges des einkommensabhängigen Kinderbetreuungsgeldes ist ein Zuverdienst nur in sehr geringem Ausmaß erlaubt (daher deutlich reduzierte Zuverdienstgrenze), dies aufgrund der Einkommensersatzfunktion der Leistung. […]

Da das einkommensabhängige Kinderbetreuungsgeld ein (teilweiser) Ersatz für den Entfall des früheren Einkommens ist, ist folglich eine weitere Anspruchsvoraussetzung, dass während des Bezuges der Leistung keine Erwerbstätigkeit ausgeübt wird, da es sonst zu unsachlichen und nicht gewollten Ergebnissen käme (zB dass die Summe des Einkommensersatzes plus des Zuverdienstes über den zu ersetzenden Einkünften liegt). Lediglich Einkünfte aus einer (aktiven) Erwerbstätigkeit bis zu 5.800 Euro sind unschädlich, diese Zuverdienstgrenze entspricht der sozialversicherungsrechtlichen Geringfügigkeitsgrenze (man kann also bei ganzjährigem Bezug des KBG 14 Mal die Geringfügigkeitsgrenze verdienen).“

3.1 § 24 Abs 1 Z 3 KBGG verweist für den Begriff des „Gesamtbetrags der maßgeblichen Einkünfte“ (ebenso wie § 2 Abs 1 Z 3 KBGG für das pauschale Kinderbetreuungsgeld) auf § 8 KBGG. § 8 Abs 1 Z 2 KBGG idF BGBl I 2011/139 lautet (Hervorhebung durch den Senat):

§ 8. (1) Maßgebliche Einkünfte sind die Einkünfte gemäß § 2 Abs. 3 Z 1 bis 4 des Einkommensteuergesetzes 1988 (EStG 1988), BGBl. Nr. 400. Der Gesamtbetrag der maßgeblichen Einkünfte (§ 2 Abs. 1 Z 3) ist wie folgt zu ermitteln:

1. …

2. Andere maßgebliche Einkünfte (§§ 21 bis 23 EStG 1988) sind mit jenem Betrag zu berücksichtigen, der in die Ermittlung des Einkommens für das betreffende Kalenderjahr eingeht. Einkünfte aus Betätigungen, die die Grundlage für Pflichtbeiträge in der gesetzlichen Sozialversicherung darstellen, sind um 30 % zu erhöhen. Wird bis zum Ablauf des zweiten auf das betreffende Kalenderjahr folgenden Kalenderjahres dem Krankenversicherungsträger nachgewiesen, in welchem Ausmaß Einkünfte vor Beginn oder nach Ende des Anspruchszeitraumes (Z 1) angefallen sind, sind nur jene Einkünfte zu berücksichtigen, die während des Anspruchszeitraumes angefallen sind. Im Falle eines derartigen Nachweises, der den steuerrechtlichen Bestimmungen zu entsprechen hat, sind die während des Anspruchszeitraumes angefallenen Einkünfte auf einen Jahresbetrag umzurechnen. Z 1 vierter Satz ist anzuwenden.

3.2 Die Absicht des Gesetzgebers, die er mit der Einführung der Sätze 3 und 4 in dieser Bestimmung mit der Novelle BGBl I 2011/139 verfolgte, ergibt sich aus den Gesetzesmaterialien auszugsweise wie folgt (ErläutRV 1522 BlgNR 24. GP 4 f, Hervorhebung durch den Senat):

Derzeit grenzen manche selbständig tätige Eltern ihre Einkünfte –  trotz Aufforderung – nicht ab, sodass der Krankenversicherungsträger schließlich die Zuverdienstberechnung anhand der Jahreseinkünfte vornehmen und bei Überschreitung einen Rückforderungsbescheid erlassen muss. Gegen diesen Bescheid wird dann von den Eltern Klage erhoben. Im Gerichtsverfahren werden schließlich doch die Einkünfte mittels Nachweisen (Zwischen-Einnahmen-Ausgaben-Rechnungen oder Zwischenbilanzen, die den steuerrechtlichen Vorschriften entsprechen müssen und daher von der Finanzbehörde im Rahmen der Betriebsprüfungen mitgeprüft werden) abgegrenzt. Diese unnötigen Gerichtsverfahren auf Kosten des FLAF gilt es zu vermeiden. Für den Nachweis der abgegrenzten Einkünfte ist daher eine (großzügige) Frist von zwei Jahren ab Ende des betreffenden Kalenderjahres (= Bezugsjahres) einzuführen. Wer diese Frist versäumt, kann in einem Gerichtsverfahren nicht mehr erfolgreich die Nachweise erbringen, sondern hier ist der Zuverdienst – wie für solche Fälle vorgesehen – anhand der gesamten Jahreseinkünfte (mittels der von der Finanzbehörde übermittelten Daten) zu berechnen. Die Krankenversicherungsträger sollen als Serviceleistung selbständig tätige Eltern rechtzeitig vor Ablauf der Frist auf die Möglichkeit der Abgrenzung der Einkünfte aufmerksam machen.

