Entscheidungsdatum
29.05.2018Norm
AsylG 2005 §35Spruch
W212 2186830-1/2E
W212 2186826-1/2E
W212 2186828-1/2E
W212 2186829-1/2E
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. Eva SINGER nach Beschwerdevorentscheidung der Österreichischen Botschaft Islamabad vom 18.01.2018, Zl. Islamabad-OB/KONS/1660/2017, aufgrund des Vorlageantrags von 1.) XXXX , geb. XXXX , 2.) mj. XXXX , geb. XXXX , gesetzlich vertreten durch die Mutter XXXX , 3.) mj. XXXX , geb. XXXX , gesetzlich vertreten durch die Mutter XXXX , 4.) mj. XXXX , geb. XXXX , gesetzlich vertreten durch die Mutter XXXX , alle StA Afghanistan, vertreten durch das Österreichische Rote Kreuz, über die Beschwerde gegen die Bescheide der Österreichischen Botschaft Islamabad vom 31.10.2017 zu Recht erkannt:
A) Die Beschwerde wird gemäß § 35 AsylG 2005 idF BGBl. I Nr. 145/2017 als unbegründet abgewiesen.
B) Die ordentliche Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht
zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1.1. Die Erstbeschwerdeführerin und ihre drei minderjährigen Kinder, die Zweit- bis Viertbeschwerdeführer, alle Staatsangehörige Afghanistans, stellten am 29.03.2017 elektronisch bei der österreichischen Botschaft Islamabad (in der Folge ÖB Islamabad) Anträge auf Erteilung von Einreisetiteln nach § 35 Abs. 1 Bundesgesetz über die Gewährung von Asyl, BGBl. I Nr. 100/2005 (in der Folge AsylG). Als Bezugsperson wurde XXXX , geb. XXXX , StA Afghanistan, angegeben, dem mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden war. Dieser sei der Ehemann der Erstbeschwerdeführerin, die Zweit- bis Viertbeschwerdeführer seien die Kinder der Erstbeschwerdeführerin aus erster Ehe.
Im Zuge der Antragstellung wurden Auszüge aus dem Standesregister (Tazkira) der Erstbeschwerdeführerin und der Bezugsperson mit Übersetzung in englischer Sprache, eine Sterbeurkunde des ersten Ehemannes der Erstbeschwerdeführerin mit Übersetzung in englischer Sprache sowie ein Eheschließungszertifikat, ausgestellt von einem Gericht in Kabul vom 24.04.2017, vorgelegt, aus dem sich zufolge einer Eintragung in englischer Sprache ergibt, dass drei Zeugen ("confessors") in Anwesenheit von zwei Zeugen ("witnesses") bestätigt hätten, dass zwischen der Erstbeschwerdeführerin und der (laut Übersetzung in "Outrush Country", gemeint wohl Österreich, lebenden) Bezugsperson nach dem Tod des ersten Ehemannes der Erstbeschwerdeführerin eine Eheschließung erfolgt sei. Es wurden auch Dokumentenkopien betreffend die Bezugsperson beigelegt.
Im Zuge eines persönlichen Interviews an 10.05.2017 an der ÖB Islamabad gab die Erstbeschwerdeführerin an, dass ihre zweite Eheschließung im Jahr 1398 (entspricht dem Jahr 2014, Anm.) erfolgt sei. Bei der Heirat sei keine Urkunde ausgestellt worden, sie habe die Ehe "vor kurzem" registrieren lassen, dies habe ihr Bruder erledigt. Sie habe mit ihrem Mann einen Monat zusammengelebt.
1.2. Mit Schreiben vom 10.10.2017 teilte das BFA der ÖB Islamabad gemäß § 35 Abs. 4 AsylG mit, dass nach Prüfung der Sachlage die Gewährung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten oder Asylberechtigten nicht wahrscheinlich sei. Begründend wurde in einer Stellungnahme mitgeteilt, dass die Ehe zwischen der Erstbeschwerdeführerin und der Bezugsperson nicht bereits im Herkunftsstaat bestanden habe, weshalb die Erstbeschwerdeführerin keine Familienangehörige im Sinn des vierten Hauptstücks des AsylG sei. Die Erstbeschwerdeführerin habe eine Heiratsurkunde vorgelegt, die am 24.07.2017 ausgestellt worden sei. Die Bezugsperson habe Österreich bereits einige Jahre vor der Eheschließung verlassen. Laut Begleitschreiben zur Antragstellung sei die Ehe bereits am 25.06.2014 geschlossen worden. Dieses Datum gehe aus keinem der vorgelegten Dokumente hervor. Da es sich bei den Zweit- bis Viertbeschwerdeführern nicht um die leiblichen Kinder der Bezugsperson handle, seien deren Anträge ebenfalls abzuweisen.
1.3. Am 16.10.2017 wurde den Beschwerdeführern eine Aufforderung der ÖB Islamabad zur Stellungnahme zur Mitteilung des BFA übermittelt.
