TE Bvwg Erkenntnis 2018/3/12 W171 2100913-1

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Veröffentlicht am 12.03.2018
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Entscheidungsdatum

12.03.2018

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
AVG §71 Abs1
B-VG Art.133 Abs4
VwGVG §28 Abs2

Spruch

W171 2100913-1/4E

W171 2100911-1/5E

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Gregor MORAWETZ, MBA als Einzelrichter über die Beschwerden von 1.) XXXX,

2.) XXXX, beide StA. Russische Föderation, vertreten durch ARGE Rechtsberatung - Diakonie und Volkshilfe sowie RA Mag. S. Singer, Wels, gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 04.02.2015, Zahlen 1.) XXXX 2.) XXXX, zu Recht erkannt:

A)

I. Die Beschwerden werden gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG iVm. § 71 Abs. 1 AVG als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Die Erstbeschwerdeführerin reiste am 26.12.2007 gemeinsam mit ihrem damals minderjährigen Sohn, dem Zweitbeschwerdeführer, in das österreichische Bundesgebiet ein. Beide sind Staatsangehörige der Russischen Föderation. An demselben Tag stellten die Beschwerdeführer Anträge auf internationalen Schutz.

Mit Bescheiden des Bundesasylamtes vom 07.11.2008 wurden die Anträge hinsichtlich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten gemäß § 3 Abs 1 iVm § 2 Abs 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I), den Beschwerdeführern der Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Russische Föderation gemäß § 8 Abs 1 iVm § 2 Abs 1 Z 13 AsylG nicht zuerkannt (Spruchpunkt II) und die Beschwerdeführer gemäß § 10 Abs 1 AsylG aus dem österreichischen Bundesgebiet in die Russische Föderation ausgewiesen.

Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 03.10.2014, XXXX, XXXX, wurden die Beschwerden gegen diese Bescheide gemäß §§ 3, 8 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen und die Verfahren gemäß § 75 Abs. 20 AsylG 2005 zur Prüfung der Zulässigkeit einer Rückehrentscheidung an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverweisen.

Mit Bescheiden des BFA vom 18.12.2014 wurde den Beschwerdeführern ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß §§ 57 und 55 AsylG 2005 nicht erteilt. Nach § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG wurde gegen sie eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen. Gemäß § 52 Abs. 9 FPG wurde festgestellt, dass eine Abschiebung gemäß § 46 FPG in die Russische Föderation zulässig sei (Spruchpunkt I.). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG wurde die Frist für die freiwillige Ausreise mit zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt (Spruchpunkt II.).

Mit Verfahrensanordnung vom 19.12.2014 wurde den Beschwerdeführern die ARGE Rechtsberatung - Diakonie und Volkshilfe gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG als Rechtsberater amtswegig zur Seite gestellt.

Die Bescheide wurden dem gewillkürten und damals ausgewiesenen Vertreter der Beschwerdeführer, XXXX, am 22.12.2014 zugestellt.

Mit einem am 22.01.2015 an das BFA übermittelten Schreiben stellten die Beschwerdeführer, nunmehr vertreten durch die ARGE Rechtsberatung - Diakonie und Volkshilfe, Anträge auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und erhoben gegen die Bescheide des BFA vom 18.12.2014 Beschwerde.

Begründend wurde ausgeführt, dass das Vertretungsverhältnis zu Dr. XXXX am 19.12.2014 aufgelöst worden sei, wobei keine Mitteilung an das BFA ergangen sei. Die Bescheide seien Dr. XXXX am 22.12.2014 zugestellt und von diesem sofort an die Beschwerdeführer weitergeleitet worden, wo sie am 24.12.2014 eingetroffen seien. Da sich die Beschwerdeführer zu diesem Zeitpunkt nicht in ihrem Quartier aufgehalten hätten, sei der Brief von einer Mitarbeiterin zur späteren Übergabe entgegen genommen worden. Aufgrund eines Versehens sei der Brief vergessen und den Beschwerdeführern erst am 09.01.2015 ausgehändigt worden. Sofort nach Übernahme hätten die Beschwerdeführer mit ihrer Rechtsberatung Kontakt aufgenommen. Die Beschwerdeführer hätten ohne ihr Verschulden keine Kenntnis von der Erlassung der Bescheide gehabt und hätten darauf vertrauen können, dass ihnen die Briefe in ihrem Quartier sofort ausgehändigt würden. Die Ereignisse seien unvorhersehbar und unabwendbar gewesen.

Am 27.01.2015 teilte RA Dr. XXXX dem BFA mit, dass das Vollmachtsverhältnis zu den Beschwerdeführern aufgelöst worden sei.

Mit den nun angefochtenen Bescheiden des BFA vom 04.02.2015 wurden die Anträge auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 71 Abs. 1 AVG abgewiesen (Spruchpunkt I.). Gemäß § 71 Abs. 6 AVG wurde die aufschiebende Wirkung zuerkannt.

Die belangte Behörde stellte fest, dass der Bescheid am 22.12.2014 rechtswirksam an den gewillkürten Vertreter zugestellt worden sei. Eine Vollmachtsauflösung lag zu diesem Zeitpunkt nicht vor. Die Bescheide seien am 06.01.2015 in Rechtskraft erwachsen.

Rechtlich führte das BFA zu Spruchpunkt I. aus, dass es seitens des ausgewiesenen Vertreters verabsäumt worden sei, die Vollmachtsauflösung bekannt zu geben, was eine Sorgfaltsverletzung darstelle. Nach ständiger Judikatur des VwGH sei das Verschulden eines Vertreters der Partei selbst zuzurechnen.

Den Beschwerdeführern sei auch selbst ein Verschulden und nicht bloß ein minderer Grad des Versehens anzulasten, da sie im Zuge der letzten Einvernahme Kenntnis erlangt hatten, dass die Zustellung eines weiteren Bescheids unmittelbar bevorstehe. Es wäre daher ihre Pflicht gewesen, auch von sich aus die Vollmachtsauflösung an die Behörde heranzutragen oder durch Rückfrage sicherzustellen, dass die Information weitergeleitet werde. Weiters wäre es zumutbar gewesen, im Quartier regelmäßig nachzufragen, ob ein Schriftstück eingelangt sei. Das Verschulden sei also auch den Beschwerdeführern selbst zuzuschreiben.

Gegen diesen Bescheid wurde am 11.02.2015 Beschwerde erhoben.

Begründend wurde ausgeführt, dass die Bescheide von Dr. XXXX per eingeschriebenem Brief an die Beschwerdeführer übermittelt worden seien. Dem rechtsfreundlichen Vertreter sei somit kein Verschulden vorzuwerfen. Der Vorwurf der Behörde, wonach es die Pflicht der Beschwerdeführer gewesen wäre sicherzustellen, dass die Vollmachtsauflösung der Behörde bekannt gegeben wurde, sei unsachlich. Die Beschwerdeführer seien mit Ausnahme ihres Asylverfahrens in Österreich bisher noch nie mit einem derart komplexen Verwaltungsverfahren konfrontiert gewesen und hätten keine Kenntnis vom österreichischen Vertretungs- und Zustellrecht. Die Beschwerdeführer seien seitens des Quartiers immer über eingegangene Briefe informiert worden, weshalb für sie kein Zweifel an der Zuverlässigkeit der Quartiermitarbeiter bestehe. Es handle sich daher um ein einmaliges Versehen, das jedem Durchschnittsmenschen unterlaufen könne. Die Beschwerdeführer seien daher durch ein unvorhergesehenes Ereignis, dessen Eintritt auch unter Bedachtnahme auf die zumutbare Aufmerksamkeit und Voraussicht nicht hätte erwartet werden können, an der Einbringung einer Beschwerde gehindert gewesen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der Bescheid des BFA vom 18.12.2014 wurde am 22.12.2014 dem gewillkürten Vertreter der Beschwerdeführer, RA Dr. XXXX, zugestellt.

Die Vollmachtsauflösung von Dr. XXXX langte am 27.01.2015 beim BFA ein.

Am 22.01.2015 langten die Anträge der Beschwerdeführer auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, verbunden mit Beschwerden gegen die Bescheide vom 18.12.2014, beim BFA ein.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang und die Feststellungen ergeben sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakten des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchteil A):

3.1. Gemäß § 71 Abs. 1 Z 1 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991, BGBl. Nr. 51/1991 (AVG) idgF ist gegen die Versäumung einer Frist oder einer mündlichen Verhandlung auf Antrag der Partei, die durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn die Partei glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten oder zur Verhandlung zu erscheinen und sie kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens trifft.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist als Ereignis im Sinne des § 71 Abs. 1 Z 1 AVG jedes Geschehen ohne Beschränkung auf Vorgänge in der Außenwelt anzusehen (VwGH 26.06.1985, 83/03/0134 u. a.). Ein Ereignis ist dann unabwendbar, wenn es durch einen Durchschnittsmenschen objektiv nicht verhindert werden konnte. Es ist als unvorhergesehen zu werten, wenn die Partei es tatsächlich nicht miteinberechnet hat und dessen Eintritt auch unter Bedachtnahme auf die zumutbare Aufmerksamkeit und Vorsicht nicht erwarten konnte (VwGH 17.02.1994, 93/16/0020).

Der Begriff des minderen Grades des Versehens ist als leichte Fahrlässigkeit im Sinne des § 1332 ABGB zu verstehen. Der Wiedereinsetzungswerber darf also nicht auffallend sorglos gehandelt haben, somit die im Verkehr mit Gerichten oder Behörden und für die Einhaltung von Terminen und Fristen erforderliche und ihm nach seinen persönlichen Fähigkeiten zumutbare Sorgfalt nicht außer Acht gelassen haben (VwGH 14.07.1993, 93/03/0136 u.a.). Leichte Fahrlässigkeit liegt nur dann vor, wenn ein Fehler begangen wird, den gelegentlich auch ein sorgfältiger Mensch macht (VwGH 01.06.2006, 2005/07/0044).

Das Vorliegen von Wiedereinsetzungsgründen ist nur in jenem Rahmen zu untersuchen, der durch die Behauptungen des Wiedereinsetzungswerbers abgesteckt wurde (VwGH 22.02.2001, 2000/20/0534; VwGH 07.10.2005, 2003/17/0280). Grundgedanke der Regelung über die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist es, dass über die Zulässigkeit der Nachholung der versäumten Prozesshandlung unverzüglich entschieden werden soll (vgl. etwa VwGH 26.01.1998, 96/17/0302). Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat der Wiedereinsetzungswerber daher alle Wiedereinsetzungsgründe innerhalb der gesetzlichen Frist vorzubringen; eine Auswechslung des Grundes im Berufungsverfahren ist rechtlich unzulässig. Daraus folgt, dass mündliche Ergänzungen oder Erläuterungen des Antrages - selbst wenn sie innerhalb der Frist erfolgen - jedenfalls dann nicht zu berücksichtigen sind, wenn sie im Akt keinen (inhaltlichen) schriftlichen Niederschlag gefunden haben (VwGH 25.02.2003, 2002/10/0223; VwGH 07.10.2005, 2003/17/0280). Den Wiedereinsetzungswerber trifft somit die Pflicht, alle Wiedereinsetzungsgründe innerhalb der gesetzlichen Frist vorzubringen und glaubhaft zu machen; es ist nicht Sache der Behörde, tatsächliche Umstände zu erheben, die einen Wiedereinsetzungsantrag bilden könnten (VwGH 22.3.2000, Zl. 99/01/0268).

