TE Lvwg Erkenntnis 2018/4/24 VGW-151/085/1196/2018

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Veröffentlicht am 24.04.2018
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Entscheidungsdatum

24.04.2018

Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht

Norm

NAG §11 Abs1
NAG §11 Abs2
NAG §24
NAG §25

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Verwaltungsgericht Wien hat durch seine Richterin MMag. Dr. Salamun über die Beschwerde der Frau S. M. vom 27.09.2017 gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien, Magistratsabteilung 35, vom 07.09.2017, Zl.: MA35-9/3062711-03

zu Recht e r k a n n t:

I. Gemäß § 28 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) wird der Beschwerde stattgegeben und der angefochtene Bescheid behoben.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Verlängerungsantrag der Beschwerdeführerin vom 2.3.2017 auf Erteilung eines Aufenthaltstitels für den Zweck „Familienangehöriger“ gemäß § 11 Abs. 1 Z 4 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) abgewiesen.

Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, das Ermittlungsverfahren habe ergeben, dass sich seitens der Behörde der Verdacht ergeben habe, es könnte sich bei der Ehe der Beschwerdeführerin mit dem österreichischen Staatsbürger, Herrn L. St., geboren 1959, um eine Aufenthaltsehe handeln, dies aufgrund des großen Altersunterschieds.

Nach einem Bericht der Landespolizeidirektion sei eine Erhebung an der Adresse O.-straße durchgeführt worden, wobei weder die Beschwerdeführerin noch ihre persönlichen Sachen in der Wohnung aufgefunden worden seien und Herr St. angegeben habe, die Beschwerdeführerin sei in der Wohnung ihres Sohnes (minderjährig), wohnhaft, welche beide noch aufrecht in der O.-straße gemeldet seien. Die Schlafstelle in der Küche sei durch den Gatten der Beschwerdeführerin und das Bett im Schlafzimmer, welches nur für eine Person überzogen war, von dessen Besucher besetzt gewesen. Auch auf dem Facebook Profil der Beschwerdeführerin würde sich kein Foto befinden, auf der auch ihr Gatte zu sehen sei; auf den 19 Fotos seien lediglich die Beschwerdeführerin, ihre Kinder noch mehrere andere Personen in einer Wohnung und auch auf Ausflügen zu sehen.

Die Magistratsabteilung 35 und Landespolizeidirektion Wien nehmen daher an, dass die Beschwerdeführerin zum Zweck das Familienleben mit ihrem Sohn in Österreich fortführen wolle und die Ehe mit Herrn L. St. nur eingegangen wurde, um ihr zu einem legalen Aufenthalt in Österreich zu verhelfen, und nicht aus der Absicht, ein gemeinsames Familienleben zu führen.

II.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde der anwaltlich vertretenen Beschwerdeführerin, in welcher zusammengefasst vorgebracht wird, die belangte Behörde hätte die beantragten Zeugen nicht einvernommen und diese Verpflichtung auf das Landesverwaltungsgericht Wien verlagert. Es sei jedoch nicht Aufgabe des Verwaltungsgerichtes Wien, bewusste Versäumnisse der Behörde zu beheben. Diese hätte daher sämtliche beantragten Personalbeweise selbst vorzunehmen gehabt. Es liege ein gravierender Mangel vor, der zur Aufhebung des bekämpften Bescheides führen müsse.

Ferner sei die Behörde auf die fundierte Stellungnahme zum Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme überhaupt nicht eingegangen. Eine vorgreifende (antizipierende) Beweiswürdigung, die darin bestehe, dass der Wert eines Beweises abstrakt beurteilt werde, sei unzulässig und setze daher die freie Beweiswürdigung voraus, dass angebotene Beweise aufgenommen werden, ehe sie gewürdigt werden.

Die von der Behörde angezogenen Ergebnisse stellen lediglich Indizien für die von der Behörde angenommene Aufenthaltsehe dar.

Auch genüge seitens der Landespolizeidirektion, die verpflichtet sei, den von der Behörde festzustellenden Sachverhalt in alle Richtungen zu erheben, eine einmalige Hauserhebung den strengen Erfordernissen eines rechtsstaatlichen Verfahrens nicht.

Die Verwaltungsbehörde legte die Beschwerde samt Verwaltungsakt dem Verwaltungsgericht Wien mit Schreiben vom 19.1.2018 vor.

III.

Das Verwaltungsgericht Wien führte verschiedene Datenbankabfragen durch. Aus der Sozialversicherungsauskunft ergibt sich, dass die Beschwerdeführerin seit 23.3.2018 Notstandshilfe, Überbrückungshilfe bezieht – davor bezog sie seit 30.10.2017 Arbeitslosengeld - und seit 2.2.2018 zusätzlich geringfügig beschäftigt ist. Der Ehegatte der Beschwerdeführerin bezieht seit 1.7.2013 eine Pension wegen geminderter Arbeitsfähigkeit. Der Sohn der Beschwerdeführerin, Herr B. M., geboren am ...2000, war vom 16.8.2016 bis 9.9.2016 Arbeiterlehrling; derzeit scheint laut Sozialversicherungsauskunft keine Beschäftigung auf. Während im Erstantrag noch keine Kinder angegeben waren, gab die Beschwerdeführerin in ihrem ersten Verlängerungsantrag an, insgesamt drei Kinder zu haben (B., Bo., geb. 2002, und J. M., geb. 2013). Am 11.4.2016 teilte die Pensionsversicherungsanstalt mit, dass der Ehegatte die Gewährung einer Ausgleichszulage gemäß § 292 ASVG beantragt hatte.

Aus dem Insolvenzregister ergibt sich, dass über den Ehegatten der Beschwerdeführerin, Herr L. St., geboren am ...1959, am 26.5.2009 ein Schuldenregulierungsverfahren eröffnet wurde, wonach das Ende der Zahlungsfrist für den Zahlungsplan der 15.12.2020 ist.

Aus dem IZR-Auszug ergibt sich, dass am 12.12.2017 gegen die Beschwerdeführerin durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme in Form einer Abschiebung gesetzt wurde. In den diesbezüglichen Akt wurde nicht Einsicht genommen, da der angefochtene Bescheid aufgrund von Unzuständigkeit der Behörde zu beheben war.

Da bereits auf Grund der Aktenlage feststand, dass der mit der vorliegenden Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben ist, konnte die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG zweiter Fall entfallen.

IV. Das Verwaltungsgericht Wien hat erwogen:

IV.1. Rechtsgrundlagen:

Die maßgeblichen Rechtsvorschriften des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005 idF BGBl. I Nr. 145/2017, lauten:

„Allgemeine Voraussetzungen für einen Aufenthaltstitel

§ 11. (1) Aufenthaltstitel dürfen einem Fremden nicht erteilt werden, wenn

1.

gegen ihn ein aufrechtes Einreiseverbot gemäß § 53 FPG oder ein aufrechtes Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG besteht;

2.

gegen ihn eine Rückführungsentscheidung eines anderen EWR-Staates oder der Schweiz besteht;

3.

gegen ihn eine durchsetzbare Rückkehrentscheidung erlassen wurde und seit seiner Ausreise nicht bereits achtzehn Monate vergangen sind, sofern er nicht einen Antrag gemäß § 21 Abs. 1 eingebracht hat, nachdem er seiner Ausreiseverpflichtung freiwillig nachgekommen ist;

4.

eine Aufenthaltsehe, Aufenthaltspartnerschaft oder Aufenthaltsadoption (§ 30 Abs. 1 oder 2) vorliegt;

5.

eine Überschreitung der Dauer des erlaubten visumfreien oder visumpflichtigen Aufenthalts im Zusammenhang mit § 21 Abs. 6 vorliegt oder

6.

er in den letzten zwölf Monaten wegen Umgehung der Grenzkontrolle oder nicht rechtmäßiger Einreise in das Bundesgebiet rechtskräftig bestraft wurde.

