TE Vfgh Erkenntnis 2018/6/11 E3362/2017 ua

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Veröffentlicht am 11.06.2018
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Index

41/02 Staatsbürgerschaft, Pass- und Melderecht, Fremdenrecht, Asylrecht

Norm

BVG-Rassendiskriminierung ArtI Abs1
EMRK Art8
AsylG 2005 §2, §35
FremdenpolizeiG 2005 §11, §11a, §26
VwGVG §14

Leitsatz

Verletzung im Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander durch Versagung von Einreisetiteln für die Ehegattin und die minderjährigen Kinder eines in Österreich subsidiär schutzberechtigten afghanischen Staatsangehörigen; keine nachvollziehbare Entscheidungsbegründung

Spruch

I. Die Beschwerdeführer sind durch das angefochtene Erkenntnis im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander (ArtI Abs1 des Bundesverfassungsgesetzes zur Durchführung des Internationalen Übereinkommens über die Beseitigung aller Formen rassischer Diskriminierung, BGBl Nr 390/1973) verletzt worden.

Das Erkenntnis wird aufgehoben.

II. Der Bund (Bundesminister für Inneres) ist schuldig, den Beschwerdeführern zuhanden ihres Rechtsvertreters die mit € 3.008,40 bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Entscheidungsgründe

I.       Sachverhalt, Beschwerde und Vorverfahren

1.       Die Erstbeschwerdeführerin stellte am 30. November 2015 bei der Österreichischen Botschaft Teheran einen Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels gemäß §35 Abs1 AsylG 2005 für sich und die minderjährigen zwei weiteren Beschwerdeführer. Als Bezugsperson wurde ein – von der Erstbeschwerdeführerin als Ehemann bzw. Vater bezeichneter – in Österreich seit 24. September 2014 subsidiär Schutzberechtigter angeführt. In seiner Mitteilung nach §35 Abs4 AsylG 2005 führte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl aus, dass die Gewährung des Status von Asylberechtigten oder subsidiär Schutzberechtigten der Beschwerdeführer nicht wahrscheinlich sei, da die behauptete Gültigkeit der Ehe zwischen der Erstbeschwerdeführerin und der angegebenen Bezugsperson nicht vorliege. Die Erstbeschwerdeführerin sei zum Zeitpunkt der Eheschließung erst 14 Jahre alt gewesen. Hinsichtlich der Einreiseanträge der Kinder liege keine Zustimmung der Erstbeschwerdeführerin als Obsorgeberechtigte für deren Ausreise vor. Dazu wurde den Beschwerdeführern Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben, von der sie mit Schreiben vom 3. November 2016 Gebrauch machten. Darin wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass die Erstbeschwerdeführerin zum Zeitpunkt der Eheschließung unzweifelhaft minderjährig gewesen sei. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl verkenne aber die Pflichten, die sich aus Art8 EMRK und der Familienzusammenführungsrichtlinie ergeben würden. Die Erstbeschwerdeführerin habe mit ihrem Mann zehn Jahre lang zusammengelebt. Die gemeinsamen leiblichen Kinder seien als Beweis für das bestehende und anerkannte Eheleben anzusehen, weil es in Afghanistan undenkbar sei, als unverheiratetes Paar gemeinsame Kinder großzuziehen. Mit Bescheiden vom 22. November 2016 verweigerte die Österreichische Botschaft Teheran gemäß §26 FPG iVm §35 AsylG 2005 jeweils die Erteilung eines Einreisetitels. Dagegen erhoben die Beschwerdeführer Beschwerde, in der ausgeführt wurde, dass die Erstbeschwerdeführerin niemals nach einer Zustimmung zur Ausreise der Zweitbeschwerdeführerin und des Drittbeschwerdeführers gefragt worden sei. Es sei ständige Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes, dass die Frage einer möglichen Verletzung des Rechts auf Privat- und Familienleben nach Art8 EMRK in sämtlichen Einreiseverfahren zu berücksichtigen sei.

