TE Vwgh Erkenntnis 2000/2/23 99/12/0334

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Veröffentlicht am 23.02.2000
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Index

L24003 Gemeindebedienstete Niederösterreich;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
67 Versorgungsrecht;

Norm

B-VG Art140;
B-VG Art7 Abs1;
B-VG Art9a Abs3;
GdBDO NÖ 1976 §11;
GdBDO NÖ 1976 §4;
GdBDO NÖ 1976 §58 Abs3 Z2;
HVG §21 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldner und die Hofräte Dr. Germ, Dr. Höß, Dr. Riedinger und Dr. Waldstätten als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Ogris, über die Beschwerde des Ing. F in S, vertreten durch Dr. Vera Kremslehner, Rechtsanwalt in Wien I, Singerstraße 12/9, gegen den Bescheid des Stadtsenates der Landeshauptstadt St. Pölten vom 27. Oktober 1999, Zl. 00/37/9h/1999/Mag.De/Ku, betreffend Ruhegenussbemessung nach der Nö. Gemeindebeamten-Dienstordnung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Auf Grund der Beschwerde und des angefochtenen Bescheides geht der Verwaltungsgerichtshof von Folgendem aus:

Der im März 1941 geborene Beschwerdeführer steht seit 1. Juli 1999 in einem öffentlich-rechtlichen Ruhestandsverhältnis zur Landeshauptstadt St. Pölten. Er stand in der Zeit vom 1. September 1962 bis zu seiner auf Grund seines Antrages mit Ablauf des 30. Juni 1999 erfolgten Ruhestandsversetzung in einem aktiven Dienstverhältnis zur genannten Gebietskörperschaft. Vor der Begründung dieses Dienstverhältnisses leistete der Beschwerdeführer in der Zeit vom 2. Oktober 1961 bis zum 29. Juni 1962 seinen ordentlichen Präsenzdienst ab. Wegen einer in Ausübung des Präsenzdienstes erlittenen Gesundheitsschädigung (Fraktur des 11.

- so die Angaben in der Beschwerde - oder 12. "BWK" - so die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid) bezieht er eine Beschädigtenrente nach dem Heeresversorgungsgesetz (HVG).

Mit Bescheid vom 10. Mai 1999 setzte der Magistrat der Landeshauptstadt St. Pölten (in der Folge wird nur die jeweilige Gemeindebehörde ohne Hinweis auf die Gebietskörperschaft genannt) gemäß §§ 55 der Niederösterreichischen Gemeindebeamten-Dienstordnung (NÖ GBDO) den Ruhegenuss des Beschwerdeführers fest. Die Behörde ging dabei von einer ruhegenussfähigen Gesamtdienstzeit von 39 Jahren und 11 Monaten aus, wobei darin auch der oberwähnte Präsenzdienst zur Gänze enthalten ist, weshalb dem Beschwerdeführer ein Ruhegenuss im Ausmaß von 100 Prozent der Ruhegenussbemessungsgrundlage gebühre. Die Ruhegenussbemessungsgrundlage betrage 76,5 Prozent des ruhegenussfähigen Monatsbezuges. Der Abzug in der Höhe von 3,5 Prozent gründe sich auf § 58 Abs. 2 NÖ GBDO, weil der Beschwerdeführer zum Zeitpunkt seiner Versetzung in den Ruhestand das 60. Lebensjahr noch nicht vollendet habe.

In seiner Berufung wandte sich der Beschwerdeführer ausschließlich gegen diese "Einkürzung" der Ruhegenussbemessungsgrundlage und brachte im Wesentlichen vor, diese sei nicht gerechtfertigt, da in seinem Fall der Ausnahmetatbestand nach § 58 Abs. 3 Z. 2 NÖ GBDO zutreffe. Der Bezug einer Beschädigtenrente nach dem HVG sei nämlich der (im Gesetz genannten) Versehrtenrente aus der Unfallversicherung der öffentlich Bediensteten praktisch gleichzuhalten; dies gelte umso mehr, als eine Novelle der NÖ GBDO beabsichtigt sei, wonach in Zukunft ein Abschlag von der Bemessungsgrundlage des öffentlichrechtlichen Ruhebezuges nicht vorzunehmen sei, wenn der Beamte eine Versehrtenrente aus irgendeiner gesetzlichen Unfallversicherung beziehe. Es möge daher im Beschwerdefall bei der Bemessung seines Ruhegenusses von einer Ruhegenussbemessungsgrundlage von 80 Prozent ausgegangen werden.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 27. Oktober 1999 wies die belangte Behörde die Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG als unbegründet ab. Nach Darstellung der Kürzungsregelung bei einer Ruhestandsversetzung vor Vollendung des 60. Lebensjahres nach § 58 Abs. 2 NÖ GBDO führte sie aus, die Ausnahmebestimmung des § 58 Abs. 3 Z. 2 leg. cit. (Entfall der Kürzung) komme nur dann in Betracht, wenn beide dort genannten Voraussetzungen, nämlich dass einerseits die Dienstunfähigkeit, die Anlass für die Ruhestandsversetzung gegeben habe, durch einen Dienstunfall bzw. eine Berufskrankheit ausgelöst worden sei und andererseits der Bezug einer Versehrtenrente aus der Unfallversicherung der öffentlich Bediensteten gerade wegen des Dienstunfalls bzw. der Berufskrankheit gebühre, kumulativ erfüllt werden. Dem vom Beschwerdeführer aus der Berücksichtigung des Präsenzdienstes für die Ermittlung der ruhegenussfähigen Gesamtdienstzeit im öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis gezogenen Schluss, er habe den während des Präsenzdienstes erlittenen Unfall, für den er Beschädigtenrente nach dem HVG beziehe, in "Ausübung eines öffentlich- rechtlichen Dienstverhältnisses" erlitten, sei der Wortlaut des § 58 Abs. 3 Z. 2 NÖ GBDO entgegenzuhalten. Bei noch so weiter Auslegung finde sich kein Hinweis auf eine Gleichstellung der Rente (hier: nach dem HVG), wie sie der Beschwerdeführer beziehe, mit einer Versehrtenrente aus der Unfallversicherung der öffentlich Bediensteten. Die Unterschiede in den verschiedenen Anspruchsgrundlagen und "Bezugsstellen" der beiden Renten könne nicht durch die vom Beschwerdeführer versuchte Konstruktion überbrückt werden. Dem eindeutigen Wortlaut des Gesetzes lasse sich ein solcher Verweis nicht entnehmen; der belangten Behörde sei im Sinne des Art. 18 B-VG eine gesetzeserweiternde Auslegung dieser Bestimmung daher nicht gestattet. Analogie wäre nur bei Vorliegen einer "echten Gesetzeslücke" zulässig. Die NÖ GBDO weise demgegenüber einen klar umrissenen Tatbestand auf, weshalb nicht von einer planwidrigen Lücke auszugehen sei. Die im Bescheid der Behörde erster Instanz vorgenommene Kürzung sei schon allein aus diesem Grund rechtmäßig vorgenommen worden; es habe daher die Prüfung der zweiten Voraussetzung nach § 58 Abs. 3 Z. 2 NÖ GBDO (Kausalität des Dienstunfalls für die für die Ruhestandsversetzung maßgebende Dienstunfähigkeit) entfallen können. Der Hinweis auf eine bevorstehende Novelle der NÖ GBDO gehe ins Leere, weil die mittlerweile erfolgte Novellierung (Kundmachung am 16. September 1999) § 58 leg. cit. nicht betroffen habe. Die Entscheidung der belangten Behörde beruhe daher auf einer gegenüber dem Zeitpunkt der Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides unveränderten Rechtslage. Da die Berechnungsmethode nicht als unrichtig angefochten worden sei und auch kein Grund bestehe, an der rechnerischen Richtigkeit derselben zu zweifeln, sei die Ermittlung der Höhe des Ruhegenusses nicht mehr zu prüfen gewesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

I. Rechtslage

1. NÖ GBDO

Gemäß § 59 Abs. 1 NÖ GBDO, LGBl. 2440-28 (Paragraphenzitate ohne Gesetzesangabe beziehen sich auf diese Vorschrift), wird der Ruhegenuss auf Grund des ruhegenussfähigen Monatsbezuges und der ruhegenussfähigen Gesamtdienstzeit ermittelt, wobei 80 v.H. des ruhegenussfähigen Monatsbezuges die Ruhegenussbemessungsgrundlage bilden.

Das Ausmaß des Ruhegenusses beträgt gemäß der im Beschwerdefall anzuwendenden 15. Übergangsbestimmung zur GBDO-Novelle LGBl. 2400-27 in Verbindung mit § 58 Abs. 1 bei einer ruhegenussfähigen Gesamtdienstzeit von 10 Jahren 50 % der Ruhegenussbemessungsgrundlage. Er erhöht sich für jedes weitere ruhegenussfähige Dienstjahr um 2,22 % und für jeden restlichen ruhegenussfähigen Dienstmonat um 0,185 % (Z. 2 lit. b der genannten Übergangsbestimmung).

Die ruhegenussfähige Gesamtdienstzeit, welche sich aus der Dienstzeit des Gemeindebeamten im öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zur Gemeinde und den für den Ruhegenuss anzurechnenden Zeiträumen zusammensetzt, ist in vollen Jahren und Monaten auszudrücken; Bruchteile eines Monates bleiben unberücksichtigt (§ 55 Abs. 2).

§ 11 regelt die für den Ruhe(Versorgungs-)genuss anzurechnenden Zeiträume. Gemäß Abs. 1 lit. d ist u.a. die Zeit der Erfüllung einer inländischen Wehrdienstpflicht für die Bemessung des Ruhe-(Versorgungs-)genusses (Anspruch und Prozentausmaß) anzurechnen.

§ 58 Abs. 2 bis 4 (eingefügt durch die 28. Novelle LGBl. 2400-28 = LGBl. Nr. 87/1996; die genannten Bestimmungen sind am Tag nach der Kundmachung, dh am 19. Juli 1996 in Kraft getreten) lauten:

"(2) Für jedes Monat, der zwischen dem Zeitpunkt der Wirksamkeit der Versetzung in den Ruhestand und dem Tag der Vollendung des 60. Lebensjahres des Gemeindebeamten liegt, ist die Ruhegenussbemessungsgrundlage von 80 % um 0,1667 Prozentpunkte, höchstens jedoch um 18 Prozentpunkte zu kürzen. Bruchteile von Monten gelten dabei als voller Monat. Das sich aus dieser Kürzung ergebende Prozentausmaß der Ruhegenussbemessungsgrundlage ist auf zwei Kommastellen zu runden.

(3) Eine Kürzung nach Abs. 2 findet nicht statt

1. im Fall des im Dienststand eingetretenen Todes des Gemeindebeamten,

2. wenn die Ruhestandsversetzung wegen Dienstunfähigkeit auf einen Dienstunfall oder eine Berufskrankheit zurückzuführen ist und dem Gemeindebeamten aus diesem Grund eine Versehrtenrente aus der Unfallversicherung der öffentlich Bediensteten gebührt.

(4) Der Ruhegenuss darf 40 % des ruhegenussfähigen Monatsbezuges nicht unterschreiten."

Gemäß § 4 Abs. 3 lit. c in Verbindung mit Abs. 2 Z. 1 werden Zeiten einer Wehrdienstleistung (bei einem Beschäftigungsausmaß von mindestens 50 % des für die Vollbeschäftigung vorgesehenen Ausmaßes) für die Ermittlung des Stichtages zur Gänze dem Tag der Aufnahme vorangesetzt.

2. Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz (B-KUVG)

In der Kranken- und Unfallversicherung sind, sofern nicht eine Ausnahme nach den §§ 2 und 3 gegeben ist, u.a. die in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zu einer Gemeinde stehenden Dienstnehmer versichert (§ 1 Abs. 1 Z. 1 B-KUVG).

Eine Ausnahme von der Unfallversicherung nach § 3 B-KUVG liegt im Beschwerdefall nicht vor.

Nach § 90 Abs. 1 B-KUVG sind Dienstunfälle Unfälle, die sich im örtlichen, zeitlichen und ursächlichen Zusammenhang mit dem die Versicherung begründenden Dienstverhältnis oder mit der die Versicherung begründenden Funktion ereignen. Abs. 2 dieser Bestimmung regelt abschließend, welche weiteren Unfälle auch als Dienstunfälle gelten (wie zB Wegunfälle zur oder von der Dienststätte nach Z. 1). Unfälle während des Präsenzdienstes finden sich nicht in dieser Aufzählung.

