TE Lvwg Erkenntnis 2017/2/22 VGW-111/067/12043/2016, VGW-111/V/067/12044/2016

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 22.02.2017
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Entscheidungsdatum

22.02.2017

Index

40/01 Verwaltungsverfahren
L82009 Bauordnung Wien

Norm

AVG §13 Abs3
AVG §38
BauO Wr §60
BauO Wr §62
BauO Wr §63

Text

I M N A M E N D E R R E P U B L I K

Das Verwaltungsgericht Wien hat durch seine Richterin Dr. Grois über die Beschwerde 1) des Herrn Y. X. und 2) der Frau Z. X., beide Wien, …, beide vertreten durch Rechtsanwalt, gegen den Bescheid des Magistrates der Stadt Wien, Magistratsabteilung 37, vom 11.08.2016, Zahl MA37/..., mit welchem I.) gemäß § 38 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 - AVG, der Antrag der Bauwerber, Frau und Herr X., vom 12.04.2016 auf Aussetzung des Verfahrens betreffend die Erteilung einer Baubewilligung zum Einbau eines 2. Rolltores bis zur rechtskräftigen Entscheidung der Zivilgerichte im Verfahren zur Ersetzung der Zustimmung der Miteigentümer zu og. Baumaßnahmen abgewiesen wurde und II.) gemäß § 13 Abs. 3 AVG das Ansuchen der Bauwerber vom 05.04.2016 um baubehördliche Bewilligung des Einbaus eines 2. Rolltores auf der oben angeführten Liegenschaft zurückgewiesen wurde,

zu Recht e r k a n n t:

1. Gemäß § 28 Abs. 1 und 2 des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes - VwGVG wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen und der angefochtene Bescheid mit der Maßgabe bestätigt, dass in Spruchpunkt I.) des angefochtenen Bescheides das Wort „abgewiesen“ durch „zurückgewiesen“ ersetzt wird.

2. Gegen dieses Entscheidung ist gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 – VwGG eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 des Bundes-Verfassungsgesetzes – B-VG unzulässig.

BEGRÜNDUNG

I.1.1. Mit Eingabe vom 05.04.2016, persönlich eingebracht, begehrten die Antragsteller und nunmehrigen Beschwerdeführer als grundbücherliche Miteigentümer der Liegenschaft Wien, ...gasse, EZ ... KG ..., die baubehördliche Bewilligung gemäß § 70 BO für Wien, für den Einbau eines zweiten Rolltores anstelle zweier Fenster auf der genannten Liegenschaft.

Im verwaltungsbehördlichen Akt liegt unter anderem ein Beschluss des Bezirksgerichts ... vom 02.09.2013, GZ ..., ein, worin zur projektgegenständlichen Liegenschaft unter anderem die Zustimmung der Antragsgegner (Mit- und Wohnungseigentümer) zu einem tatsächlich bereits durchgeführten Mauerdurchbruch samt Herstellung eines Rolltores im Ausmaß von 2,45 x 2,90 m statt einem Fenster im Ausmaß von 1,90 x 1,80 m zur Errichtung einer Einfahrt in das Hofgebäude ersetzt wurde. Das darüber hinausgehende Begehren, die Zustimmung auch zu dem ebenfalls bereits durchgeführten Mauerdurchbruch im rechtsseitigen Teil des Hofgebäudes, bestehend aus einem Rolltor im Ausmaß von 3,30 x 2,80 m anstelle zweier Fenster im Ausmaß von 2,20 x 2,80 m bzw. 1,90 x 1,80 m zur Errichtung einer weiteren Einfahrt in das Hofgebäude, wurde abgewiesen.

Weiters liegt im Akt der belangten Behörde ein mit 29.02.2016 datierter Antrag der Beschwerdeführer an das Bezirksgericht ... auf Ersetzung der Zustimmung der Antragsgegner zur Widmungsänderung und zum Einreichplan Beilage ./A ein. Darin begehrten die Beschwerdeführer die Ersetzung der Zustimmung der (anderen) grundbücherlichen Miteigentümer der projektgegenständlichen Liegenschaft zur Umwidmung der Lagerfläche im Wohnungseigentumsobjekt Lager und Hoffläche der Beschwerdeführer im Haus Wien, ...gasse, auf Werkstätte und zu dem tatsächlich bereits durchgeführten Mauerdurchbruch samt Herstellung eines Rolltores im Ausmaß von 2,80 m x 3,30 m.

Mit Eingabe vom 12.04.2016, eingelangt bei der belangten Behörde am 14.04.2016, stellte Herr Ing. W., unter Berufung auf die erteilte Vollmacht der Beschwerdeführer, einen Aussetzungsantrag für [gemeint wohl:] das Bauvorhaben auf der projektgegenständlichen Liegenschaft zu GZ ... bis eine Entscheidung des BG ... für die Ersetzung der Unterschriften vorliegt.

2. In weiterer Folge erließ die belangte Behörde den nunmehr beschwerdegegenständlichen Bescheid vom 11.08.2016, GZ MA37/..., mit nachstehendem Spruch und nachstehender Begründung:

„I)  Aussetzung Abweisung

II)  Bauansuchen Zurückweisung

BESCHEID

I)

Gemäß § 38 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz (AVG), BGBl. Nr. 51/1991 idgF, wird der Antrag der Bauwerber Herrn Y. X. und Frau Z. X., beide vertreten durch Herrn Ing. W. vom 12.04.2016 auf Ausetzung des ha. zur Zahl MA37/... geführte Verfahrens betreffend die Erteilung einer Baubewilligung zum Einbau eines 2. Rolltores bis zur rechtskräftigen Entscheidung der Zivilgerichte im Verfahren zur Ersetzung der Zustimmung der Miteigentümer zu og. Baumaßnahmen - derzeit beim Bezirksgericht ... zur Zl. ... anhängig - abgewiesen.

II)

Gemäß § 13 Abs. 3 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz (AVG), BGBl. Nr. 51/1991 idgF, wird das Ansuchen der Bauwerber Herrn Y. X. und Frau Z. X. vom 05.04.2016 um baubehördliche Bewilligung des Einbaus eines 2. Rolltores auf der oben angeführten Liegenschaft zurückgewiesen.

Begründung

I)

Gemäß § 38 AVG ist, sofern die Gesetze nicht anderes bestimmen, die Behörde berechtigt, im Ermittlungsverfahren auftauchende Vorfragen, die als Hauptfragen von anderen Verwaltungsbehörden oder von den Gerichten zu entscheiden wären, nach der über die maßgebenden Verhältnisse gewonnenen eigenen Anschauung zu beurteilen und diese Beurteilung ihrem Bescheid zugrunde zu legen. Sie kann aber auch das Verfahren bis zur rechtskräftigen Entscheidung der Vorfrage aussetzen, wenn die Vorfrage schon den Gegenstand eines anhängigen Verfahrens bei der zuständigen Verwaltungsbehörde bzw. beim zuständigen Gericht bildet oder ein solches Verfahren gleichzeitig anhängig gemacht wird.

Unter einer Vorfrage im Sinne des § 38 AVG ist eine für die Entscheidung der Verwaltungsbehörde präjudizielle Rechtsfrage zu verstehen, über die als Hauptfrage - als Gegenstand eines rechtsfeststellenden oder rechtsgestaltenden Anspruches - von einer anderen Verwaltungsbehörde oder von einem Gericht oder auch von derselben Behörde, jedoch in einem anderen Verfahren, zu entscheiden ist (VwGH 26.6.1998, Zl. 97/19/1618, und vom 7. September 2004, Zl. 2003/05/0094).

Aus den Beilagen des Bauansuchens und des Aussetzungsantrages geht eindeutig hervor, dass die Zustimmung sämtlicher Miteigentümer aktuell nicht vorliegt. Auf die Erlangung dieser ist auch der neuerliche Antrag der Bauwerber im Außerstreitverfahren beim BG ... gerichtet.

Die Zustimmung der Grundmiteigentümer bzw. dessen Nachweis ist lt. höchstgerichtlicher Rechtsprechung (lediglich) ein Beleg des Bauansuchens. Die zwangsweise Ersetzung der Zustimmung durch zivilgerichtliche Entscheidung ist daher als solche keine Vorfrage des Baubewilligungsverfahrens (VwGH 27.1.1987, 86/05/0169).

Die bescheidmäßige Verfügung der mit Schreiben vom 12.04.2016 beantragten Aussetzung des ha. Verfahrens im Sinne des § 38 AVG ist daher mangels Vorliegens einer Vorfrage verwaltungsverfahrensrechtlich nicht zulässig.

Der Antrag auf Aussetzung war daher bescheidmäßig abzuweisen.

