TE Lvwg Erkenntnis 2018/3/22 LVwG-AV-674/001-2017

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Veröffentlicht am 22.03.2018
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Entscheidungsdatum

22.03.2018

Norm

BAO §4 Abs1
BAO §279
BAO §2a
KanalG 1977 §5 Abs1
KanalG 1977 §12 Abs3
KanalG 1977 §14
AAEV 1996 §1 Abs3 Z12

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich erkennt durch Mag. Lindner als Einzelrichterin über die Beschwerde des Herrn A und der Frau B, beide wohnhaft in ***, ***, gegen den Berufungsbescheid des Gemeindevorstandes der Marktgemeinde *** vom 7. März 2017, Zl. ***, mit dem den Berufungen gegen zwei Abgabenbescheide des Bürgermeisters der Marktgemeinde *** vom 18. Oktober 2016, EDV-Nr. ***, betreffend Vorschreibung einer jährlichen Kanalbenützungsgebühr für die Einleitung des Regenwassers in den öffentlichen Regenwasserkanal mit Wirkung ab 1. Jänner 2014 bzw. ab 1. Mai 2016 keine Folge gegeben und die angefochtenen Bescheide bestätigt worden waren, zu Recht:

1.  Die Beschwerde wird gemäß § 279 Abs. 1 Bundesabgabenordnung (BAO) als unbegründet abgewiesen.

2.  Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) ist nicht zulässig.

Entscheidungsgründe:

1. Sachverhalt und bisheriges Verfahren:

Herr A und Frau B (in der Folge: Beschwerdeführer) sind grundbücherliche Eigentümer der Liegenschaft mit der topografischen Anschrift ***, *** (Grundstück Nr. ***, KG ***), auf welcher ein Wohngebäude errichtet ist.

Mit Abgabenbescheid des Bürgermeisters der Marktgemeinde *** vom 18. Oktober 2016, EDV-Nummer: ***, wurde Herrn A für die Liegenschaft in ***, ***, die Kanalbenützungsgebühr für die Einleitung des Regenwassers in den öffentlichen Regenwasserkanal ab 1. Jänner 2014 im Jahresbetrag von € 97,25 (zuzüglich Umsatzsteuer) vorgeschrieben. Der Abgabenberechnung wurden eine Berechnungsfläche von 303,90 m² sowie der vom Gemeinderat verordnete Einheitssatz von € 0,3200 zugrunde gelegt. Die Bescheidausfertigung war adressiert an Herrn A und enthielt einen Hinweis auf die in § 101 Abs. 1 BAO vorgesehene Rechtsfolge.

Mit Abgabenbescheid des Bürgermeisters der Marktgemeinde *** vom 18. Oktober 2016, EDV-Nummer: ***, wurde Herrn A für die Liegenschaft in ***, ***, die Kanalbenützungsgebühr für die Einleitung des Regenwassers in den öffentlichen Regenwasserkanal ab 1. Mai 2016 im Jahresbetrag von € 127,64 (zuzüglich Umsatzsteuer) vorgeschrieben. Der Abgabenberechnung wurden eine Berechnungsfläche von 303,90 m² sowie der vom Gemeinderat verordnete Einheitssatz von € 0,4200 zugrunde gelegt. Die Bescheidausfertigung war adressiert an Herrn A und enthielt einen Hinweis auf die in § 101 Abs. 1 BAO vorgesehene Rechtsfolge.

Gegen diese Abgabenbescheide erhoben die Beschwerdeführer mit Schreiben vom 7. November 2016 fristgerecht das ordentliche Rechtsmittel der Berufung und begründeten dieses damit, dass Voraussetzung für die Entrichtung der Kanalbenützungsgebühr die Möglichkeit der Benützung der öffentlichen Kanalanlage sei. Indem sie keine Möglichkeit zur Benützung der öffentlichen Regenwasserkanalanlage hätten, stellten sie den Antrag auf Aufhebung der beiden Bescheide.

Mit Bescheid des Gemeindevorstandes der Marktgemeinde *** vom 7. März 2017, Zl. ***, wurde der Berufung keine Folge gegeben und der angefochtene Bescheid bestätigt. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass Herr A mit Erhebungsbogen vom 16. August 2016 bekannt gegeben habe, dass die Ableitung des Regenwassers dieser Liegenschaft zur Gänze über ein Einlaufbauwerk in den Vorfluter erfolge. Die Auswertung dieses Erhebungsbogens habe ergeben, dass das Einlaufbauwerk und die Straßenquerung laut dem Plan „Abwasserbeseitigungsanlage Regenwasserkanalisation BA04“ der Marktgemeinde *** vom September 2013 eine öffentliche Kanalanlage seien, über die die Oberflächenwässer (offener Graben) eines Außeneinzugsgebietes abgeleitet würden. Auf diesen Plan beziehe sich der Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Korneuburg vom 21. Juni 2007, AZ. ***.

Mit Schreiben vom 4. April 2017 erhoben die Beschwerdeführer gegen diesen Berufungsbescheid des Gemeindevorstandes der Marktgemeinde *** rechtzeitig das Rechtsmittel der Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich und begründeten diese im Wesentlichen wie ihre Berufungsschrift. Von der ersten Bauverhandlung an sei ihnen von Seiten der Gemeinde mitgeteilt worden, dass sie die Regenwässer in den nahegelegenen ***bach, der nur durch die öffentliche Straße „***“ von ihrer Liegenschaft getrennt sei, nach Einholung einer wasserrechtlichen Bewilligung, einleiten sollten. Weiters sei anlässlich eines weiteren Bauverfahrens festgehalten worden, dass – wenn zur Ableitung von Wässern in ein Gerinne Öffentliches Wassergut im Eigentum der Republik Österreich in Anspruch genommen werde – um die Grundbenützungsbewilligung anzusuchen sei. Im weiteren Schriftverkehr mit der Marktgemeinde *** sei festgehalten, dass die Ableitung der Niederschlagswässer durch die Gemeindestraße (***) in den ***bach erfolgen solle. Mit der Republik Österreich (Land- und Forstwirtschaftsverwaltung – Wasserbau) vertreten durch den Landeshauptmann von Niederösterreich, sei ein Vertrag über die Benützung von öffentlichem Wassergut (Auslaufbauwerk rechtsufrig in den ***bach zur Ableitung der anfallenden Regenwässer vom Anwesen (Wohnhaus und Garage), Grundstück Nr. ***, KG *** im Bereich des Grundstückes Nr. ***, KG ***, geschlossen sowie das Nutzungsentgelt entrichtet worden.

Im Erhebungsbogen für einen Regenwasserkanal hätten sie wahrheitsgemäß angegeben, dass die Regenwässer ihrer Liegenschaft über den sogenannten Vorfluter in den ***bach fließen. Das Rohr durch die Gemeindestraße „***“ in den ***bach könne auf Grund des oben angeführten Sachverhaltes kein Regenwasserkanal sein. Wenn es von Anfang an feststellbar gewesen sei, dass es sich um einen Regenwasserkanal handle, wäre ihnen wohl kaum die Genehmigung erteilt bzw. die Herstellung des Einvernehmens mit dem Amt der NÖ Landesregierung aufgetragen worden. Es werde daher der Antrag auf Aufhebung der Abgabenbescheide gestellt, indem das zur Regenwasserableitung genutzte Rohr keine Regenwasserkanalanlage darstelle, weil für die Ableitung in den ***bach eine Vereinbarung mit der Republik Österreich geschlossen worden sei.

Mit Schreiben vom 23. Mai 2017 legte die Marktgemeinde *** dem Landesverwaltungsgericht Niederösterreich die Beschwerde und den bezughabenden Verwaltungsakt vor.

Feststellungen:

Die Beschwerdeführer sind je zur Hälfte grundbücherliche Eigentümer des Grundstückes Nr. *** KG ***, welches die topographische Anschrift ***, ***, aufweist.

In der Marktgemeinde *** existiert als einziges von der Gemeinde betriebenes Kanalsystem ein öffentlicher Regenwasserkanal.

Die Dachflächenwässer des Wohngebäudes und der Garage auf der Liegenschaft der Beschwerdeführer werden über Rohrleitungen über das bestehende Einlaufbauwerk, in weiterer Folge über bestehende Rohrleitungen, welche unter der Gemeindestraße (Grundstück Nr. *** KG ***) durchführen, in den ***bach (Grundstück Nr. *** KG ***) eingeleitet.