§ 91 B-KUVG regelt abschließend, welche Unfälle Dienstunfällen gleichgestellt sind. Abs. 2 dieser Bestimmung lautet:

"(2) Den Dienstunfällen sind ferner Ereignisse gleichgestellt, durch die eine Person, die gemäß dem Bundesverfassungsgesetz über Kooperation und Solidarität bei der Entsendung von Einheiten und Einzelpersonen in das Ausland (KSE-BVG), BGBl. I Nr. 38/1997, entsendet wird, eine körperliche Schädigung erlitten hat, sofern das schädigende Ereignis im örtlichen, zeitlichen und ursächlichen Zusammenhang mit dem Auslandseinsatz steht und nicht aus demselben schädigenden Ereignis ein Versorgungsanspruch nach dem Heeresversorgungsgesetz besteht. Die Leistungen der Unfallversicherung werden auch gewährt, wenn die betreffende Person nicht nach diesem Bundesgesetz unfallversichert ist."

Bemessungsgrundlage der Versehrtenrente ist grundsätzlich der Monatsbezug im Zeitpunkt des Eintritts des Versicherungsfalles ( § 93 Abs.1 leg cit)

Der Anspruch auf Versehrtenrente besteht nach § 101 Abs. 1 B-KUVG, wenn die Erwerbsfähigkeit des Versehrten durch die Folgen eines Dienstunfalles oder einer Berufskrankheit über drei Monate nach dem Eintritt des Versicherungsfalles hinaus um mindestens 2o vH vermindert ist; die Versehrtenrente gebührt für die Dauer der Minderung der Erwerbsfähigkeit um mindestens 20 vH.

3. Heeresversorgungsgesetz (HVG)

Nach § 1 Abs. 1 Satz 1 HVG ist u.a. eine Gesundheitsschädigung, die ein Soldat infolge des ordentlichen oder außerordentlichen Präsenzdienstes (§ 27 des Wehrgesetzes 1990, BGBl. Nr. 305) erlitten hat, nach Maßgabe dieses Gesetzes als Dienstbeschädigung zu entschädigen (§ 2).

Gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 leg. cit. ist eine Gesundheitsschädigung als Dienstbeschädigung im Sinne des § 1 anzuerkennen, wenn und soweit die festgestellte Gesundheitsschädigung zumindest mit Wahrscheinlichkeit auf das schädigende Ereignis oder die der Dienstleistung eigentümlichen Verhältnisse ursächlich zurückzuführen ist.

Der Beschädigte hat gemäß § 21 Abs. 1 HVG Anspruch auf Beschädigtenrente, wenn seine Erwerbsfähigkeit infolge der Dienstbeschädigung über drei Monate nach dem Eintritt der Gesundheitsschädigung (§ 2) hinaus um mindestens 25 vH vermindert ist; die Beschädigtenrente gebührt für die Dauer der Minderung der Erwerbsfähigkeit um mindestens 25 vH. Unter Minderung der Erwerbsfähigkeit im Sinne dieses Bundesgesetzes ist die durch Dienstbeschädigung bewirkte körperliche Beeinträchtigung im Hinblick auf das allgemeine Erwerbsleben zu verstehen.