II)

Gemäß § 13 Abs. 3 AVG ermächtigen Mängel schriftlicher Anbringen die Behörde nicht zur Zurückweisung. Die Behörde hat vielmehr von Amts wegen unverzüglich deren Behebung zu veranlassen und kann dem Einschreiter die Behebung des Mangels innerhalb einer angemessenen Frist mit der Wirkung auftragen, dass das Anbringen nach fruchtlosem Ablauf dieser Frist zurückgewiesen wird. Wird der Mangel rechtzeitig behoben, so gilt das Anbringen als ursprünglich richtig eingebracht.

Gemäß § 63 Abs. 1 lit. c BO hat für das Baubewilligungsverfahren der Bauwerber folgende Einreichunterlagen vorzulegen:

die Zustimmung des Eigentümers (aller Miteigentümer), wenn der Bauwerber nicht selbst Eigentümer oder nur Miteigentümer der Liegenschaft ist; sie kann auch durch Unterfertigung der Baupläne nachgewiesen werden;

Wie bereits oben erwähnt ist das Bauansuchen vom 05.04.2016 aufgrund der fehlenden Zustimmung sämtlicher Grundmiteigentümer mangelhaft, da der Nachweis hierüber einen zwingend erforderlichen Beleg gemäß § 63 Abs. 1 lit. c BO darstellt.

Grundsätzlich hat die Behörde dem Antragsteller zunächst die Behebung des Mangels binnen angemessener Frist aufzutragen.

Die Frist zur Nachreichung soll jedoch nicht dazu dienen fehlende Unterlagen überhaupt erst zu beschaffen, sondern nur so ausreichend bemessen sein, um bereits vorhandene Unterlagen bei der Behörde vorzulegen (VwSlg 5224 A/1960; VwGH 17.1.1997, 96/07/0184).

Eine vorangehende Aufforderung nach § 13 Abs. 3 AVG konnte gegenständlich unterbleiben, weil aufgrund der erst für den September 2016 avisierten zivilgerichtlichen Verhandlung und somit einer noch weiter in der Zukunft liegenden Entscheidung des Gerichtes eindeutig feststeht, dass die Bauwerber eben gerade nicht in der Lage sein werden, die fehlenden Zustimmungsnachweise binnen einer angemessenen Frist von etwa ein bis zwei Wochen nachzureichen (VwGH 30.05.1995, 94/05/0178; VwGH 22.3.1999, 98/10/0407 sowie Kirchmayer, Wiener Baurecht 4. Aufl., zu § 63 Abs. 1 lit. c, 4. Anm.).

Das Bauansuchen war daher sogleich bescheidmäßig zurückzuweisen.“

3. Dagegen erhoben die anwaltlich vertretenen Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde und brachten darin vor:

„Die Beschwerdeführer erheben gegen den Bescheid des Magistrates der Stadt Wien, Magistratsabteilung 37, vom 11.8.2016, MA 37/..., der ihnen am 17.8.2016 zugestellt wurde, binnen offener Frist

Beschwerde

an das zuständige Verwaltungsgericht und führen diese aus wie folgt:

Der oben bezeichnete Bescheid wird zur Gänze angefochten. Als Beschwerdegründe werden Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit in Folge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht:

1. Sachverhalt:

Die Beschwerdeführer sind gemeinsam zu 142/555 Anteilen Mit- und Wohnungseigentümer der Liegenschaft EZ ... GB ..., Liegenschaftsadresse, Wien, ...gasse, mit diesen Anteilen ist das Wohnungseigentum an dem Lager und der Hoffläche untrennbar verbunden.

Im seitlichen Teil des nunmehr den Antragstellern gehörigen Hofgebäude wurde bereits von einem Rechtsvorgänger vor vielen Jahren ohne Baubewilligung einen Mauerdurchbruch hergestellt, zwei Fenster wurden verändert. Diesbezüglich besteht ein Auftrag der Baubehörde, diese nicht bewilligten Durchbrüche sowie die veränderten Fenster in den vorigen Zustand zu versetzen.

Mit Entscheidung des Bezirksgerichtes ... vom 2.9.2013, ..., wurde die Zustimmung der anderen Wohnungseigentümer zur nachträglichen Bewilligung hinsichtlich einer dieser beiden Durchbrüche samt Herstellung eines Rolltores ersetzt. Diesbezüglich wurde mittlerweile die Baubewilligung auch bereits nachträglich rechtskräftig erteilt.