[Abweichend vom Original – Bild nicht wiedergegeben]

„…

…“

(Quelle: Bestandsprojekt 2.2.2 Lageplan *** Teil 2, Abwasserbeseitigungsanlage Regenwasserkanalisation BA04 - Abgabenakt der belangten Behörde)

1.7. Beweiswürdigung:

Im Wesentlichen ist der Sachverhalt als unstrittig zu beurteilen und ergibt sich dieser aus dem unbedenklichen Akteninhalt in Verbindung mit dem bekämpften Bescheid, sowie aus dem Vorbringen des Beschwerdeführers, soweit dieses den Feststellungen (siehe oben Punkt 1.6.) nicht entgegentritt.

2.       Anzuwendende Rechtsvorschriften:

2.1. Bundesabgabenordnung (BAO):

§ 1. ( 1) Die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes gelten in Angelegenheiten der öffentlichen Abgaben (mit Ausnahme der Verwaltungsabgaben des Bundes, der Länder und der Gemeinden) sowie der auf Grund unmittelbar wirksamer Rechtsvorschriften der Europäischen Union zu erhebenden öffentlichen Abgaben, in Angelegenheiten der Eingangs- und Ausgangsabgaben jedoch nur insoweit, als in den zollrechtlichen Vorschriften nicht anderes bestimmt ist, soweit diese Abgaben durch Abgabenbehörden des Bundes, der Länder oder der Gemeinden zu erheben sind.

§ 2a. Die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes gelten sinngemäß in Verfahren vor den Verwaltungsgerichten, soweit sie im Verfahren vor der belangten Abgabenbehörde gelten. In solchen Verfahren ist das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) nicht anzuwenden. …

§ 4. (1) Der Abgabenanspruch entsteht, sobald der Tatbestand verwirklicht ist, an den das Gesetz die Abgabepflicht knüpft.

§ 166. Als Beweismittel im Abgabenverfahren kommt alles in Betracht, was zur Feststellung des maßgebenden Sachverhaltes geeignet und nach Lage des einzelnen Falles zweckdienlich ist.

§ 177. (1) Wird die Aufnahme eines Beweises durch Sachverständige notwendig, so sind die für Gutachten der erforderlichen Art öffentlich bestellten Sachverständigen beizuziehen.

§ 179. (1) Die Vorschriften des § 76 finden auf die Sachverständigen sinngemäß Anwendung.

(2) Sachverständige können von den Parteien abgelehnt werden, wenn diese Umstände glaubhaft machen, die die Unbefangenheit oder Fachkunde des Sachverständigen in Zweifel stellen.

§ 182. (1) Zur Aufklärung der Sache kann die Abgabenbehörde auch einen Augenschein, nötigenfalls mit Zuziehung von Sachverständigen, vornehmen.

§ 279. (1) Außer in den Fällen des § 278 hat das Verwaltungsgericht immer in der Sache selbst mit Erkenntnis zu entscheiden. Es ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung seine Anschauung an die Stelle jener der Abgabenbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern, aufzuheben oder die Bescheidbeschwerde als unbegründet abzuweisen.

(2) Durch die Aufhebung des angefochtenen Bescheides tritt das Verfahren in die Lage zurück, in der es sich vor Erlassung dieses Bescheides befunden hat.

(3) Im Verfahren betreffend Bescheide, die Erkenntnisse (Abs. 1) abändern, aufheben oder ersetzen, sind die Abgabenbehörden an die für das Erkenntnis maßgebliche, dort dargelegte Rechtsanschauung gebunden. Dies gilt auch dann, wenn das Erkenntnis einen kürzeren Zeitraum als der spätere Bescheid umfasst.

2.2. NÖ Kanalgesetz 1977, LGBl. 8230-9:

§ 5. (1) Für die Möglichkeit der Benützung der öffentlichen Kanalanlage ist eine jährliche Kanalbenützungsgebühr zu entrichten, wenn der Gemeinderat die Einhebung einer solchen Gebühr beschlossen hat.