Der Beschwerdeführer bringt unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit des Inhaltes vor, von der ruhegenussfähigen Gesamtdienstzeit sei auch der von ihm geleistete Präsenzdienst im vollen Ausmaß (8 Monate und 28 Tage) erfasst; er sei auch als Vordienstzeit anzurechnen gewesen. Es sei daher auch sein Präsenzdienst als Dienstzeit angesehen worden; er habe sich auf seine dienst- und besoldungsrechtliche Stellung ausgewirkt und sei auch für das Ausmaß seines Ruhe(Versorgungs)genusses bedeutsam. Die Anrechnung des Präsenzdienstes sei seines Erachtens auch verfassungsrechtlich geboten, weil gemäß Art. 9a B-VG jeder männliche österreichische Staatsbürger wehrpflichtig sei. Seine Anrechnung als Dienstzeit habe die Konsequenz, dass während dieses Zeitraumes neben den wehrrechtlichen Bestimmungen auf ihn auch die einschlägigen Bestimmungen der NÖ GBDO anzuwenden gewesen seien. Sein während der Ableistung des Präsenzdienstes im Jahr 1962 erlittener Unfall sei daher als Dienstunfall anzusehen. Die von ihm nach dem HVG bezogene Beschädigtenrente sei einer Versehrtenrente aus der Unfallversicherung der öffentlich Bediensteten gleichzuhalten. Es könne keinen Unterschied machen, wer als "Zahlstelle" auftrete. Schon mit der derzeit gültigen Formulierung des § 58 Abs. 3 NÖ GBDO habe der Landesgesetzgeber zum Ausdruck bringen wollen, dass auf Grund eines Dienstunfalls eine Rente aus (irgend)einer gesetzlichen Unfallversicherung oder einer ihr gleichzuhaltenden Einrichtung bezogen werden müsse. Im Übrigen habe der Gesetzgeber (in der Zwischenzeit) die Wortfolge des § 58 Abs. 3 Z. 2 leg. cit. insoweit abgeändert, als die Worte "der Unfallversicherung der öffentlich Bediensteten" durch die Worte "einer gesetzlichen Unfallversicherung" ersetzt worden seien. Der Gesetzgeber habe sich auf Grund einer verfassungskonformen Auslegung zu einer Abänderung im Sinn einer Klarstellung veranlasst gesehen. Seiner Meinung nach werde nämlich bei der Auslegung, wie sie die belangte Behörde vornehme, das Grundrecht auf Eigentum verletzt, weil es zu einer willkürlichen und gleichheitswidrigen Differenzierung komme, sei es doch danach rechtlich relevant, in welchem "Dienstabschnitt" sich ein Dienstunfall ereigne und von welcher "Zahlstelle" eine Rente bezogen werde. Er erfülle beide Voraussetzungen nach § 58 NÖ GBDO (Dienstunfall; Bezug einer Rente auf Grund dieses Unfalles). Ausgehend von ihrer irrigen Rechtsmeinung habe es die belangte Behörde unterlassen, die Kausalität seines während des Präsenzdienstes erlittenen Dienstunfalls für seine Dienstunfähigkeit und Ruhestandsversetzung im öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zu prüfen. Die nach dem Gesetz erforderliche Kausalität sei jedenfalls gegeben (wird näher ausgeführt). Wegen fehlender Ermittlungen und Feststellungen zu diesem Punkt liege auch eine Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften vor.

Dem ist Folgendes zu erwidern:

Die Ausnahmebestimmung von der Kürzungsregelung bei der Ruhegenussbemessung im Falle einer Ruhestandsversetzung wegen Dienstunfähigkeit vor Vollendung des 60. Lebensjahres setzt nach § 58 Abs. 3 Z. 2 NÖ GBDO voraus:

1. die Kausalität eines Dienstunfalls oder einer Berufskrankheit für die wegen Dienstunfähigkeit erfolgte Ruhestandsversetzung des Gemeindebeamten und

2. den aus diesem Grund (dh wegen des Dienstunfalls bzw. der Berufskrankheit) erfolgenden Bezug einer Versehrtenrente aus der Unfallversicherung der öffentlich Bediensteten.

Ist auch nur eine dieser Voraussetzungen nicht gegeben, findet diese Ausnahmebestimmung von der Kürzungsregelung keine Anwendung.

Die belangte Behörde hat die Anwendbarkeit des § 58 Abs. 3 Z. 2 leg. cit. schon deshalb verneint, weil die vom Beschwerdeführer wegen seiner während des Präsenzdienstes erlittenen Dienstbeschädigung nach dem HVG bezogene Beschädigtenrente keine Rente aus der Unfallversicherung der öffentlich Bediensteten sei.

Entgegen den Ausführungen des Beschwerdeführers hat der niederösterreichische Landesgesetzgeber - anders als der Bundesgesetzgeber (vgl. dazu die durch Art. III Z. 4 der 1. Dienstrechts-Novelle 1998, BGBl. I Nr. 123 rückwirkend ab 1. Mai 1996 erfolgte Abänderung des § 4 Abs. 4 Z. 2 des Pensionsgesetzes 1965 alte Fassung, die dem § 58 Abs. 3 Z. 2 NÖ GBDO inhaltlich entspricht) - die Wortfolge "aus der Unfallversicherung der öffentlich Bediensteten" bisher nicht durch die Wendung "aus einer gesetzlichen Unfallversicherung" ersetzt.