Derzeit ist auch wegen des zweiten Mauerdurchbruchs beim Bezirksgericht ... zu ... ein Verfahren anhängig, in dem die Zustimmung der übrigen Eigentümer zur Umwidmung der Lagerfläche im Wohnungseigentumsobjekt Lager und Hoffläche auf Werkstätte und zu dem tatsächlichen bereits durchgeführten Mauerdurchbruches samt Herstellung eines Rolltors im Ausmaß von 2,8 m x 3,3 m ersetzt werden soll. In diesem Verfahren findet die nächste Verhandlung am 15.9.2016 satt.

Die Beschwerdeführer haben bei der belangten Behörde die Erteilung einer Baubewilligung zum Einbau dieses zweiten Rolltors beantragt und gleichzeitig den Antrag gestellt, dass Verfahren bis zur rechtskräftigen Entscheidung des Zivilgerichtes im Verfahren zur Ersetzung der Zustimmung der Miteigentümer zu diesen Baumaßnahmen vorläufig auszusetzen.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde diesen Antrag abgewiesen und gleichzeitig das Ansuchen der Beschwerdeführer zurückgewiesen.

2. Beschwerdegründe:

Entgegen der Ansicht der belangten Behörde ist es sehr wohl eine Vorfrage gemäß § 38 AVG, ob die übrigen Miteigentümer der Liegenschaft ...gasse verpflichtet sind, dem vorliegenden Ansuchen ihre Zustimmung zu erteilen oder nicht. Es geht nicht um den formalen Beleg einer Unterschrift auf dem Bauplan, sondern um die Notwendigkeit der Zustimmung der anderen Wohnungseigentümer.

Hiezu ist auch anzuführen, dass die Hoffläche im Wohnungseigentum der Beschwerdeführer steht und demgemäß die in Rede stehenden Baumaßnahmen sich im Inneren des Wohnungseigentumsobjekts der Beschwerdeführer befinden. Für Änderungen bloß im Inneren ist nach Ansicht der Beschwerdeführer eine Zustimmung der anderen Miteigentümer gar nicht notwendig.

Es ist also zu prüfen, ob

1. Überhaupt baurechtlich die Zustimmung der anderen Miteigentümer notwendig ist, und

2. die anderen Miteigentümer diese Zustimmung erteilen müssen. 

Die Vorfrage zu 1. kann die belangte Behörde entweder selbst entscheiden, oder aber das Verfahren aussetzen und die Entscheidung des zuständigen Bezirksgerichtes ... abwarten.

Da die Behörde offenbar die Entscheidung dem Gericht überlassen will und die Entscheidung des Gerichtes noch aussteht, wäre dem Antrag der Beschwerdeführer auf Aussetzung des Verfahrens stattzugeben gewesen.

Kommt die Behörde zum Schluss, dass im Hinblick darauf, dass die Baumaßnahmen im Inneren des Wohnungseigentumsobjektes stattfinden und eine Zustimmung baurechtlich nicht notwendig ist, hätte sie das Bauansuchen nicht zurückweisen dürfen. Dasselbe gilt für den Fall der Aussetzung des Verfahrens.

3. Anträge:

Die Beschwerdeführer stellen daher den

Antrag,

das Verwaltungsgericht möge den angefochtenen Bescheid in seinem Punkt I. dahingehend abändern, dass dem Antrag auf Aussetzung des Verfahrens stattgegeben wird und den Ausspruch gemäß Punkt II. ersatzlos zu beheben.“

4. Im Begleitschreiben der Beschwerdevorlage teilte die belangte Behörde mit, dass auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung gemäß § 24 Abs. 5 VwGVG verzichtet werden.

5. Aufgrund der von den Parteien vorgelegten Schriftsätze samt Beilagen, der unbestritten gebliebenen Aktenlage und nach Einsicht in das offene Grundbuch betreffend die projektgegenständliche Liegenschaft, hat das Verwaltungsgericht Wien folgenden Sachverhalt festgestellt und als erwiesen angenommen:

Die Antragsteller und nunmehrigen Beschwerdeführer sind grundbücherliche Miteigentümer der Liegenschaft Wien, ...gasse, EZ ... KG .... Mit Eingabe vom 05.04.2016, am selben Tag bei der belangten Behörde persönlich eingebracht, beantragten sie für den Einbau eines zweiten Rolltores anstelle zweier Fenster eine Bewilligung gemäß § 70 BO für Wien.

