TE OGH 2018/3/23 8Ob39/18w

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Veröffentlicht am 23.03.2018
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden, die Hofrätinnen Dr. Tarmann-Prentner und Mag. Korn, den Hofrat Dr. Stefula und die Hofrätin Mag. Wessely-Kristöfel als weitere Richter in der Schuldenregulierungssache des Schuldners Ing. J*****, vertreten durch Univ. Doz. Dr. Herbert Fink, Rechtsanwalt in Innsbruck, über den Revisionsrekurs der Gläubigerin T*****, vertreten durch den Kreditschutzverband von 1870, 1120 Wien, Wagenseilgasse 7, dieser vertreten durch Putz & Rischka Rechtsanwälte KG in Wien, gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Innsbruck als Rekursgericht vom 11. Jänner 2018, GZ 1 R 173/17a-57, mit dem der Beschluss des Landesgerichts Innsbruck vom 14. November 2017, GZ 19 S 93/07k-52, abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

1. Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die angefochtene Entscheidung wird dahin abgeändert, dass der Beschluss des Erstgerichts wiederhergestellt wird.

2. Die Revisionsrekursbeantwortung des Schuldners wird zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Über das Vermögen des Schuldners wurde mit Beschluss des Erstgerichts vom 25. 9. 2007 das Schuldenregulierungsverfahren eröffnet und am 21. 4. 2008 nach Scheitern des angebotenen Zahlungsplans das Abschöpfungsverfahren eingeleitet. Dem lag folgende mit 23. 2. 2008 datierte Abtretungserklärung des Schuldners zugrunde: „Ich trete hiezu den pfändbaren Teil meiner Forderungen auf bestehende und zukünftige Einkünfte aus meinem Arbeitsverhältnis oder auf sonstige wiederkehrende Leistungen mit Einkommensersatzfunktion für die Zeit von sieben Jahren nach Eintritt der Rechtskraft des Beschlusses, mit dem das Abschöpfungsverfahren eingeleitet wird, an einen vom Gericht zu bestellenden Treuhänder ab.“ Innerhalb der siebenjährigen Laufzeit dieser Abtretungserklärung erhielten die Gläubiger eine Quote von 7,144 % ihrer angemeldeten Forderungen.

Mit Beschluss vom 9. 9. 2015 verlängerte das Erstgericht das Abschöpfungsverfahren über Antrag des Schuldners vom 1. 6. 2015 gemäß § 213 Abs 4 IO (aF) um drei Jahre. Am 2. 11. 2017 stellte der Schuldner den Antrag auf Beendigung des Abschöpfungsverfahrens und Erteilung der Restschuldbefreiung nach § 280 IO idF des IRÄG 2017.

Das Erstgericht wies den Antrag mangels der Voraussetzungen des § 280 IO nF ab.

Das Rekursgericht gab dem Rechtsmittel des Schuldners Folge. Es erklärte das Abschöpfungsverfahren für beendet und erteilte dem Schuldner die Restschuldbefreiung.

Die auf anhängige Abschöpfungsverfahren anzuwendende Übergangsbestimmung des § 280 IO idF IRÄG 2017 sei dahin auszulegen, dass nur die ursprüngliche Abtretungserklärung abgelaufen sein müsse, um die Restschuldbefreiung ohne Rücksicht auf die erzielte Quote beantragen zu können. Zudem habe das Erstgericht übersehen, dass eine ausdrückliche Abtretungserklärung des Schuldners für die Verlängerung des Abschöpfungsverfahrens gar nicht vorgelegen sei. Schon aus diesem Grund sei nur auf die ursprüngliche Abtretungserklärung abzustellen.

Der ordentliche Revisionsrekurs sei zulässig, weil noch keine höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Anwendung des § 280 IO nF in einem am 1. 11. 2017 anhängigen, bereits verlängerten Abschöpfungsverfahren bestehe.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs der Gläubigerin ist zulässig und auch berechtigt, weil die Rekursentscheidung im Sinne der jüngsten Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs einer Korrektur bedarf.

1. Die für das Schuldenregulierungsverfahren maßgeblichen Änderungen der IO durch das IRÄG 2017 traten grundsätzlich mit 1. 11. 2017 in Kraft. Sie sind anzuwenden, wenn das Insolvenzverfahren nach dem 31. 10. 2017 eröffnet wurde oder der Antrag auf Einleitung des Abschöpfungsverfahrens nach diesem Datum bei Gericht eingelangt ist.

Für Abschöpfungsverfahren, die bei Inkrafttreten des Gesetzes anhängig waren, gilt nach § 280 IO idF IRÄG 2017 folgende Übergangsregelung:

Nach Einleitung des Abschöpfungsverfahrens bis zur Entscheidung über die Restschuldbefreiung ist auf Antrag des Schuldners das Abschöpfungsverfahren zu beenden, wenn die Abtretungserklärung abgelaufen ist oder seit dem 1. November 2017 fünf Jahre der Abtretungserklärung abgelaufen sind. § 213 Abs 1 zweiter bis vierter Satz in der vor dem IRÄG 2017 vorgesehenen Fassung sind anzuwenden.

2. Der erkennende Senat hat jüngst in der Entscheidung 8 Ob 6/18t vom 26. 1. 2018 ausgesprochen, dass die herausragenden Neuerungen des IRÄG 2017 im Bereich des Abschöpfungsverfahrens, nämlich die Verkürzung des Zeitraums der Abtretungserklärung von sieben auf fünf Jahre und der Entfall des Erfordernisses einer Mindestquote, nach § 280 IO für anhängige Verfahren nur teilweise und in zeitlicher Abstufung wirksam werden. Während der Entfall der Mindestquote auch in sämtlichen anhängigen Verfahren anzuwenden ist, in denen nach dem 31. 10. 2017 über die Erteilung einer Restschuldbefreiung zu entscheiden ist, kommt die Verkürzung des Abschöpfungszeitraums auf fünf Jahre in den Altverfahren, wenn überhaupt, nur zeitverzögert und nicht in vollem Ausmaß zum Tragen.