Aus der Sicht des Beschwerdefalles kann die normative Bedeutung einer solchen Änderung dahingestellt bleiben, insbesondere die Frage, ob eine solche Änderung (wie sie der Bundesgesetzgeber bereits vorgenommen hat) zu einer Erweiterung des Anwendungsbereiches der Ausnahmeregelung von der Kürzungsbestimmung (hier: nach § 58 Abs. 3 Z. 2 NÖ GBDO) führen würde oder ob es sich bloß um eine Klarstellung der (allenfalls begrifflich missglückten) bisherigen Wendung handelte. Selbst wenn letzteres zuträfe und daher schon die jetzige Formulierung des § 58 Abs. 3 Z. 2 NÖ GBDO so zu verstehen wäre, dass darunter eine Versehrtenrente aus (irgend)einer gesetzlichen Unfallversicherung fiele, was im Folgenden (hypothetisch) unterstellt wird, führt dies die Beschwerde nicht zum Erfolg.

Zwar definiert die NÖ GBDO in ihrem § 58 Abs. 3 Z. 2 (ebenso wie das Pensionsgesetz 1965 in seinem § 4 Abs. 4 Z. 2) nicht den Begriff des "Dienstunfalls" (nur dieser Fall ist hier von Bedeutung, sodass auf die Berufskrankheiten in der Folge nicht eingegangen wird), sondern setzt ihn als bekannt voraus. Durch die Verknüpfung mit dem Erfordernis des Bezugs einer Versehrtenrente (nach dem B-KUVG bzw. von einer sonstigen gesetzlichen Unfallversicherung) aus diesem Grund (dh hier wegen eines Dienstunfalls) wird aber hinreichend klargestellt, dass nicht jedem Unfall diese Eigenschaft zukommt. Nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes hat nämlich der dem § 58 Abs. 3 Z. 2 NÖ GBDO (hypothetisch) unterstellte Inhalt (d.h. das Ausreichen einer Versehrtenrente aus irgendeiner gesetzlichen Unfallversicherung, was jedenfalls im Pensionsrecht des Bundes gilt) lediglich den Entfall der Voraussetzung des Bezuges einer Unfallrente aus der Unfallversicherung der öffentlich Bediensteten zur Folge, nichts jedoch an der weiteren Voraussetzung des notwendigen Nahebezuges zu einem Dienstverhältnis zu der betreffenden Gebietskörperschaft geändert, der mit dem Begriff "Dienstunfall" verbunden ist (wofür im Bundesbereich auch die Entstehungsgeschichte spricht). Einer Regelung mit diesem Inhalt ist z.B. ein Beamter zu unterstellen, der als Vertragsbedienster (nach Altrecht) derselben Gebietskörperschaft einen Dienstunfall erlitten hat und deshalb eine Unfallrente nach dem ASVG bezieht, wenn er später von dieser Gebietskörperschaft in ein öffentlich-rechtliches Dienstverhältnis übernommen wurde und für seine wegen Dienstunfähigkeit im öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis erfolgte Ruhestandsversetzung jener Dienstunfall eine wesentliche Bedingung war. In diesem Sinn nimmt die Bestimmung nach Einführung der Kürzungsregelung für den Fall einer wegen Dienstunfähigkeit vor dem 60. Lebensjahr erfolgten Ruhestandsversetzung einen Riskenausgleich vor und lässt den Dienstgeber des öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnisses nur für bestimmte Ereignisse einstehen, die sich in diesem zeitlich eingegrenzten Bereich ereignet haben. Zur Klarstellung verweist der Verwaltungsgerichtshof darauf, dass damit keine abschließende Klärung der Folgen für die Ruhegenussbemessung von vor Vollendung des 60. Lebensjahres in den Ruhestand versetzten Beamten, insbesondere in jenen Fällen vorgenommen wird, in denen sich das "berentete" Unfallgeschehen während eines formell bestehenden Dienstverhältnisses zur Gebietskörperschaft, ereignet hat, in dem aber auf Grund von Gesetzen (wie z.B. Absolvierung des Präsenzdienstes oder von Teilen desselben während eines bestehenden Dienstverhältnisses zu dieser Gebietskörperschaft) oder dienstrechtlichen Verfügungen (wie z.B. Außerdienststellung, Karenzierung usw.) keine Pflicht zur Besorgung dienstlicher Aufgaben bestand.