4.1 Während § 24 Abs 1 Z 3 KBGG daher die Anspruchsberechtigung für das Kinderbetreuungsgeld als Ersatz des Erwerbseinkommens normiert, regelt § 8 KBGG lediglich, welche Einkünfte als maßgebliche Einkünfte für die Beurteilung des Erreichens der in § 24 Abs 1 Z 3 KBGG angegebenen Grenze heranzuziehen und wie diese zu ermitteln sind (10 ObS 27/14i). Die rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichts, dass das Unterbleiben der Zuordnungserklärung im Sinn des § 8 Abs 1 Z 2 Satz 3 KBGG nicht als Anspruchsvoraussetzung formuliert ist, ist schon deshalb zutreffend, weil die Anspruchsvoraussetzungen für die Erlangung von Kinderbetreuungsgeld als Ersatz des Erwerbseinkommens nicht in § 8 KBGG, sondern in § 24 KBGG normiert sind.

4.2 Die Beklagte streicht in ihrer Revision selbst hervor, dass es sich bei der Abgabe einer Zuordnungserklärung im Sinn des § 8 Abs 1 Z 2 Satz 3 KBGG nur um eine vom Gesetzgeber eingeräumte Möglichkeit handelt, von der Eltern auch nicht Gebrauch machen können, falls das für sie günstiger ist. Das Unterlassen einer Zuordnungserklärung ändert jedoch nichts daran, dass dann, wenn sich der Versicherungsträger wie hier auf den objektiven Rückforderungstatbestand des § 31 Abs 2 Satz 2 KBGG beruft, lediglich zu prüfen ist, ob die Zuverdienstgrenze im Sinn des § 24 Abs 1 Z 3 KBGG überschritten wurde. Nach dem klaren Wortlaut dieser Bestimmung ist dafür aber nicht auf ein Jahreseinkommen (auf das Kalenderjahr stellt § 2 Abs 1 Z 3 KBGG für das pauschale Kinderbetreuungsgeld ab), sondern auf die während des Bezugs des Kinderbetreuungsgeldes erzielten Einkünfte abzustellen.

4.3 Aus § 24 KBGG ergibt sich nicht der von der Beklagten argumentierte Standpunkt, dass die Unterlassung einer fristgerechten Zuordnungserklärung gemäß § 8 Abs 1 Z 2 Satz 3 KBGG zur Folge hätte, dass es dem Kinderbetreuungsgeldwerber im gerichtlichen Verfahren über eine Rückforderung gemäß § 31 Abs 2 Satz 2 KBGG (nach Verstreichen der Frist) verwehrt sein könnte darzulegen, dass er objektiv die Zuverdienstgrenze während des Bezugs des Kinderbetreuungsgeldes nicht überschritten hat. Die in den Gesetzesmaterialien (und ebenso von Weißenböck in Holzmann-Windhofer/Weißenböck, KBGG § 8 Anm 2.5 [116]) vertretene Ansicht, dass eine Versäumung der in § 8 Abs 1 Z 2 Satz 3 KBGG genannten Frist dazu führen solle, dass in einem zur Bekämpfung eines Rückforderungsverfahrens gemäß § 31 Abs 2 Satz 2 KBGG eingeleiteten Sozialgerichtsverfahren kein Nachweis mehr erbracht werden könne, findet im Wortlaut des § 24 KBGG keine Deckung. Auf § 8 KBGG, der nicht die Anspruchsberechtigung regelt, kommt es dafür nicht an. Im Übrigen sind, wie der Oberste Gerichtshof bereits mehrfach ausgeführt hat, bloße Äußerungen im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens keine authentische Interpretation im Sinn des § 8 ABGB (10 ObS 74/17f; 10 ObS 101/16z mwH ua).

5.1 Nach den bindenden Feststellungen überschritten die von der Klägerin während der Monate des Bezugs des Kinderbetreuungsgeldes im Jahr 2012 erzielten Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit im vorliegenden Fall die Zuverdienstgrenze des § 24 Abs 1 Z 3 KBGG objektiv nicht, sodass der von der Beklagten geltend gemachte Rückforderungstatbestand nicht vorliegt.

5.2 Auf den vom Erstgericht verneinten (subjektiven) Rückforderungstatbestand des § 31 Abs 2 Satz 1 dritter Fall KBGG muss nicht eingegangen werden, weil dieser Rückforderungstatbestand von der Beklagten nicht geltend gemacht wurde. Es ist daher nicht zu prüfen, ob die Klägerin eine ihr allenfalls obliegende Mitwirkungspflicht schuldhaft verletzt hätte. Daher bedarf es auch keiner Auseinandersetzung mit der Frage, ob die Aushändigung eines Informationsblattes an die Klägerin bei Antragstellung dem in den Gesetzesmaterialien ausdrücklich festgehaltenen Wunsch des Gesetzgebers zur Erbringung einer Serviceleistung (!) entsprach, die Klägerin rechtzeitig vor Ablauf der Frist auf die Möglichkeit der Abgrenzung der Einkünfte aufmerksam zu machen.

Der Revision war daher nicht Folge zu geben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit a iVm Abs 2 ASGG.

Textnummer

E121936

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2018:010OBS00146.17V.0523.000

Im RIS seit

09.07.2018

Zuletzt aktualisiert am

19.03.2021
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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