Ausweislich des im Akt der belangten Behörde einliegenden Einreichplanes (Grundriss Erdgeschoss bzw. Schnitt B-B und Schnitt A-A) ist unter anderem der Einbau des zweiten Rolltores bzw. der Abbruch/Entfernung zweier Fenster an der zum Innenhof gerichteten Außenfront des Gebäudes (unterhalb des bestehenden Flugdaches) projektiert.

Für das Bauansuchen lagen nicht die Zustimmung sämtlicher grundbücherlicher (Mit-)Eigentümer der Liegenschaft Wien, ...gasse, EZ ... KG ... vor; die Beschwerdeführer begehrten deren gerichtliche Ersetzung mit Antrag vom 29.02.2016 an das Bezirksgericht ..., welches erst einen Monat nach Erlassung des angefochtenen Bescheides über den Antrag einen weiteren Verhandlungstermin anberaumt hatte.

II. Entsprechend Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG erkennen Verwaltungsgerichte über Beschwerden gegen einen Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit. Gemäß § 27 iVm § 9 Abs. 1 Z 3 und 4 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit es nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der belangten Behörde gegeben findet, den angefochtenen Bescheid auf Grund der Gründe, auf die sich die Behauptung der Rechtswidrigkeit stützt, und des Begehrens zu überprüfen. Die Rechtssache ist gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG, sofern eine Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, durch Erkenntnis zu erledigen.

Gemäß § 17 VwGVG sind grundsätzlich auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG unter anderem die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles anzuwenden. Der somit sinngemäß auch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren anzuwendende §  38 AVG lautet:

„§ 38.

Sofern die Gesetze nicht anderes bestimmen, ist die Behörde berechtigt, im Ermittlungsverfahren auftauchende Vorfragen, die als Hauptfragen von anderen Verwaltungsbehörden oder von den Gerichten zu entscheiden wären, nach der über die maßgebenden Verhältnisse gewonnenen eigenen Anschauung zu beurteilen und diese Beurteilung ihrem Bescheid zugrunde zu legen. Sie kann aber auch das Verfahren bis zur rechtskräftigen Entscheidung der Vorfrage aussetzen, wenn die Vorfrage schon den Gegenstand eines anhängigen Verfahrens bei der zuständigen Verwaltungsbehörde bzw. beim zuständigen Gericht bildet oder ein solches Verfahren gleichzeitig anhängig gemacht wird.“

Der im Beschwerdeverfahren anzuwendenden Bestimmungen der Bauordnung für Wien – BO für Wien, LGBl. für Wien Nr. 11/1930, zuletzt geändert durch Wiener Landesgesetz, LGBl. für Wien Nr. 27/2016, lauten auszugsweise:

Formelle Erfordernisse bei Bauvorhaben

Ansuchen um Baubewilligung
§ 60.

(1) Bei folgenden Bauvorhaben ist, soweit nicht die §§ 62, 62a oder 70a zur Anwendung kommen, vor Beginn die Bewilligung der Behörde zu erwirken:

a)

und b) […]

c)

Änderungen oder Instandsetzungen von Bauwerken, wenn diese von Einfluss auf die Festigkeit, die gesundheitlichen Verhältnisse, die Feuersicherheit oder auf die subjektiv-öffentlichen Rechte der Nachbarn sind oder durch sie das äußere Ansehen oder die Raumeinteilung geändert wird, sowie jede Änderung der bewilligten Raumwidmungen oder des bewilligten Fassungsraumes eines Bauwerks; im Falle einer Änderung der Verwendung von Aufenthaltsräumen in Wohnzonen die rechtmäßig bestehende Benützung der Aufenthaltsräume als Wohnungen oder Betriebseinheiten im gesamten Gebäude, sofern diese unter Berücksichtigung der beantragten Änderung nicht ausdrücklich als Wohnungen oder Betriebseinheiten bereits gewidmet sind.

d)

bis j) […]

(2) und (3) […]“

Bauanzeige
§ 62.

(1) Eine Bauanzeige genügt für

1.

bis 3. […]

4.

alle sonstigen Änderungen und Instandsetzungen von Bauwerken (§60 Abs. 1 lit. c), die keine Änderung der äußeren Gestaltung des Bauwerkes bewirken, nicht die Umwidmung von Wohnungen betreffen und keine Verpflichtung zur Schaffung von Stellplätzen auslösen.

(2) Der Bauanzeige sind Baupläne in zweifacher Ausfertigung anzuschließen; sie sind vom Bauwerber und vom Planverfasser oder deren bevollmächtigten Vertretern zu unterfertigen. […]

(3) bis (7) […]“

Belege für das Baubewilligungsverfahren
§ 63.

(1) Für das Baubewilligungsverfahren hat der Bauwerber folgende Einreichunterlagen vorzulegen:

a)

und b) […]

c)

die Zustimmung des Eigentümers (aller Miteigentümer), wenn der Bauwerber nicht selbst Eigentümer oder nur Miteigentümer der Liegenschaft ist; sie kann auch durch Unterfertigung der Baupläne nachgewiesen werden;

d)

bis l) […]

(2) bis (5) […]“

III.1.1. Die Beschwerdeführer monieren erstmalig in ihrer Beschwerde - und erkennbar auch abweichend von den ihnen sonst gesetzten Verfahrenshandlungen zur gerichtlichen Ersetzung der Zustimmung der übrigen Miteigentümer -, dass die beantragten Baumaßnahmen nicht der Zustimmung der übrigen Miteigentümer der projektgegenständlichen Liegenschaft bedürfen, weil die in Rede stehenden Baumaßnahmen sich im Inneren des Wohnungseigentumsobjekts der Beschwerdeführer befänden. Neben Änderungen im Inneren des Gebäudes ist ausweislich des Einreichplanes auch der Einbau eines zweiten Rolltores bzw. der Abbruch/Entfernung zweier Fenster an der zum Innenhof gerichteten Außenfront des Gebäudes projektiert, somit nicht bloß Baumaßnahmen im Inneren des Gebäudes. Dafür wurde auch eine Bewilligung gemäß § 70 BO für Wien von den Beschwerdeführern beantragt.

Gemäß § 60 Abs. 1 lit. c BO für Wien bedürfen einer baubehördlichen Bewilligung unter anderem auch Änderungen von Bauwerken, wenn diese von Einfluss auf die Feuersicherheit oder durch sie das äußere Ansehen geändert wird. Dabei kommt es nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes allein darauf an, dass das äußere Ansehen des Gebäudes verändert wird, wobei diese Beurteilung unabhängig davon zu treffen ist, ob der geänderte Gebäudeteil von außen einsehbar ist oder nicht bzw. welchem Zweck die getroffene Maßnahme dient (VwGH vom 23.07.2013, Zl 2010/05/0089, dort im Zusammenhang etwa mit der Verlegung von Waschbetonplatten auf dem Flachdach). Bei der Änderung der äußeren Gestaltung eines Bauwerkes im Sinne des § 62 Abs. 1 Z 4 bzw. § 60 Abs. 1 lit. c BO für Wien kommt es auf das Erscheinungsbild des Gebäudes an; Änderungen betreffend die Position, Anzahl und Größe der Fenster, zählen ebenso zur äußeren Gestaltung wie, wo sich Öffnungen in den Außenwänden befinden (VwGH vom 23.06.2015, Zl 2013/05/0136). Ebenso wie die Herstellung fällt auch die Entfernung von Fenstern unter § 60 Abs. 1 lit. c leg. cit. (VwGH vom 05.03.2014 Zl 2011/05/0052 mwN; VwGH vom 25.04.2002, Zl 2001/05/1217, betreffend Mauerdurchbrüche).

Da das eingereichte Bauansuchen auf die Entfernung der an der hofseitigen Außenfront situierten beiden Fenster einerseits und andererseits über weite Teile der Fläche der bisherigen beiden Außenfenster der Einbau eines zweiten Rolltores an der hofseitigen Außenfront des Gebäudes projektiert ist, bedarf dieses Bauvorhaben einer baubehördlichen Bewilligung entsprechend § 60 Abs. 1 lit. c BO für Wien.

1.2. Gemäß § 63 Abs. 1 lit. c BO für Wien hat der Bauwerber für das Baubewilligungsverfahren die Zustimmung des Eigentümers (aller Miteigentümer), wenn der Bauwerber nicht selbst Eigentümer oder nur Miteigentümer der Liegenschaft ist, vorzulegen. Die Zustimmung sämtlicher Miteigentümer muss dabei liquide, somit unstrittig, vorliegen. Dabei ist die Zustimmung sämtlicher Miteigentümer Tatbestandsvoraussetzung für die Erteilung einer Baubewilligung.

