TE OGH 2018/2/27 1Ob230/17f

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Veröffentlicht am 27.02.2018
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Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Sailer als Vorsitzenden sowie die Hofräte Univ.-Prof. Dr. Bydlinski, Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger und die Hofrätin Dr. Hofer-Zeni-Rennhofer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Mag. M***** T*****, vertreten durch Dr. Peter Lessky, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei B***** AG, *****, Deutschland, vertreten durch die Knoetzl Haugeneder Netal Rechtsanwälte GmbH, Wien, wegen 37.000 EUR sA und Feststellung, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 25. Oktober 2017, GZ 4 R 84/17b-18, mit dem das Urteil des Handelsgerichts Wien vom 6. April 2017, GZ 64 Cg 26/16z-14, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

1. Die dreijährige Verjährungsfrist des § 1489 Satz 1 ABGB beginnt zu laufen, wenn dem Geschädigten der Sachverhalt soweit bekannt ist, dass er mit Aussicht auf Erfolg klagen kann, er also in der Lage ist, das zur Begründung seines Ersatzanspruchs erforderliche Sachvorbringen konkret zu erstatten (9 Ob 231/02i uva; RIS-Justiz RS0034374 [T37, T38, T49]; RS0034524). Die Kenntnis muss dabei den ganzen anspruchsbegründenden Sachverhalt umfassen, insbesondere auch die des Ursachenzusammenhangs zwischen dem Schaden und einem bestimmten, dem Schädiger anzulastenden Verhalten, in Fällen der Verschuldenshaftung daher auch jene Umstände, aus denen sich das Verschulden des Schädigers ergibt (RIS-Justiz RS0034374 [T1, T4]; RS0034951 [T1, T2, T4, T7]). Hat der Geschädigte als Laie keinen Einblick in die für das Verschulden maßgeblichen Umstände, so beginnt die Verjährung nicht zu laufen (RIS-Justiz RS0034603). Ab wann eine ausreichende Kenntnis der maßgeblichen Tatsachen anzunehmen ist, hängt stets von den besonderen Umständen des Einzelfalls ab (RIS-Justiz RS0034374 [T47]; RS0034524 [T23, T41]; RS0113916 [T1, T5]).

2. Der Geschädigte darf sich nicht einfach passiv verhalten und es darauf ankommen lassen, dass er von der Person des Ersatzpflichtigen oder von den genauen Umständen einer Ersatzpflicht eines Tages zufällig Kenntnis erhält. Wenn er die für die erfolgversprechende Anspruchsverfolgung notwendigen Voraussetzungen ohne nennenswerte Mühe in Erfahrung bringen kann, gilt die Kenntnisnahme schon als in dem Zeitpunkt erlangt, in welchem sie ihm bei angemessener Erkundigung zuteil geworden wäre (RIS-Justiz RS0034327; vgl auch RS0034335). Dabei ist ebenfalls auf die Umstände des konkreten Falls abzustellen (RIS-Justiz RS0034374 [T31]; RS0113916).

3. Die auf diesen Grundsätzen der Rechtsprechung basierende Beurteilung des Berufungsgerichts wäre vom Obersten Gerichtshof im Hinblick auf ihre Einzelfallbezogenheit nur dann überprüfbar, wenn man in dessen rechtlichen Beurteilung eine aus Gründen der Rechtssicherheit aufzugreifende Fehlbeurteilung sehen muss (vgl RIS-Justiz RS0044088 [T8]). Das ist hier – entgegen der Argumentation der Revisionswerberin – nicht der Fall.

Die Klägerin wirft der beklagten Herstellerin einer von ihr eingenommenen Anti-Baby-Pille vor, dass sie über das hohe Schlaganfallsrisiko mangelhaft aufgeklärt und in Kenntnis dieses Risikos das Produkt nicht auf den Markt hätte bringen dürfen. Die Klägerin erlitt am 9. 5. 2005 einen Schlaganfall und wurde in einer Krankenanstalt behandelt. Ihr Patientenbrief vom 24. 5. 2005 führt die Diagnose Posteriorteilinfarkt an und hält fest, dass als Risikofaktor einzig die Pilleneinnahme zu erheben sei, möglicherweise assoziiert mit einer thrombophilen Neigung. Die Klägerin brachte die Klage auf Schadenersatz erst am 25. 11. 2016 ein.

Die Beurteilung des Berufungsgerichts, dass die dreijährige Verjährungsfrist des § 1489 Satz 1 ABGB zu diesem Zeitpunkt bereits abgelaufen gewesen sei, weil die Klägerin bereits 2005 über eine fachkundige Beurteilung verfügt habe, in der unmissverständlich zum Ausdruck gebracht worden sei, dass der einzige in Frage kommende Risikofaktor die Pilleneinnahme gewesen sei, und ihr Wissensstand habe sich in diesem zentralen Punkt auch durch einen erst Jahre später gesendeten TV-Bericht keineswegs erweitert, sondern allenfalls bestärkt, ist nicht korrekturbedürftig. Soweit die Klägerin damit argumentiert, die im Patientenbrief vom 24. 5. 2005 enthaltene Information sei ein starkes Indiz dafür gewesen, dass die Einnahme der Pille den von ihr erlittenen Schlaganfall „wirklich verursacht“ habe, geht sie selbst davon aus, dass ihr bereits zum damaligen Zeitpunkt der behauptete Kausalzusammenhang zwischen der Pilleneinnahme und dem Schlaganfall bekannt war. Die Beurteilung des Berufungsgerichts, der Wissensstand der Klägerin über Art und Umfang der erfolgten Aufklärung habe sich gleichermaßen seit dem Jahr 2005 nicht geändert, ist ebenfalls nicht zu beanstanden.

4. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).

Textnummer

E121181

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2018:0010OB00230.17F.0227.000

Im RIS seit

20.04.2018

Zuletzt aktualisiert am

20.04.2018
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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