TE Vwgh Erkenntnis 2000/2/23 97/09/0042

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Veröffentlicht am 23.02.2000
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Index

66/01 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz;
66/03 Sonstiges Sozialversicherungsrecht;
67 Versorgungsrecht;

Norm

ASVG §292;
BPGG 1993 §1;
BPGG 1993 §3 Abs1 Z5;
BPGG 1993 §7;
KOVG 1957 §36 Abs2;
KOVG 1957 §46b Abs1;
KOVG 1957 §76 Abs1;
KOVG 1957 §76;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Händschke, Dr. Blaschek, Dr. Rosenmayr und Dr. Bachler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. S. Giendl, über die Beschwerde der A in Wien, vertreten durch Dr. Walter Kainz, Rechtsanwalt in Wien IV, Gußhausstraße 23, gegen den Bescheid des Bundesministers für Arbeit und Soziales vom 30. Dezember 1996, Zl. 947.201/1-5/96, betreffend Gewährung eines Diätzuschusses im Wege eines Härteausgleiches nach § 76 Kriegsopferversorgungsgesetz 1957, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem gemäß § 73 Abs. 2 AVG im Devolutionsweg ergangenen angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 30. Dezember 1996 wurde der Antrag der Beschwerdeführerin vom 20. September 1995 auf Gewährung eines Diätzuschusses im Wege eines Härteausgleiches gemäß § 76 des Kriegsopferversorgungsgesetzes 1957 (KOVG 1957) abgewiesen.

Zur Begründung seiner Entscheidung führte der Bundesminister für Arbeit und Soziales aus, die Beschwerdeführerin beziehe seit 1. Jänner 1950 nach ihrem im Jahr 1944 verstorbenen Ehegatten einen Härteausgleich in der Höhe des jeweiligen Betrages an Witwenbeihilfe. Im Fall der Beschwerdeführerin ergebe sich aus der Bestimmung des § 46b Abs. 1 Z. 4 KOVG 1957 eine besondere Härte. Das unter ärztlicher Mitwirkung durchgeführte Ermittlungsverfahren habe ergeben, dass bei der Beschwerdeführerin ein mit einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von 50 v.H. einzustufendes Magenleiden vorliege, welches Diätverpflegung erfordere. Die Beschwerdeführerin habe jedoch mangels Bezuges der Grundleistung (Witwenbeihilfe) keinen gesetzlichen Anspruch auf eine Diätzulage. Eine positive Ermessensübung (Gewährung eines Härteausgleiches) komme im Falle der Bedürftigkeit der Beschwerdeführerin in Betracht. Diese Bedürftigkeit verneinte die belangte Behörde jedoch mit der Begründung, die Beschwerdeführerin verfüge über Einkünfte von rund S 21.300,-- aus der (im Wege eines Härteausgleiches gewährten) vollen Witwenbeihilfe und aus einem Pflegegeld der Stufe 5 nach dem Bundespflegegeldgesetz. Bei diesen wirtschaftlichen Verhältnissen sei Bedürftigkeit nicht gegeben.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die Beschwerdeführerin erachtet sich nach ihrem gesamten Beschwerdevorbringen durch den angefochtenen Bescheid in dem Recht auf fehlerfreie (positive) Ermessensübung bei Prüfung ihrer Bedürftigkeit bzw. Entscheidung über ihren Antrag auf Gewährung eines Härteausgleiches verletzt. Sie beantragt, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes sowie wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften kostenpflichtig aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der angefochtene Bescheid richtet sich nach seinem Inhalt im Zusammenhang mit der Zustellverfügung unzweifelhaft an die Beschwerdeführerin. Die in der Beschwerde erhobene Rüge, dem angefochtenen Bescheid fehle ein Bescheidadressat, ist daher unbegründet (vgl. insoweit auch die bei Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I, zweite Auflage 1998, Seite 890f wiedergegebene hg. Judikatur).

Gemäß § 76 Abs. 1 KOVG 1957 kann der Bundesminister für Arbeit und Soziales im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Finanzen auf Antrag oder von Amts wegen einen Ausgleich gewähren, sofern sich aus den Vorschriften dieses Bundesgesetzes besondere Härten ergeben.

Gemäß § 46b Abs. 1 KOVG 1957 ist Hinterbliebenen wegen der ihnen erwachsenen außergewöhnlichen Ausgaben für eine ihnen verordnete Diätverpflegung ein Zuschuss zu gewähren, wenn die Diätverpflegung wegen einer der aufgezählten Erkrankungen erforderlich ist. Der Zuschuss gebührt auf Antrag zur Zusatzrente gemäß § 35 Abs. 3, zur Witwen/Witwerbeihilfe gemäß § 36 Abs. 2, zur erhöhten Waisenrente und Waisenbeihilfe gemäß § 42 Abs.3 sowie zur Elternrente gemäß § 46 leg. cit. und beträgt unter anderem nach Ziffer 4 bei chronischen Erkrankungen des Magens, des Darmes, der Gallenblase, der Leber und der Nieren entsprechend einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von insgesamt mindestens 50 v.H. 290 S monatlich.

