TE Lvwg Erkenntnis 2018/6/5 LVwG-2017/44/1230-2

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Veröffentlicht am 05.06.2018
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Entscheidungsdatum

05.06.2018

Index

83 Naturschutz Umweltschutz
40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

AWG 2002 §79 Abs2 Z11
VStG §44a Z1
VStG §44a Z2
VStG §45 Abs1 Z1

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Tirol erkennt durch seinen Richter Mag. Spielmann über die Beschwerde des AA, Adresse 1, Z, vertreten durch Rechtsanwalt BB, Adresse 2, Y, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Y vom 20.03.2017, Zl ****, betreffend eine Übertretung nach dem Abfallwirtschaftsgesetz 2002

zu Recht:

1.       Der Beschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 1 VStG eingestellt.

2.       Die ordentliche Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.       Verfahren:

Mit Bescheid des Landeshauptmanns von Tirol vom 10.06.2014, Zl ****, wurde der CC GmbH die abfallwirtschaftsrechtliche Bewilligung für ein Baurestmassenzwischenlager samt Aufbereitungsanlage (Sieb- und Brechanlage) auf den Grundstücken Nr **1, **2 und auf Teilflächen des Gst Nr **3/2, alle KG Z, erteilt. Nach den bewilligten Einreichunterlagen sind bei diesem Vorhaben Baurestmassenschüttungen bis zu 10 m über der Geländeoberkante vorgesehen.

Mit dem angefochtenen Straferkenntnis vom 20.03.2017, Zl ****, wurde AA spruchgemäß folgendes zur Last gelegt:

„Sie haben als handelsrechtlicher Geschäftsführer der gewerbsmäßig im Bereich der Abfallwirtschaft tätigen CC GmbH und sohin als gemäß § 9 Abs 1 Verwaltungsstrafgesetz 1991, BGBl. 52 idgF (kurz: VStG) für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften Verantwortlicher, zu verantworten, dass im Gemeindegebiet von Z auf dem Baurestmassenzwischenlager der Gpn. **1, **2 und Teilflächen der Gp. **3/2, alle KG Z, zumindest am 18.10.2016, das mit Bescheid des Landeshauptmanns von Tirol vom 10.06.2014, Zl. ****, festgelegte maximale Schüttniveau der Haufwerke von 10 m ü. GOK um ca 4 m überschritten und daher dem o.a. Bescheid zuwidergehandelt wurde.“

Daher sei folgende abfalltechnische Nebenbestimmung des Bewilligungsbescheides vom 10.06.2014 nicht eingehalten worden:

„2.      Einer Übernahme von Abfällen ist nur dann zulässig, wenn freie Lagerkapazitäten vorhanden sind und die Schütthöhe der Haufwerke kleiner 10 m ü. GOK beträgt. Das Unterschreiten der maximalen Schütthöhe ist vor Inbetriebnahme der Behörde unaufgefordert und später auf Verlangen nachzuweisen.“

AA sei daher gemäß § 9 Abs 1 VStG iVm der abfalltechnischen Nebenbestimmung 2 des Bewilligungsbescheides vom 10.06.2014 und § 79 Abs 2 Z 11 AWG 2002 mit einer Geldstrafe in Höhe von € 2.500,- (Ersatzfreiheitsstrafe 100 Stunden) zu bestrafen. Zusätzlich wurde der Beitrag zu den Verfahrenskosten mit € 250,- bestimmt.

Gegen dieses am 27.03.2017 zugestellte Straferkenntnis erhob AA mit Schreiben vom 18.04.2017 fristgerecht Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht Tirol und bestritt, dass die maximale Schütthöhe überschritten worden sei. Der Amtssachverständige habe die Schütthöhe nur mit freiem Auge ohne Hilfsmittel abgeschätzt. Auf den vorliegenden Fotos sei weder eine Referenzhöhe noch das Ausgangsniveau, also die Geländeoberkante, und auch nicht die Entfernung des Fotostandortes von den Haufwerken zu erkennen. Der Tatort sei nicht ausreichend konkret umschrieben, da unklar sei, welcher Haufen des Baurestmassenzwischenlagers die maximale Schütthöhe überschritten habe. Daher bestehe die Gefahr einer Doppelbestrafung, da dem Beschwerdeführer mit einem weiteren Straferkenntnis der belangten Behörde vom 20.03.2017, Zl ****, ebenfalls eine Überschreitung der maximalen Schütthöhe auf dem gegenständlichen Baurestmassenzwischenlager vorgeworfen werde.

Mit dem vom Beschwerdeführer ins Treffen geführten Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Y vom 20.03.2017, Zl ****, wurde dem Beschwerdeführer spruchgemäß folgendes zur Last gelegt:

„Sie haben als handelsrechtlicher Geschäftsführer der gewerbsmäßig im Bereich der Abfallwirtschaft tätigen CC GmbH und sohin als gemäß § 9 Abs 1 Verwaltungsstrafgesetz 1991, BGBl. 52 idgF (kurz: VStG) für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften Verantwortlicher, zu verantworten, dass im Gemeindegebiet von Z auf dem Baurestmassenzwischenlager der Gpn. **1, **2 und Teilflächen der Gp. **3/2, alle KG Z, zumindest am 11.05.2016, das mit Bescheid des Landeshauptmanns von Tirol vom 10.06.2014, Zl. ****, festgelegte maximale Schüttniveau der Haufwerke von 10 m ü. GOK überschritten und daher dem o.a. Bescheid zuwidergehandelt wurde.“

II.      Erwägungen:

Vorweg ist klarzustellen, dass mit der abfalltechnischen Nebenbestimmung 2 des Bewilligungsbescheides vom 10.06.2014 kein maximales Schüttniveau vorgeschrieben wurde. Nach dieser Nebenbestimmung dürfen lediglich keine Abfälle übernommen werden, wenn keine freien Lagerkapazitäten mehr vorhanden sind und die Schütthöhe ein bestimmtes Niveau erreicht hat. Eine Überschreitung dieses Schüttniveaus ist aber auch möglich, ohne neue Abfälle zu übernehmen (etwa durch Umlagerungen innerhalb des Baurestmassenzwischenlagers). Mit der dem Beschwerdeführer angelasteten Überschreitung des maximalen Schüttniveaus ist daher keine Verletzung der Nebenbestimmung 2 verbunden. Dem Beschwerdeführer wurde auch nicht vorgeworfen, dass Abfälle zu einem Zeitpunkt übernommen worden seien, an dem keine freien Lagerkapazitäten mehr vorhanden gewesen und das maximale Schüttniveau erreicht worden sei. Eine Bestrafung wegen der Übertretung der Nebenbestimmung 2 kommt somit nicht in Betracht.

Zudem wird weder in der Aufforderung zur Rechtfertigung vom 15.11.2016 noch im angefochtenen Straferkenntnis konkretisiert, welches Haufwerk innerhalb der 12.750 m2 großen Betriebsanlage das maximale Schüttniveau überschritten haben soll. Dies ist insofern von Relevanz, als dem Beschwerdeführer mit einem weiteren Straferkenntnis der belangten Behörde vom selben Datum ebenfalls eine Überschreitung des maximalen Schüttniveaus auf der gegenständlichen Betriebsanlage vorgeworfen wird. Auch in diesem Verfahren hat die Behörde die inkriminierte Schüttung nicht lokalisiert. Ungenauigkeiten haben bei der Konkretisierung des Tatortes gemäß § 44a Z 1 VStG aber nur dann keinen Einfluss auf die Rechtmäßigkeit des Strafbescheides, wenn dadurch keine Beeinträchtigung der Verteidigungsrechte des Beschuldigten und keine Gefahr der Doppelbestrafung bewirkt wird (vgl VwGH 24.05.2017, 2017/02/0097).

Beim konsenswidrigen Betrieb einer Abfallbehandlungsanlage handelt es sich um ein Dauerdelikt (vgl etwa VwGH 16.12.1999, 98/07/0174). Bei einem Dauerdelikt beginnt das Unrecht der Tat mit der Vornahme der Handlung und endet erst mit deren Aufhören. In den zwei vorliegenden Straferkenntnissen vom 20.03.2017 wird die Überschreitung des maximalen Schüttniveaus auf derselben Betriebsanlage einmal „zumindest am 11.05.2016“ und einmal „zumindest am 18.10.2016“ vorgeworfen. Mangels einer kalendermäßigen Anführung des Tatzeitendes enden beide Tatzeiten mit der Schöpfung der Straferkenntnisse (vgl VwGH 31.01.2003, 99/02/0337). Durch die Erlassung der Straferkenntnisse sind die darin umschriebenen Dauerdelikte bis zu diesem Zeitpunkt abgegolten; einer neuerlichen Verfolgung wegen derselben Dauerdelikte für die Zeit bis zur Erlassung der Straferkenntnisse kann somit – vorausgesetzt, dass es sich hinsichtlich aller anderen Sachverhaltselemente um dasselbe strafbare Verhalten handelt – mit Erfolg die bereits vorgenommene verwaltungsstrafrechtliche Verurteilung entgegengehalten werden (vgl VwGH 03.07.1990, 90/07/0031).

