TE Lvwg Erkenntnis 2018/5/7 LVwG-2017/27/1081-3

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Veröffentlicht am 07.05.2018
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Entscheidungsdatum

07.05.2018

Index

60/02 Arbeitnehmerschutz

Norm

BArbSchV 1994 §87 Abs3
ASchG 1994 §118 Abs3
ASchG 1994 §130 Abs5
VStG §9 Abs1

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Tirol hat durch seinen Richter Dr. Rosenkranz über die Beschwerde des Herrn AA, vertreten durch RA BB, RA CC, Rechtsanwälte, Adresse 1, Z, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Y vom 05.04.2017, *****, betreffend eine Übertretung nach der Bauarbeiterschutzverordnung, nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung,

zu Recht erkannt:

1.       Gemäß § 50 VwGVG wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

2.       Gemäß § 52 Abs 1 und 2 VwGVG hat der Beschwerdeführer einen Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens in Höhe von 20 % der verhängten Geldstrafen, das sind Euro 140,00 zu bezahlen.

3.       Die ordentliche Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.       Verfahrensgang:

Mit dem angefochtenen Straferkenntnis wurde dem Beschwerdeführer nachstehender Sachverhalt zur Last gelegt:

„Herr AA, geb. xx.xx.xxxx, wh. in Adresse 2, hat als persönlich haftender Gesellschafter der „AA KG“ mit Sitz in Adresse 2 (Abänderung gegenüber der Aufforderung zur Rechtfertigung als Beschuldigter als Inhaber eines Einzelunternehmens), und somit als gemäß § 9 (1) VStG 1991 zur Vertretung nach außen berufene, verwaltungsstrafrechtlich verantwortliche Person, folgende Verwaltungsübertretung, die von Herrn DD vom Arbeitsinspektorat X am 27.01.2017 auf der Baustelle „EE in Adresse 3“ anlässlich der Erhebungen zum Arbeitsunfall vom 27.01.2017 um ca. 12.29 Uhr festgestellt wurde, begangen:

Am 27.01.2017 um ca. 12.29 Uhr war der Arbeitnehmer FF ungesichert auf der Baustelle „EE in Adresse 3“ mit Flämmarbeiten auf dem ca. 22° steilen Dach beschäftigt. Herr FF stürzte ca. 4,5 m ab und verletzte sich schwer.

Dadurch wurde § 87 (3) Bauarbeiterschutzverordnung – BauV übertreten, wonach bei Arbeiten auf Dächern mit einer Neigung von mehr als 20° und einer Absturzhöhe von mehr al 3,00 m geeignete Schutzeinrichtungen vorhanden sein müssen, die den Absturz von Menschen, Materialien und Geräten in sicherer Weise verhindern, wie zB insbesonders Dachfanggerüste gemäß § 88 BauV.

Der Beschuldigte hat dadurch folgende Verwaltungsübertretungen begangen:

§ 87 (3) Bauarbeiterschutzverordnung – BauV, BGBl. Nr. 340/1994 idgF iVm § 130 (5) iVm § 118 (3) ArbeitnehmerInnenschutzgesetz, StF: BGBl. Nr. 450/1994 ASchG).

Über den Beschuldigten wird gemäß § 130 (5) ASchG eine Geldstrafe in der Höhe von
€ 700,-- verhängt.

Im Falle der Uneinbringlichkeit der Geldstrafen tritt an deren Stelle eine Ersatzfreiheitsstrafe in der Dauer von 70 Stunden.

Der Bestrafte hat gemäß § 64 (2) VStG als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens 10 % der verhängten Strafe, mindestens jedoch € 10,--, zu bezahlen; das sind € 70,--.