(2) Aufenthaltstitel dürfen einem Fremden nur erteilt werden, wenn

1.

der Aufenthalt des Fremden nicht öffentlichen Interessen widerstreitet;

2.

der Fremde einen Rechtsanspruch auf eine Unterkunft nachweist, die für eine vergleichbar große Familie als ortsüblich angesehen wird;

3.

der Fremde über einen alle Risken abdeckenden Krankenversicherungsschutz verfügt und diese Versicherung in Österreich auch leistungspflichtig ist;

4.

der Aufenthalt des Fremden zu keiner finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft führen könnte;

5.

durch die Erteilung eines Aufenthaltstitels die Beziehungen der Republik Österreich zu einem anderen Staat oder einem anderen Völkerrechtssubjekt nicht wesentlich beeinträchtigt werden;

6.

der Fremde im Fall eines Verlängerungsantrages (§ 24) das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 Integrationsgesetz (IntG), BGBl. I Nr. 68/2017, rechtzeitig erfüllt hat, und

7.

in den Fällen der §§ 58 und 58a seit der Ausreise in einen Drittstaat gemäß § 58 Abs. 5 mehr als vier Monate vergangen sind.

[…]

Verlängerungsverfahren

§ 24. (1) Verlängerungsanträge (§ 2 Abs. 1 Z 11) sind vor Ablauf der Gültigkeitsdauer des Aufenthaltstitels, frühestens jedoch drei Monate vor diesem Zeitpunkt, bei der örtlich zuständigen Behörde im Inland einzubringen; § 23 gilt. Danach gelten Anträge als Erstanträge. Nach Stellung eines Verlängerungsantrages ist der Antragsteller, unbeschadet der Bestimmungen nach dem FPG, bis zur rechtskräftigen Entscheidung über den Antrag weiterhin rechtmäßig im Bundesgebiet aufhältig. Über die rechtzeitige Antragstellung kann dem Fremden auf begründeten Antrag eine einmalige Bestätigung im Reisedokument angebracht werden, die keine längere Gültigkeitsdauer als drei Monate aufweisen darf. Diese Bestätigung berechtigt zur visumfreien Einreise in das Bundesgebiet. Der Bundesminister für Inneres ist ermächtigt, Form und Inhalt der Bestätigung durch Verordnung zu regeln.

(2) Anträge, die nach Ablauf der Gültigkeitsdauer des Aufenthaltstitels gestellt werden, gelten nur dann als Verlängerungsanträge, wenn

1.

der Antragsteller gleichzeitig mit dem Antrag glaubhaft macht, dass er durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis gehindert war, rechtzeitig den Verlängerungsantrag zu stellen, und ihn kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens trifft, und

2.

der Antrag binnen zwei Wochen nach dem Wegfall des Hindernisses gestellt wird; § 71 Abs. 5 AVG gilt.

Der Zeitraum zwischen Ablauf der Gültigkeitsdauer des letzten Aufenthaltstitels und der Stellung des Antrages, der die Voraussetzungen der Z 1 und 2 erfüllt, gilt nach Maßgabe des bisher innegehabten Aufenthaltstitels als rechtmäßiger und ununterbrochener Aufenthalt.

(3) Fremden ist im Rahmen eines Verlängerungsverfahrens ein Aufenthaltstitel mit dem gleichen Aufenthaltszweck zu erteilen, wenn die Voraussetzungen für diesen weiterhin vorliegen.

(4) Mit einem Verlängerungsantrag (Abs. 1) kann bis zur Erlassung des Bescheides ein Antrag auf Änderung des Aufenthaltszwecks des bisher innegehabten Aufenthaltstitels oder auf Änderung des Aufenthaltstitels verbunden werden. Sind die Voraussetzungen für den beantragten anderen Aufenthaltszweck oder Aufenthaltstitel nicht erfüllt, ist darüber gesondert mit Bescheid abzusprechen und der bisherige Aufenthaltstitel mit dem gleichen Aufenthaltszweck zu verlängern, soweit die Voraussetzungen dafür weiterhin vorliegen.

