TE Vwgh Erkenntnis 2000/3/28 95/14/0133

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Veröffentlicht am 28.03.2000
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Index

32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;

Norm

BAO §115 Abs1;
BAO §138;
BAO §161;
BAO §20;
BAO §299;
BAO §93 Abs3 lita;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss und die Hofräte Mag. Heinzl, Dr. Zorn, Dr. Robl und Dr. Büsser als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Neumair, über die Beschwerde des G W in I, vertreten durch Dr. Paul Doralt, Dr. Wilfried Seist und Dr. Peter Csoklich, Rechtsanwälte in 1090 Wien, Währinger Straße 2-4, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Tirol vom 5. September 1995, Zl. 70.689-7/95, betreffend Aufhebung des Einkommensteuerbescheides 1993 gemäß § 299 Abs. 1 lit. c BAO, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer gab in seiner Einkommensteuererklärung für das Jahr 1993 u.a. negative Einkünfte, für die das Besteuerungsrecht auf Grund von Doppelbesteuerungsabkommen einem anderen Staat zusteht, in Höhe von S 812.164,-- an. Das Finanzamt berücksichtigte bei Ermittlung des Steuersatzes die ausländischen Einkünfte erklärungsgemäß, was zu einer Gutschrift an Lohn- und Kapitalertragsteuer in Höhe von S 210.227,-- führte.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid hob die belangte Behörde den Einkommensteuerbescheid für das Jahr 1993 gemäß § 299 Abs. 1 lit. c BAO auf. Begründend führte sie im Wesentlichen aus, die Abgabenbehörde sei ihrer amtswegigen Ermittlungspflicht nicht nachgekommen. Die Veranlagung sei erklärungsgemäß erfolgt, obwohl weder der Abgabenerklärung noch den Beilagen noch überhaupt dem Veranlagungsakt entnommen werden könne, aus welcher Einkunftsquelle dem Beschwerdeführer negative Einkünfte erwachsen seien und welches Doppelbesteuerungsabkommen zur Anwendung gelange. Die für eine Bescheiderlassung erforderlichen Tatsachen seien dem Finanzamt damit in keiner Weise bekannt gewesen. Von der Vornahme weiterer Erhebungen habe das Finanzamt umso weniger Abstand nehmen dürfen, als - im Unterschied zu den Erklärungen der Vorjahre - nicht einmal in den Angaben zur Person ("Geschäftsführer") ein Hinweis enthalten gewesen sei, ob und gegebenenfalls welche andere Art von zusätzlicher Tätigkeit im Veranlagungsjahr 1993 aufgenommen worden sei. Im Hinblick auf die möglichen Auswirkungen der gebotenen, aber unterlassenen Verfahrenshandlungen sehe sich die belangte Behörde veranlasst, von dem eingeräumten Aufsichtsrecht Gebrauch zu machen und den Bescheid zwecks Gleichmäßigkeit der Besteuerung aufzuheben.

Die Beschwerde bringt dagegen vor, die belangte Behörde sei von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen. Der Beschwerdeführer habe zur Erläuterung der ausländischen Einkünfte seiner am 31. Jänner 1995 beim Finanzamt eingereichten Einkommensteuererklärung für 1993 zwei Beilagen angeschlossen. Zudem habe das Finanzamt in der ersten Februarhälfte mit seinem Steuerberater telefonisch Kontakt aufgenommen. Dabei sei dem Finanzamt mitgeteilt worden, dass es sich bei den erklärten ausländischen Einkünften um den Verlustanteil aus einer atypisch stillen Beteiligung an einer Gesellschaft mit Sitz in Luxemburg handle. Zudem sei das Finanzamt darauf hingewiesen worden, dass der Einkommensteuererklärung für 1993 ohnedies diesbezüglich die erste Seite des luxemburgischen Einkommensteuerbescheides vom 17. November 1994 sowie ein Schreiben des steuerlichen Vertreters der luxemburgischen Gesellschaft vom 17. März 1994 angeschlossen worden sei. Diesem Schreiben könne entnommen werden, dass sich der Beschwerdeführer mit einer Einlage von S 400.000,-- am Gewinn und am Vermögen der näher bezeichneten luxemburgischen Gesellschaft zu 1,38 % beteiligt habe. Dem Finanzamt seien daher die für eine Bescheiderlassung erforderlichen Tatsachengrundlagen hinreichend bekannt gewesen. Weitere Unterlagen zu diesen Auslandseinkünften gebe es nicht, sodass ein allenfalls darauf gerichtetes Begehren unzumutbar wäre.