3.2. Vorab ist festzuhalten, dass als Maßstab zur meritorischen Entscheidung über die vorliegenden Beschwerden das Bundesverwaltungsgericht § 71 AVG und nicht § 33 VwGVG heranzuziehen hat, weil das Beschwerdeverfahren eine versäumte Prozesshandlung (Beschwerdeeinbringung) betrifft, die bei einer Verwaltungsbehörde (und nicht beim Verwaltungsgericht) zu setzen war und der Wiedereinsetzungsantrag schon bei der Behörde gestellt wurden (vgl. VfGH 18.06.2014, G 5/2014, wonach § 17 VwGVG eine Anwendung von Bestimmungen des IV. Teils des AVG durch das Verwaltungsgericht insofern nicht ausschließt, als deren Heranziehung als inhaltlicher Maßstab für die dem Verwaltungsgericht zukommende Aufgabe der meritorischen und reformatorischen Entscheidung in der Sache über die Rechtmäßigkeit eines Bescheides, mit dem eine solche Vorschrift des IV. Teils des AVG angewendet worden ist, erforderlich ist; zum Verhältnis zwischen § 71 AVG und § 33 VwGVG vgl. Kolonovits/Muzak/Stöger, Verwaltungsverfahrensrecht10 [2014], Rz 623 und 898 mwN).

3.3. In seiner Entscheidung vom 30.05.2017, Ra 2017/19/0113 führte der Verwaltungsgerichthof aus, dass nach der zu § 71 Abs. 1 AVG ergangenen und - insoweit auf § 33 Abs. 1 VwGVG 2014 übertragbaren - Rechtsprechung das Verschulden des Vertreters dem Verschulden des vertretenen Wiedereinsetzungswerbers gleichzusetzen sei. Es habe dieselben Rechtswirkungen wie das Verschulden der Partei. Der Machtgeber müsse sich das Verschulden des Machthabers zurechnen lassen. Das Verschulden, welches den Bevollmächtigten der Partei trifft, sei so zu behandeln, als wäre es der Partei selbst unterlaufen, gleichgültig ob der Wiedereinsetzungswerber von einem Rechtsanwalt oder sonst einer Vertrauensperson vertreten werde. Weiters sei davon auszugehen, dass immer dann, wenn ein Fremder das - auch als Vollmachtserteilung zu verstehende - Ersuchen um Vertretung im Sinn des BFA-VG 2014 an die mit der Besorgung der Rechtsberatung betraute juristische Person richtet oder der juristischen Person (zudem) schriftlich ausdrücklich Vollmacht erteilt, dem Fremden das Handeln des sodann von der juristischen Person konkret mit der Durchführung seiner Vertretung betrauten Rechtsberaters - wie bei jedem anderen Vertreter - zuzurechnen sei. Dabei komme es darauf, dass sich der Fremde die konkrete Person, die letztlich in seinem Namen tätig wird, nicht aussuchen kann, vor dem Hintergrund der die erforderliche fachliche Qualität jedes einzelnen Rechtsberaters sicherstellenden gesetzlichen Regelungen, nicht an. Diese könnten vor dem Hintergrund des § 48 Abs. 2 BFA-VG 2014 auch nicht als bloße (der Kontrolle zu unterziehende) "Hilfskräfte", der sich eine (gegebenenfalls) mit der Besorgung der Rechtsberatung betraute juristische Person bedient, angesehen werden.

