TE Vwgh Beschluss 2018/3/28 Ra 2017/08/0095

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 28.03.2018
beobachten
merken

Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
32/02 Steuern vom Einkommen und Ertrag;
62 Arbeitsmarktverwaltung;
66/01 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz;
66/02 Andere Sozialversicherungsgesetze;

Norm

AlVG 1977 §1 Abs1 lita;
ASVG §4 Abs1 Z1;
ASVG §4 Abs2;
B-VG Art133 Abs4;
EStG 1988 §25 Abs1 Z5;
EStG 1988 §47 Abs1;
EStG 1988 §47 Abs2;
VwGG §34 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bachler und den Hofrat Dr. Strohmayer als Richter sowie die Hofrätin Dr. Julcher als Richterin, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Sinai, über die Revision des Dr. Dkfm. H Z in Wien, vertreten durch Dr. Peter-Leo Kirste, Rechtsanwalt in 5020 Salzburg, Platzl 5, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 22. Juni 2017, Zl. W228 2117024- 1/7E, betreffend Pflichtversicherung nach dem ASVG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Wiener Gebietskrankenkasse, vertreten durch Dr. Heinz Edelmann, Rechtsanwalt in 1060 Wien, Windmühlgasse 30; weitere Partei: Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Der Revisionswerber hat der Wiener Gebietskrankenkasse Aufwendungen in der Höhe von EUR 553,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Kostenmehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

1 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

2 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

3 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

4 Mit dem angefochtenen Erkenntnis stellte das Bundesverwaltungsgericht fest, dass der Revisionswerber auf Grund seiner Tätigkeit als Vortragender für eine näher bezeichnete Fachhochschule in den Zeiträumen 1. Jänner 2007 bis 31. Juli 2007 und 1. Oktober 2007 bis 29. Februar 2008 der Pflichtversicherung in der Kranken-, Unfall- und Pensionsversicherung gemäß § 4 Abs. 1 Z 1 iVm Abs. 2 ASVG und der Arbeitslosenversicherung gemäß § 1 Abs. 1 lit. a AlVG unterlegen sei. Über die betreffende Tätigkeit seien Vereinbarungen zwischen der Fachhochschule und einer GmbH, an welcher der Revisionswerber zu 50% beteiligt gewesen sei, geschlossen worden. Die erbrachten Leistungen seien jedoch im Hinblick auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichthofes zur Lehrtätigkeit an Fachhochschulen nicht der GmbH, sondern dem Revisionswerber zuzurechnen. Er habe seine Tätigkeit in persönlicher Abhängigkeit im Sinn des § 4 Abs. 2 ASVG erbracht. Ein generelles Vertretungsrecht habe nicht bestanden, der Revisionswerber habe sich tatsächlich nie vertreten lassen. Er sei örtlich an die Räumlichkeiten der Fachhochschule gebunden gewesen und habe den Stundenplan einzuhalten gehabt. Er sei in die Organisation der Fachhochschule eingebunden gewesen. Seine Tätigkeit sei durch von der Fachhochschule durchgeführte Evaluierungen der Lehrveranstaltungen bewertet worden. Das Entgelt, das "in den Umsatz" der GmbH "eingeflossen" und dem Revisionswerber im Rahmen der Ausschüttungen zugekommen sei, habe 5% des Umsatzes der GmbH ausgemacht und sei somit jedenfalls über der Geringfügigkeitsgrenze gelegen.

5 Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG sprach das Bundesverwaltungsgericht aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

6 Der Revisionswerber behauptet entgegen diesem Ausspruch das Vorliegen einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung.

7 Er macht unter diesem Gesichtspunkt zunächst geltend, dass das Bundesverwaltungsgericht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen sei, und führt dazu die Erkenntnisse VwGH 4.9.2014, 2011/15/0149, VwGH 15.10.2010, 2008/13/0012, VwGH 10.4.2013, 2013/08/0042 und VwGH 15.5.2013, 2013/08/0051 ins Treffen. Alle diese Entscheidungen befassen sich mit der Frage, ob Leistungen bzw. diesen entsprechende Einkünfte einer juristischen Person (oder Personengesellschaft) zuzurechnen sind, oder ob vielmehr auf die natürliche Person durchzugreifen ist, welche die Leistungen tatsächlich erbringt. In keinem dieser Fälle ging es aber um die spezielle Frage der Lehrtätigkeit an einer Fachhochschule. Für diese Konstellation hat der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis VwGH 28.3.2012, 2009/08/0010, ausgesprochen, es sei im Allgemeinen ausgeschlossen, dass Lehraufträge von Fachhochschulen (oder Fachhochschul-Studiengängen) an juristische Personen (oder Personengesellschaften) erteilt werden; Abweichendes könne allenfalls für Vereinbarungen mit Gebietskörperschaften oder Universitäten gelten. Im vorliegenden Fall einer Vereinbarung der Fachhochschule mit einer GmbH ist das Bundesverwaltungsgericht demnach nicht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen.