(5) Stellt der Fremde entgegen § 9 Abs. 5 Z 3 IntG einen weiteren Verlängerungsantrag, hat die Behörde den Antrag ohne weiteres abzuweisen.

Verfahren im Fall des Fehlens von Erteilungsvoraussetzungen für die Verlängerung eines Aufenthaltstitels

§ 25. (1) Fehlen in einem Verfahren zur Verlängerung des Aufenthaltstitels Erteilungsvoraussetzungen gemäß § 11 Abs. 1 und 2, so hat die Behörde - gegebenenfalls nach Einholung einer Stellungnahme des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl - den Antragsteller davon in Kenntnis zu setzen und ihm mitzuteilen, dass eine Aufenthaltsbeendigung gemäß §§ 52 ff. FPG beabsichtigt ist und ihm darzulegen, warum dies unter Bedachtnahme auf den Schutz seines Privat- oder Familienlebens (§ 9 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG), BGBl. I Nr. 87/2012) zulässig scheint. Außerdem hat sie ihn zu informieren, dass er das Recht hat, sich hiezu binnen einer gleichzeitig festzusetzenden, 14 Tage nicht unterschreitenden Frist zu äußern. Nach Ablauf dieser Frist hat die Behörde das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl - gegebenenfalls unter Anschluss der Stellungnahme des Fremden - zu verständigen. Während eines Verfahrens zur Aufenthaltsbeendigung ist der Ablauf der Frist gemäß § 8 VwGVG gehemmt.

(2) Erwächst eine Aufenthaltsbeendigung in Rechtskraft, ist das Verfahren über den Verlängerungsantrag auf Erteilung des Aufenthaltstitels formlos einzustellen. Das Verfahren ist im Fall der Aufhebung einer Aufenthaltsbeendigung auf Antrag des Fremden fortzusetzen, wenn nicht neuerlich eine aufenthaltsbeendende Maßnahme gesetzt wird. Ist eine Aufenthaltsbeendigung unzulässig, hat die Behörde einen Aufenthaltstitel mit dem gleichen Zweckumfang zu erteilen.

(3) Fehlen in einem Verfahren zur Verlängerung eines Aufenthaltstitels besondere Erteilungsvoraussetzungen des 2. Teiles, hat die Behörde den Antrag ohne weiteres abzuweisen.“

IV.2. Sachverhalt:

Aufgrund des Vorbringens der Beschwerdeführerin, des Aktes, des gegenständlichen behördlichen Verfahrens sowie des Aktes des Verwaltungsgerichts Wien wird folgender entscheidungswesentlicher Sachverhalt als erwiesen festgestellt:

Die Beschwerdeführerin ist serbische Staatsbürgerin und wurde am ...1979 geboren.

Der Beschwerdeführerin wurde aufgrund ihres Erstantrags vom 27.2.2015 auf Erteilung eines Aufenthaltstitels „Familienangehöriger“ dieser Aufenthaltstitel mit Gültigkeitsdauer vom 14.4.2015 bis 14.4.2016 erteilt. Aufgrund ihres Verlängerungsantrages vom 10.3.2016 wurde ihr noch einmal der Aufenthaltstitel „Familienangehöriger“ mit Gültigkeitsdauer vom 15.4.2016 bis 15.4.2017 erteilt. Die Beschwerdeführerin stellte am 2.3.2017 bei der belangten Behörde einen Antrag auf Verlängerung ihres Aufenthaltstitels „Familienangehöriger“.

Mit Schreiben vom 14.3.2017 ersuchte die belangte Behörde aufgrund eines Verdachtes auf Vorliegen einer Aufenthaltsehe die Landespolizeidirektion Wien um Überprüfung gemäß § 37 Abs. 4 NAG. Am 6.7.2017 teilte die Landespolizeidirektion Wien zusammengefasst im Wesentlichen mit, dass auch wenn aufgrund des Eintrittes von Verjährung keine Strafbarkeit nach dem StGB bestehe, der massive Verdacht einer Aufenthaltsehe vorliege.

Am 7.9.2017 erging der angefochtene Bescheid.

Am 19.9.2017 führte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl eine niederschriftliche Befragung des Ehegatten und der Beschwerdeführerin zu deren Ehe durch, in welcher beide unter anderem aussagten, sie hätten beide jeweils drei Kinder aus ihren ersten Ehen.

IV.3. Rechtliche Beurteilung:

IV.3.1.

Die Beschwerdeführerin beantragte am 2.3.2017 die Verlängerung des Aufenthaltstitels „Familienangehöriger“ gemäß § 46 Abs. 1 Z 2 NAG. Die belangte Behörde wies den Antrag gemäß § 11 Abs. 1 Z 4 NAG mit der Begründung ab, dass es sich bei der Ehe der Beschwerdeführerin um eine Aufenthaltsehe handle.

Die belangte Behörde wäre nicht berechtigt gewesen, den Verlängerungsantrag der Beschwerdeführerin abzuweisen, sondern hätte stattdessen ein Verfahren gemäß § 25 NAG einzuleiten gehabt.

IV.3.2.

Fehlen in einem Verfahren zur Verlängerung des Aufenthaltstitels Erteilungsvoraussetzungen gemäß § 11 Abs. 1 und 2 NAG, so hat die Behörde gemäß § 25 Abs. 1 NAG - gegebenenfalls nach Einholung einer Stellungnahme des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl - den Antragsteller davon in Kenntnis zu setzen und ihm mitzuteilen, dass eine Aufenthaltsbeendigung gemäß §§ 52 ff. FPG beabsichtigt ist und ihm darzulegen, warum dies unter Bedachtnahme auf den Schutz seines Privat- oder Familienlebens (§ 9 BFA-Verfahrensgesetz - BFA-VG), zulässig scheint. Außerdem hat sie ihn zu informieren, dass er das Recht hat, sich hiezu binnen einer gleichzeitig festzusetzenden, 14 Tage nicht unterschreitenden Frist zu äußern. Nach Ablauf dieser Frist hat die Behörde das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl - gegebenenfalls unter Anschluss der Stellungnahme des Fremden - zu verständigen. Während eines Verfahrens zur Aufenthaltsbeendigung ist der Ablauf der Frist gemäß § 8 VwGVG gehemmt.

Erwächst eine Aufenthaltsbeendigung in Rechtskraft, ist das Verfahren über den Verlängerungsantrag auf Erteilung des Aufenthaltstitels formlos einzustellen. Ist jedoch eine Aufenthaltsbeendigung unzulässig, hat die Niederlassungsbehörde - trotz Fehlens von Erteilungsvoraussetzungen - einen Aufenthaltstitel mit dem gleichen Zweckumfang zu erteilen (§ 25 Abs. 2 NAG).

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat § 25 NAG den Sinn, eine Doppelgleisigkeit dadurch zu vermeiden, dass bei Fehlen einer allgemeinen Erteilungsvoraussetzung gemäß § 11 Abs. 1 oder Abs. 2 NAG 2005 die Niederlassungsbehörde nicht den Verlängerungsantrag abzuweisen hat, sondern sogleich die Fremdenpolizeibehörde in die Lage versetzt wird, eine aufenthaltsbeendende Maßnahme zu erlassen (vgl. VwGH 30.09.2014, Ro 2014/22/0035).

Die Abweisung des Antrags auf Verlängerung eines Aufenthaltstitels oder eines Zweckänderungsantrages kommt bei Nichtvorliegen allgemeiner Erteilungsvoraussetzungen somit nicht in Betracht, sondern ist bei Fehlen allgemeiner Erteilungsvoraussetzungen bei Verlängerungsanträgen eine Zuständigkeit der Fremdenpolizeibehörde, die allenfalls aufenthaltsbeendende Maßnahmen zu erlassen hat, vorgesehen (vgl. VwGH 15.12.2015, Ra 2015/22/0024; 27.05.2010, 2008/21/0630; 09.07.2009, 2009/22/0149; 19.6.2008, 2007/18/0376).

IV.3.3.

Aus dem klaren Wortlaut der Bestimmung des § 25 NAG ergibt sich die Zuständigkeit der „Behörde“, sodass dem Verwaltungsgericht Wien keine Zuständigkeit zur Führung eines Verfahrens nach § 25 Abs. 1 NAG zukommt. Gemäß § 3 Abs. 1 NAG ist die „Behörde“ im Sinne des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes der örtlich zuständige Landeshauptmann. Demgegenüber entscheidet das örtlich zuständige Verwaltungsgericht des Landes lediglich über Beschwerden gegen Entscheidungen nach diesem Bundesgesetz. Somit ergibt bereits eine Verbalinterpretation des § 25 Abs. 1 NAG zweifelsfrei die Zuständigkeit der belangten Behörde zur Einleitung dieses Verfahrens.

In diesem Zusammenhang ist weiters darauf hinzuweisen, dass § 25 Abs. 1 letzter Satz NAG normiert, dass während eines Verfahrens zur Aufenthaltsbeendigung der Ablauf der Frist gemäß § 8 VwGVG gehemmt ist. Da es sich dabei um die Frist zur Erhebung einer Säumnisbeschwerde an das Verwaltungsgericht handelt, ist auch aus diesem Grund davon auszugehen, dass der örtlich zuständige Landeshauptmann das Verfahren nach § 25 NAG zu führen hat. Es kann dem Gesetzgeber nicht (die unsachliche und damit gleichheitswidrige Auslegung) unterstellt werden, für den Fall der Einleitung eines Verfahrens nach § 25 Abs. 1 NAG eine Vorkehrung hinsichtlich der Entscheidungsfrist der Behörde geschaffen zu haben, für den Fall der Einleitung dieses Verfahrens durch das Verwaltungsgericht eine vergleichbare Regelung aber ausdrücklich nicht vorzusehen. Eine Anwendung des § 8 VwGVG auf die verwaltungsgerichtliche Entscheidungsfrist scheidet dem Wortlaut der Bestimmung nach aus, auch eine analoge Anwendung des § 8 VwGVG auf das verwaltungsgerichtliche Verfahren wird auszuschließen sein, da angesichts der Klarheit des Verweises keine planwidrige Lücke, sondern nur eine bewusste Entscheidung des Gesetzgebers angenommen werden kann. Der Wortlaut des § 25 Abs. 1 NAG lässt daher nur die (sachliche) Auslegung zu, dass der Gesetzgeber die Entscheidungsfrist des Verwaltungsgerichts in der Bestimmung deshalb nicht bedacht hat, da eine solche Bedachtnahme aufgrund der Zuständigkeit der Verwaltungsbehörde zur Einleitung des Verfahrens nach § 25 Abs. 1 NAG nicht erforderlich ist. Indem der Gesetzgeber explizit auf die Frist zur Erhebung einer Säumnisbeschwerde gemäß § 8 VwGVG Bezug nimmt und § 38 VwGG im letzten Satz des § 25 Abs. 1 NAG nicht anführt, normiert er somit zweifelsfrei eine Zuständigkeit des Landeshauptmannes zur Führung eines solchen Verfahrens.

Ferner sieht § 25 Abs. 2 NAG vor, dass das Verfahren über den Verlängerungsantrag auf Erteilung des Aufenthaltstitels formlos einzustellen ist, wenn eine Aufenthaltsbeendigung in Rechtskraft erwächst. Das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz sieht eine formlose Einstellung von Verfahren vor den Verwaltungsgerichten jedoch nicht vor, sondern ergibt sich aus den §§ 31 Abs. 1 iVm. 28 Abs. 1 VwGVG, dass die Einstellung eines verwaltungsgerichtlichen Verfahrens mittels Beschluss zu erfolgen hat. Die in § 25 Abs. 2 NAG normierte formlose Einstellung kann sich somit nur auf ein Verfahren vor dem örtlich zuständigen Landeshauptmann beziehen, der das Verfahren zur Erteilung eines Aufenthaltstitels mittels Aktenvermerk formlos einstellen kann. Einem gerichtlichen Verfahren entspricht eine solche Vorgehensweise hingegen nicht.

An dieser Stelle ist insbesondere auch darauf hinzuweisen, dass Aufgabe der Verwaltungsgerichtsbarkeit die Entscheidung über Beschwerden iS des Art. 130 Abs. 1 B-VG ist. Die Verwaltungsgerichte führen eine Nachprüfung der Rechtmäßigkeit der Verwaltung durch. Gemäß § 25 Abs. 1 NAG hat die Behörde beim Fehlen der allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zu verständigen, welches zu prüfen hat, ob eine aufenthaltsbeendende Maßnahme zu setzen ist. An das Ergebnis des Verfahrens des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl ist die Niederlassungsbehörde gebunden, welche das Niederlassungsverfahren entweder formlos einzustellen oder dem Antragsteller einen Aufenthaltstitel mit dem gleichen Zweckumfang zu erteilen hat. Dabei handelt es sich um einen reinen Vollzugsakt der Niederlassungsbehörde. Es ist nicht zu erkennen, warum für diesen Vollzugsakt eine Zuständigkeit des Verwaltungsgerichts gegeben sein sollte und geht offenkundig auch der Gesetzgeber mangels sachlicher Gründe von der Zuständigkeit der Niederlassungsbehörde für die Verständigung des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl und die weiteren Verfahrensschritte, bei denen es sich um rein manipulative Akte handelt, welche naheliegender Weise in die Zuständigkeit der die Verwaltung führenden Niederlassungsbehörde fallen, aus. Bei einem gegenteiligen Verständnis würde dem Beschwerdeführer zudem im Verfahren nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz eine Instanz genommen werden, da bei einer Einstellung durch das Verwaltungsgericht die Kontrolle, ob die Einstellung zu Recht erfolgte, nur mehr beim Verwaltungsgerichtshof bzw. Verfassungsgerichtshof bekämpft werden könnte (vgl. zur zum Devolutionsantrag bzw. zur Säumnisbeschwerde vor der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012 VwGH 23.05.2012, 2012/22/0035; 13.12.2011, 2011/22/0282).

Hinzu tritt, dass gemäß § 25 Abs. 2 2. Satz NAG das Verfahren im Fall der Aufhebung einer Aufenthaltsbeendigung auf Antrag des Fremden fortzusetzen ist, wenn nicht neuerlich eine aufenthaltsbeendende Maßnahme gesetzt wird. Ginge man von der Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtes zur Führung des Verfahrens nach § 25 NAG aus, hätte dies auch zur Folge, dass das Verwaltungsgericht das einst „formlos“ eingestellte Verfahren fortzusetzen hat, sobald die Aufenthaltsbeendigung aufgehoben wird. Hierbei wird jedoch klar der Bereich einer nachprüfenden gerichtlichen Kontrolle der Verwaltung verlassen und handelt es sich hierbei um die originäre Führung der Verwaltung. Darüber hinaus käme eine solche Fortsetzung des gerichtlichen Verfahrens nach Erlassung eines Einstellungsbeschlusses durch das örtlich zuständige Verwaltungsgericht auf Grund von dessen Rechtskraftwirkung nicht in Betracht.

Schließlich ist anzumerken, dass Aufgabe der Verwaltungsgerichte nach der Intention des Gesetzgebers ein erhöhter Rechtsschutz im Bereich des öffentlichen Rechts darstellt und es daher auch als in der Praxis nicht handhabbar erscheint, dass Beschwerdefälle trotz Beendigung des eigentlichen verwaltungsgerichtlichen Verfahrens – eben durch Feststellung des Nichtvorliegens der allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen in einem Verlängerungsverfahren unter Durchführung einer Interessensabwägung nach § 11 Abs. 3 NAG – weiterhin, nämlich während des Verfahrens zur Aufenthaltsbeendigung, auf Grund der Ausschöpfung des Instanzenzugs möglicherweise jahrelang, beim Verwaltungsgericht anhängig blieben. Letztlich hat daher auch im Hinblick darauf, dass es sich bei der Führung eines Verfahrens gemäß § 25 Abs. 1 NAG systematisch um ein erstinstanzliches Verfahren handelt, dieses Verfahren der örtlich zuständige Landeshauptmann zu führen.