Das Verschulden eines Bediensteten eines rechtskundigen Parteienvertreters kann nicht dem Verschulden des Vertreters gleichgesetzt werden. Der rechtskundige Vertreter hat aber gegenüber der ihm als Hilfsapparat zur Verfügung stehenden Kanzlei alle Vorsorgen zu treffen, die notwendig sind, um die ordnungsgemäße Erfüllung der Aufgaben zu gewährleisten, die ihm aus dem Bevollmächtigungsverhältnis obliegen. Dies betrifft vor allem die Organisation des Kanzleibetriebes und die wirksame Überwachung der Angestellten in Bezug auf die Einhaltung von Fristen. Auf Grund dieser Verpflichtung hat der rechtskundige Parteienvertreter auch den Kanzleibetrieb so einzurichten, dass allfällige Fristversäumnisse rasch erkannt werden. Die Frist für die Einbringung eines Wiedereinsetzungsantrages beginnt nämlich bereits dann zu laufen, wenn die Verspätung - bei ordnungsgemäßem Kanzleibetrieb - hätte erkannt werden können.

Im gegenständlichen Fall wurde der Bescheid am 22.12.2014 rechtswirksam zugestellt. Der Verfassungsgerichtshof hat mit Erkenntnis vom 26.09.2017, G 134/2017-12, G 207/2017-8, die Wortfolge "2,4 und" sowie den Satz "Dies gilt auch in den Fällen des § 3 Abs. 2 Z1, sofern die Entscheidung mit der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme verbunden ist." Des ersten Satzes des § 16 Abs. 1 des BFA-VG als verfassungswidrig aufgehoben und ausgesprochen, dass die aufgehobene Bestimmung nicht mehr anzuwenden ist. Diese Aufhebung gilt daher auch für den vorliegenden Beschwerdefall und war der letzte Tag der nunmehr gemäß § 7 Abs. 4 VwGVG anzuwendenden vierwöchigen Beschwerdefrist somit der 19.01.2015.

Die Beschwerdeführer brachten erst nach Ablauf der vierwöchigen Beschwerdefrist, nämlich am 22.01.2015, die Beschwerden gemeinsam mit dem verfahrensgegenständlichen Wiedereinsetzungsantrag ein. Die verfahrensrechtliche Beschwerdefrist wurde von den Beschwerdeführern sohin versäumt.

Ihren Wiedereinsetzungsantrag begründeten die Beschwerdeführer im Wesentlichen damit, dass sie keine Schuld an der Fristversäumnis treffe. Die Auflösung des Vollmachtsverhältnisses sei zwar dem BFA von ihrem gewillkürten Vertreter nicht bekannt gegeben worden, aber dieser habe die Bescheide unverzüglich per Post an die Beschwerdevertreter weitergeleitet. Da die Beschwerdeführer ortsabwesend gewesen seien, sei der Brief von einer Mitarbeiterin des Quartiergebers entgegen genommen worden. Diese habe nach der Rückkehr der Beschwerdeführer auf das Schriftstück vergessen, weshalb es erst am 09.01.2015 ausgehändigt worden sei.

Im Sinne der oben angeführten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes müssen sich die Beschwerdeführer das Handeln ihres bevollmächtigten Rechtsberaters - wie bei jedem anderen Vertreter - zurechnen lassen. Das Verschulden des Vertreters einer Partei ist dem Verschulden des vertretenen Wiedereinsetzungswerbers somit gleichzusetzen; der Machtgeber muss sich das Verschulden des Machthabers zurechnen lassen. Dabei wird an die Sorgfaltspflichten bei beruflichen rechtskundigen Parteienvertretern ein strengerer Maßstab angelegt als bei anderen (rechtsunkundigen) Personen (vgl. auch VwGH 30.06.2015, Ra 2015/03/0037). Die Einhaltung der Rechtsmittelfristen erfordert von der Partei und ihrem Vertreter größtmögliche Sorgfalt (vgl. VwGH 26.02.2014, 2012/13/0051). War die Versäumung voraussehbar und hätte sie durch ein dem Parteienvertreter zumutbares Verhalten abgewendet werden können, dann ist die Wiedereinsetzung zu verweigern (vgl. VwGH 26.02.2003, 2002/17/0279).

