TE Bvwg Beschluss 2018/6/14 W210 2008633-3

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 14.06.2018
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

14.06.2018

Norm

AsylG 2005 §9
AVG §38
B-VG Art.133 Abs4
VwGVG §17

Spruch

W210 2008633-3/2Z

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht beschließt durch die Richterin Dr. Anke SEMBACHER über die Beschwerde von XXXX, geboren am XXXX, StA. Afghanistan, vertreten durch die ARGE Rechtsberatung - Diakonie Flüchtlingsdienst gem. GmbH, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 01.04.2018, Zl. XXXX:

A)

Das Beschwerdeverfahren wird gemäß § 38 AVG iVm § 17 VwGVG bis zur Vorabentscheidung durch den Gerichtshof der Europäischen Union über das mit Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 14.12.2017, Ra 2016/20/0038, vorgelegte Vorabentscheidungsersuchen ausgesetzt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang:

1. Dem Beschwerdeführer wurde mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 17.05.2014, Zl. XXXX, gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan zuerkannt und ihm eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 19.05.2015 erteilt. Das BFA traf Länderfeststellungen zum Herkunftsstaat des Beschwerdeführers und führte hinsichtlich der Gewährung des Status des subsidiär Schutzberechtigten aus, den Angaben des Beschwerdeführers sei nicht zu entnehmen, dass der Beschwerdeführer im Falle seiner Rückkehr eine ausreichende Arbeitsmöglichkeit habe oder von seinen Verwandten versorgt werde. Aufgrund des fehlenden Sozialsystems könne nicht ausgeschlossen werden, dass der Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr in sein Heimatland nicht in der Lage sein werde, sich den notwendigen Unterhalt zu besorgen und sein Leben daher in Gefahr wäre.

2. Die befristete Aufenthaltsberechtigung wurde zuletzt mit Bescheid des BFA vom 16.03.2017 bis zum 19.05.2019 verlängert.

3. Mit Schreiben des BFA vom 24.07.2017 wurde dem Beschwerdeführer während aufrechter Untersuchungshaft mitgeteilt, dass ein Aberkennungsverfahren hinsichtlich seines Status als subsidiär Schutzberechtigter eingeleitet wurde.

4. Mit Bescheid des BFA vom 27.09.2017 wurde dem Beschwerdeführer der Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 9 Abs. 1 AsylG 2005 von Amts wegen aberkannt. Die erteilte befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter wurde entzogen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde nicht erteilt. Es wurde eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers nach Afghanistan zulässig sei. Eine Frist für die freiwillige Ausreise wurde nicht gewährt. Gegen den Beschwerdeführer wurde ein auf zehn Jahre befristetes Einreiseverbot erlassen und einer Beschwerde die aufschiebende Wirkung aberkannt. Die Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten begründete das BFA im Wesentlichen damit, dass sich die Lage in Afghanistan, insbesondere in Kabul, seit der Gewährung des subsidiären Schutzes wesentlich verbessert habe. Der Beschwerdeführer stelle zudem eine massive Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit sowie für das Kindeswohl und die Gesundheit der Bevölkerung dar. Eine Abschiebung berge keine Gefahr für den Beschwerdeführer. Gegen diesen Bescheid wurde Beschwerde erhoben.

5. Mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 25.10.2017, GZ W210 2008633-2/6E, wurde der Beschwerde gegen den Bescheid des BFA vom 27.09.2017 stattgegeben, der angefochtenen Bescheid behoben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an das BFA zurückverwiesen. Begründend führte das Bundesverwaltungsgericht im Wesentlichen aus, es könne nicht festgestellt werden, worin die maßgebliche Änderung der Lage im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers seit 16.03.2017 bestehe. Eine Aberkennung bedürfe einem sorgfältigen Ermittlungsverfahren zur aktuellen Lage im Herkunftsstaat sowie einer Prüfung der Situation des jeweiligen Antragstellers. Der Beschwerdeführer sei aber zu keinem Zeitpunkt des Aberkennungsverfahrens von der belangten Behörde einvernommen worden. Die belangte Behörde verkenne zudem, dass es bei der Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 9 Abs. 1 AsylG 2005 keiner Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit bedürfe.

6. Am 18.03.2018 wurde der Beschwerdeführer vor dem BFA niederschriftlich im Verfahren zur Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten einvernommen.

7. Mit gegenständlich angefochtenem Bescheid vom 01.04.2018, dem Beschwerdeführer in Strafhaft am 05.04.2018 durch persönliche Übernahme zugestellt, wurde dem Beschwerdeführer der Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 9 Abs. 1 AsylG 2005 von Amts wegen aberkannt (Spruchpunkt I.). Die mit Bescheid vom 16.03.2017 erteilte befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter wurde gemäß § 9 Abs. 4 AsylG 2005 entzogen (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Es wurde eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt IV.), festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt V.) und ausgesprochen, dass die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt VI.). Schließlich wurde gegen den Beschwerdeführer ein auf zehn Jahre befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt VII.).

Das BFA führte unter Zugrundelegung von Länderberichten mit Stand 30.01.2018 hinsichtlich der Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten aus, dass sich die Lage in Afghanistan in der Zwischenzeit wesentlich und nachhaltig verbessert habe. Dem Beschwerdeführer sei der Status des subsidiär Schutzberechtigten nur zuerkannt worden, da er bei seiner Rückkehr eventuell keine Arbeit gefunden hätte und sich daher seinen Lebensunterhalt nicht hätte verdienen können. Aus den aktuellen Länderfeststellungen ergebe sich jedoch eindeutig, dass es eine Verbesserung der Lage in Afghanistan, vor allem in Kabul, gegeben habe. Zuletzt seien sehr viele afghanische Staatsbürger freiwillig nach Afghanistan zurückgekehrt. Der Beschwerdeführer stamme aus Kabul und habe dort noch Anbindungen. Der Beschwerdeführer habe durch seine Reise, seinen Auslandsaufenthalt, seine zusätzlichen Sprachkenntnisse und seine Erfahrungen in den von ihm durchreisten Ländern sowie durch die Ausbildung und Sprachkenntnisse, die er in Österreich erworben habe, gegenüber vielen anderen jungen Männern in Afghanistan einen Startvorteil und werde sich daher am Arbeitsmarkt besser zurechtfinden. Die Sicherheitslage in Kabul sei unverändert stabil und deutlich ruhiger als noch vor zwei Jahren. Aus den individuellen persönlichen Verhältnissen des Beschwerdeführers ließe sich keine Gefährdung im Sinne des § 8 AsylG 2005 ableiten. Die Abschiebung stelle keine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 oder 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder 13 zur EMRK dar. Der Status des subsidiär Schutzberechtigten sei daher gemäß § 9 Abs. 1 AsylG 2005 abzuerkennen gewesen.

8. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer, unterstützt durch den ihm amtswegig beigegebenen Rechtsberater, fristgerecht Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht.

9. Am 25.04.2018 langte die gegenständliche Beschwerde samt Verwaltungsakt beim Bundesverwaltungsgericht ein.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

II.1. Zu Spruchpunkt A) - Aussetzung des Verfahrens:

Mit gegenständlich angefochtenem Bescheid wurde dem Beschwerdeführer der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan gemäß § 9 Abs. 1 AsylG 2005 aberkannt, da die die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten iSd § 8 Abs. 1 nach Ansicht der belangten Behörde nicht mehr vorliegen würden.

Der Verwaltungsgerichtshof hat dem Gerichtshof der Europäischen Union im Rahmen einer von ihm zu beurteilenden Revisionssache mit Beschluss vom 14.12.2017, Ra 2016/20/0038, folgende Frage der Auslegung des Unionsrechts zur Vorabentscheidung gemäß Art. 267 AEUV vorgelegt:

"Stehen die unionsrechtlichen Bestimmungen, insbesondere Art. 19 Abs. 3 der Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 (Statusrichtlinie) einer nationalen Bestimmung eines Mitgliedstaates betreffend die Möglichkeit der Aberkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten entgegen, wonach auf Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten erkannt werden kann, ohne dass sich die für die Zuerkennung relevanten Tatsachenumstände selbst geändert haben, sondern nur der diesbezügliche Kenntnisstand der Behörde eine Änderung erfahren hat und dabei weder eine falsche Darstellung noch das Verschweigen von Tatsachen seitens des Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen für die Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus ausschlaggebend waren?".

Das Vorabentscheidungsverfahren wird im EU-Register unter der Zahl EU 2017/0011-1 geführt und ist beim Gerichtshof der Europäischen Union zur Zahl C-720/17 anhängig.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes entspricht es nach § 38 AVG dem Gesetz, im Fall von beim EuGH anhängigen Vorabentscheidungsverfahren ein Verwaltungsverfahren auszusetzen, wenn die zu entscheidende Vorlagefrage für das Verfahren präjudiziell ist (vgl. z.B. VwGH 28.10.2008, 2008/05/0129; 09.12.2010, 2009/09/0260; 26.04.2011, 2011/03/0015; 09.11.2011, 2011/22/0284; 13.12.2011, 2011/22/0316).

§ 38 AVG ist gemäß § 17 VwGVG im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht anwendbar.

Die dem Gerichtshof der Europäischen Union vorgelegte Frage, die zufolge des Auslegungsmonopols des Gerichtshofes der Europäischen Union in Angelegenheiten des Unionsrechts von diesem zu entscheiden ist, ist auch für das gegenständliche Beschwerdeverfahren von entscheidender Bedeutung, zumal auch dem vorliegenden Verfahren die Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach § 9 Abs. 1 AsylG 2005 durch die belangte Behörde zugrunde liegt.

Das Beschwerdeverfahren wird daher bis zur Vorabentscheidung durch den Gerichtshof der Europäischen Union über das Vorabentscheidungsersuchen des Verwaltungsgerichtshofes gemäß § 38 AVG iVm § 17 VwGVG ausgesetzt.

Diese Entscheidung hat mit nicht bloß verfahrensleitendem (vgl. VwGH 20.05.2015, Ra 2015/10/0023, 0024; 24.03.2015, Ro 2014/05/0089; 28.10.2015, Ra 2015/10/0102) Beschluss zu ergehen.

II.2. Zu Spruchpunkt B) - Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab noch fehlt es an einer Rechtsprechung oder bestünden Zweifel an der Präjudizialität der Vorlagefrage für das vorliegende Verfahren; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten, Aussetzung,
EuGH, Unionsrecht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:W210.2008633.3.00

Zuletzt aktualisiert am

27.06.2018
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten