TE OGH 2018/1/29 1R6/18m

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Veröffentlicht am 29.01.2018
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Das Oberlandesgericht Wien hat als Rekursgericht durch die Senatspräsidentin des Oberlandesgerichts Dr. Jesionek als Vorsitzende sowie die Richterinnen des Oberlandesgerichts Mag. Istjan, LL.M., und Mag. Janschitz in der Rechtssache der klagenden Partei K***** A*****, *****, vertreten durch Dr. Peter Karlberger, Dr. Manfred Wiener, Mag. Wilfried Opetnik, Mag. Petra Rindler und Mag. Christoph Henseler, Rechtsanwälte in Wien, gegen die beklagte Partei M***** K*****, vertreten durch die Rechtsanwälte Dr. Amhof & Dr. Damian GmbH in Wien, wegen EUR 175.649,38 samt Anhang über den Kostenrekurs der klagenden Partei (Rekursinteresse: EUR 927,16) gegen den Beschluss des Handelsgerichts Wien vom 16.8.2017, 61 Cg 40/16m-35, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen die mit EUR 225,05 (darin EUR 37,51 USt) bestimmten Kosten des Rekursverfahrens zu ersetzen.

Der Revisionsrekurs ist jedenfalls unzulässig (§ 528 Abs 2 Z 3 ZPO).

Text

B e g r ü n d u n g:

Die Klägerin machte mit ihrer Klage als Käuferin eines Dachgeschoßausbaus gegen die Beklagte als Verkäuferin Gewährleistungsansprüche geltend. Sie begehrte Verbesserungen an der Dachstuhlkonstruktion, den Dachfenstern, den Installationen, am Aufzug und an der Tür zum Stiegenhaus. Ihre Begehren bewertete sie insgesamt mit EUR 123.505,38, wovon EUR 25.000,-- auf die Verbesserung des Aufzugs entfallen (Klage ON 1). Mit Schriftsatz vom 31.3.2017 dehnte die Klägerin ihr Begehren um EUR 47.844,-- an Reinigungskosten sowie Kosten einer Ersatzvornahme beim Brandschutz aus (ON 17).

Am 4.4.2017 beantragte die Klägerin eine Beweissicherung zum Zustand des Aufzugs, weil die Beklagte Adaptierungarbeiten angekündigt habe (ON 18). Der Streitwert ist auf diesem Antrag mit EUR 175.649,38 angegeben.

Das Erstgericht ordnete mit Beschluss vom 7.4.2017 die beantragte Beweissicherung durch eine Befundaufnahme eines Sachverständigen unter Beteiligung der Parteien an.

Die Beklagte verzeichnete für die Teilnahme an der Befundaufnahme EUR 2.579,48 an Kosten auf Basis von EUR 175.649,38 (ON 26).

Das Erstgericht sprach der Beklagten die Kosten wie beantragt zu (ON 35).

Dagegen richtet sich der Kostenrekurs der Klägerin wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, den Beschluss abzuändern und die Klägerin nur zum Kostenersatz von EUR 1.652,32 zu verpflichten (ON 41).

Die Beklagte beantragt, dem Kostenrekurs nicht Folge zu geben (ON 46).

Rechtliche Beurteilung

Der Kostenrekurs ist nicht berechtigt.

1. Zunächst die Frage zu klären, ob der Antragsteller bei einer Beweissicherung im Zuge des Hauptverfahrens überhaupt gemäß § 388 Abs 3 ZPO vorläufig kostenersatzpflichtig wird. Der erkennende Senat teilt dazu die nun herrschende Ansicht, dass auch im anhängigen Verfahren der Antragsteller die Beweissicherungskosten unabhängig vom Verfahrensausgang vorläufig zu tragen hat (Rassi in Fasching/Konecny3 III/1 § 388 ZPO Rz 14/1 [Stand 1.8.2017, rdb.at] mit ausführlicher Begründung und zahlreichen Nach- und Hinweisen ua auf OLG Wien 1 R 159/15g (unveröffentlicht); so bereits auch RW0000319 = OLG Wien 14 R 235/98a; gegenteilig: OLG Wien 2 R 102/12b und 2 R 210/05z).

2. Die Klägerin wendet sich in ihrem Rekurs nur gegen die Bemessungsgrundlage. Sie argumentiert, dass diese für die Beweissicherung nur EUR 25.000,-- betrage, weil der Befund nur den Aufzug und damit nur einen Teil des Klagebegehrens betreffe. Da das Gericht die Beweissicherung mit Beschluss angeordnet habe, sei von einer getrennten Verhandlung gemäß § 12 Abs 2 RATG auszugehen.

1.1. Wenn eine Beweissicherung im Rahmen eines anhängigen Prozesses geltend gemacht wird, gilt dessen Streitwert grundsätzlich auch für die Beweissicherung (Rassi in Fasching/Konecny3 III/1 § 388 ZPO Rz 25 [Stand 1.8.2017, rdb.at] unter Verweis auf OLG Innsbruck 3 R 81/13f; OLG Linz 3 R 27/07x).

Dieser Streitwert wird, soweit im Prozess nicht bloß ein einzelner Anspruch geltend gemacht wird, in § 12 Abs 1 RATG festgelegt: Bei Geltendmachung mehrerer Ansprüche in derselben Klage sind die Werte der Streitgegenstände zusammenzurechnen. Im vorliegenden Fall sind also die Bewertungen der verschiedenen Verbesserungsarbeiten zu summieren.

1.2. Tatsächlich kann der Streitwert – wie von der Klägerin im Rekurs aufgezeigt – bei einer getrennten Verhandlung aber ausnahmsweise geringer sein: Wird über mehrere in derselben Klage erhobene Ansprüche getrennt verhandelt, so ist nach § 12 Abs 2 RATG während der Dauer der Trennung für jede der getrennten Verhandlungen nur der entsprechende Teilwert maßgebend.

