TE Lvwg Erkenntnis 2018/4/23 LVwG-2018/25/0847-1

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Veröffentlicht am 23.04.2018
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Entscheidungsdatum

23.04.2018

Index

40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

AVG §10 Abs4

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Tirol erkennt durch seinen Richter Dr. Hohenhorst über die Beschwerde von Frau AA, geboren am XX.XX.XXXX,
Adresse 1, Z, vom 20.03.2018, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Z vom 20.03.2018, *****, betreffend die Zurückweisung eines Einspruches gegen eine Strafverfügung,

zu Recht:

1.       Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

2.       Die ordentliche Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.       Verfahrensgang:

Mit Strafverfügung der Bezirkshauptmannschaft Z vom 02.02.2018, *****, wurde AA vorgeworfen, dass am 14.08.2017 um 14.30 Uhr in der Gemeinde Z, Adresse 1, an dem von ihr abgestellten Fahrzeug mit dem Kennzeichen ****, das unter Wechselkennzeichen zum Verkehr zugelassen ist, die Kennzeichentafeln nicht angebracht waren, sodass die Zulassungsvoraussetzungen nicht gegeben waren, da bei unter Wechselkennzeichen zum Verkehr zugelassenen Fahrzeugen nur jenes diese Voraussetzungen erfüllt, an dem die Kennzeichentafeln angebracht sind. Sie habe damit § 36 lit a KFG verletzt, weshalb gemäß § 134 Abs 1 KFG über sie eine Geldstrafe in der Höhe von Euro 220,00 (im Uneinbringlichkeitsfall 44 Stunden Ersatzfreiheitsstrafe) verhängt wurde.

Gegen diese Strafverfügung richtet sich der von BB am 09.02.2018 per
E-Mail übermittelte Einspruch. Das Rechtsmittel beginnt mit der Einleitung „ich erhebe Einspruch gegen die Verfügung und zwar aus folgendem Grund:….“. Unterfertigt ist das
E-Mail mit dem Namen BB.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 20.03.2017 (richtig: 2018), *****, wies die Bezirkshauptmannschaft Z diesen Einspruch als unzulässig zurück. Begründet wird diese Entscheidung im Wesentlichen damit, dass gemäß § 49 Abs 1 VStG gegen eine Strafverfügung nur der Beschuldigte Einspruch erheben kann, wobei es sich um AA handelt. Auf das Bestehen eines Vollmachtsverhältnisses habe BB weder hingewiesen noch ein solches behauptet und dieses Rechtsmittel in seinem eigenen Namen erhoben.

Dagegen richtet sich die fristgerechte und zulässige Beschwerde, in der Frau AA um erneute Prüfung der Darstellung ihres Ehemannes ersuche. Der Strafzettel sei ihm ausgehändigt worden, er habe auch die Autos zu diesem Zeitpunkt gewechselt und sei auch ihm der Strafzettel vor Ort wieder abgenommen worden. Ihr sei nicht bewusst gewesen, dass sie ihrem Mann eine Vollmacht ausstellen muss, zumal laut Bundeskanzleramt dies auch nicht zwingend nötig sei und bisher in Z bei Behördengängen auch noch nie notwendig gewesen wäre.

II.      Sachverhalt:

Am 14.08.2017 um 14.30 Uhr befand sich der Renault Kangoo, der auf das Wechselkennzeichen (****) zugelassen ist, ohne Kennzeichentafeln in abgestelltem Zustand auf öffentlicher Verkehrsfläche in der Adresse 1 in Z. Zulassungsbesitzer dieses Kennzeichens ist die Firma CC mit der Geschäftsanschrift Adresse 1, Z. Hinter dieser Firma steht als Einzelunternehmerin die nunmehrige Beschwerdeführerin AA. Die gegen AA seitens der Bezirkshauptmannschaft Z erlassene Strafverfügung vom 02.02.2018, *****, wurde per E-Mail von ihrem Ehemann BB mit Einspruch bekämpft. Herr BB führt an, dass er die Strafverfügung mit Einspruch bekämpfe, gab keinen anderen Namen als seinen eigenen an, ebenso wenig wie eine Postanschrift.

Im E-Mail von BB vom 09.02.2018 behauptet dieser nicht das Vorliegen irgendeines Bevollmächtigungsverhältnisses mit AA. Aufgrund des Umstandes, dass die beiden Eheleute unterschiedliche Familiennamen führen und der Einspruchwerber keine Wohnanschrift angibt, entsteht auch nicht der Eindruck, dass es sich dabei um den Ehegatten der Beschwerdeführerin handelt.

III.     Rechtslage:

Im gegenständlichen Fall ist folgende Bestimmung des allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes maßgeblich:

㤠10

(1) Die Beteiligten und ihre gesetzlichen Vertreter können sich, sofern nicht ihr persönliches Erscheinen ausdrücklich gefordert wird, durch eigenberechtigte natürliche Personen, juristische Personen oder eingetragene Personengesellschaften vertreten lassen. Bevollmächtigte haben sich durch eine schriftliche, auf Namen oder Firma lautende Vollmacht auszuweisen. Vor der Behörde kann eine Vollmacht auch mündlich erteilt werden; zu ihrer Beurkundung genügt ein Aktenvermerk. Schreitet eine zur berufsmäßigen Parteienvertretung befugte Person ein, so ersetzt die Berufung auf die ihr erteilte Vollmacht deren urkundlichen Nachweis.

(2) Inhalt und Umfang der Vertretungsbefugnis richten sich nach den Bestimmungen der Vollmacht; hierüber auftauchende Zweifel sind nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts zu beurteilen. Die Behörde hat die Behebung etwaiger Mängel unter sinngemäßer Anwendung des § 13 Abs. 3 von Amts wegen zu veranlassen.

(3) Als Bevollmächtigte sind solche Personen nicht zuzulassen, die unbefugt die Vertretung anderer zu Erwerbszwecken betreiben.

(4) Die Behörde kann von einer ausdrücklichen Vollmacht absehen, wenn es sich um die Vertretung durch amtsbekannte Angehörige (§ 36a), Haushaltsangehörige, Angestellte oder durch amtsbekannte Funktionäre von beruflichen oder anderen Organisationen handelt und Zweifel über Bestand und Umfang der Vertretungsbefugnis nicht obwalten.

(5) Die Beteiligten können sich eines Rechtsbeistandes bedienen und auch in seiner Begleitung vor der Behörde erscheinen.

(6) Die Bestellung eines Bevollmächtigten schließt nicht aus, daß der Vollmachtgeber im eigenen Namen Erklärungen abgibt.“

IV.      Erwägungen:

Gegenstand des vorliegenden Rechtsmittelverfahrens ist die Überprüfung des Bescheides vom 20.03.2018, *****. Aus diesem Grund ist der Inhalt des Tatvorwurfes der Strafverfügung vom 02.02.2018 nicht verfahrensgegenständlich und darauf nicht näher einzugehen.

Die Strafverfügung vom 02.02.2018 richtet sich an AA samt Geburtsdatum und korrekter Zustelladresse.

Gemäß § 49 Abs 1 VStG kann der Beschuldigte gegen die Strafverfügung binnen zwei Wochen nach deren Zustellung Einspruch erheben.

Nach § 32 Abs 1 VStG ist Beschuldigter die in Verdacht einer Verwaltungsübertretung stehende Person von dem Zeitpunkt der ersten von der Behörde gegen sie gerichteten Verfolgungshandlung bis zum Abschluss der Strafsache. Der Beschuldigte ist Partei des Verfahrens im Sinn des AVG. Nach Abs 2 ist Verfolgungshandlung jede von einer Behörde gegen eine bestimmte Person als Beschuldigten gerichtete Amtshandlung (Ladung, Vorführbefehl, Vernehmung, Ersuchen um Vernehmung, Strafverfügung und dergleichen).

Beschuldigte der Strafverfügung vom 02.02.2018, *****, im Sinn des eben zitierten Bestimmungen ist Frau AA. Daher steht ausschließlich ihr das Recht zu, diese Strafverfügung mittels Einspruch zu bekämpfen.

§ 10 AVG regelt die Vertretung in Verwaltungsverfahren. Dieser ist gemäß § 24 VStG auch im Verwaltungsstrafverfahren anzuwenden.

Ein Vollmachtsverhältnis wird erst dann nach außen wirksam, wenn es in der in § 10 AVG festgelegten Form zum Ausdruck gebracht wird (VwGH 29.01.2008, 2005/05/0252). Dabei geht die Anleitungspflicht gemäß § 13a AVG nicht so weit, dass eine Partei, die selbst den Antrag auf Einleitung eines Verwaltungsverfahrens gestellt und alle Verfahrenshandlungen vorgenommen und damit keinen Anlass für die Annahme gegeben hat, dass sie in diesem Verfahren vertreten sein wollte, darauf hinzuweisen wäre, dass sie zur Begründung eines wirksamen Vertretungsverhältnisses eine entsprechende Erklärung abgeben müsste
(VwGH 06.11.2001, 97/18/0160), bzw nicht soweit, dass der anwesende, seinen Äußerungen zufolge nur im eigenen Namen (wenn auch gelegentlich unter Verwendung der Mehrzahlform) auftretende Gatte darauf hinzuweisen wäre, dass die Begründung eines wirksamen Vollmachtsverhältnisses gegenüber der abwesenden Gattin zumindest behaupten muss, in deren Vertretung zu handeln.

Nach § 10 Abs 4 AVG kann die Behörde von einer ausdrücklichen Vollmacht bzw der mündlichen Vollmachtserteilung vor der Behörde absehen, wenn amtsbekannte Angehörige im Sinn des § 36a AVG, Haushaltsangehörige, Angestellte oder amtsbekannte Funktionäre von beruflichen oder anderen Organisationen behaupten, in Vertretung eines Beteiligten zu handeln. Die Begünstigung des § 10 Abs 4 AVG befreit also lediglich von einer Vollmachtsvorlage, aber nicht von der Offenlegung des Vertretungsverhältnisses. Auch bei Eheleuten vertritt schon deshalb der anwesende Teil nicht automatisch den Abwesenden (VwGH 24.05.2012, 2012/07/0013). Der VwGH hat in seinem Erkenntnis vom 24.02.2011, 2010/09/0209, die Anwendbarkeit des § 10 Abs 4 AVG mit der Begründung verneint, dass eine Person durch die bloße Vorlage eines Lichtbildausweises und einer Heiratsurkunde nicht amtsbekannt wird. In diesem Zusammenhang ist anzunehmen, dass nach § 10 Abs 4 AVG auch die Stellung einer Person amtsbekannt sein muss.

Voraussetzung dafür, dass die Verfahrenshandlung des Vertreters den Beteiligten zugerechnet werden kann (bzw muss), ist allerdings, dass dieser schon im Zeitpunkt seines Handelns durch eine unmissverständliche Willenserklärung zumindest schlüssig zu erkennen gibt, dass er im Namen des Beteiligten einschreitet, sich also etwa auf die Vollmacht beruft (VwGH 30.01.1996, 94/11/0145). Daher setzt zB auch bei Eheleuten die Zurechnung einer Handlung zum abwesenden Teil voraus, dass der Anwesende Ehegatte deutlich macht, dass er nicht im eigenen Namen, sondern im Namen des anderen Teils handelt (VwGH 01.06.2006, 2005/07/0035). Andernfalls wäre ein Rechtsmittel des Vertreters mangels Parteistellung des Einschreiters ohne Verbesserungsverfahren gemäß § 10 Abs 2 iVm § 13 Abs 3 AVG zurückzuweisen (VwGH 29.08.1995, 95/05/0115). Die Frage, für wen eine Person der Behörde gegenüber auftritt, ist – wie auch bei Erklärungen der Parteien (vgl § 12 AVG) – nach dem objektiven Erklärungswert der von ihr gesetzten Prozesshandlung zu beantworten, während ihr tatsächlicher Wille bzw ihre nachträgliche Erklärung, dass diese Prozesshandlung nunmehr auch der anderen Person zugerechnet werden soll, dafür ohne Bedeutung ist. Bestehen Zweifel, ob ein Antrag (Rechtsmittel) im eigenen Namen oder im Namen eines anderen eingebracht werden sollte, hat die Behörde dies durch entsprechende Erhebungen (insbesondere durch Vernehmung des Einschreiters) klar zu stellen (VwGH 28.06.2007, 2006/21/0159). Da die Formulierung des Einspruches vom 09.02.2018 nach dem objektiven Erklärungswert keine Zweifel aufkommen ließ, dass BB dieses Rechtsmittel für sich erhebt, bestand für die belangte Behörde keine Veranlassung, Erhebungen in Richtung des Vorliegens eines allfälligen Vertretungsverhältnisses anzustellen.

Aufgrund der oben dargestellten Rechtslage und insbesondere des Umstandes, dass BB keine Hinweise auf das Vorliegen eines Vollmachtverhältnisses gab, ist die Vorgehensweise der belangten Behörde rechtskonform, weshalb dem dagegen erhobenen Rechtsmittel kein Erfolg beschieden sein konnte.

V.       Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen diese Entscheidung kann binnen sechs Wochen ab der Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, Freyung 8, 1010 Wien, oder außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist direkt bei diesem, die außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist beim Landesverwaltungsgericht Tirol einzubringen.

Die genannten Rechtsmittel sind von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw einer bevollmächtigten Rechtsanwältin abzufassen und einzubringen, und es ist eine Eingabegebühr von Euro 240,00 zu entrichten.

Es besteht die Möglichkeit, auf die Revision beim Verwaltungsgerichtshof und die Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof zu verzichten. Ein solcher Verzicht hat zur Folge, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof und eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof nicht mehr erhoben werden können.

Hinweis:

Rechtskräftig verhängte Geldstrafen (sowie Verfahrenskostenbeiträge) sind bei der Behörde einzubezahlen (vgl § 54b Abs 1 VStG).

Landesverwaltungsgericht Tirol

Dr. Hohenhorst

(Richter)

Schlagworte

Vertretung durch amtsbekannte Angehörige

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGTI:2018:LVwG.2018.25.0847.1

Zuletzt aktualisiert am

25.05.2018
Quelle: Landesverwaltungsgericht Tirol LVwg Tirol, https://www.lvwg-tirol.gv.at
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