Die unverzügliche Bekanntgabe der Auflösung eines Vollmachtsverhältnisses stellt im Lichte der angeführten höchstgerichtlichen Judikatur jedenfalls ein zumutbares Verhalten zur Abwendung der Fristversäumnis dar und kann im gegenständlichen Fall keinesfalls von einem bloß minderen Grad des Versehens des Vertreters des Wiedereinsetzungswerbers gesprochen werden. Die Tatsache, dass die Bescheide dem gewillkürten Vertreter der Beschwerdeführer zugestellt wurden, obwohl das Vollmachtsverhältnis im Inneren bereits aufgelöst worden war, wodurch eine Weiterleitung der Bescheide erforderlich war, die die Beschwerdefrist zusätzlich verkürzte, ist daher den Beschwerdeführern zuzurechnen.

Die Unkenntnis von der Zustellung eines Bescheides kann einen Wiedereinsetzungsgrund bilden, sofern die Unkenntnis nicht auf einem Verschulden beruht, welches den minderen Grad des Versehens übersteigt (vgl. VwGH vom 21.12.1999, Zl. 97/19/0217-0219, 0231-0239, mit weiteren Hinweisen).

Nach der ständigen Rechtsprechung des VwGH ergibt sich aus § 71 AVG (die sinngemäß auch auf die Bestimmung des § 33 VwGVG anzuwenden ist), dass der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand Angaben über seine Rechtzeitigkeit zu enthalten hat und dass überdies anzugeben ist, aus welchem Grund der Antragsteller die Voraussetzungen des § 71 Abs. 1 AVG (bzw. § 33 Abs. 1 VwGVG) als erfüllt ansieht. Dabei trifft ihn die Obliegenheit, im Antrag konkret jenes unvorhergesehene und unabwendbare Ereignis zu beschreiben, das ihn an der Einhaltung der Frist gehindert hat und diesen behaupteten Wiedereinsetzungsgrund glaubhaft zu machen, was aber als Grundlage ein entsprechendes Vorbringen voraussetzt (vgl. VwGH vom 21.12.1999, Zl. 97/19/0217-0219, 0231-0239).

Das Vorbringen der Beschwerdeführer zur Wiedereinsetzung vermag dem Erfordernis der Glaubhaftmachung eines Wiedereinsetzungsgrundes nicht zu genügen. So wurde im Wiedereinsetzungsantrag festgehalten, dass die Mitarbeiterin des Quartiergebers aufgrund eines Versehens die Bescheide erst am 09.01.2015 übergeben habe. Dieses Vorbringen vermag einen Wiedereinsetzungsgrund nicht darzutun: Den Beschwerdeführern musste angesichts der kurz vor Bescheiderlassung, nämlich am 02.12.2014, erfolgten Einvernahme durch das BFA bewusst gewesen sein, dass sie ein behördliches Schreiben - dessen Zustellung Rechtswirkungen auslöst - erhalten würden und sie hätten deshalb bei bevorstehender Ortsabwesenheit sicherstellen müssen, dass sie über die Zustellung eines Schriftstücks unverzüglich informiert werden würden. Dies gilt umso mehr, als zum damaligen Zeitpunkt noch von einer 14-tägigen Beschwerdefrist auszugehen war. Hinzu kommt, dass die Beschwerdeführer das Vollmachtsverhältnis zu ihrem gewillkürten Vertreter am 19.12.2014 auflösten. Sie mussten daher mit der baldigen Zustellung eines Bescheids an ihre eigene Meldeadresse rechnen. Auch wenn nach der Judikatur an den Beschwerdeführer (Asylwerber) in Bezug auf die Vermeidung einer allfälligen Unkenntnis eines Zustellvorgangs nicht dieselben Anforderungen gestellt werden dürfen wie etwa an einen Rechtsanwalt, ist im gegenständlichen Fall dennoch von einer auffallenden Sorglosigkeit der Beschwerdeführer auszugehen. Trotz der abzusehenden baldigen Zustellung eines für die Beschwerdeführer äußerst wichtigen Bescheids entfernten sie sich von ihrem Quartier - wann sie wieder dorthin zurückkehrten, geht aus der Sachverhaltsdarstellung nicht hervor - und erkundigten sich offenbar weder während ihrer Abwesenheit noch nach ihrer Rückkehr (also über einen Zeitraum von 17 Tagen) nach etwaigen für sie bestimmten Schriftstücken. Die Beschwerdeführer halten sich bereits seit Dezember 2007 in Österreich auf und wurden ihnen im Laufe ihres Verfahrens bereits sechs Bescheide bzw. gerichtliche Entscheidungen zugestellt, sodass nicht davon die Rede sein kann, dass die Beschwerdeführer im Umgang mit Behörden bzw. behördlichen Schriftstücken im Bundesgebiet keinerlei Erfahrung hätten. Der Verweis in der Beschwerde, dass die Beschwerdeführer mit dem österreichischen Verwaltungsverfahren nicht vertraut sind, geht daher ins Leere.