In ihrer Stellungnahme vom 23.10.2017 brachten die Beschwerdeführer im Wesentlichen vor, dass die Erstbeschwerdeführerin im Befragungsformular zur Antragstellung angegeben habe, die Ehe sei am 04.04.1393 (25.06.2014) geschlossen worden. In ihrem Interview vor der Botschaft habe sie ebenfalls angegeben, im Jahr 1393 geheiratet zu haben. Die Bezugsperson habe in der Erstbefragung angegeben, die Erstbeschwerdeführerin im Jahr 2014 geheiratet zu haben. Sowohl auf der muslimischen Heiratsurkunde, die dem Antrag vom 29.03.2017 beigelegt worden sei, als auch auf der gerichtlichen Heiratsurkunde, die am 10.05.2017 bei der ÖB vorgelegt worden sei, sei das Datum der Eheschließung, 04.04.1393, vermerkt. Dass die Erstbeschwerdeführerin bei ihrer Vorsprache am 10.05.2017 eine Heiratsurkunde vorgelegt haben solle, die am 24.07.2017 ausgestellt worden sei, sei schlicht unmöglich. Vielmehr habe sie das Dokument in Farsi ohne Übersetzung vorgelegt. Eine deutsche Übersetzung sei im Juli 2017 nachgereicht worden. Es handle sich somit um das Datum der Übersetzung. Wenn das tatsächliche Hochzeitsdatum aus der deutschen Übersetzung nicht hervorgehe, so liege das an einer Mangelhaftigkeit der Übersetzung. Eine fehlerfreie Übersetzung werde nachgereicht. Die Zweit- bis Viertbeschwerdeführer seien die leiblichen Kinder der Erstbeschwerdeführerin, weshalb ihnen gemäß § 35 iVm § 34 Abs. 6 Z 2 AsylG das Recht auf Einreise sowie auf Gewährung desselben Schutzes zukomme.
Der Stellungnahme lagen Kopien zweier Dokumente in der Sprache Farsi, als "muslimische Heiratsurkunde" und "standesamtliche Heiratsurkunde" bezeichnet, bei.
1.4. Die Stellungnahme wurde durch die österreichische Botschaft neuerlich dem BFA mit dem Ersuchen um Mitteilung übermittelt, ob die negative Wahrscheinlichkeitsprognose aufrecht bleibe. Mit Nachricht vom 25.10.2017 teilte das BFA der ÖB mit, dass die negative Wahrscheinlichkeitsprognose aufrecht bleibe. Die Stellungnahme werde insoweit berichtigt, dass die Heiratsurkunde nicht am 24.07.2017, sondern am 24.04.2017 ausgestellt worden sei. Dies ändere jedoch nichts an der Tatsache, dass die Heiratsurkunde lange nach der Ausreise der Bezugsperson ausgestellt worden sei.
1.5. Mit Bescheid der ÖB Islamabad vom 31.10.2017 wurde der Einreiseantrag gemäß § 35 AsylG abgewiesen und angeführt, dass das BFA mitgeteilt habe, dass eine Zuerkennung des Status des Asylberechtigten oder subsidiär Schutzberechtigten im zugrundeliegenden Fall nicht wahrscheinlich sei. Begründend wurde auf die Stellungnahme vom 10.10.2017 verwiesen.
1.6. Gegen diesen Bescheid wurde mit Schriftsatz vom 28.11.2017 Beschwerde erhoben, wobei im Wesentlichen das Vorbringen der Stellungnahme vom 19.12.2017 wiederholt wurde. Ergänzend wurde ausgeführt, dass die Behörde sich nicht mit dem Vorbringen in der Stellungahme sowie den Angaben der Bezugsperson im Asylverfahren auseinandergesetzt und das Verfahren daher mit formeller Rechtswidrigkeit belastet habe.
Der Beschwerde lagen deutsche Übersetzungen der bisher vorgelegten Unterlagen bei.
1.7. In der Folge erließ die ÖB Islamabad am 18.01.2018 eine Beschwerdevorentscheidung gemäß § 14 Abs. 1 VwGVG, mit welcher die Beschwerde gemäß § 14 Abs. 1 VwGVG abgewiesen wurde. Die Behörde gründete ihre Entscheidung im Wesentlichen auf das Vorliegen der negativen Wahrscheinlichkeitsprognose des BFA, welche auch nach Einräumung von Parteiengehör zum allein wesentlichen Umstand der fehlenden Angehörigeneigenschaft im Verfahren aufrecht geblieben sei.
Für eine vorgebliche Eheschließung vor Ausreise der Bezugsperson liegt kein Beweis vor. An der Echtheit der Urkunde, mit der eine Eheschließung am 25.06.2014 bestätigt werden, werde gezweifelt, da diese keine offizielle Überbeglaubigung aufweise. Die Angaben der Bezugsperson seien in die Wahrscheinlichkeitsprognose des BFA einbezogen worden, hätten jedoch bei der Beurteilung der Gültigkeit der Dokumente keine Relevanz. Es werde darauf hingewiesen, dass die Erstbeschwerdeführerin weder die Geburtsdaten noch mit Gewissheit das Alter ihrer Kinder habe angeben könne, ebenso wenig das Alter ihres angeblichen Ehemannes. Sie habe angegeben, dass die Registrierung der Ehe "vor kurzem" erfolgt sei, was im Widerspruch zu den vorgelegten Dokumenten stehe. Die Registrierung sei durch ihren Bruder in Kabul "beschafft" worden. Der Vorhalt, die belangte Behörde würde Willkür
üben, entbehre somit jeglicher Grundlage. Die Anträge der Zweit- bis Viertbeschwerdeführer seien mangels gesetzlicher Familieneigenschaft ebenso abzuweisen gewesen.
1.8. Dagegen brachten die Beschwerdeführer am 29.01.2018 einen Vorlageantrag gemäß § 15 VwGVG ein.
1.9. Mit einem am 22.02.2018 eingelangten Schreiben des Bundesministeriums für Inneres wurde dem Bundesverwaltungsgericht der Vorlageantrag samt Verwaltungsakt vorgelegt.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Die Beschwerdeführer stellten am 29.03.2017 bei der ÖB Islamabad Anträge auf Erteilung von Einreisetiteln nach § 35 Abs. 1 AsylG. Die Zweit- bis Viertbeschwerdeführer sind laut eigenen Angaben die minderjährigen Kinder der Erstbeschwerdeführerin aus erster Ehe.
Als Bezugsperson wurde XXXX , geb. XXXX , StA Afghanistan, bezeichnet, welcher der Ehemann der Erstbeschwerdeführerin sei. Er ist nicht der leibliche Vater der Zweit- bis Viertbeschwerdeführer. Mit Bescheid des BFA vom XXXX wurde der Bezugsperson der Status des Asylberechtigten zuerkannt. Die Bezugsperson hatte am 08.04.2015 einen Asylantrag in Österreich gestellt.
Eine in Afghanistan rechtsgültig geschlossene Ehe zwischen der Erstbeschwerdeführerin und der Bezugsperson konnte nicht festgestellt werden.
Die Bezugsperson war zum Zeitpunkt der angeblichen Eheschließung am 25.06.2014 16 Jahre alt und daher minderjährig.
Das BFA teilte nach Prüfung des Sachverhaltes mit, dass die Stattgebung eines Antrages auf internationalen Schutz durch Zuerkennung des Status der Asylberechtigten oder subsidiär Schutzberechtigten nicht wahrscheinlich sei, da die Ehe zwischen der Erstbeschwerdeführerin und der Bezugsperson nicht bereits im Herkunftsstaat bestanden habe, weshalb die Erstbeschwerdeführerin keine Familienangehörige im Sinn des vierten Hauptstücks des AsylG sei.
2. Beweiswürdigung:
Die festgestellten Tatsachen ergeben sich zweifelsfrei aus dem Akt der ÖB Islamabad und wurden von den beschwerdeführenden Parteien nicht bestritten.
Die vorgelegte afghanische Heiratsurkunde vom 24.04.2017 enthält die an diesem Tag vor einem Gericht in Kabul erstatteten Aussagen von drei namentlich genannten Personen, wonach die am 25.06.2014, also drei Jahre davor, erfolgte Eheschließung der Erstbeschwerdeführerin mit der Bezugsperson bestätigt werde. Die Urkunde entspricht insofern nicht den üblicherweise vorgelegten Urkunden dieser Art, als die Personaldaten der Eheleute, die unter den Personaldaten der Zeugen einzutragen wären, zur Gänze fehlen. Dies ist deutlich im Originaldokument in Farsi und auch in der englischen Übersetzung zu erkennen, da die dafür vorgesehenen Felder leer sind. Die Bezugsperson wird in dem Dokument nur mit dem Vornamen bezeichnet, der Nachname " XXXX " fehlt gänzlich. Festgehalten wird weiters, dass das Hochzeitsdatum 25.06.2014 nur aus der deutschen Übersetzung hervorgeht, in der englischen Übersetzung ist kein Datum vermerkt.
Die Beweiskraft derartiger, allein auf Zeugenaussagen basierender Urkunden ist generell gering, weil der Wahrheitsgehalt solcher Zeugenaussagen vor Ausstellung der Urkunden nicht überprüft wird, afghanische Personenstandsurkunden unwahren Inhalts weit verbreitet sind und derartige Dokumente von den Behörden ohne adäquaten Nachweis ausgestellt werden (z.B. deutsches Auswärtiges Amt, 06.11.2015, Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan, S. 27). Abgesehen davon deuten die oben genannten Merkmale zusätzlich darauf hin, dass diese Urkunde ohne jeglichen Nachweis, insbesondere zur Person der Bezugsperson, die sich zum Ausstellungszeitpunkt schon in Österreich befand, ausgestellt wurde.
Bei der der Stellungnahme beiliegenden "muslimischen Heiratsurkunde" (welche im Verfahren nur in Farsi und erst mit der Beschwerde in deutscher Übersetzung vorgelegt wurde) handelt es sich um ein am 27.06.2014 von einer Behörde des afghanischen Justizministeriums ausgestelltes Dokument, aus dem hervorgeht, dass die Ehe zwischen der Erstbeschwerdeführerin und der Bezugsperson am 25.06.2014 vor der "Kommission für religiöse und kulturelle Angelegenheiten" geschlossen worden sei. Zwei Fingerabdrücke sind als die der Erstbeschwerdeführerin und der Bezugsperson bezeichnet. Dieses Dokument steht allerdings im Widerspruch zu den Angaben der Erstbeschwerdeführerin, wonach die Eheschließung durch einen Mullah erfolgt und kein Dokument ausgestellt worden sei. Es
muss davon ausgegangen werden, dass die Erstbeschwerdeführerin die Tatsache, dass sie zwei Tage nach der Hochzeit ein diesbezügliches Schriftstück mit ihrem Fingerabdruck unterzeichnet hätte, in ihrem Interview vor der Botschaft erwähnt hätte. Das Dokument ist auch nicht mit ihrer Aussage, sie habe die Ehe erst "vor kurzem" durch ihren Bruder registrieren lassen, in Einklang zu bringen. Es ist auch nicht nachvollziehbar, weshalb drei Jahre nach der Hochzeit ein auf Zeugenaussagen beruhendes Dokument durch ein Gericht ausgestellt werden musste, wenn die Ehe bereist durch das Justizministerium bestätigt worden wäre.
Die beiden vorgelegten Dokumente sind daher nicht geeignet, eine traditionelle Eheschließung zwischen der Erstbeschwerdeführerin und der Bezugsperson nachzuweisen.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A) Abweisung der Beschwerde:
3.1. Die maßgeblichen Bestimmungen des AsylG 2005 lauten:
§ 34 AsylG 2005 idF BGBl. I Nr. 145/2017:
"(1) Stellt ein Familienangehöriger von
1. einem Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden ist;
2. einem Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten (§ 8) zuerkannt worden ist oder
3. einem Asylwerber
einen Antrag auf internationalen Schutz, gilt dieser als Antrag auf Gewährung desselben Schutzes.
(2) Die Behörde hat auf Grund eines Antrages eines Familienangehörigen eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden ist, dem Familienangehörigen mit Bescheid den Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn
1. dieser nicht straffällig geworden ist und
(Anm.: Z 2 aufgehoben durch Art. 3 Z 13, BGBl. I Nr. 84/2017)
3. gegen den Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde, kein Verfahren zur Aberkennung dieses Status anhängig ist (§ 7).
(3) Die Behörde hat auf Grund eines Antrages eines Familienangehörigen eines Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt worden ist, dem Familienangehörigen mit Bescheid den Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wenn
1. dieser nicht straffällig geworden ist;
(Anm.: Z 2 aufgehoben durch Art. 3 Z 13, BGBl. I Nr. 84/2017)
3. gegen den Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde, kein Verfahren zur Aberkennung dieses Status anhängig ist (§ 9) und
4. dem Familienangehörigen nicht der Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen ist.
(4) Die Behörde hat Anträge von Familienangehörigen eines Asylwerbers gesondert zu prüfen; die Verfahren sind unter einem zu führen; unter den Voraussetzungen der Abs. 2 und 3 erhalten alle Familienangehörigen den gleichen Schutzumfang. Entweder ist der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wobei die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten vorgeht, es sei denn, alle Anträge wären als unzulässig zurückzuweisen oder abzuweisen. Jeder Asylwerber erhält einen gesonderten Bescheid. Ist einem Fremden der faktische Abschiebeschutz gemäß § 12a Abs. 4 zuzuerkennen, ist dieser auch seinen Familienangehörigen zuzuerkennen.
(5) Die Bestimmungen der Abs. 1 bis 4 gelten sinngemäß für das Verfahren beim Bundesverwaltungsgericht.
(6) Die Bestimmungen dieses Abschnitts sind nicht anzuwenden:
1. auf Familienangehörige, die EWR-Bürger oder Schweizer Bürger sind;
2. auf Familienangehörige eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten oder der Status des subsidiär Schutzberechtigten im Rahmen eines Verfahrens nach diesem Abschnitt zuerkannt wurde, es sei denn es handelt sich bei dem Familienangehörigen um ein minderjähriges lediges Kind;
3. im Fall einer Aufenthaltsehe, Aufenthaltspartnerschaft oder Aufenthaltsadoption (§ 30 NAG)."
§ 35 AsylG 2005 idF BGBl. I Nr. 145/2017 lautet:
"(1) Der Familienangehörige gemäß Abs. 5 eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde und der sich im Ausland befindet, kann zwecks Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz gemäß § 34 Abs. 1 Z 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 einen Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels bei der mit konsularischen Aufgaben betrauten österreichischen Vertretungsbehörde im Ausland (Vertretungsbehörde) stellen. Erfolgt die Antragstellung auf Erteilung eines Einreisetitels mehr als drei Monate nach rechtskräftiger Zuerkennung des Status des Asylberechtigten, sind die Voraussetzungen gemäß § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 zu erfüllen.
(2) Der Familienangehörige gemäß Abs. 5 eines Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde und der sich im Ausland befindet, kann zwecks Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz gemäß § 34 Abs. 1 Z 2 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 frühestens drei Jahre nach rechtskräftiger Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten einen Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels bei der Vertretungsbehörde stellen, sofern die Voraussetzungen gemäß § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 erfüllt sind. Diesfalls ist die Einreise zu gewähren, es sei denn, es wäre auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht mehr vorliegen oder in drei Monaten nicht mehr vorliegen werden. Darüber hinaus gilt Abs. 4.
(2a) Handelt es sich beim Antragsteller um den Elternteil eines unbegleiteten Minderjährigen, dem der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde, gelten die Voraussetzungen gemäß § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 als erfüllt.
(3) Wird ein Antrag nach Abs. 1 oder Abs. 2 gestellt, hat die Vertretungsbehörde dafür Sorge zu tragen, dass der Fremde ein in einer ihm verständlichen Sprache gehaltenes Befragungsformular ausfüllt; Gestaltung und Text dieses Formulars hat der Bundesminister für Inneres im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Europa, Integration und Äußeres
und nach Anhörung des Hochkommissärs der Vereinten Nationen für Flüchtlinge (§ 63) so festzulegen, dass das Ausfüllen des Formulars der Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts dient. Außerdem hat die Vertretungsbehörde auf die Vollständigkeit des Antrages im Hinblick auf den Nachweis der Voraussetzungen gemäß § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 hinzuwirken und den Inhalt der ihr vorgelegten Dokumente aktenkundig zu machen. Der Antrag auf Einreise ist unverzüglich dem Bundesamt zuzuleiten.
(4) Die Vertretungsbehörde hat dem Fremden aufgrund eines Antrags auf Erteilung eines Einreisetitels nach Abs. 1 oder 2 ohne weiteres ein Visum zur Einreise zu erteilen (§ 26 FPG), wenn das Bundesamt mitgeteilt hat, dass die Stattgebung eines Antrages auf internationalen Schutz durch Zuerkennung des Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten wahrscheinlich ist. Eine derartige Mitteilung darf das Bundesamt nur erteilen, wenn
1. gegen den Fremden, dem der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde, kein Verfahren zur Aberkennung dieses Status anhängig ist (§§ 7 und 9),
2. das zu befassende Bundesministerium für Inneres mitgeteilt hat, dass eine Einreise den öffentlichen Interessen nach Art. 8 Abs. 2 EMRK nicht widerspricht und
3. im Falle eines Antrages nach Abs. 1 letzter Satz oder Abs. 2 die Voraussetzungen des § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 erfüllt sind, es sei denn, die Stattgebung des Antrages ist gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten.
Bis zum Einlangen dieser Mitteilung ist die Frist gemäß § 11 Abs. 5 FPG gehemmt. Die Vertretungsbehörde hat den Fremden über den weiteren Verfahrensablauf in Österreich gemäß § 17 Abs. 1 und 2 zu informieren.
(5) Nach dieser Bestimmung ist Familienangehöriger, wer Elternteil eines minderjährigen Kindes, Ehegatte oder zum Zeitpunkt der Antragstellung minderjähriges lediges Kind eines Fremden ist, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten zuerkannt wurde, sofern die Ehe bei Ehegatten bereits vor der Einreise des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten bestanden hat; dies gilt weiters auch für eingetragene Partner, sofern die eingetragene Partnerschaft bereits vor der Einreise des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten bestanden hat."
§ 75 Abs. 24 AsylG 2005 idF BGBl. I Nr. 24/2016 lautet:
"(24) Auf Fremde, denen der Status des Asylberechtigten bereits vor Inkrafttreten des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 24/2016 zuerkannt wurde und auf Fremde, die einen Antrag auf internationalen Schutz vor dem 15. November 2015 gestellt haben, sind die §§ 2 Abs. 1 Z 15, 3 Abs. 4 bis 4b, 7 Abs. 2a und 51a in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 24/2016 nicht anzuwenden. Für diese Fremden gilt weiter § 2 Abs. 1 Z 15 in der Fassung vor Inkrafttreten des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 24/2016. §§ 17 Abs. 6 und 35 Abs. 1 bis 4 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 24/2016 sind auf Verfahren, die bereits vor dem 1. Juni 2016 anhängig waren, nicht anzuwenden. Auf Verfahren gemäß § 35, die bereits vor dem 1. Juni 2016 anhängig waren, ist § 35 Abs. 1 bis 4 in der Fassung vor Inkrafttreten des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 24/2016 weiter anzuwenden. Handelt es sich bei einem Antragsteller auf Erteilung des Einreisetitels gemäß § 35 Abs. 1 um den Familienangehörigen eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten bereits vor Inkrafttreten des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 24/2016 rechtskräftig zuerkannt wurde, sind die Voraussetzungen gemäß § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 nicht zu erfüllen, wenn der Antrag auf Erteilung
des Einreisetitels innerhalb von drei Monaten nach Inkrafttreten des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 24/2016 gestellt wurde. § 22 Abs. 1 gilt für Verfahren, die mit Ablauf des 31. Mai 2018 bereits anhängig waren, auch noch nach dem 31. Mai 2018 weiter."
§ 11, § 11a und § 26Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) idF BGBl. I Nr. 68/2013 lauten:
"Verfahren vor den österreichischen Vertretungsbehörden in Visaangelegenheiten
§ 11. (1) In Verfahren vor österreichischen Vertretungsbehörden haben Antragsteller unter Anleitung der Behörde die für die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes erforderlichen Urkunden und Beweismittel selbst vorzulegen; in Verfahren zur Erteilung eines Visums D ist Art. 19 Visakodex sinngemäß anzuwenden. Der Antragssteller hat über Verlangen der Vertretungsbehörde vor dieser persönlich zu erscheinen, erforderlichenfalls in Begleitung eines Dolmetschers (§ 39a AVG). § 10 Abs. 1 letzter Satz AVG gilt nur für in Österreich zur berufsmäßigen Parteienvertretung befugte Personen. Die Vertretungsbehörde hat nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht. Eine Entscheidung, die dem Standpunkt des Antragstellers nicht vollinhaltlich Rechnung trägt, darf erst ergehen, wenn die Partei Gelegenheit zur Behebung von Formgebrechen und zu einer abschließenden Stellungnahme hatte.
(2) Partei in Verfahren vor der Vertretungsbehörde ist ausschließlich der Antragssteller.
(3) Die Ausfertigung bedarf der Bezeichnung der Behörde, des Datums der Entscheidung und der Unterschrift des Genehmigenden; an die Stelle der Unterschrift kann das Siegel der Republik Österreich gesetzt werden, sofern die Identität des Genehmigenden im Akt nachvollziehbar ist. Die Zustellung hat durch Übergabe in der Vertretungsbehörde oder, soweit die internationale Übung dies zulässt, auf postalischem oder elektronischem Wege zu erfolgen; ist dies nicht möglich, so ist die Zustellung durch Kundmachung an der Amtstafel der Vertretungsbehörde vorzunehmen.
[...]
Beschwerden gegen Bescheide österreichischer Vertretungsbehörden in Visaangelegenheiten
§ 11a. (1) Der Beschwerdeführer hat der Beschwerde gegen einen Bescheid einer österreichischen Vertretungsbehörde sämtliche von ihm im Verfahren vor der belangten Vertretungsbehörde vorgelegten Unterlagen samt Übersetzung in die deutsche Sprache anzuschließen.
(2) Beschwerdeverfahren sind ohne mündliche Verhandlung durchzuführen. Es dürfen dabei keine neuen Tatsachen oder Beweise vorgebracht werden.
(3) Sämtliche Auslagen der belangten Vertretungsbehörde und des Bundesverwaltungsgerichtes für Dolmetscher und Übersetzer sowie für die Überprüfung von Verdolmetschungen und Übersetzungen sind Barauslagen im Sinn des § 76 AVG.
(4) Die Zustellung der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes hat über die Vertretungsbehörde zu erfolgen. § 11 Abs. 3 gilt."