Dieser oben umschriebene Nahebezug ist im Beschwerdefall deshalb nicht gegeben, weil der Beschwerdeführer während seines im Jahr 1962 absolvierten Präsenzdienstes in keinem Dienstverhältnis zur Landeshauptstadt St. Pölten stand, ein solches vielmehr erst später begründet wurde. Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers kann aber auch nicht allein aus dem Umstand, dass der Präsenzdienst bei der Ermittlung des Vorrückungsstichtages voll zu berücksichtigen ist und er auch einen für den Ruhe(Versorgungs)genuss nach § 11 Abs. 1 lit. d NÖ GBDO anzurechnenden Zeitraum (Teil der ruhegenussfähigen Gesamtdienstzeit) begründet, zwingend geschlossen werden, dass eine während des Präsenzdienstes erlittene Dienstbeschädigung, für die eine Beschädigtenrente nach dem HVG gebührt, schon deshalb ein Dienstunfall im Sinn des § 58 Abs. 3 Z. 2 NÖ GBDO ist. Nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes beschränken sich die §§ 4 und 11 leg. cit. auf die dort vorgesehenen "Anrechnungen" für den Vorrückungsstichtag bzw. die ruhegenussfähige Gesamtdienstzeit.

Eine in Ausübung des Präsenzdienstes vor Beginn des Dienstverhältnisses zu einer Gebietskörperschaft erlittene Dienstbeschädigung, für die der Betroffene eine Beschädigtenrente nach dem HVG bezieht, ist kein Dienstunfall im Sinn des § 58 Abs. 3 Z. 2 NÖ GBDO und begründet daher nicht die Anwendbarkeit dieser Bestimmung.

Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers hat der Verwaltungsgerichtshof gegen den in diesem Sinn ausgelegten § 58 Abs. 3 Z. 2 NÖ GBDO auch keine verfassungsrechtlichen Bedenken. Es liegt im rechtspolitischen Gestaltungsspielraum des einfachen Gesetzgebers und ist unter dem Blickwinkel des Gleichheitsgrundsatzes nicht zu beanstanden, wenn der Begriff des Dienstunfalls als Anknüpfungspunkt für eine pensionsrechtliche Besserstellung im Fall der Ruhestandsversetzung vor Vollendung des 60. Lebensjahres sich nur auf Schadensereignisse (Unfälle) beschränkt, die zum (öffentlich-rechtlichen) Dienstverhältnis in einem engen Naheverhältnis stehen, und Unfälle während des Präsenzdienstes davon nicht erfasst werden. Daran ändert auch die in Art. 9a Abs. 3 Satz 1 B-VG verfassungsrechtlich verankerte Wehrpflicht männlicher österreichischer Staatsbürger nichts, der im Dienstrecht durch "Anrechnungsbestimmungen" (hier: §§ 4 und 11 NÖ GBDO) Rechnung getragen wird.

Es war daher im Ergebnis nicht rechtswidrig, wenn die belangte Behörde im Beschwerdefall die Anwendbarkeit des § 58 Abs. 3 Z. 2 NÖ GBDO verneinte, ohne dass es erforderlich war, die Kausalität des vom Beschwerdeführer erlittenen Unfalls während des Präsenzdienstes für seine Dienstunfähigkeit im Sinn der NÖ GBDO und die deshalb erfolgte Ruhestandsversetzung zu prüfen, sodass auch die diesbezügliche Verfahrensrüge bzw. der geltend gemachte sekundäre Verfahrensmangel ins Leere geht.

Da bereits die Beschwerde ihrem Inhalt nach erkennen ließ, dass die vom Beschwerdeführer behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war sie ohne weiteres Verfahren und weitere Kosten für den Beschwerdeführer in nichtöffentlicher Sitzung gemäß § 35 Abs.1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Wien, am 23. Februar 2000

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2000:1999120334.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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