Somit ergibt sich ein Gesamtbetrag von € 770,--.“

Dagegen hat der Beschwerdeführer fristgerecht durch seine ausgewiesenen Vertreter Beschwerde erhoben und darin im Wesentlichen ausgeführt, dass sich die Behörde nicht damit auseinandergesetzt habe, ob der Beschwerdeführer den Verunfallten hinsichtlich der Gefahren bei Arbeiten auf erhöhten Standplätzen ordentlich unterwiesen habe, weshalb die Einvernahme des Zeugen FF notwendig gewesen wäre. Letzterer sei ordnungsgemäß unterwiesen worden und sei dieser Verunfallte selbst regelmäßig als erfahrener Vorarbeiter auf Baustellen und erteile Sicherheitsanweisungen und kontrolliere selbst, ob die ihm unterwiesenen Arbeiter entsprechend seinen Anweisungen gemäß dem ASchG die Maßnahmen umsetzen und einhalten würden. Es hätte erhoben werden müssen, ob es hinsichtlich der Aufgaben des Verunfallten FF notwendig gewesen sei, aufgrund der Position von FF im Betrieb neben der allgemeinen Unterweisung und zur Verfügungsstellung der persönlichen Schutzausrüstung ihn diesen überhaupt in ein weiteres Kontrollsystem einbinden zu müssen. Der Beschwerdeführer habe eine persönliche Schutzausrüstung bereit gestellt und Anweisungen erteilt, diese auch zu tragen bzw hätte der Verunfallte aufgrund seiner Position im Betrieb selbst wissen müssen, dass er diese Ausrüstung zu tragen habe und hat der Beschwerdeführer darauf vertrauen dürfen, dass der Verunfallte die zur Verfügung gestellte persönliche Schutzausrüstung entsprechend den Arbeitnehmerschutzvorschriften auch verwendet. Der Beschwerdeführer habe nicht gemäß § 9 VStG gegenüber einem Vorarbeiter einzustehen. Der Verunfallte sei im Unternehmen der „AA KG“ eine Person der obersten Hirarchie-Ebene und übernehme regelmäßig eine führende Rolle auf Baustellen und unterweise seine ihm dort untergeordneten Arbeiter hinsichtlich Sicherheitsmaßnahmen iSd ASchG sowie kontrolliere deren Umsetzung. Die Position von Herrn FF im Betrieb sei jedenfalls an der unmittelbar unter der obersten Hirarchieebene liegenden Hierarchieebene anzusetzen. Dementsprechend sei auch der Sorgfaltsmaßstab, den der Beschwerdeführer bei Anweisungen betreffend Sicherheitsvorkehrungen an den Tag zu legen habe, geringer anzusehen, weshalb dem Beschwerdeführer keinesfalls ein grob fahrlässiges Handeln vorgeworfen hätte werden können. Der gegenständliche Unfall habe sich am 27.01.2017 gegen 12.29 Uhr ereignet und hätten die Arbeiten an diesem Tag am späten Vormittag begonnen, wobei der Unfall leider bereits nach wenigen Arbeitsschritten geschehen sei. Der Beschwerdeführer hätte nicht einmal die Möglichkeit gehabt, entsprechende Kontrollmaßnahmen zu setzen, da der Verunfallte FF kurz nach dem erstmaligen Betreten des Daches abgestürzt sei. Zu berücksichtigen sei auch, dass FF Kenntnis von der persönlichen Schutzausrüstung im Firmenfahrzeug gehabt habe und es nur seiner eigenen Entscheidung oblegen war, diese nicht zu verwenden.

Beweis wurde aufgenommen durch Einsichtnahme in den Akt der belangten Behörde sowie des Landesverwaltungsgerichts und durch Einvernahme des Beschwerdeführers sowie des Zeugen FF.

II.      Sachverhalt:

Nachfolgender Sachverhalt steht aufgrund des durchgeführten Beweisverfahrens fest:

Der Beschwerdeführer ist persönlich haftender Gesellschafter (Komplementär) der Firma AA KG mit Sitz in Adresse 2 und damit gemäß § 9 Abs 1 VStG der zur Vertretung nach außen berufene und verwaltungsstrafrechtlich Verantwortliche. Vom Arbeitsinspektor DD vom Arbeitsinspektorat X wurde am 27.01.2017 auf der Baustelle „EE in Adresse 3“ anlässlich der Erhebungen zum Arbeitsunfall vom 27.01.2017 um ca 12.29 Uhr festgestellt, dass zu dieser Zeit der Arbeitnehmer FF ungesichert auf der vorerwähnten Baustelle mit Flämmarbeiten auf dem ca 22° steilen Dach beschäftigt war und in weiterer Folge ca 4,5 m abstürzte und sich schwer verletzte.

FF stürzte bei den Flämmarbeiten zunächst ca 2 m nach unten gegen einen Balkon und nach ca weiteren 3 m prallte er auf den Boden auf. Dabei erlitt er Verletzungen an Schulter, Kopf und Hüfte und war kurz bewusstlos und wurde durch die Rettung und den Notarzt erstversorgt. Er zog sich Frakturen am Handgelenk, Jochbein und Mittelgesicht zu.