Daraus ergibt sich insgesamt betrachtet eine auffallende Sorglosigkeit der Beschwerdeführer, wenn die Beschwerdeführer, die bereits Umgang mit den Behörden im Bundesgebiet hatten, nicht rechtzeitig Maßnahmen setzt, um unverzüglich von der Zustellung behördlicher Schriftstücke Kenntnis zu erlangen. Im Übrigen wird auf die die Beschwerdeführer auch treffende Verpflichtung zur behördlichen Meldepflicht bei längerer Ortsabwesenheit verwiesen, die offenbar ebenso missachtet worden ist. Eine Belehrung darüber wird jedoch in jedem Fall im Rahmen des Asylverfahrens bereits ganz zu Beginn nachweislich erteilt.

Aufgrund sämtlicher Ausführungen war im vorliegenden Fall glaubhaft kein Element erkennbar, welches einen durchschnittlich sorgsamen Menschen tatsächlich an der fristgerechten Einbringung einer zumindest kurz gefassten Beschwerde hindern würde. Ein Wiedereinsetzungswerber darf nicht auffallend sorglos gehandelt haben. Die Beschwerdeführer haben somit die im Verkehr mit Behörden und für die Einhaltung von Terminen und Fristen erforderliche und ihnen nach ihren persönlichen Fähigkeiten zumutbare Sorgfalt in besonders nachlässiger Weise außer Acht gelassen. Im Rahmen der sie als "ordentliche Prozesspartei" treffenden Sorgfaltspflicht trifft die Antragsteller etwa die Obliegenheit, sich die notwendigen Kenntnisse hinsichtlich der für ihren Antrag richtigen Einbringungsstelle zu verschaffen (am Beispiel eines Verfahrenshilfeantrages zur Abfassung und Einbringung einer außerordentlichen Revision; Beschluss des VwGH vom 10. November 2015, Ra 2015/19/0222). Ebenso ist davon auszugehen, dass es in der die Beschwerdeführer als "ordentliche Prozesspartei" treffende Sorgfaltspflicht beinhaltet ist, sich regelmäßig aktiv nach für sie eingelangten Schriftstücken zu erkundigen, insbesondere, so kein zustellbevollmächtigter Vertreter (mehr) vorhanden ist.

Mit dem Hinweis darauf, dass sie seitens des Quartiers bisher immer über Schriftstücke verständigt bzw. ihnen diese ausgehändigt worden seien, haben die Beschwerdeführer nicht ausreichend dargetan, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert gewesen wären, die Beschwerdefrist einzuhalten bzw. sie kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens an der Versäumung der Beschwerdefrist trifft.

3.4. Die Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand waren daher nicht gegeben, sodass die belangte Behörde den Wiedereinsetzungsantrag zu Recht abgewiesen hat.

Die Beschwerden waren daher abzuweisen.

Schlagworte

Beschwerdefrist, Fristversäumung, Wiedereinsetzungsantrag

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:W171.2100913.1.00

Zuletzt aktualisiert am

22.03.2018
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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