Die belangte Behörde wies in ihrer Gegenschrift zunächst darauf hin, dass die Bescheidaufhebung über Anregung des Finanzamtes erfolgt sei. In den Veranlagungsakten, die zur Prüfung der Anregung auf Bescheidaufhebung eingeholt worden seien, hätten sich weder eine Ablichtung des Schreibens vom 17. März 1984 noch eine Kopie des Bescheides der luxemburgischen Finanzverwaltung vom 17. November 1994 befunden. Diese Unterlagen wären vielmehr erst nach Bescheidaufhebung durch die belangte Behörde beim Finanzamt zum Veranlagungsakt gekommen. Der in der Beschwerde angeführte Telefonanruf eines Mitarbeiters des Finanzamtes könne aus näher bezeichneten Gründen keinesfalls vor Erlassung des Einkommensteuerbescheides 1993 am 27. Februar 1995 stattgefunden haben. Das vom Beschwerdeführer zum Beweis für das erfolgte Telefongespräch vorgelegte Gedächtnisprotokoll sei auch erst rund acht Monate nach dem behaupteten Telefongespräch angefertigt worden. Der im Gedächtnisprotokoll angeführte Bedienstete könne sich nach eingehender Befragung durch die belangte Behörde nicht mehr an ein derartiges Gespräch erinnern. Ein Aktenvermerk darüber existiere nicht.

In seiner Replik nahm der Beschwerdeführer Bezug auf einzelne Bestimmungen der "Dienstanweisung-Veranlagung", aus denen zu erschließen sei, dass das Finanzamt sehr wohl eine inhaltliche Überprüfung der erklärten ausländischen Einkünfte vorgenommen habe. Es entbehre auch jeder Logik anzunehmen, der Beschwerdeführer könnte die Unterlagen erst nachträglich eingereicht haben. Im Übrigen verwundere es nicht, wenn der Bedienstete des Finanzamtes über das stattgefundene Telefongespräch keinen Vermerk angefertigt habe, da er die angesprochenen Unterlagen wohl gefunden und daher kein Grund für ihn bestanden habe, diesen Umstand schriftlich festzuhalten.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 299 Abs. 1 lit. c BAO kann ein Bescheid in Ausübung des Aufsichtsrechtes von der Oberbehörde aufgehoben werden, wenn Verfahrensvorschriften außer Acht gelassen wurden, bei deren Einhaltung ein anders lautender Bescheid hätte erlassen werden können.

Die Verletzung von Verfahrensvorschriften, bei deren Einhaltung vom Finanzamt ein anders lautender Bescheid hätte erlassen werden können, erblickte die belangte Behörde in der Vernachlässigung der amtswegigen Ermittlungspflicht gemäß § 115 Abs. 1 BAO. Danach hat die Abgabenbehörde die abgabepflichtigen Fälle zu erforschen und von Amts wegen die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse zu ermitteln, die für die Abgabepflicht und die Erhebung der Abgaben wesentlich sind. In welchen Fällen die Abgabenbehörde zur Erfüllung ihrer Aufgabe, die Abgabenerklärungen auf ihre Richtigkeit zu überprüfen, von Amts wegen Ermittlungen durchzuführen hat, lässt sich den §§ 138, 161 BAO entnehmen. Es sind dies Fälle, in denen Bedenken gegen die Richtigkeit der Abgabenerklärung zu Zweifeln Anlass geben. Wann dies anzunehmen ist, muss im Einzelfall nach der sich der Abgabenbehörde zur Zeit ihrer Prüfung erkennbaren Gesamtsituation beurteilt werden (vgl. das hg. Erkenntnis vom 1. Oktober 1991, 91/14/0133).

Auch bei Zutreffen des Beschwerdevorbringens - die Abgabenbehörde habe die Veranlagung in Kenntnis der Beilagen zur Einkommensteuererklärung vorgenommen - durfte das Finanzamt den geltend gemachten Verlustanteil nicht ohne weitere Überprüfung der Ermittlung des Steuersatzes zugrunde legen. Unbestritten hat der Beschwerdeführer erstmals für das Streitjahr negative Einkünfte aus der genannten Beteiligung in mehr als doppelter Höhe seiner Einlage geltend gemacht. Den Unterlagen war nicht zu entnehmen, wann der Beschwerdeführer zu welchen Bedingungen den Gesellschaftsvertrag abgeschlossen hat, welcher Art die Geschäftstätigkeit der Gesellschaft im Streitzeitraum war und nach welchen gesetzlichen Bestimmungen der im Steuerbescheid der luxemburgischen Finanzverwaltung ausgewiesene Verlustanteil ermittelt worden ist. Im Hinblick auf das Verhältnis des Verlustes zur geleisteten Einlage hätte das Finanzamt den Beschwerdeführer auch Gelegenheit geben müssen zu erläutern, warum die Beteiligung dessen ungeachtet nach österreichischem Steuerrecht als Einkunftsquelle in Betracht komme. Da diese Fragen vom Finanzamt nicht geklärt wurden, hat es die ihm obliegende Verpflichtung, die Abgabenerklärungen im Sinn des § 115 BAO von Amts wegen zu prüfen, verletzt. Die Vorlage des ausländischen Steuerbescheides konnte die fehlenden Erhebungen schon deshalb nicht ersetzen, da die ausländischen Progressionseinkünfte unter Anwendung des österreichischen Steuerrechtes zu ermitteln sind. Somit erweist sich der angefochtene Bescheid jedenfalls im Ergebnis als nicht rechtswidrig.

Zum Beschwerdevorbringen, das Finanzamt könne bei Auslandssachverhalten der gegenständlichen Art ohnehin keine Erhebungen vornehmen, weist die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift zu Recht auf die Mitwirkungspflicht des Beschwerdeführers und möglichen nachfolgenden Ermittlungen - auch zwischenstaatlicher Art - hin. In diesem Zusammenhang kann dem Beschwerdeführer auch nicht gefolgt werden, wenn er vorbringt, seiner Mitwirkungspflicht bereits erschöpfend nachgekommen zu sein und über keine weiteren Unterlagen zu diesen Auslandseinkünften zu verfügen. Dass ihm weitere Aufklärungen möglich sein müssten, ergibt sich schon aus dem Inhalt des an den Beschwerdeführer gerichteten Schreibens vom 17. März 1994. Darin wird u.a. ausgeführt:

     "... als steuerlicher Vertreter der O GmbH und atypisch stille

Mitgesellschafter übermitteln wir Ihnen die Bilanz der

Gesellschaft. ... Für weitere Auskünfte stehen wir Ihnen gerne zur

Verfügung."

Es entspricht zudem der Lebenserfahrung, dass über derartige Beteiligungen schriftliche Urkunden errichtet werden. Im Übrigen gehen mit der Mitunternehmerstellung auch entsprechende Informations- und Auskunftsrechte des Gesellschafters einher. Diese gegebenenfalls anzusprechen, obliegt dem Abgabepflichtigen in Ansehung seiner abgabenrechtlichen Mitwirkungspflicht.

Dem Beschwerdeführer ist allerdings insoweit zuzustimmen, als der gemäß § 299 BAO aufhebende Bescheid in seiner Begründung auch die für die Ermessensgestaltung maßgebenden Erwägungen anzuführen hat und die Begründung des angefochtenen Bescheides diesbezügliche Mängel aufweist. Eine Relevanz dieser Begründungsmängel, die eine Aufhebung des angefochtenen Bescheides durch den Verwaltungsgerichtshof zur Folge haben könnte, vermag der Beschwerdeführer indes nicht darzulegen.

Es trifft zu, dass sich die belangte Behörde zur Zweckmäßigkeit der von ihr verfügten Bescheidbehebung mit dem allgemeinen Hinweis auf die "Gleichmäßigkeit der Besteuerung" begnügt hat. Der Beschwerdeführer zeigt allerdings nicht auf, warum diese allgemeine Zweckmäßigkeitsüberlegung gerade in seinem Falle nicht zur Bescheidbehebung hätte führen dürfen. So behauptet etwa der Beschwerdeführer selbst nicht, dass die belangte Behörde bei Erlassung des angefochtenen Bescheides nur die Aufklärung von Umständen vor Augen hatte, die für die Abgabenerhebung nur von geringem Gewicht hätten sein können.

Mit der Frage des Vorliegens allenfalls der Bescheidbehebung entgegenstehender Interessen des Beschwerdeführers, also mit der Frage der "Billigkeit", hat sich die belangte Behörde in der Begründung ihrer Ermessensentscheidung nicht auseinander gesetzt. Die Beschwerde lässt jedoch nicht erkennen, welches berechtigte Interesse der Beschwerdeführer am Unterbleiben einer Aufklärung der bisher ungeprüften Sachverhaltsfragen haben könnte. Eine unrichtige Ermessensübung ist auch für den Verwaltungsgerichtshof nicht ersichtlich.

Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

Von der Durchführung der beantragten Verhandlung konnte aus dem Grunde des § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden. Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 28. März 2000

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2000:1995140133.X00

Im RIS seit

20.11.2000

Zuletzt aktualisiert am

09.02.2012
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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