FF ist der Sohn des Beschwerdeführers und gelernter Installateur und Spengler und langjähriger Mitarbeiter der Firma AA KG. Er hat die Unterweisungen nach § 154 Bauarbeiterschutzverordnung vom 15.03.2016 unterfertigt. Am Unfallstag war der Beschwerdeführer schon an der Baustelle und ist Herr FF nachgekommen und war erst etwas später an der Baustelle. Er hat dann verschiedene Dachsachen auf das Dach hinauf gebracht, nämlich Werkzeug und Material, das er für seine Arbeiten gebraucht hatte. Sodann ging er zum Dachvorsprung und wollte mit Flämmarbeiten beginnen und stürzte in der Folge vom Dach, wobei er selbst nicht mehr genau weiß, wie dies zugegangen ist. An dem Dach war an dieser Stelle kein Schutzgitter angebracht und hatte weder FF noch der Beschwerdeführer die persönliche Schutzausrüstung auf das Dach gebracht. FF hatte eine persönliche Schutzausrüstung im Fahrzeug, mit dem er zur Baustelle gekommen war, jedoch hat er diese nicht auf das Dach mit hinauf genommen und dementsprechend auch nicht angelegt gehabt. FF ist Vorarbeiter und auch dafür zuständig, Sicherheitsmaßnahmen umzusetzen und darauf zu achten, dass auch andere Arbeitnehmer die Schutzausrüstung anlegen. Bei der Baustelle waren Abdichtungsmaßnahmen zwischen Neubau und Zubau zu machen.

Der Beschwerdeführer hat auf der anderen Seite des Daches an einer Kamineinfassung gearbeitet. FF hätte eine Dachichse bearbeiten sollen und mussten die Arbeiten dort begonnen werden, wo die Absturzseite war. Der Beschwerdeführer hat nicht darauf geachtet, ob Herr FF die Schutzausrüstung mit auf das Dach hinauf gebracht hat. Der Beschwerdeführer hat angegeben, dass jeder für sich verantwortlich dafür ist, dass jeder die persönliche Schutzausrüstung anzieht, wenn kein Fanggerüst da ist und er und FF jeweils selbständig gearbeitet hätten. Der Beschwerdeführer hat angegeben, seine Schutzausrüstung in seinem Fahrzeug zu haben, da zwei Fahrzeuge zur Verfügung gestanden wären. Man habe immer gesagt, dass man die persönliche Schutzausrüstung anlegen müsse und würde es eine Unterweisung geben, dass jeder diese Pflichten wahrnehmen müsse. Am Unfallstag hat der Beschwerdeführer nicht zu Herrn FF gesagt, dass er die Schutzausrüstung anziehen solle, da jeder einfach selber wissen müsse, wie er sich auf der Baustelle zu verhalten habe. Der Beschwerdeführer könne das nicht immer kontrollieren. In diesem Fall sei er bei der Baustelle aber selber dabei gewesen. Ein Dachfanggerüst war nicht vorhanden. Auf die Anbringung eines Dachfanggerüsts wurde an der Unfallstelle verzichtet, weil es für den Beschwerdeführer ein untergeordneter Teil war

III.     Beweiswürdigung:

Die Feststellung hinsichtlich der Verantwortlichkeit des Beschwerdeführers ergibt sich aus dessen Vorbringen im Schriftsatz vom 15.02.2017 sowie im Schriftsatz vom 21.02.2017. Die Feststellungen über den Unfallshergang ergeben sich aus der Berichterstattung der
PI Z vom 27.01.2017 sowie aus deren Anzeige des Arbeitsinspektorats X vom 06.02.2017 und sind insofern vom Beschwerdeführer auch nicht bestritten.

Dass Herr FF Vorarbeiter ist und an Baustellen selbst die Aufgabe hat, Sicherheitsmaßnahmen umzusetzen und er die Sicherheitsunterweisung vom 15.03.2016 unterschrieben hat, ergibt sich aus dem behördlichen Akt sowie den Aussagen des Beschwerdeführers sowie des Zeugen FF.

Aus den Zeugenangaben und den Angaben des Beschwerdeführers ergibt sich auch, dass der Zeuge FF eine persönliche Schutzausrüstung nicht auf das Dach mit hinauf gebracht hat. Dass der Beschwerdeführer nicht darauf geachtet hat, ob der Zeuge FF die persönliche Schutzausrüstung auf das Dach gebracht hat, ergibt sich aus dessen Angaben, ebenso wie die Feststellungen zu seinen anderen Angaben (insbesondere zur Selbstverantwortlichkeit und zu den Kontrollen sowie zu den Äußerungen über das Anlegen der persönlichen Schutzausrüstung und zu den Unterweisungen). Die Feststellungen zum Dachfanggerüst ergeben sich aus den Angaben des Beschwerdeführers.

IV.      Rechtslage:

§ 87 BauV

Arbeiten auf Dächern

(…)

(3) Bei Arbeiten auf Dächern mit einer Neigung von mehr als 20 ° und einer Absturzhöhe von mehr als 3,00 m müssen geeignete Schutzeinrichtungen vorhanden sein, die den Absturz von Menschen, Materialien und Geräten in sicherer Weise verhindern, wie insbesondere Dachfanggerüste (§ 88). Bei besonderen Gegebenheiten, wie auf glatter, nasser oder vereister Dachhaut, die ein Ausgleiten begünstigen, müssen auch bei geringerer Neigung solche Schutzeinrichtungen vorhanden sein. Wenn Arbeiten auf Dächern gleichzeitig oder aufeinanderfolgend sowohl an der Dachfläche als auch an der Traufe durchgeführt werden, müssen solche Schutzeinrichtungen verwendet werden, die sowohl für die Arbeiten an der Dachfläche als auch für die Arbeiten an der Traufe wirksam sind.

(…)

§ 118 ASchG

Bauarbeiten

(3) Die Bauarbeiterschutzverordnung, BGBl. Nr. 340/1994, (BauV), gilt nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen als Verordnung nach diesem Bundesgesetz. Für die Änderung der Bauarbeiterschutzverordnung ist dieses Bundesgesetz maßgeblich:

(Anm.: Z 1 aufgehoben durch BGBl. I Nr. 118/2012)

(Anm.: Z 2 aufgehoben durch BGBl. I Nr. 159/2001)

(Anm.: Z 3 aufgehoben durch BGBl. I Nr. 118/2012)

4.

Die §§ 158 Abs. 1 und 2 sowie 160 BauV entfallen.

§ 130 ASchG

Strafbestimmungen

(…)

(5) Eine Verwaltungsübertretung, die mit Geldstrafe von 166 bis 8 324 €, im Wiederholungsfall mit Geldstrafe von 333 bis 16 659 € zu bestrafen ist, begeht, wer als Arbeitgeber/in

1.

den nach dem 9. Abschnitt weitergeltenden Bestimmungen zuwiderhandelt, oder

2.

die nach dem 9. Abschnitt weitergeltenden bescheidmäßigen Vorschreibungen nicht einhält.

(…)

§ 9 VStG

Besondere Fälle der Verantwortlichkeit

(1) Für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften durch juristische Personen oder eingetragene Personengesellschaften ist, sofern die Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmen und soweit nicht verantwortliche Beauftragte (Abs. 2) bestellt sind, strafrechtlich verantwortlich, wer zur Vertretung nach außen berufen ist.

(…)“

V.       Erwägungen:

Aus den Feststellungen ergibt sich, dass der Beschwerdeführer den objektiven Tatbestand der ihn zur Last gelegten Verwaltungsübertretung verwirklicht hat.

Der Beschwerdeführer hat kein funktionierendes Kontrollsystem dargelegt, das im gegenständlichen Fall Platz gegriffen hätte. Nach den Feststellungen hat der Beschwerdeführer viel mehr angegeben, dass jeder für sich selbst verantwortlich ist, die persönliche Schutzausrüstung anzuziehen und dass er nicht darauf geachtet hat, ob Herr FF die Schutzausrüstung mit auf das Dach gebracht hat. Wenn der Beschwerdeführer ausgeführt hat, dass man gesagt habe, dass die persönliche Schutzausrüstung angelegt werden müsse und es Unterweisungen gebe, ist dazu auszuführen, dass es nicht ausreicht, lediglich Anweisungen oder Unterweisungen zu geben, die in weiterer Folge nicht dahingehend kontrolliert werden, ob diesen Anweisungen auch tatsächlich nachgekommen wird.

Ein wirksames Kontrollsystem hat nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs gerade für den Fall eigenmächtiger Handlungen von Arbeitnehmern gegen Arbeitnehmerschutzvorschriften Platz zu greifen (vgl VwGH 29.06.2011, 2007/02/0358). Aus diesem Grund hätte das Kontrollsystem gerade in dem Fall Platz zu greifen gehabt, dass Herr FF die persönliche Schutzausrüstung nicht auf das Dach mitgenommen hat und vielmehr ohne diese Schutzausrüstung zu arbeiten begonnen hat.

Die Verantwortlichkeit des Arbeitgebers für die Einhaltung der Arbeitnehmerschutzvorschriften für die Arbeitnehmer kann nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs nicht eingeschränkt werden und wäre auch eine vertragliche Überwälzung der Durchführung der Sicherungsmaßnahmen an ein anderes Unternehmen nicht ausreichend, um den Arbeitgeber von seinen Pflichten zu entlasten
(vgl VwGH 19.03.2013, 2009/02/0055).

Für Baustellen gilt im Anwendungsbereich der Bauarbeiterschutzverordnung, dass sich deren Anordnungen jedenfalls auch an den Arbeitgeber richten, dessen Arbeitnehmer eine von einem Dritten hergestellte Vorrichtung betreten sollen. Somit liegt es am Arbeitgeber, seine Arbeitnehmer vor sämtlichen Gefahren zu schützen, auch wenn diese von vom Vertragspartner des Arbeitgebers hergestellten Einrichtungen ausgehen (VwGH 11.09.2013, 2013/02/0047). Bei den Bestimmungen der Bauarbeiterschutzverordnung handelt es sich um arbeitnehmerschutzrechtliche Regelungen die den Schutz des Lebens und der Gesundheit der Arbeitnehmer bei Ausübung ihrer beruflichen Tätigkeit im Auge haben. Der Arbeitgeber ist regelmäßig dann für eine Beeinträchtigung dieser Rechtsgüter seines Arbeitnehmers verantwortlich, wenn er Schutzvorschriften, die in seinem Einflussbereich zu erfüllen wären, nicht beachtet und ist der Arbeitgeber sohin verpflichtet, die Einhaltung von Arbeitnehmerschutzvorschriften zu überprüfen und nur soweit diese gegeben sind, dem Arbeitnehmer die Verrichtung seiner Tätigkeit zu ermöglichen (vgl VwGH 30.03.2011, 2009/02/0249). Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs ist der Arbeitgeber verpflichtet, einen Verstoß gegen Arbeitnehmerschutzvorschriften durch ein entsprechendes Kontrollsystem zu verhindern und gilt dies auch für eigenmächtiges Handeln der Arbeitnehmer, wobei es unerheblich ist, ob ein verunfallter Arbeitnehmer auch selbst Sicherheitsbeauftragter war, zumal es nicht darauf ankommt, ob dieser Arbeitnehmer über alle Arbeitnehmerschutzbestimmungen informiert war (vgl VwGH 25.11.2005, 2004/02/0118).

Auch in subjektiver Hinsicht hat der Beschwerdeführer die ihm zur Last gelegte Tat zu verantworten. Was die innere Tatseite anlangt, ist festzuhalten, dass es sich bei der dem Beschwerdeführer vorgeworfenen Übertretung um eine sogenanntes Ungehorsamsdelikt handelt, da zum Tatbestand der betreffenden Verwaltungsübertretung wird der Eintritt eines Schadens noch der Eintritt einer Gefahr gehören. Für derartige Delikte sieht § 5 Abs 1 zweiter Satz VStG vor, dass dann ohne weiteres Fahrlässigkeit anzunehmen ist, wenn der Täter nicht glaubhaft macht, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschriften kein Verschulden trifft. Der Beschwerdeführer hätte im gegenständlichen Fall konkret darlegen müssen, welche Maßnahmen im Sinne eines wirksamen begleitenden Kontrollsystems, das von ihm eingerichtet wurde, von ihm getroffen wurden, um jederzeit sicherzustellen, dass die Einhaltung der einschlägigen Vorschriften gewährt ist und Verstöße dagegen vermieden werden. Es gibt nach Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs kein Vertrauen darauf, dass die eingewiesenen, laufend geschulten und ordnungsgemäß ausgerüsteten Arbeitnehmer die Arbeitnehmerschutzvorschriften einhalten (vgl VwGH 10.12.2014, 2012/02/0102 ua).

Da der Beschwerdeführer kein wirksames Kontrollsystem dargelegt hat war jedenfalls von fahrlässiger Tatbegehung auszugehen.