3. In allen laufenden Verfahren, in denen die Abtretung vor dem 1. 11. 2015 wirksam wurde, bleibt es unverändert bei einer insgesamt siebenjährigen Laufzeit. Nur wenn der Abschöpfungszeitraum erst nach diesem Datum zu laufen begonnen hat, verringert sich nach § 280 IO nF die effektive Gesamtdauer sukzessive bis zum 1. 11. 2022. Ungeschmälert kommt die Verkürzung auf fünf Jahre erst jenen Schuldnern zugute, deren Abtretungszeitraum am 1. 11. 2017 oder später begonnen hat.

Auch eine vorzeitige Beendigung jener anhängigen Verfahren, die vor dem Stichtag nach § 213 Abs 4 IO aF aus Billigkeitsgründen verlängert wurden, ist nicht vorgesehen und wäre mit dem bewusst verzögerten Inkrafttreten der Verkürzung der Abschöpfungsdauer nicht vereinbar. Der Antrag nach § 280 IO setzt vielmehr voraus, dass die Abtretungserklärung auch für das verlängerte Verfahren abgelaufen ist (8 Ob 6/18t).

4. Der Auffassung des Rekursgerichts, dass schon mangels ausdrücklicher Abtretungserklärung des Schuldners im Zuge der Verlängerung des Abtretungsverfahrens auf die ursprüngliche Abtretungserklärung abzustellen sei, ist nicht beizutreten.

Die Abtretungserklärung nach § 199 Abs 2 erster Satz IO (hier noch: KO) ist notwendiger Inhalt des Antrags auf Einleitung – und kraft § 213 Abs 4 IO aF (KO) Verlängerung – des Abschöpfungsverfahrens (Mohr in Konecny/Schubert, Insolvenzgesetze § 199 KO Rz 8); es handelt sich um eine besondere Verfahrensvoraussetzung (Kodek, Handbuch des Privatkonkurses2, Rz 517). Dieses Erfordernis soll nach den ErläutRV 1218 BlgNR 18. GP 27 dem Schuldner deutlich machen, dass er Restschuldbefreiung nur erlangen kann, wenn er sich für eine geraume Zeit mit dem pfändungsfreien Teil seines Einkommens begnügt. Es hat damit Warnfunktion. Dadurch soll der Schuldner, der nicht freiwillig bereit ist, auf den pfändbaren Teil seines Einkommens zu verzichten, von der Antragstellung abgehalten werden (Kodek aaO).

Die Abtretungserklärung bedarf ungeachtet der Frage, ob sie vorrangig als Prozesshandlung (so die deutsche Rechtsprechung und Teile der deutschen Lehre, vgl BGH IX ZB 117/04) oder als ein an die bürgerlich-rechtliche Abtretung eng angelehntes Sonderinstitut (Kodek aaO Rz 516) oder als doppelfunktionale Prozesshandlung zu verstehen ist, einer Auslegung.

Bei der Auslegung einer Prozesshandlung kommt es darauf an, wie die Erklärung unter Berücksichtigung der konkreten gesetzlichen Regelung, des Prozesszwecks und der dem Gericht und Gegner bekannten Prozesslage und Aktenlage objektiv verstanden werden muss (RIS-Justiz RS0037416).

Der Schuldner erklärte hier in seinem Antrag auf Verlängerung des Abschöpfungsverfahrens vom 1. 6. 2015, nicht nur, aus seinem Existenzminimum weiterhin 100 EUR im Monat an den Treuhänder zu überweisen, sondern auch, dass „im Zusammenhalt mit den weiterhin erwartbaren pfändbaren Bezugsteilen aus dem Pensionseinkommen“ innerhalb der verlängerten Frist die Erreichung der 10 %igen Mindestquote sichergestellt sei und nach Eintritt der Selbsterhaltungsfähigkeit seines Sohnes sogar „ein höherer Betrag vom Pensionseinkommen abgezogen werden“ würde. Der Schuldner brachte damit unmissverständlich zum Ausdruck, einer weiteren Verpfändung seiner Pensionsbezüge für drei Jahre zuzustimmen, womit dem dargelegten Gesetzeszweck Genüge getan wurde. Zutreffend sind daher das Erstgericht und der Treuhänder nach dem objektiven Erklärungswert des gesamten Antragsvorbringens von einer Abtretungserklärung im Sinne des § 199 Abs 2 erster Satz IO (KO) ausgegangen, die letztlich ja auch der Schuldner selbst nie in Zweifel gezogen hat, und die der Abwicklung des verlängerten Abschöpfungsverfahrens allseits zugrunde gelegt wurde.

5. Dem Rekurs der Gläubigerin war daher Folge zu geben und die dem Gesetz entsprechende Entscheidung des Erstgerichts wiederherzustellen.

6. Die Revisionsrekursbeantwortung des Schuldners war hier zurückzuweisen. Das Rechtsmittelverfahren in Insolvenzsachen ist mit Ausnahme des Eröffnungsverfahrens – grundsätzlich – einseitig (RIS-Justiz RS0116129; 8 Ob 5/18w, 8 Ob 6/18t).

Textnummer

E121642

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2018:0080OB00039.18W.0323.000

Im RIS seit

17.06.2018

Zuletzt aktualisiert am

31.10.2018
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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