8 Der Revisionswerber rügt außerdem, dass das Bundesverwaltungsgericht aus dem Erkenntnis VwGH 25.4.2007, 2005/08/0137, zu Unrecht abgeleitet habe, Lehrende an Fachhochschulen seien generell und ohne nähere Prüfung der Umstände des Einzelfalles jedenfalls als Dienstnehmer im Sinn des § 4 Abs. 2 ASVG einzustufen. Von einem solchen Automatismus ist das Bundesverwaltungsgericht indes nicht ausgegangen, sondern es hat konkrete Feststellungen - insbesondere im Hinblick auf die organisatorische Eingliederung des Revisionswerbers in den Betrieb der Fachhochschule - getroffen, auf deren Basis die Bejahung der persönlichen Abhängigkeit jedenfalls nicht unvertretbar war. Im Übrigen ist noch auf § 25 Abs. 1 Z 5 EStG 1988 hinzuweisen, wonach "Bezüge, Auslagenersätze und Ruhe-(Versorgungs-)Bezüge von Vortragenden, Lehrenden und Unterrichtenden, die diese Tätigkeit im Rahmen eines von der Bildungseinrichtung vorgegebenen Studien-, Lehr- oder Stundenplanes ausüben, und zwar auch dann, wenn mehrere Wochen- oder Monatsstunden zu Blockveranstaltungen zusammengefasst werden" Arbeitslohn und somit gemäß § 47 Abs. 1 und 2 EStG 1988 lohnsteuerpflichtig sind, was in Verbindung mit § 4 Abs. 2 letzter Satz ASVG ebenfalls die Dienstnehmereigenschaft im Sinn des ASVG begründet.

9 Weiters macht die Revision unter dem Gesichtspunkt einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung geltend, dass das Bundesverwaltungsgericht "die ständige Rechtsprechung des VwGH zum Entgeltbegriff (...), die eine synallagmatische Verknüpfung eines Bezugs zu einer Arbeitsleistung voraussetzt", völlig missachte. Angesichts der schriftlich vereinbarten, betragsmäßig unstrittigen Honorare, auf die der Revisionswerber anstelle der "zwischengeschalteten" GmbH zur Gänze Anspruch hatte (für eine unterschiedliche Behandlung einzelner Entgeltbestandteile besteht kein Anlass, weil es sich um einen einheitlichen, dem Revisionswerber zuzurechnenden Auftrag handelte), kann aber kein Zweifel daran bestehen, dass sein Anspruchslohn jedenfalls die Geringfügigkeitsgrenze überschritten hat. Dies war für die Bejahung der Vollversicherung ausreichend, ohne dass es auf den tatsächlichen Zufluss im Rahmen der Ausschüttungen der GmbH angekommen wäre.

10 Schließlich ist auch - entgegen dem Vorbringen in der Revision - nicht zu sehen, dass das Bundesverwaltungsgericht den verwirklichten Sachverhalt entgegen der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu den "allgemeinen Grundsätzen der Sachverhaltsfeststellung" in unzulässiger Weise "umgedeutet" hat. Dass es die erbrachte Leistung und die dafür bezogenen Einkünfte dem Revisionswerber anstelle der GmbH zugerechnet hat, stellt eine rechtliche Beurteilung dar.

11 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher - nach Durchführung des Vorverfahrens und Erstattung einer Revisionsbeantwortung durch die Wiener Gebietskrankenasse - gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG zurückzuweisen.

12 Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014. Das Mehrbegehren war abzuweisen, weil der Wiener Gebietskrankenkasse als belangter Behörde nur der in § 1 Z 2 lit. a der genannten Verordnung vorgesehene Schriftsatzaufwand für die Revisionsbeantwortung zusteht.

Wien, am 28. März 2018

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2018:RA2017080095.L00

Im RIS seit

25.04.2018

Zuletzt aktualisiert am

04.07.2018
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten