TE OGH 2018/5/16 2Ob74/18y

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Veröffentlicht am 16.05.2018
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Vizepräsidentin Hon.-Prof. Dr. Lovrek als Vorsitzende sowie die Hofräte Dr. Veith und Dr. Musger, die Hofrätin Dr. E. Solé und den Hofrat Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. A*****, 2. P*****, 3. V*****, alle vertreten durch Sutterlüty Klagian Brändle Lercher Giesinger Rechtsanwälte GmbH in Dornbirn, gegen die beklagte Partei ÖBB-Infrastruktur AG, Wien 2, Praterstern 3, vertreten durch Walch & Zehetbauer Rechtsanwälte OG in Wien, wegen 41.233,81 EUR sA sowie Feststellung (Streitwert 5.000 EUR, Erstklägerin), 141.569,04 EUR sA (Zweitklägerin) und 7.346,03 EUR sA (Drittklägerin), über die Revision der beklagten Partei gegen das Teilurteil des Oberlandesgerichts Innsbruck vom 24. Jänner 2018, GZ 10 R 60/17z-150, mit welchem das Urteil des Landesgerichts Feldkirch vom 26. Juni 2017, GZ 9 Cg 55/11i-145, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, den klagenden Parteien die mit 2.544,07 EUR bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung (darin 424,01 EUR Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung:

Die klagenden Sozialversicherungsträger machen Ansprüche der Angehörigen einer bei einem Bahnunfall getöteten Person geltend, die im Weg der Legalzession nach § 332 ASVG auf sie übergegangen sind. Im Revisionsverfahren strittig sind Ansprüche der Tochter und des Schwagers des Getöteten.

Die Erst- und die Zweitklägerin stützten sich insbesondere darauf, dass wegen einer von ihnen zu leistenden Waisenrente bzw Waisenpension der Anspruch der Tochter auf Ersatz entgangenen Unterhalts anteilig auf sie übergegangen sei. Dazu führte das Berufungsgericht aus, dass auf die Klägerinnen nur der konkrete Anspruch der Tochter übergehen könne, sodass die Beklagte jedenfalls nie mehr zahlen müsse als direkt im Haftpflichtverhältnis. Aus dem Umstand, dass in Bezug auf den entgangenen Unterhalt nach einem Erlass des Bundesministeriums für Finanzen keine Einkommensteuer anfalle und die Beklagte diese daher auch nicht ersetzen müsse, folge entgegen der Auffassung der Beklagten nicht, dass auch der Anspruch der Klägerinnen von vornherein auf den Nettobetrag ihrer Leistungen beschränkt sei.

Nachträglich ließ das Berufungsgericht die – auch auf andere Gründe gestützte – Revision der Beklagten zu, weil der Oberste Gerichtshof zu beurteilen habe, ob diese Auffassung „tragfähig“ sei.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist ungeachtet dieses den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruchs nicht zulässig.

1. Der Umfang des Forderungsübergangs und damit der Regressanspruch des Sozialversicherungsträgers ist zweifach begrenzt, und zwar einerseits mit der Höhe des Schadenersatzanspruchs des Geschädigten („Deckungsfonds“) und andererseits mit dem Anspruch des Geschädigten auf Leistungen gegenüber dem Sozialversicherungsträger (2 Ob 95/11a SZ 2012/50). Hat der Geschädigte – mangels Steuerpflicht – nur einen Anspruch auf Nettoersatz, kann auch nur dieser Anspruch auf den Sozialversicherungsträger übergehen. Das Berufungsgericht hat daher völlig zutreffend dargelegt, dass der Haftpflichtige dem Sozialversicherungsträger jedenfalls nicht mehr leisten muss als dem Geschädigten selbst. Folgerichtig haben die Vorinstanzen bei der Ermittlung des Anspruchs der Tochter (also des „Deckungsfonds“ für den Anspruch der Sozialversicherungsträger) nur einen Nettobetrag angesetzt und dem Anspruch der Klägerinnen nur in diesem Umfang stattgegeben.