(2) Die Kanalbenützungsgebühr errechnet sich aus dem Produkt der Berechnungsfläche und dem Einheitssatz zuzüglich eines schmutzfrachtbezogenen Gebührenanteiles. Dieser wird nur dann berücksichtigt, wenn die eingebrachte Schmutzfracht den Grenzwert von 100 Berechnungs-EGW überschreitet. Werden von einer Liegenschaft in das Kanalsystem Schmutzwässer und Niederschlagswässer eingeleitet, so gelangt in diesem Fall ein um 10 % erhöhter Einheitssatz zur Anwendung.

(3) Die Berechnungsfläche ergibt sich aus der Summe aller an die Kanalanlage angeschlossenen Geschoßflächen. Die Geschoßfläche angeschlossener Kellergeschoße und nicht angeschlossener Gebäudeteile wird nicht berücksichtigt. Angeschlossene Kellergeschoße werden jedoch dann berücksichtigt, wenn eine gewerbliche Nutzung vorliegt, ausgenommen Lagerräume, die mit einem Unternehmen im selben Gebäude in unmittelbarem wirtschaftlichen Zusammenhang stehen. Wird die Liegenschaft trotz bestehender Anschlussverpflichtung nicht an die Kanalanlage angeschlossen, so ist die Berechnungsfläche so zu ermitteln, als ob die Liegenschaft an die Kanalanlage angeschlossen wäre.

§ 12. (3) Die Abgabenschuld für die Kanalbenützungsgebühr entsteht mit dem Monatsersten des Monats, in dem erstmalig die Benützung des Kanals möglich ist oder die Abfuhr der Fäkalien erfolgt. Wird eine Liegenschaft trotz bestehender Anschlußverpflichtung nicht an die Kanalanlage angeschlossen, so entsteht die Kanalbenützungsgebühr mit dem Monatsersten des Monats in dem der Anschluß an den Kanal möglich ist. Diese Gebühren sind, soferne der Gemeinderat in der Kanalabgabenordnung nichts anderes bestimmt, im vorhinein in vierteljährlichen Teilzahlungen, und zwar jeweils bis zum 15. Jänner, 15. April, 15. Juli und 15. Oktober, zu entrichten.

§ 14. (1) Den Abgabepflichtigen ist die Abgabenschuld mit Abgabenbescheid vorzuschreiben. Durch je einen besonderen Abgabenbescheid sind vorzuschreiben:

a) die Kanaleinmündungsabgaben, Ergänzungsabgaben und Sonderabgaben (§§ 2 und 4);

b) die Kanalbenützungsgebühren und die Fäkalienabfuhrgebühren (§§ 5 und 8);

c) Änderungen der im Abgabenbescheid nach lit. b festgesetzten Gebühren;

d) die Kosten für die Behebung von Kanalverstopfungen (§ 17 Abs. 5) und der Behebung von Schäden auf fremden Liegenschaften (§ 18 Abs. 1).

(2) Der Abgabenbescheid hat zu enthalten:

a) die Bezeichnung als Abgabenbescheid;

b) den Grund der Ausstellung;

c) bei der Fäkalienabfuhr die Zahl der jährlichen Einsammlungen;

d) die Bemessungsgrundlage und die Höhe der Abgabe;

e) den Fälligkeitstermin, im Falle des Abs. 1 lit.b und c die Fälligkeitstermine und die Höhe der jeweiligen Teilbeträge;

f) die Rechtsmittelbelehrung und

g) den Tag der Ausfertigung.

(3) Die in der Abgabenentscheidung festgesetzte Kanalbenützungsgebühr oder Fäkalienabfuhrgebühr ist so lange zu entrichten, solange nicht ein neuer Abgabenbescheid ergeht.

(4) Der Abgabenbescheid nach Abs. 1 lit. c ist insbesondere auf Grund einer im § 13 Abs. 1 genannten Veränderung, ferner bei Änderung der Einheitssätze, bei der Fäkalienabfuhr auch bei Änderung des Einsammlungsplanes zu erlassen.

2.3. Kanalabgabenordnung des Gemeinderates der Marktgemeinde *** vom 11. November 2013:

§ 5 Kanalbenützungsgebühren für den Regenwasserkanal

(1) Zur Berechnung der laufenden Gebühren für die Benützung des Regenwasserkanals (§ 5 Abs. 5 NÖ Kanalgesetz 1977) wird der Einheitssatz mit € 0,32 festgesetzt.

2.4.

Kanalabgabenordnung des Gemeinderates der Marktgemeinde *** vom 1. Mai 2016:

§ 5 Kanalbenützungsgebühren für den Regenwasserkanal

(1) Zur Berechnung der laufenden Gebühren für die Benützung des Regenwasserkanals (§ 5 Abs. 5 NÖ Kanalgesetz 1977) wird der Einheitssatz mit € 0,42 festgesetzt.

2.4. Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 - VwGG:

§ 25a. (1) Das Verwaltungsgericht hat im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

(2) Eine Revision ist nicht zulässig gegen:

         1.       Beschlüsse gemäß § 30a Abs. 1, 3, 8 und 9;

         2.       Beschlüsse gemäß § 30b Abs. 3;

         3.       Beschlüsse gemäß § 61 Abs. 2.

(3) Gegen verfahrensleitende Beschlüsse ist eine abgesonderte Revision nicht zulässig. Sie können erst in der Revision gegen das die Rechtssache erledigende Erkenntnis angefochten werden. …

(5) Die Revision ist beim Verwaltungsgericht einzubringen.

3.       Würdigung:

3.1. Zu Spruchpunkt 1:

Die Beschwerde ist nicht begründet.

3.1.1.

In der Sache selbst ist eingangs festzuhalten, dass die von den Abgabenbehörden der mitbeteiligten Gemeinde der Abgabenfestsetzung zugrunde gelegten Berechnungsflächen dem Grunde nach außer Streit stehen.

Das Beschwerdevorbringen lässt sich vielmehr auf die Frage reduzieren, ob dem Grunde nach eine jährliche Kanalbenützungsgebühr für die Einleitung des Regenwassers in den öffentlichen Regenwasserkanal ab 1. Jänner 2014 bzw. ab 1. Mai 2016 vorgeschrieben werden durfte, da nach Auffassung der Beschwerdeführer keine Einleitung von Niederschlagswässern in den Regenwasserkanal der Gemeinde erfolge, da es sich vielmehr um Einleitung von Niederschlagswässern durch ein Rohr unter der Gemeindestraße „***“ in den ***bach handle, worüber die Beschwerdeführer einen Vertrag über die Benützung von öffentlichem Wassergut mit der Republik Österreich geschlossen hätten.

3.1.2.

Nach § 4 Abs. 1 der von den Verwaltungsbehörden (und dem erkennenden Gericht) anzuwendenden BAO entsteht der Abgabenanspruch, sobald der Tatbestand verwirklicht ist, an den das Gesetz die Abgabepflicht knüpft. Angesichts der Komplexität der Sachlage ist zunächst darauf hinzuweisen, dass aus der rechtlichen Konstruktion der Abgabenschuldverhältnisse folgt, dass dieses bereits mit Verwirklichung eines gesetzlich normierten Abgabentatbestandes entsteht. Der Abgabenbescheid ist seinen wesentlichen Merkmalen nach lediglich feststellender Natur. Er bringt den Abgabenanspruch nicht zum Entstehen, sondern stellt den aus dem Gesetz erwachsenden Anspruch lediglich fest (vgl. VwGH vom 25. Juni 1996, Zl. 94/17/0419). Daraus ergibt sich, dass die Abgabenbehörde die Abgabe festzusetzen hat, sobald der Abgabenanspruch entstanden ist. Da sich der Abgabenanspruch der Gemeinde aus der Sicht des Abgabepflichtigen als Abgabenschuld darstellt, ist die Abgabenfestsetzung zulässig, sobald die Abgabenschuld entstanden ist.

3.1.3.

Gegenstand des Bescheides vom 18. Oktober 2016, EDV-Nummer: ***, ist die Festsetzung der Kanalbenützungsgebühr (Einleitung von Regenwässern) gewesen. Dem in § 5 Abs. 1 NÖ Kanalgesetz 1977 normierten Abgabentatbestand zufolge ist für die Möglichkeit der Benützung der öffentlichen Kanalanlage eine jährliche Kanalbenützungsgebühr zu entrichten, wenn der Gemeinderat die Einhebung einer solchen Gebühr beschlossen hat. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bei der Festsetzung von Abgaben nach dem Grundsatz der Zeitbezogenheit von Abgabenvorschriften jene Sach- und Rechtslage maßgeblich ist, die zum Zeitpunkt der Verwirklichung des Abgabentatbestandes gegolten hat (vgl. VwGH vom 10. Dezember 2008, Zl. 2005/17/0055, und vom 7. Oktober 2005, Zl. 2005/17/0168).

Hinsichtlich der Kanalbenützungsgebühr ergibt sich der Zeitpunkt des Entstehens der Abgabenschuld aus § 12 Abs. 3 NÖ Kanalgesetz 1977 als lex spezialis zu § 4 Abs.1 BAO. Die Abgabenschuld ist dabei nach der Rechtslage im Entstehungszeitpunkt der Schuld zu beurteilen (vgl. VwGH vom 23. Mai 1990, Zl. 90/17/0126, und vom 26. April 1996, Zl. 95/17/0452).

3.1.4.

Im Rahmen der Kanalabgabenordnung der Marktgemeinde *** in der Fassung vom 11. November 2013 sowie vom 1. Mai 2016 sind ausschließlich Gebühren für die Einleitung von Abwässern in den öffentlichen Regenwasserkanal vorgesehen. Diesen Überlegungen folgt, dass infolge erstmaliger Erlassung einer Kanalabgabenordnung mit Wirkung ab 1. Jänner 2014 auf dieser Basis erstmalig ein Abgabenbescheid mit Wirkung ab 1. Jänner 2014 zu erlassen war. Die Erlassung des Abgabenbescheides vom 18. Oktober 2016 (mit Wirkung ab 1. Mai 2016) erfolgte somit grundsätzlich zu Recht.

Infolge der Erhöhung des Einheitssatzes mit Wirkung ab 1. Mai 2016 war ebenso auf dieser Basis ein neuer Abgabenbescheid (ebenfalls mit Wirkung ab 1. Mai 2016) zu erlassen. Die Erlassung des Abgabenbescheides vom 18. Oktober 2016 (mit Wirkung ab 1. Mai 2016) erfolgte somit ebenfalls grundsätzlich zu Recht.

Unbestritten ist im Gegenstand, dass auf dem Grundstück Nr. *** KG *** ein Einlaufbauwerk situiert ist und eine Rohrleitung von diesem Einlaufbauwerk quer unter der Gemeindestraße (Grundstück Nr. *** KG ***) bis zum nahe gelegenen ***bach (ein öffentliches Gewässer) verläuft.

Zu klären ist damit jedenfalls die Rechtsfrage, ob es sich bei diesem Einlaufbauwerk samt Rohr um einen öffentlichen Kanal handelt oder nicht. Der Begriff der „Kanalisation“ ist in der Verordnung des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft über die allgemeine Begrenzung von Abwasseremissionen in Fließgewässer und öffentliche Kanalisationen (AAAEV), BGBl. Nr. 186/1996, näher definiert:

Unter einer Kanalisation ist demnach grundsätzlich eine gemäß § 32 Wasserrechtsgesetz 1959 bewilligungspflichtige Anlage zur Sammlung und kontrollierten, schadlosen Ableitung von Abwasser, Mischwasser oder Niederschlagswasser zu verstehen (§ 1 Abs. 3 Z. 12 AAEV).

Kanalbenützungsgebühren können auch nur dann eingehoben werden, wenn ein Kanal (im oben erläuterten Sinn) öffentlich im Sinne des § 5 NÖ Kanalgesetz 1977 ist. Öffentlich ist ein Kanal, der von einer Gemeinde (bzw. von einem Gemeindeverband) betrieben und erhalten wird bzw. an dem der Gemeinde ein Verfügungsrecht zukommt. Ein Verfügungsrecht wird der Gemeinde jedenfalls dann zukommen, wenn sich die Anlage in ihrem Eigentum befindet.

Es sind daher im gegenständlichen Fall zunächst die Eigentumsverhältnisse an dem auf dem Grundstück Nr. *** KG *** befindlichen Einlaufbauwerk sowie dem unter der Gemeindestraße bestehenden Regenwasserrohr zu klären. Ungeachtet der Frage, von wem bzw. auf wessen Kosten eine bauliche Anlage errichtet wurde, gilt der Grundsatz „superficies solo cedit“ nach § 418 ABGB (Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch), d.h. dass das Eigentum an der baulichen Anlage, gleich ob ober- oder unterirdisch, dem Eigentum am Grundstück folgt, da das Bauwerk einen unselbständigen Bestandteil des Grundstückes bildet.