Weder aus der Umschreibung der Taten in den beiden Straferkenntnissen vom 20.03.2017 noch aus den dazu ergangenen Aufforderungen zur Rechtfertigung und den im Akt befindlichen Fotos lässt sich ableiten, ob dieselben oder verschiedene Abfallschüttungen den Tatvorwürfen zu Grunde liegen. Sollte es sich um dasselbe Haufwerk gehandelt haben, würde ein Verstoß gegen das Verbot der Doppelbestrafung vorliegen. Mangels Konkretisierung der inkriminierten Abfallschüttungen konnte der Beschwerdeführer seine Verteidigungsrechte nicht wahren und ist der Gefahr einer Doppelbestrafung ausgesetzt. Es liegt somit eine Verstoß gegen § 44a Z 1 VStG vor, wonach der Spruch eines Straferkenntnisses die als erwiesen angenommene Tat – und damit auch den ausreichend konkretisierten Tatort – zu enthalten hat. Ein Austausch der Tat durch Heranziehung eines anderen als des ursprünglich der Bestrafung zu Grunde gelegten Sachverhalts durch das Landesverwaltungsgericht kommt dabei nicht in Betracht (VwGH 15.05.2017, 2017/17/0214).

Schließlich ist das angefochtene Straferkenntnis noch aus einem weiteren Grund zu beheben. Wie der von der belangten Behörde beigezogene Amtssachverständige am 04.06.2018 gegenüber dem Landesverwaltungsgericht bestätigt hat, wurde die inkriminierte Schütthöhe nämlich nicht messtechnisch erfasst. Weder wurde die dem Bewilligungsbescheid vom 10.06.2014 zugrunde liegende ursprüngliche Geländeoberkante ermittelt, noch wurde die maximal zulässige Schütthöhe eingemessen. Auch auf den vorliegenden Fotos ist weder die ursprüngliche Geländeoberkante noch die Höhe der Schüttungen über der Geländeoberkante erkennbar. Da weder der exakte Standort der Fotoaufnahmen noch die genaue Position der Haufwerke erkennbar ist, lässt sich die Schütthöhe auch nicht im Nachhinein anhand einer Referenzhöhe ermitteln. Es lässt sich somit nicht mehr mit ausreichender Sicherheit feststellen, ob im Tatzeitraum auf dem Baurestmassenzwischenlager Abfälle höher als 10 m über der im Bewilligungsprojekt angegebenen Geländeoberkante gelagert wurden.

Verbleiben nach Durchführung des Ermittlungsverfahrens sowie nach eingehender Beweiswürdigung Zweifel an der Täterschaft des Beschuldigten, hat nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH 16.12.2010, 2009/16/0094) gemäß § 45 Abs 1 Z 1 VStG nach dem Grundsatz „in dubio pro reo“ die Einstellung des Verfahrens zu erfolgen. Somit ist das angefochtene Straferkenntnis auch aus diesem Grund zu beheben und das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen.

III.    Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen diese Entscheidung kann binnen sechs Wochen ab der Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, Freyung 8, 1010 Wien, oder außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist direkt bei diesem, die außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist beim Landesverwaltungsgericht Tirol einzubringen.

Die genannten Rechtsmittel sind von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw einer bevollmächtigten Rechtsanwältin abzufassen und einzubringen, und es ist eine Eingabegebühr von Euro 240,00 zu entrichten.

Es besteht die Möglichkeit, auf die Revision beim Verwaltungsgerichtshof und die Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof zu verzichten. Ein solcher Verzicht hat zur Folge, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof und eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof nicht mehr erhoben werden können.

Landesverwaltungsgericht Tirol

Mag. Spielmann

(Richter)

Schlagworte

Konsenswidriger Betrieb eines Baurestmassenzwischenlagers; falsche Verwaltungsvorschrift angeführt; Tatort nicht ausreichend konkretisiert; zur Last gelegte Tat konnte nicht bewiesen werden;

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGTI:2018:LVwG.2017.44.1230.2

Zuletzt aktualisiert am

13.06.2018
Quelle: Landesverwaltungsgericht Tirol LVwg Tirol, https://www.lvwg-tirol.gv.at
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