Zusammenfassend ist daher festzuhalten, dass im Fall des Fehlens von besonderen Erteilungsvoraussetzungen im Verlängerungs- und Zweckänderungsverfahren das Verwaltungsgericht für die Prüfung und Beurteilung des Vorliegens der Erteilungsvoraussetzungen zuständig ist. Wird durch das Verwaltungsgericht festgestellt, dass die besonderen Erteilungsvoraussetzungen vorliegen, Erteilungsvoraussetzungen gemäß § 11 Abs. 1 und 2 NAG aber fehlen, fällt die weitere Vorgehensweise gemäß § 25 NAG in die Zuständigkeit der Verwaltungsbehörde. Dies ergibt sich aus der Anordnung der Zuständigkeit des § 25 Abs. 1 iVm § 3 Abs. 1 NAG und hat dieses Verständnis auch zur Folge, dass in § 25 Abs. 1 letzter Satz lediglich auf § 8 VwGVG Bezug genommen wird. Sachlich ist diese Aufgabenteilung u.a. auch damit begründet, dass es sich hierbei um das Setzen eigenständiger Vollzugsakte handelt, welche schon nach allgemeinem Verständnis in die Zuständigkeit der Verwaltungsbehörde fallen.

Letztlich kann aber auch durch den letzten Satz des § 25 Abs. 2 NAG, wonach die Behörde für den Fall, dass eine Aufenthaltsbeendigung nach Ansicht des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl unzulässig ist, einen Aufenthaltstitel mit dem gleichen Zweckumfang zu erteilen „hat“, k eine Bindung des Verwaltungsgerichts an die Erklärung einer Verwaltungsbehörde erfolgen, da eine solche Bindung nicht nur einen Verstoß gegen die Gewaltenteilung des Art. 94 Abs. 1 B-VG (vgl. VfSlg. 6278), sondern auch einen unzulässigen Eingriff in die richterliche Unabhängigkeit gemäß Art. 87 Abs. 1 B-VG darstellen würde.

Aus den dargelegten Gründen war der Bescheid zu beheben und obliegt es nunmehr der belangten Behörde ein Verfahren nach § 25 Abs. 1 NAG einzuleiten bzw. im Hinblick auf § 10 NAG in den betreffenden Akt des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl Einsicht zu nehmen.

Gegenständlich ist das Fehlen einer allgemeinen Erteilungsvoraussetzung nicht erst im verwaltungsgerichtlichen Verfahren hervorgekommen (vgl. etwa VwGH 15.12. 2015, Ra 2015/22/0024), sondern hat bereits die belangte Behörde den Antrag wegen des Fehlens einer allgemeinen Erteilungsvoraussetzung abgewiesen und damit eine Zuständigkeit des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl in Anspruch genommen.

V. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Eine solche Rechtsfrage liegt gegenständlich nicht vor, zumal sich das Verwaltungsgericht bei der Frage des von der Behörde einzuhaltenden Verfahrens nach § 25 NAG an dem eindeutigen Wortlaut des Gesetzes und der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes orientiert.

Schlagworte

Fehlen allgemeiner Erteilungsvoraussetzungen, Aufenthaltsbeendende Maßnahmen, Sachliche Zuständigkeit, Ablaufshemmung, formlose Verfahrenseinstellung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGWI:2018:VGW.151.085.1196.2018

Zuletzt aktualisiert am

15.05.2018
Quelle: Landesverwaltungsgericht Wien LVwg Wien, http://www.verwaltungsgericht.wien.gv.at
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