Weshalb sich aus der nicht bestehenden Steuerpflicht in Bezug auf den Ersatz des Unterhaltsentgangs und der sich daraus ergebenden Beschränkung des Deckungsfonds auf den Nettobetrag ergeben soll, dass der Anspruch der Sozialversicherungsträger darüber hinaus auch auf den Nettobetrag ihrer Leistung beschränkt ist, legt die Revision nicht nachvollziehbar dar. Entgegen der dort vertretenen Auffassung wird die Ersatzpflicht des Haftpflichtigen dadurch nicht „erhöht“, weil sie eben jedenfalls durch den Deckungsfonds beschränkt ist (und im konkreten Fall auch tatsächlich dadurch beschränkt wurde). Das auf Seiten der Beklagten offenbar vorliegende Missverständnis im Zusammenhang mit den Rechtsfolgen des § 332 ASVG kann die Zulässigkeit der Revision daher nicht begründen (ebenso schon 2 Ob 57/18y).

2. Auch sonst zeigt die Revision keine Gründe für die Zulässigkeit des Rechtsmittels auf.

2.1. Die als erheblich bezeichnete Rechtsfrage, ob sich die Tochter einen Einkommensentfall aufgrund der Ausschlagung einer Erbschaft „anrechnen“ lassen müsse (gemeint wohl: aufgrund einer Verletzung der Schadensminderungsobliegenheit), war nicht Gegenstand des Berufungsverfahrens. Dort hatte die Beklagte lediglich behauptet, ein Unterhaltsanspruch gegen den Nachlass mindere die Ersatzpflicht, was keinen Bezug zur nun (implizit) geltend gemachten Verletzung einer Schadensminderungsobliegenheit aufweist. Damit kann diese Frage die Zulässigkeit der Revision nicht begründen. Denn nach ständiger Rechtsprechung können, wenn eine Rechtsrüge in der Berufung nur zu bestimmten Punkten ausgeführt wurde, andere Punkte in der Revision nicht mehr geltend gemacht werden (RIS-Justiz RS0043352 [T17, T26, T27, T33]; RS0043338 [T10, T11, T13]; vgl auch RS0034743). In zweiter Instanz nicht erhobene Einwände können daher in dritter Instanz nicht mehr geltend gemacht werden; sie können daher auch die Zulässigkeit der Revision nicht begründen (4 Ob 173/17w).

2.2. Soweit die Beklagte die Nichterledigung einer Verfahrensrüge durch das Berufungsgericht geltend macht, ist sie auf ihr Berufungsvorbringen zur Relevanz des von ihr behaupteten Verfahrensmangels zu verweisen: Die unterbliebenen Beweisaufnahmen hätten ergeben, dass die Minderung der Erwerbsfähigkeit beim Schwager nicht 20 % betrage, sodass diesem keine Versehrtenrente zustehe und das diesbezügliche Begehren daher abzuweisen sei (AS 147/III). Dabei übersieht die Beklagte, dass die Frage einer mindestens 20%igen Minderung der Erwerbsfähigkeit bereits Gegenstand des rechtskräftigen Zwischenurteils über den Grund des Anspruchs war (ON 105). Denn hätte sie nicht vorgelegen, wäre der Anspruch insofern schon dem Grunde nach zu verneinen gewesen. Gründe, weshalb diese Frage dennoch aufzugreifen gewesen wäre (vgl 1 Ob 103/11w), zeigt die Zulassungsbeschwerde nicht auf.

3. Aus diesen Gründen ist die Revision zurückzuweisen. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO. Die Klägerinnen haben auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen; die Beklagte hat ihnen daher die Kosten der Revisionsbeantwortung zu ersetzen.

Textnummer

E121607

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2018:0020OB00074.18Y.0516.000

Im RIS seit

11.06.2018

Zuletzt aktualisiert am

13.05.2019
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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