Anders als die Beschwerdeführer vermeinen, ist dabei die Frage der Zustimmung des Eigentümers (aller Miteigentümer) im Sinne des § 63 Abs. 1 lit. c BO für Wien keine Vorfrage gemäß § 38 AVG, sondern ein Beleg des Bauansuchens (VwGH vom 17.02.1987, Zl 86/05/0120, und vom 27.01.1987, Zl 86/05/0169). Ebenso ist keine Vorfrage des baubehördlichen Bewilligungsverfahrens, ob die Zustimmung der Miteigentümer iSd § 63 Abs. 1 lit. c BO für Wien in einem gerichtlichen Verfahren erzwungen werden kann (VwGH vom 16.09.1997, Zl 97/05/0167, vom 15.05.1990, Zl 89/05/0219, oder vom 11.12.2012, Zl 2011/05/0019).

Im baubehördlichen Bewilligungsverfahren war daher auch keine Aussetzung bis zur Entscheidung des Bezirksgerichtes ... über die beantragte Ersetzung der Zustimmung der übrigen Miteigentümer eröffnet. Die Maßgabeentscheidung zu Spruchpunkt I.) des beschwerdegegenständlichen Bescheides war jedoch angezeigt, weil seitens der Bauwerber respektive Beschwerdeführer kein Rechtsanspruch auf Aussetzung des Verfahrens besteht und daher deren darauf gerichteter Antrag zurückzuweisen war (vgl. etwa Hengstschläger/Leeb, AVG2 § 38 (Stand 1.1.2014, rdb.at) Rz 64).

1.3. Fehlt die Zustimmung eines Grundeigentümers als Beleg des Bauansuchens, so hat die Baubehörde grundsätzlich mit der Erlassung eines Verbesserungsauftrages nach § 13 Abs. 3 AVG vorzugehen (etwa VwGH vom 23.02.2010, Zl 2009/05/0251). Dabei muss eine gemäß § 13 Abs. 3 AVG einzuräumende Frist dann, wenn der Antragsteller dem Gesetz entnehmen konnte, mit welchen Belegen er sein Ansuchen auszustatten hatte, nur zur Vorlage bereits vorhandener Unterlagen ausreichen, nicht jedoch zu deren Beschaffung (VwGH vom 12.5.1986, Zl 86/10/0064, vom 17.2.1987, Zl 86/05/0120, oder vom 29.06.1993, Zl 93/05/0127). Ist die Zustimmung der Miteigentümer erforderlich, ist ein Verbesserungsauftrag nach § 13 Abs. 3 AVG jedoch nicht anzuordnen, wenn sich ein Miteigentümer gegen das Bauvorhaben ausgesprochen hat, vielmehr ist sogleich mit einer Zurückweisung des Bauvorhabens mangels Zustimmung des Miteigentümers vorzugehen (VwGH vom 15.11.1984, Zl 84/06/0126, vom 31.8.1999, Zl 99/05/0143); dabei ist es nicht von Bedeutung, ob diese Zustimmung in einem gerichtlichen Verfahren erzwungen werden kann. Mangels vorliegender Zustimmung sämtlicher Miteigentümer war daher das Bauansuchen, wie von der belangten Behörde ebenso zutreffend ausgeführt, zurückzuweisen.

2. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden. Eine öffentliche mündliche Verhandlung wurde von keiner Partei beantragt und vom Verwaltungsgericht Wien nicht für erforderlich erachtet, zumal der entscheidungsrelevante Sachverhalt geklärt war und zur Lösung der aufgeworfenen Rechtsfragen im Sinne der Judikatur des EGMR eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist.

3. Der Ausspruch über die Unzulässigkeit der ordentlichen Revision gründet sich darauf, dass keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung einer zu lösenden Rechtsfrage vor, zumal die verfahrensgegenständliche Rechtsfragen klar aus dem Gesetz lösbar ist (vgl. Köhler, Der Zugang zum VwGH in der zweistufigen Verwaltungsgerichtsbarkeit, ecolex 2013, 589 ff, mwN).

Schlagworte

Bauansuchen; Zustimmung; Verbesserungsauftrag; Miteigentümer; Zurückweisung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGWI:2017:VGW.111.067.12043.2016

Zuletzt aktualisiert am

27.06.2018
Quelle: Landesverwaltungsgericht Wien LVwg Wien, http://www.verwaltungsgericht.wien.gv.at
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