Visa zur Einbeziehung in das Familienverfahren nach dem AsylG 2005
§ 26. Teilt das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl gemäß § 35 Abs. 4 AsylG 2005 mit, dass die Stattgebung eines Antrages auf internationalen Schutz durch Zuerkennung des Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten wahrscheinlich ist, ist dem Fremden ohne Weiteres zur einmaligen Einreise ein Visum mit viermonatiger Gültigkeitsdauer zu erteilen."
Die maßgeblichen Bestimmungen (§§ 6 und 17) des Bundesgesetzes vom 15. Juni 1978 über das internationale Privatrecht (IPR-Gesetz) idgF lauten wie folgt:
Form der Eheschließung:
§ 16. (1) Die Form einer Eheschließung im Inland ist nach den inländischen Formvorschriften zu beurteilen.
(2) Die Form einer Eheschließung im Ausland ist nach dem Personalstatus jedes der Verlobten zu beurteilen; es genügt jedoch die Einhaltung der Formvorschriften des Ortes der Eheschließung.
Vorbehaltsklausel (ordre public)
§ 6. Eine Bestimmung des fremden Rechtes ist nicht anzuwenden, wenn ihre Anwendung zu einem Ergebnis führen würde, das mit den Grundwertungen der österreichischen Rechtsordnung unvereinbar ist. An ihrer Stelle ist erforderlichenfalls die entsprechende Bestimmung des österreichischen Rechtes anzuwenden.
Die maßgeblichen Bestimmungen (§§ 17 und 21) des Ehegesetzes idgF lauten wie folgt:
§ 17 Form der Eheschließung
(1) Die Ehe wird dadurch geschlossen, dass die Verlobten vor dem Standesbeamten persönlich und bei gleichzeitiger Anwesenheit erklären, die Ehe miteinander eingehen zu wollen.
(2) Die Erklärungen können nicht unter einer Bedingung oder einer Zeitbestimmung abgegeben werden.
§ 21 Mangel der Form
(1) Eine Ehe ist nichtig, wenn die Eheschließung nicht in der durch
§ 17 vorgeschriebenen Form stattgefunden hat.
(2) Die Ehe ist jedoch als von Anfang an gültig anzusehen, wenn die Ehegatten nach der Eheschließung fünf Jahre oder, falls einer von ihnen vorher verstorben ist, bis zu dessen Tode, jedoch mindestens drei Jahre, als Ehegatten miteinander gelebt haben, es sei denn,
dass bei Ablauf der fünf Jahre oder zur Zeit des Todes des einen Ehegatten die Nichtigkeitsklage erhoben ist.
3.2. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist die österreichische Vertretungsbehörde im Ausland in Bezug auf die Erteilung eines Einreisetitels nach § 35 AsylG an die Mitteilung des Bundesasylamtes (nunmehr: des Bundeamtes für Fremdenwesen und Asyl) über die Prognose einer Asylgewährung bzw. Gewährung subsidiären Schutzes gebunden, und zwar auch an eine negative Mitteilung. Diesbezüglich kommt ihr keine eigene Prüfungskompetenz zu (vgl. das im Beschwerdefall im ersten Rechtsgang ergangene Erkenntnis VwGH 16.12.2014, Ro 2014/22/0034 unter Hinweis auf VwGH 17.10.2013, 2013/21/0152; VwGH 19.06.2008, 2007/21/0423).
Nach dieser Rechtsprechung ist zur Frage des Prüfungsumfangs der österreichischen Vertretungsbehörde bei der Entscheidung über den Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels im Sinne des § 35 Abs. 1 letzter Satz AsylG auf die Gesetzesmaterialien zur Stammfassung der Vorgängerbestimmung (§ 16 AsylG 1997) zurückzugreifen.
Danach sollten die bei den österreichischen Berufsvertretungsbehörden im Ausland gestellten Asylanträge an die Durchführung eines Vorverfahrens gebunden sein. Bei diesem speziellen Sichtvermerksantrag sollte nämlich ein relativ formalisiertes Ermittlungsverfahren betreffend eine mögliche Asylgewährung stattfinden, in welches das Bundesasylamt einzubinden sei. Treffe das Bundesasylamt die Prognose, dass eine Asylgewährung wahrscheinlich sei, habe die Berufsvertretungsbehörde ohne Weiteres einen entsprechend befristeten Sichtvermerk zur Einreise zu erteilen, worauf das eigentliche Asylverfahren stattzufinden habe. Dieser Mechanismus solle auf der Ebene eines Sichtvermerksverfahrens dazu dienen, die im Hinblick auf eine potentielle Schutzbedürftigkeit heiklen Fälle aus der Vielzahl der Asylanträge im Ausland herauszufiltern, ohne zugleich - im Hinblick auf das relativ formalisierte Verfahren vor der österreichischen Vertretungsbehörde - durch eine negative Asylentscheidung res iudicata zu bewirken und den Asylwerber für immer von einem ordentlichen Asylverfahren auszuschließen. Werde ein Sichtvermerk nicht erteilt, sei der betreffende Asylantrag als gegenstandslos abzulegen (RV 686 BlgNR 20.GP 23).