2.       Mit Beschwerdevorentscheidung vom 23. Jänner 2017 wies die Österreichische Botschaft Teheran die Beschwerde gemäß §14 Abs1 VwGVG ab. Österreichische Vertretungsbehörden seien nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes an die Mitteilung des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl über die Prognose einer Asylgewährung bzw. die Gewährung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten gebunden. Die Beschwerdeführer brachten bei der Österreichischen Botschaft Teheran einen Vorlageantrag ein, der dem Bundesverwaltungsgericht übermittelt wurde.

3.       Mit dem nunmehr angefochtenen Erkenntnis vom 16. August 2017 hat das Bundesverwaltungsgericht die Beschwerden gemäß §35 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen. Hinsichtlich der Beschwerde der Erstbeschwerdeführerin wurde begründend ausgeführt, dass eine Kinderehe vorliege, die den Grundwerten der österreichischen Rechtsordnung widerspreche. Hinsichtlich der minderjährigen Beschwerdeführer wurde die Entscheidung damit begründet, dass die Zustimmung der Obsorgeberechtigten zur Ausreise notwendig sei, welche im gesamten Verfahren nicht erteilt worden sei.

4.       Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung in den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander und auf Achtung des Privat- und Familienlebens gemäß Art8 EMRK behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Erkenntnisses beantragt wird.

5.       Mit Verfügung vom 9. April 2018 teilte das Bundesverwaltungsgericht mit, dass sich der Verwaltungsakt beim Verwaltungsgerichtshof befinde. Es sah von der Erstattung einer Gegenschrift ab und beantragte die Abweisung der Beschwerde.

II.      Rechtslage

1.       §2 des Asylgesetzes 2005 (AsylG 2005), BGBl I 100, idF BGBl I 24/2016, lautete auszugsweise:

"Begriffsbestimmungen

§2. (1) Im Sinne dieses Bundesgesetzes ist

[…]

22. Familienangehöriger: wer Elternteil eines minderjährigen Kindes, Ehegatte oder zum Zeitpunkt der Antragstellung minderjähriges lediges Kind eines Asylwerbers oder eines Fremden ist, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten zuerkannt wurde, sofern die Ehe bei Ehegatten bereits im Herkunftsstaat bestanden hat, sowie der gesetzliche Vertreter der Person, der internationaler Schutz zuerkannt worden ist, wenn diese minderjährig und nicht verheiratet ist, sofern dieses rechtserhebliche Verhältnis bereits im Herkunftsland bestanden hat; dies gilt weiters auch für eingetragene Partner, sofern die eingetragene Partnerschaft bereits im Herkunftsstaat bestanden hat;

[…]

2.       Auf Grund der Übergangsbestimmung des §75 Abs24 AsylG 2005 ist auf die gegenständlichen Anträge §35 AsylG 2005, BGBl 100, idF BGBl I 68/2013, anzuwenden:

"Anträge auf Einreise bei Vertretungsbehörden

§35. (1) Der Familienangehörige gemäß Abs5 eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde und der sich im Ausland befindet, kann zwecks Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz gemäß §34 Abs1 iVm §2 Abs1 Z13 einen Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels bei der mit konsularischen Aufgaben betrauten österreichischen Vertretungsbehörde im Ausland (Vertretungsbehörde) stellen.

(2) Befindet sich der Familienangehörige gemäß Abs5 eines Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde, im Ausland, ist diesem über Antrag nach der ersten Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung des Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten bereits zuerkannt wurde, die Einreise zu gewähren, es sei denn, es wäre auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht mehr vorliegen oder in drei Monaten nicht mehr vorliegen werden. Darüber hinaus gilt Abs4.

(3) Wird ein Antrag nach Abs1 und Abs2 gestellt, hat die Vertretungsbehörde dafür Sorge zu tragen, dass der Fremde ein in einer ihm verständlichen Sprache gehaltenes Befragungsformular ausfüllt; Gestaltung und Text dieses Formulars hat der Bundesminister für Inneres im Einvernehmen mit dem Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten und nach Anhörung des Hochkommissärs der Vereinten Nationen für Flüchtlinge (§63) so festzulegen, dass das Ausfüllen des Formulars der Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts dient. Außerdem hat die Vertretungsbehörde den Inhalt der ihr vorgelegten Dokumente aktenkundig zu machen. Der Antrag auf Einreise ist unverzüglich dem Bundesamt zuzuleiten.

(4) Die Vertretungsbehörde hat dem Fremden nach Abs1 oder 2 ohne weiteres ein Visum zur Einreise zu erteilen (§26 FPG), wenn das Bundesamt mitgeteilt hat, dass die Stattgebung eines Antrages auf internationalen Schutz durch Zuerkennung des Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten wahrscheinlich ist. Eine derartige Mitteilung darf das Bundesamt nur erteilen, wenn

1. gegen den Fremden, dem der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde, kein Verfahren zur Aberkennung dieses Status anhängig ist (§§7 und 9) und

2. das zu befassende Bundesministerium für Inneres mitgeteilt hat, dass eine Einreise den öffentlichen Interessen nach Art8 Abs2 EMRK nicht widerspricht.

Bis zum Einlangen dieser Mitteilung ist die Frist gemäß §11 Abs5 FPG gehemmt. Die Vertretungsbehörde hat den Fremden über den weiteren Verfahrensablauf in Österreich gemäß §17 Abs1 und 2 zu informieren.

(5) Nach dieser Bestimmung ist Familienangehöriger, wer Elternteil eines minderjährigen Kindes, Ehegatte oder zum Zeitpunkt der Antragstellung minderjähriges lediges Kind eines Fremden ist, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten zuerkannt wurde, sofern die Ehe bei Ehegatten bereits im Herkunftsstaat bestanden hat; dies gilt weiters auch für eingetragene Partner, sofern die eingetragene Partnerschaft bereits im Herkunftsstaat bestanden hat."

3.       Das Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG), BGBl I 100/2005, idF BGBl I 70/2015, lautete auszugsweise:

"Anwendungsbereich

§1. (1) Dieses Bundesgesetz regelt die Ausübung der Fremdenpolizei, die Erteilung von Einreisetiteln, die Zurückweisung, die Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen, die Abschiebung, die Duldung, die Vollstreckung von Rückführungsentscheidungen von EWR-Staaten und die Ausstellung von Dokumenten für Fremde.

(2) Auf Asylwerber (§2 Abs1 Z14 des Asylgesetzes 2005 (AsylG 2005), BGBl I Nr 100) sind die §§27a und 41 bis 43 nicht anzuwenden. Auf Fremde, denen der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde, sind darüber hinaus die §§39 und 76 nicht anzuwenden.

(3) […]

Begriffsbestimmungen

§2. (1) Einreisetitel sind Visa gemäß dem Visakodex, nationale Visa (Visa D) gemäß §20 Abs1 und die Besondere Bewilligung gemäß §27a.

[…]

Verfahren vor den österreichischen Vertretungsbehörden in Visaangelegenheiten

§11. (1) In Verfahren vor österreichischen Vertretungsbehörden haben Antragsteller unter Anleitung der Behörde die für die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes erforderlichen Urkunden und Beweismittel selbst vorzulegen; in Verfahren zur Erteilung eines Visums D ist Art19 Visakodex sinngemäß anzuwenden. Der Antragssteller hat über Verlangen der Vertretungsbehörde vor dieser persönlich zu erscheinen, erforderlichenfalls in Begleitung eines Dolmetschers (§39a AVG). §10 Abs1 letzter Satz AVG gilt nur für in Österreich zur berufsmäßigen Parteienvertretung befugte Personen. Die Vertretungsbehörde hat nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht. Eine Entscheidung, die dem Standpunkt des Antragstellers nicht vollinhaltlich Rechnung trägt, darf erst ergehen, wenn die Partei Gelegenheit zur Behebung von Formgebrechen und zu einer abschließenden Stellungnahme hatte.

(2) Partei in Verfahren vor der Vertretungsbehörde ist ausschließlich der Antragssteller.

(3) Die Ausfertigung bedarf der Bezeichnung der Behörde, des Datums der Entscheidung und der Unterschrift des Genehmigenden; an die Stelle der Unterschrift kann das Siegel der Republik Österreich gesetzt werden, sofern die Identität des Genehmigenden im Akt nachvollziehbar ist. Die Zustellung hat durch Übergabe in der Vertretungsbehörde oder, soweit die internationale Übung dies zulässt, auf postalischem oder elektronischem Wege zu erfolgen; ist dies nicht möglich, so ist die Zustellung durch Kundmachung an der Amtstafel der Vertretungsbehörde vorzunehmen.

(4) Vollinhaltlich ablehnende Entscheidungen gemäß Abs1 betreffend Visa D sind schriftlich in einer Weise auszufertigen, dass der Betroffene deren Inhalt und Wirkung nachvollziehen kann. Dem Betroffenen sind die Gründe der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit, die der ihn betreffenden Entscheidung zugrunde liegen, genau und umfassend mitzuteilen, es sei denn, dass Gründe der Sicherheit der Republik Österreich dieser Mitteilung entgegenstehen. In der schriftlichen Ausfertigung der Begründung ist auch die Rechtsmittelinstanz anzugeben.

[…]

Beschwerden gegen Bescheide österreichischer Vertretungsbehörden in Visaangelegenheiten

§11a. (1) Der Beschwerdeführer hat der Beschwerde gegen einen Bescheid einer österreichischen Vertretungsbehörde sämtliche von ihm im Verfahren vor der belangten Vertretungsbehörde vorgelegten Unterlagen samt Übersetzung in die deutsche Sprache anzuschließen.

(2) Beschwerdeverfahren sind ohne mündliche Verhandlung durchzuführen. Es dürfen dabei keine neuen Tatsachen oder Beweise vorgebracht werden.

(3) Sämtliche Auslagen der belangten Vertretungsbehörde und des Bundesverwaltungsgerichtes für Dolmetscher und Übersetzer sowie für die Überprüfung von Verdolmetschungen und Übersetzungen sind Barauslagen im Sinn des §76 AVG.

(4) Die Zustellung der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes hat über die Vertretungsbehörde zu erfolgen. §11 Abs3 gilt.

[…]

Visa zur Einbeziehung in das Familienverfahren nach dem AsylG 2005

§26. Teilt das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl gemäß §35 Abs4 AsylG 2005 mit, dass die Stattgebung eines Antrages auf internationalen Schutz durch Zuerkennung des Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten wahrscheinlich ist, ist dem Fremden ohne Weiteres zur einmaligen Einreise ein Visum mit viermonatiger Gültigkeitsdauer zu erteilen."

III.    Erwägungen

Die – zulässige – Beschwerde ist begründet.

1.       Nach der mit VfSlg 13.836/1994 beginnenden, nunmehr ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (s. etwa VfSlg 14.650/1996 und die dort angeführte Vorjudikatur; weiters VfSlg 16.080/2001 und 17.026/2003) enthält ArtI Abs1 des Bundesverfassungsgesetzes zur Durchführung des Internationalen Übereinkommens über die Beseitigung aller Formen rassischer Diskriminierung, BGBl 390/1973, das allgemeine, sowohl an die Gesetzgebung als auch an die Vollziehung gerichtete Verbot, sachlich nicht begründbare Unterscheidungen zwischen Fremden vorzunehmen. Diese Verfassungsnorm enthält ein – auch das Sachlichkeitsgebot einschließendes – Gebot der Gleichbehandlung von Fremden untereinander; deren Ungleichbehandlung ist also nur dann und insoweit zulässig, als hiefür ein vernünftiger Grund erkennbar und die Ungleichbehandlung nicht unverhältnismäßig ist.

Diesem einem Fremden durch ArtI Abs1 leg.cit. gewährleisteten subjektiven Recht widerstreitet eine Entscheidung, wenn sie auf einem gegen diese Bestimmung verstoßenden Gesetz beruht (vgl. zB VfSlg 16.214/2001), wenn das Verwaltungsgericht dem angewendeten einfachen Gesetz fälschlicherweise einen Inhalt unterstellt hat, der – hätte ihn das Gesetz – dieses als in Widerspruch zum Bundesverfassungsgesetz zur Durchführung des Internationalen Übereinkommens über die Beseitigung aller Formen rassischer Diskriminierung, BGBl 390/1973, stehend erscheinen ließe (s. etwa VfSlg 14.393/1995, 16.314/2001) oder wenn es bei Erlassung der Entscheidung Willkür geübt hat (zB VfSlg 15.451/1999, 16.297/2001, 16.354/2001 sowie 18.614/2008).