Im Beschwerdefall bejahte die belangte Behörde das Vorliegen einer vom Gesetz geforderten besonderen Härte und die sachlichen Voraussetzungen für die Gewährung eines Diätzuschusses. Der Antrag wurde ausschließlich mangels Bedürftigkeit der Beschwerdeführerin abgewiesen. Dabei hat die belangte Behörde jedoch von dem ihr eingeräumten freien Ermessen aus nachstehenden Erwägungen nicht im Sinne des Gesetzes Gebrauch gemacht:

Gemäß § 1 Bundespflegegeldgesetz (BPGG) hat das Pflegegeld den Zweck, in Form eines Beitrages pflegebedingte Mehraufwendungen pauschaliert abzugelten, um pflegebedürftigen Personen soweit wie möglich die notwendige Betreuung und Hilfe zu sichern sowie die Möglichkeit zu verbessern, ein selbstbestimmtes, bedürfnisorientiertes Leben zu führen.

Anspruch auf Pflegegeld besteht unter anderem nach § 3 Abs. 1 Z. 5 lit. a leg. cit. für Bezieher von Renten, Beihilfen oder Ausgleichen nach dem Kriegsopferversorgungsgesetz 1957 (KOVG 1957) BGBl. Nr. 152.

Anspruch auf Pflegegeld in Höhe der Stufe 5 besteht nach § 4 Abs. 2 BPGG für Personen, deren Pflegebedarf nach Abs. 1 durchschnittlich mehr als 180 Stunden monatlich beträgt, wenn ein außergewöhnlicher Pflegeaufwand erforderlich ist.

Das Pflegegeld gebührt zufolge § 5 leg. cit. zwölfmal jährlich und beträgt monatlich in Stufe 5 S 11.591,--.

Gemäß § 7 BPGG sind Geldleistungen, die wegen Pflegebedürftigkeit nach anderen bundesgesetzlichen oder ausländischen Vorschriften gewährt werden, auf das Pflegegeld nach diesem Bundesgesetz anzurechnen.

Aus den dargelegten Bestimmungen des Bundespflegegeldgesetzes ergibt sich, dass das Pflegegeld ein zweckgebundener Beitrag zur Bestreitung des konkreten Pflegebedarfes einer pflegebedürftigen Person darstellt. Auf das Pflegegeld sind zufolge § 7 BPGG auch nur Geldleistungen anzurechnen, die wegen Pflegebedürftigkeit gewährt werden (vgl. zur Gewährung der Annexleistung einer Pflegezulage nach § 18 KOVG 1957 im Wege eines Härteausgleiches etwa das hg. Erkenntnis vom 19. Jänner 1995, Zl. 94/09/0027). Dass somit Pflegegeld zur Bestreitung anderer, nicht in einem Pflegebedarf begründeten Aufwendungen nicht gewährt wird bzw. auch nicht der Bestreitung eines derartigen Aufwandes dient, ist nach den dargelegten Bestimmungen des Bundespflegegeldgesetzes klar. Es war daher rechtswidrig, wenn die belangte Behörde im Rahmen ihrer Ermessensübung die Bedürftigkeit der Beschwerdeführerin unter Bedachtnahme auf ihren Bezug des zweckgebundenen Pflegegeldes verneinte bzw. dieses Pflegegeld als frei verfügbares Einkommen der Beschwerdeführerin wertete, steht doch weder der von der Beschwerdeführerin im Wege eines Härteausgleiches beantragte Zuschuss zu einer notwendigen Diätverpflegung mit ihrem Pflegebedarf in einem Zusammenhang, noch dient das Pflegegeld der Bestreitung einer derartigen Diätverpflegung. Anders als in dem der hg. Entscheidung zur Zl. 94/09/0027 zugrunde liegenden Fall verfügt die Beschwerdeführerin neben der ihr im Wege eines Härteausgleiches gewährten Witwenbeihilfe über kein Einkommen oder Vermögen. Dass die der Beschwerdeführerin gewährte Witwenbeihilfe über dem Ausgleichszulagenrichtsatz nach dem ASVG liegt, schließt die Bedürftigkeit der Beschwerdeführerin jedenfalls nicht aus (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 24. Februar 1995, Zl. 94/09/0121).

Der angefochtene Bescheid erweist sich aus den dargelegten Gründen als inhaltlich rechtswidrig. Er war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 23. Februar 2000

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2000:1997090042.X00

Im RIS seit

27.03.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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