Damit ergibt sich aber, dass der Beschwerdeführer die Tat in objektiver und subjektiver Hinsicht verwirklicht hat.

Die Bestrafung ist sohin dem Grunde nach zu Recht erfolgt.

Nach § 19 Abs 1 VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe die Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes und die Intensität seiner Beeinträchtigung durch die Tat.

Nach § 19 Abs 2 VStG sind im ordentlichen Verfahren überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens- und Vermögensverhältnisse und allfällige Sorgepflichten des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.

Der Unrechtsgehalt der gegenständlichen Verwaltungsübertretung ist insofern nicht unerheblich, als durch die Übertretung der Norm, dass zu schützende staatliche Interesse an der körperlichen Unversehrtheit und Sicherheit der Arbeitnehmer verletzt wurde. Der Beschwerdeführer hat sein monatliches Einkommen mit Euro 1.200,00 und sein Vermögen mit einem Wohnhaus dargelegt. Die verhängte Geldstrafe kann im Hinblick auf die Einkommens- und Vermögensverhältnisse nicht als überhöht angesehen werden, zumal der gesetzliche Strafrahmen lediglich im unteren Bereich ausgeschöpft wurde. Eine Bestrafung in der gegenständlichen Höhe war jedenfalls geboten, um den Unrechts- und Schuldgehalt der Übertretung hinreichend Rechnung zu tragen und dem Beschwerdeführer künftig hin zu einer sorgfältigen Beachtung der arbeitnehmerschutzrechtlichen Bestimmungen zu veranlassen. Auch aus generalpräventiven Gründen war eine Bestrafung in der gegenständlichen Höhe jedenfalls geboten.

Mildernd war nichts zu berücksichtigen, erschwerend ebenso nichts. Die Voraussetzung nach §§ 20 und 45 Abs 1 Z 4 VStG lagen nicht vor. Die Anwendung des
§ 20 VStG ist bereits deshalb ausgeschieden, da ein beträchtliches Überwiegen der von Milderungsgründen nicht festgestellt werden konnte. Hinsichtlich des § 45 Abs 1 Z 4 VStG fehlt es an dem hier geforderten geringfügigen Verschulden. Ein Fehlen eines funktionierenden Kontrollsystems schließt ein geringfügiges Verschulden aus
(vgl VwGH 18.04.2017, Ra 2016/02/0061).

Es war sohin spruchgemäß zu entscheiden.

VI.      Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Im Übrigen wird auf die vorzitierte Rechtsprechung verwiesen.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Soweit die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof in Wien für zulässig erklärt worden ist, kann innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung dieser Entscheidung eine ordentliche Revision erhoben werden. Im Fall der Nichtzulassung der ordentlichen Revision kann innerhalb dieser Frist nur die außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden.

Wenn allerdings in einer Verwaltungsstrafsache oder in einer Finanzstrafsache eine Geldstrafe von bis zu Euro 750,00 und keine Freiheitsstrafe verhängt werden durfte und im Erkenntnis eine Geldstrafe von bis zu Euro 400,00 verhängt wurde, ist eine (ordentliche oder außerordentliche) Revision an den Verwaltungsgerichthof wegen Verletzung in Rechten nicht zulässig.

Jedenfalls kann gegen diese Entscheidung binnen sechs Wochen ab der Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, Freyung 8, 1010 Wien, erhoben werden.

Die genannten Rechtsmittel sind von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw einer bevollmächtigten Rechtsanwältin abzufassen und einzubringen, und es ist eine Eingabegebühr von Euro 240,00 zu entrichten. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist direkt bei diesem, die (ordentliche oder außerordentliche) Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist beim Landesverwaltungsgericht Tirol einzubringen.

Es besteht die Möglichkeit, auf die Revision beim Verwaltungsgerichtshof und die Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof zu verzichten. Ein solcher Verzicht hat zur Folge, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof und eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof nicht mehr erhoben werden können.

Hinweis:

Rechtskräftig verhängte Geldstrafen (sowie Verfahrenskostenbeiträge) sind bei der Behörde einzubezahlen (vgl § 54b Abs 1 VStG).

Landesverwaltungsgericht Tirol

Dr. Rosenkranz

(Richter)

Schlagworte

Kontrollsystem

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGTI:2018:LVwG.2017.27.1081.3

Zuletzt aktualisiert am

12.06.2018
Quelle: Landesverwaltungsgericht Tirol LVwg Tirol, https://www.lvwg-tirol.gv.at
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