TE OGH 2018/4/17 10ObS27/18w

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Veröffentlicht am 17.04.2018
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Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Univ.-Prof. Dr. Neumayr als Vorsitzenden, die Hofrätin Dr. Fichtenau und den Hofrat Mag. Ziegelbauer, sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Dr. Werner Hallas (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Mag. Herbert Böhm (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei DI (FH) K*****, vertreten durch Dr. Gerhard Krammer, Rechtsanwalt in Horn, gegen die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt, 1021 Wien, Friedrich-Hillegeist-Straße 1, wegen Berufsunfähigkeits-pension, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 25. Jänner 2018, GZ 10 Rs 62/17m-66, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

1. Die Frage, in welche Beschäftigungsgruppe eines anwendbaren Kollektivvertrags die tatsächlich ausgeübte Tätigkeit eines Versicherten einzureihen ist, ist eine Rechtsfrage, die anhand eines Vergleichs der ausgeübten Tätigkeit mit den Einstufungskriterien des Kollektivvertrags anhand der konkreten Umstände des Einzelfalls zu lösen ist (10 ObS 75/14y, SSV-NF 28/45, ua; RIS-Justiz RS0043547). Der Kläger war zuletzt als technischer Angestellter bei einer Kraftfahrzeugvertriebsgesellschaft m.b.H. in der Abteilung für Homologation tätig. Ihm waren ein Abteilungsleiter, der Hauptabteilungsleiter für „After Sales“ und die Geschäftsführung übergeordnet. Der Kläger war zwar inhaltlich gegenüber zwei Sachbearbeitern weisungsberechtigt, er war aber niemandem gegenüber disziplinärer Vorgesetzter und verfügte auch – im Gegensatz zum Abteilungsleiter – über keine Budgethoheit. Die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, dass die Tätigkeit des Klägers schon deshalb nicht den Anforderungen der Beschäftigungsgruppe 5 des Kollektivvertrags für Handelsangestellte entsprach, weil der Kläger nicht Leiter einer Abteilung war, ist vertretbar (vgl etwa 10 ObS 309/99k, SSV-NF 14/43, ua). Das Berufungsgericht wertete die Tätigkeiten des Klägers ohnehin als solche der Beschäftigungsgruppe 4 des anzuwendenden Kollektivvertrags (Angestellte mit selbständiger Tätigkeit), weil der Kläger weitgehend selbständig und sehr verantwortungsvoll handelte und auch für das Unternehmen zeichnungsberechtigt war (der Beschäftigungsgruppe 4 ordnet der Kollektivvertrag etwa Angestellte im technischen Dienst zu, die aufgrund entsprechender Ausbildung oder mehrjähriger Erfahrung selbständige Tätigkeiten von erhöhter Schwierigkeit durchführen). Die in der Revision aufgestellte Behauptung, der Kläger habe eine höchst verantwortungsvolle „Leiterfunktion“ innegehabt, findet in den den Obersten Gerichtshof bindenden Feststellungen keine Grundlage, sodass der Revisionswerber keine Unvertretbarkeit der Rechtsansicht des Berufungsgerichts aufzeigt.

2.1 Auch Fragen des sozialen Abstiegs können nur einzelfallbezogen beurteilt werden (10 ObS 104/16s ua; RIS-Justiz RS0085599 [T30]). Im Rahmen der Verweisung darf der Versicherte nicht auf Berufe verwiesen werden, die für ihn einen unzumutbaren sozialen Abstieg bedeuten würden. Dabei kommt es auf den sozialen Wert an, den die Ausbildung und die Kenntnisse und Fähigkeiten, die in der zuletzt ausgeübten Tätigkeit von Bedeutung waren, unter den Verhältnissen zur Zeit des Stichtags haben (RIS-Justiz RS0084890). Wesentlich ist die Stellung in der Betriebshierarchie, die damit verbundene Verantwortung für den Betriebsablauf und das hieraus resultierende Ansehen, das eine bestimmte Tätigkeit in den Augen der Umwelt genießt (RIS-Justiz RS0085599 [T26]). Die Einstufung einer Tätigkeit in einem Kollektivvertrag bildet dabei einen Anhaltspunkt für die Einschätzung des sozialen Wertes und kann daher zur Beurteilung des sozialen Abstiegps herangezogen werden (10 ObS 172/90, SSV-NF 4/72; RIS-Justiz RS0084861 [T3], RS0084890 [T3]).

2.2 Die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, dass der Kläger auf eine Tätigkeit als technischer Sachbearbeiter bei Bundes- oder Landesbehörden oder bei Gemeinden in der nächstniedrigen Beschäftigungsgruppe 3 des anzuwendenden Kollektivvertrags verwiesen werden kann, hält sich im Rahmen dieser Rechtsprechung. Dass diese Tätigkeit in den Augen der Umwelt auch unter Berücksichtigung der Ausbildung des Klägers ein derart schlechtes Ansehen genießen würde, dass ihre Aufnahme für den Kläger mit einem unzumutbaren sozialen Abstieg verbunden wäre, behauptet der Revisionswerber nicht. Das Berufungsgericht hat die Frage der Verweisbarkeit auf Grundlage der detailliert getroffenen Feststellungen zur Ausbildung des Klägers und zu den Anforderungen im Verweisungsberuf und der zuletzt nicht nur vorübergehend ausgeübten Angestelltentätigkeit des Klägers beurteilt und auch ausgeführt, dass der Kläger als technischer Sachbearbeiter zumindest die Hälfte jenes Einkommens zu verdienen in der Lage ist, das ein körperlich und geistig gesunder Versicherter erzielen kann. Eine Korrekturbedürftigkeit seiner Rechtsansicht im konkreten Einzelfall vermag der Revisionswerber mit seinen Behauptungen, das Berufungsgericht habe lediglich „formelhaft“ die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zitiert und die Verweisbarkeit „pauschal“ beurteilt, nicht aufzuzeigen.

Textnummer

E121850

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2018:010OBS00027.18W.0417.000

Im RIS seit

29.06.2018

Zuletzt aktualisiert am

22.06.2020
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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