Schon diese Ausführungen lassen erkennen, dass die österreichische Vertretungsbehörde im Ausland in Bezug auf die Visumserteilung an die Mitteilung des (nunmehr) BFA über die Prognose einer Schutzgewährung gebunden ist. Das Gesetz stellt nur klar, dass es bei einer positiven Mitteilung über die voraussichtliche Stattgebung eines Antrages auf
internationalen Schutz durch Zuerkennung des Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten keiner weiteren Voraussetzungen für die Visumserteilung bedarf, somit die Erteilungsvoraussetzungen und Versagungsgründe des FPG diesfalls unbeachtet zu bleiben haben. Daraus kann nicht abgeleitet werden, dass die Vertretungsbehörde im Falle einer negativen Mitteilung des Bundesamtes noch einmal eine eigene Beurteilung der Wahrscheinlichkeit einer Asylgewährung vorzunehmen hätte und zu einem gegenteiligen Ergebnis als die zur Entscheidung über Asylanträge sachlich zuständige Behörde kommen könnte. Für diese Auffassung gibt das Gesetz keine ausreichenden Anhaltspunkte. Es würde auch dem Zweck der Erteilung dieses Einreisetitels zuwiderlaufen, dem Familienangehörigen einer schutzberechtigten Ankerperson im Hinblick auf die voraussichtliche Gewährung von Asyl bzw. subsidiären Schutz die Einreise zu ermöglichen, wenn das zur Beurteilung des Schutzantrages zuständige Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl die Stattgebung unter diesem Titel nicht für wahrscheinlich erachtet (siehe zu dem ganzen BVwG vom 12.01.2016, W184 2112510-1 ua.).
Soweit es innerhalb des mit dem Fremdenbehördenneustrukturierungsgesetz - FNG, BGBl. I Nr. 87/2012, geschaffenen geschlossenen Rechtsschutzsystems allerdings dem Bundesverwaltungsgericht nunmehr offen steht, auch die Einschätzung des BFA über die Wahrscheinlichkeit der Gewährung internationalen Schutzes an den Antragsteller auf ihre Richtigkeit zu überprüfen (VwGH 01.03.2016, Ro 2015/18/0002), so führt diese Überprüfung im Beschwerdefall zu keinem anderen Ergebnis, weil die Prognose des Bundesamtes nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichtes zutreffend ist:
Die Erstbeschwerdeführerin hat nicht unter Beweis gestellt, dass sie vor der Ausreise der Bezugsperson aus dem Herkunftsstaat Afghanistan eine Ehe nach staatlichem Recht, d. h. einschließlich Ehe-Registrierung, mit dieser geschlossen habe. Wie oben ausgeführt, sind die vorgelegten Urkunden nicht geeignet, eine traditionelle Eheschließung nachzuweisen. Aus den Urkunden geht darüber hinaus keine staatliche Registrierung der Ehe hervor.
Auch bei Wahrunterstellung des Vorbringens der Erstbeschwerdeführerin wäre diese daher aus rechtlichen Gründen keine Familienangehörige im Sinn der Legaldefinition des § 35 Abs. 5 AsylG, weil die Ehe nicht bereits vor der Flucht der Bezugsperson bestanden hat (vgl. auch Art. 9 Abs. 2 Familienzusammenführungsrichtlinie 2003/86/EG):
Gemäß § 16 Abs. 2 IPRG ist die Form einer Eheschließung im Ausland nach dem Personalstatut jedes der Verlobten zu beurteilen; es genügt jedoch die Einhaltung der
Formvorschriften des Ortes der Eheschließung. Im vorliegenden Fall ist also die Gültigkeit der behaupteten Ehe nach afghanischem Recht zu beurteilen.
Die maßgeblichen Bestimmungen des afghanischen Zivilgesetzbuches (Madani Qanun) vom 05.01.1977, Amtsblatt der Republik Afghanistan Band 19 (1977) Nr. 353, lauten in der unverändert in Geltung stehenden Stammfassung folgendermaßen:
"Art. 61
(1) Der Eheschließungsvertrag wird in einer öffentlichen Heiratsurkunde von der zuständigen Behörde in drei Kopien ausgefertigt und registriert; das Original wird bei der zuständigen Behörde verwahrt, und jeder der Vertragsparteien wird eine Kopie übergeben. Der Eheschließungsvertrag wird nach der Registrierung der in Art. 46 dieses Gesetzes vorgesehenen zuständigen Personenstandsbehörde mitgeteilt.
(2) Wenn die Registrierung des Eheschließungsvertrages in dieser Weise nicht möglich ist, findet sie in der für die Registrierung öffentlicher Urkunden vorgesehenen Weise statt.
...
Art. 66
Der Eheschließungsvertrag wird in einer einzigen Zusammenkunft durch ausdrückliches Angebot und ausdrückliche Annahme, welche Unverzüglichkeit und Dauerhaftigkeit, aber keine Zeitbegrenzung beinhalten, geschlossen.
...
Art. 77
Für die Ordnungsgemäßheit und Gültigkeit der Eheschließung sind folgende Voraussetzungen erforderlich:
1. Ordnungsgemäße Abgabe von Angebot und Annahme durch die Vertragsparteien oder durch ihre Vormünder bzw. Vertreter,
2. die Anwesenheit zweier geschäftsfähiger Zeugen,
3. das Nichtvorhandensein von dauerhaften oder zeitweiligen Ehehindernissen zwischen den Eheschließenden."
Nach Art. 61 Abs. 2 afghanisches Zivilgesetzbuch ist also für die Gültigkeit des Eheschließungsvertrages seine Registrierung vorgeschrieben, und zwar zumindest "in der für die Registrierung öffentlicher Urkunden vorgesehenen Weise". Ohne den Nachweis durch eine öffentliche Urkunde ist die Ehe nach staatlichem afghanischem Recht ungültig (vgl. Bergman/Ferid, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, Loseblattsammlung, Afghanistan, 1990, S. 16).
In der Praxis registriert allerdings die große Mehrheit der afghanischen Bevölkerung die Eheschließung nicht bei den staatlichen Behörden, weil die Form der Ehe nach islamischem Recht (Scharia-Familienrecht) für alltägliche Angelegenheiten ausreichend ist, sodass in Afghanistan eine gültige Ehe nach staatlichem Recht die Ausnahme darstellt (vgl. Rights & Democracy, A Woman's Place:
Perspectives on Afghanistan's Evolving Legal Framework, 2010, S. 27-36; Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Privatrecht, Family Structures and Family Law in Afghanistan - A Report of the Fact-Finding Mission to Afghanistan January - March 2005, S. 19-20).
Die vorgelegte "Heiratsurkunde" soll zwar eine traditionell geschlossene Ehe bestätigen, eine Registrierung als öffentliche Urkunde wurde jedoch nicht vorgenommen, obwohl, wie oben angeführt, im noch immer geltenden afghanischen Zivilgesetzbuch von 1977 nicht registrierte Ehen erst als gültig betrachtet werden, wenn ihr Abschluss durch eine öffentliche Urkunde nachgewiesen werden kann. Beispielsweise verlangen daher Schweizer Behörden als Nachweis einer in Afghanistan geschlossenen Ehe eine "Nikah Nama" sowie das grüne Büchlein der Heiratsurkunde im Original samt Übersetzung, beglaubigt durch das "Estra Mahakma" (Supreme Court).
Darüber hinaus läge schon aufgrund des Alters der Bezugsperson zum Zeitpunkt der angeblichen Eheschließung keine in Afghanistan gültige Ehe vor:
Das afghanische Zivilgesetzbuch vom 05.01.1977 führt in Art. 70 aus, dass die Ehefähigkeit bei Frauen eintritt, wenn sie das 16. Lebensjahr vollendet haben, und bei Männern, wenn sie das 18. Lebensjahr vollendet haben. (vgl. dazu den Bericht des Refugee Documentation Centre (Irland), Country Marriage Pack Afghanistan,
April 2015, in dem es heißt: Article 70 of the Civil Code of
Afghanistan states: "Marriage shall not be considered adequate until the male [has reached] the age of 18 and the female the age of 16."
See also Article 71 which states: "(1) Where the girl does not complete the age provided under Article 70 of this law, the marriage may be concluded only through her father or the competent court. (2) The marriage of a minor girl whose age is less then 15 shall never be permissible.")
Da die Bezugsperson am 25.06.2014 erst 16 Jahre alt und daher auch nach afghanischem Recht nicht ehemündig war, wäre die behauptete Eheschließung nicht rechtsgültig.
Es ist daher im gegenständlichen Verfahren davon auszugehen, dass die von der Erstbeschwerdeführerin behauptete, in Abwesenheit der Bezugsperson in Afghanistan bezeugte Eheschließung (unabhängig vom - wie oben ausgeführt, zweifelhaften - Wahrheitsgehalt der vorgelegten Unterlagen) alleine darauf aufbauend in Österreich keinen Rechtsbestand hat, da diese wegen Ausreise der Bezugsperson vor Ausstellung der "Heiratsurkunde" (abgesehen von der oben angeführten fehlenden Registrierung) sowie aufgrund der Minderjährigkeit der Bezugsperson zum Zeitpunkt der traditionellen Heirat nicht bereits in Afghanistan bestanden hat und damit vor der Flucht der Bezugsperson kein Familienleben im Sinne einer Wirtschafts-, Lebens- oder Geschlechtsgemeinschaft stattgefunden hat.
Die minderjährigen Zweit- bis Viertbeschwerdeführer sind nicht die leiblichen Kinder der Bezugsperson und sind daher von vornherein nicht vom Familienbegriff des § 35 Abs. 5 AsylG erfasst. Ihnen wäre allenfalls abgeleitet von ihrer Mutter ein Schutzstatus nach § 34 Abs. 2 iVm Abs. 6 AsylG zu gewähren, Da aber der Antrag der Erstbeschwerdeführerin abzuweisen war, waren die Anträge der Zweitbis Viertbeschwerdeführer ebenso abzuweisen.
Da die belangte Behörde über den betreffenden Einreiseantrag ein mängelfreies Ermittlungsverfahren durchgeführt hat, kam sie aufgrund der zutreffenden Mitteilung des BFA, dass die Zuerkennung des eines Antrages auf internationalen Schutz oder des Status einer subsidiär Schutzberechtigten an die Erstbeschwerdeführerin in Bezug auf den in Österreich befindlichen angeblichen Ehemann nicht wahrscheinlich sei, zu Recht zu dem Ergebnis, dass die Voraussetzungen des § 35 Abs. 1 AsylG nicht vorliegen.
Im Hinblick darauf, dass es im Rahmen des gegenständlichen Verfahrens auch keine Möglichkeit der Erteilung eines humanitären Einreisetitels gibt, war spruchgemäß zu entscheiden.
Die gegenständlichen Anträge auf Erteilung von Einreisetiteln wurden am 29.03.2017 und damit nach Inkrafttreten des § 35 AsylG 2005 idF BGBl. I Nr. 24/2016 am 01.06.2016, eingebracht, weshalb § 35 AsylG 2005 in der aktuellen Fassung BGBl. I Nr. 145/2017 anzuwenden ist. Da die Antragstellung innerhalb von drei Monaten nach Zuerkennung des Status des Asylberechtigten an die Bezugsperson erfolgte, waren die Voraussetzungen gemäß § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 AsylG 2005 nicht zu erfüllen.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen. Nach Art. 133 Abs. 4 erster Satz B-VG idF BGBl. I Nr. 51/2012 ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Im vorliegenden Fall ist die ordentliche Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung abhängt. Denn das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen wiedergegeben.
Schlagworte
Angehörigeneigenschaft, Ausreise, Ehe, Einreisetitel,European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2018:W212.2186830.1.00Zuletzt aktualisiert am
12.06.2018