Demnach steht das Eigentumsrecht an dem Einlaufbauwerk sowie dem Regenwasserrohr dem Eigentümer des Grundstückes, auf welchem sich diese Baulichkeiten befinden, also im gegenständlichen Fall der Gemeinde *** als Eigentümerin der Gemeindestraße (Grundstück Nr. *** KG ***) zu. Ausnahmen von dem genannten Grundsatz sind möglich; ob eine solche Ausnahme vorliegt, hat aber jene Partei, die sich darauf beruft, zu behaupten und zu beweisen, verbleibende Unklarheiten gehen zu ihren Lasten (vgl. die Urteile des OGH, 1 Ob 513/93 vom 22. März 1993, 4Ob 144/93 vom 12. Jänner 1994 u.a.). So könnte das Eigentum an einer baulichen Anlage zwischen Bauführer und Grundeigentümer vom allgemeinen Grundsatz abweichend vertraglich geregelt worden sein. Hinweise dafür sind aber im konkreten Abgabenverfahren bisher nicht aufgetaucht bzw. wäre das Vorliegen einer solchen vertraglichen Ausnahme im gegenständlichen Fall von den Beschwerdeführern zu beweisen.

Mangels entsprechender Hinweise, die das Gegenteil erweisen, kann also davon ausgegangen werden, dass das Verfügungsrecht über das fragliche Regenwasserrohr im öffentlichen Gut (entsprechend der allgemeinen Regel „superficies solo cedit“) der Gemeinde *** zukommt.

Indem es sich hierbei um eine nach § 32 WRG 1959 bewilligungspflichtige Anlage handelt, kann demnach bei diesem im öffentlichen Gut verlaufenden Regenwasserrohr und dem im öffentlichen Gut situierten Einlaufbauwerk von einem öffentlichen Kanal gesprochen werden (Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Korneuburg vom 21. Juni 2007, ***, wurde der Marktgemeinde *** die wasserrechtliche Bewilligung für die Abänderung der Regenwasserkanalisation in der KG *** (Bewilligungsbescheid vom 6. Oktober 1959, *** und Überprüfungsbescheid vom 1. September 1965, ***) unter anderem durch nachträgliche Bewilligung der bestehenden Regenwasserkanalanlage *** (***) – die verfahrensgegenständliche bauliche Anlage – erteilt.)

Der faktische Anschluss der Liegenschaft an den öffentlichen Regenwasserkanal ergibt sich aus der Aktenlage, die Beschwerdeführer haben die Einleitung der auf ihrem Grundstück anfallenden Niederschlagswässer über das verfahrensgegenständliche Einlaufbauwerk in das verfahrensgegenständliche Regenwasserrohr nicht in Abrede gestellt.

An der Qualifikation dieser Anlage als öffentlicher Regenwasserkanal, Einleitung der Dachflächenwässer von der Liegenschaft der Beschwerdeführer in diesen und folglich Erfüllung des Abgabentatbestandes „Kanalbenützungsgebühr für Regenwasserentsorgung“ vermag der Abschluss eines Vertrages mit der Republik Österreich über die Benützung von öffentlichem Wassergut jedenfalls nichts zu ändern.

Aus den dargelegten Erwägungen ergibt sich, dass die Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid in ihren Rechten weder wegen der geltend gemachten noch wegen einer vom Verwaltungsgericht aus eigenem aufzugreifenden Rechtswidrigkeit verletzt worden sind.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

3.2. Zu Spruchpunkt 2 – Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß
Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist die Revision gegen eine Entscheidung des Verwaltungsgerichtes zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil die Entscheidung von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Im Hinblick auf die obigen Ausführungen (siehe 3.1.) liegen jedoch keine Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfragen vor.

Schlagworte

Finanzrecht; Kanalbenützungsgebühr; Regenwasserkanal; Abgabenfestsetzung; Abgabenschuld;

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGNI:2018:LVwG.AV.674.001.2017

Zuletzt aktualisiert am

24.05.2018
Quelle: Landesverwaltungsgericht Niederösterreich LVwg Niederösterreic, http://www.lvwg.noe.gv.at
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