2.       Ein willkürliches Verhalten des Verwaltungsgerichtes, das in die Verfassungssphäre eingreift, liegt unter anderem in einer gehäuften Verkennung der Rechtslage, aber auch im Unterlassen jeglicher Ermittlungstätigkeit in einem entscheidenden Punkt oder dem Unterlassen eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens überhaupt, insbesondere in Verbindung mit einem Ignorieren des Parteivorbringens und einem leichtfertigen Abgehen vom Inhalt der Akten oder dem Außerachtlassen des konkreten Sachverhaltes (zB VfSlg 15.451/1999, 15.743/2000, 16.354/2001, 16.383/2001).

3.       Ein solcher Fehler ist dem Bundesverwaltungsgericht unterlaufen:

Das Bundesverwaltungsgericht hegt im angefochtenen Erkenntnis keine Zweifel, dass es sich bei der mj. Zweitbeschwerdeführerin und dem mj. Drittbeschwerdeführer um die Kinder der in Österreich lebenden subsidiär schutzberechtigten Person handelt. Gemäß §35 Abs5 AsylG 2005 ist auch Familienangehöriger, wer zum Zeitpunkt der Antragstellung minderjähriges lediges Kind eines Fremden ist, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten zuerkannt wurde. Die Ausführungen des Bundesverwaltungsgerichtes, dass – wie sich aus der erstinstanzlichen Entscheidung ergibt – zur Ausreise der Zweitbeschwerdeführerin und des Drittbeschwerdeführers jedenfalls auch die Zustimmung der Erstbeschwerdeführerin als Obsorgeberechtigte notwendig und diese nicht erteilt worden sei, sind in keiner Weise nachvollziehbar, weil – bereits nach der Begründung des erstinstanzlichen Bescheides – die Erstbeschwerdeführerin als gesetzliche Vertreterin die Anträge gemäß §35 AsylG 2005 für ihre Kinder selbst bei der Österreichischen Botschaft Teheran gestellt hat und die alleinige Zustimmung der Erstbeschwerdeführerin zur Ausreise der Zweitbeschwerdeführerin und des Drittbeschwerdeführers ausreicht. Das Bundesverwaltungsgericht hat daher das angefochtene Erkenntnis hinsichtlich der Verweigerung der Einreiseerlaubnis für die minderjährigen Kinder mit Willkür belastet (vgl. VfGH 27.11.2017, E1001-1005/2017).

4.       Bei diesem Ergebnis ist das angefochtene Erkenntnis auch hinsichtlich der Verweigerung der Einreiseerlaubnis für die Erstbeschwerdeführerin aufzuheben, weil vor diesem Hintergrund zu prüfen gewesen wäre, ob – ungeachtet des eventuellen Nichtvorliegens einer Ehe – Art8 EMRK gebieten würde, der Erstbe-schwerdeführerin die Einreise zur Wahrung des Familienlebens zu gestatten (vgl. VfGH 6.6.2014, B369/2013-13; 23.11.2015, E1510/2015; 27.11.2017, E1001-1005/2017).

5.       Die angefochtene Entscheidung ist daher aufzuheben.

IV.      Ergebnis

1.       Die Beschwerdeführer sind somit durch das angefochtene Erkenntnis im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichbehandlung Fremder untereinander verletzt worden.

Das Erkenntnis ist daher aufzuheben, ohne dass auf das weitere Beschwerdevorbringen einzugehen ist.

2.       Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

3.       Die Kostenentscheidung beruht auf §88 VfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in der Höhe von € 501,40 enthalten. Da die Beschwerdeführer gemeinsam durch einen Rechtsanwalt vertreten sind, ist der einfache Pauschalsatz, erhöht um einen entsprechenden Streitgenossenzuschlag zuzusprechen. Ein Ersatz der Eingabengebühr ist nicht zuzusprechen, weil die Beschwerdeführer Verfahrenshilfe (auch) im Umfang des §64 Abs1 Z1 lita ZPO genießen.

Schlagworte

Asylrecht, Fremdenpolizei, Entscheidungsbegründung, Privat- und Familienleben

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2018:E3362.2017

Zuletzt aktualisiert am

13.06.2018
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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