Wie das Erstgericht völlig richtig ausführt, ist damit aber nur eine Trennung nach § 188 ZPO durch eine formelle Anordnung des Gerichts gemeint, und nicht die bloß faktische thematische Beschränkung einer Verhandlung auf einen von mehreren Ansprüchen. Auf seine Ausführungen wird daher nach § 500a iVm § 526 Abs 3 ZPO verwiesen.

1.3. Ergänzt sei, dass für diese Ansicht nicht bloß die praktische Überlegung spricht, dass andernfalls bei der Bestimmung der Verfahrenskosten für jede Verhandlung geprüft werden müsste, welche Ansprüche das Vorbringen und/oder die aufgenommenen Beweise jeweils betraf.

Die Richtigkeit der Auslegung des Erstgerichts folgt vielmehr auch aus der Genese der Bestimmung des § 12 Abs 2 RATG. Sie findet sich wortgleich bereits in der Stammfassung des RATG (Bundesgesetz vom 22. Mai 1969 über den Rechtsanwaltstarif, BGBl Nr 189/1969).

Dieses Bundesgesetz ersetzte jene Normen, die die Entlohnung der Rechtsanwälte zuvor regelten, nämlich das Bundesgesetz BGBl Nr 305/1923 und die auf Grund dieses Gesetzes ergangene Verordnung BGBl Nr 33/1954, idF BGBl Nr 218/1961, 232/1963 und 177/1964 (ErläutRV 1175 BlgNR 11. GP 1). Die Regelung des § 12 RATG entspricht dabei laut dem ausdrücklichen Willen des Gesetzesgebers derjenigen des § 14 der Verordnung (ErläutRV 1175 BlgNR 11. GP 13).

Diese Vorgängerbestimmung lautete in der Stammfassung Vorgängerverordnung (§ 14 Abs 2) noch wörtlich: "Wird über mehrere in derselben Klage erhobene Ansprüche kraft Gerichtsbeschlusses getrennt verhandelt, so ist für jede der getrennten Verhandlungen während der Dauer der Trennung bloß der entsprechende Teilwert für die Kostenbestimmung maßgebend.“ Sie nannte also die Voraussetzung einer formalen Trennung der Verhandlung durch einen Gerichtsbeschluss noch ausdrücklich als Voraussetzung für die Streitwertreduktion.

Da § 188 ZPO über die getrennte Verhandlung seit Inkrafttreten der Zivilprozessordnung am 1.1.1898 nie verändert wurde, ist offensichtlich, dass sich § 14 Abs 2 auf eine beschlussmäßige Trennung der Verhandlung gemäß § 188 ZPO bezog.

1.5. Die Klägerin vertritt in ihrem Rekurs offenbar die Ansicht, dass im vorliegenden Fall nicht bloß eine faktische Trennung der Verhandlung erfolgt sei, weil das Erstgericht die Beweissicherung (nur zum Aufzug) ohnedies mit Beschluss angeordnet habe.

Dem ist allerdings zu entgegen, dass die meisten Verfahrensschritte mit Beschluss des Gerichts angeordnet werden: So wird zB auch der nächste Verhandlungstermin ebenso wie wie auch die Ladung eines Zeugen zu diesem Termin durch Beschlüsse des Gerichts festgelegt. Wenn so für einen Termin nur ein Zeuge geladen wird, der nur zu einem von mehreren Ansprüchen Angaben machen kann, liegt dennoch keine getrennte Verhandlung iSd § 188 ZPO vor.

Eine getrennte Verhandlung bewirkt nämlich eine gewisse verfahrensrechtliche Selbständigkeit der Ansprüche, sodass nach beschlossener Trennung nur zum nun relevanten Verfahrensgegenstand Fragen, Anträge und Vorbringen der Parteien zuzulassen sind, und das Gericht auch nur über den nun relevanten Anspruch ein Urteil fällen darf. Die Trennung kann auch nur formell durch einen Aufhebungsbeschluss nach § 192 Abs 1 ZPO wieder beendet werden (Höllwerth in Fasching/Konecny3 II/3 § 188 ZPO Rz 21 f [Stand: 1.10.2015, rdb.at]).

Dass diese Rechtsfolgen durch den Beweissicherungsbeschluss des Erstgerichts eingetreten seien oder auch nur eintreten sollten, behauptet aber nicht einmal die Klägerin.

Eine getrennte Verhandlung iSd § 12 Abs 2 RATG lag daher nicht vor.

3. Die Entscheidung über die Kosten des Rekursverfahrens beruht dem Grunde nach auf § 11 RATG iVm §§ 41 Abs 1, 50 ZPO.

Als Bemessungsgrundlage im Rekursverfahren als Zwischenstreit war gemäß § 11 RATG nur der bekämpfte Kostenzuspruch heranzuziehen. Zwar bezeichnet die Klägerin das Rekursinteresse mit EUR 2.579,48 und gibt in der Rechtsmittelerklärung an, den Beschluss des Erstgerichts zur Gänze zu bekämpfen. Tatsächlich geht aus ihrem Abänderungsantrag aber unzweifelhaft hervor, dass sie nur eine Reduktion des Kostenzuspruchs auf EUR 1.652,32 begehrt. Bemessungsgrundlage ist daher richtigerweise der bekämpfte Kostenzuspruch von EUR 927,16.

Textnummer

EW0000875

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OLG0009:2018:00100R00006.18M.0129.000

Im RIS seit

20.03.2018

Zuletzt aktualisiert am

03.04.2018
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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