TE Lvwg Erkenntnis 2016/4/26 VGW-103/048/13616/2015

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Veröffentlicht am 26.04.2016
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Entscheidungsdatum

26.04.2016

Index

41/04 Sprengmittel Waffen Munition

Norm

WaffG §21
WaffG §22

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Verwaltungsgericht Wien hat durch seinen Richter Dr. Frank über die Beschwerde des Herrn X., vertreten durch die … Rechtsanwälte OG, gegen den Bescheid der Landespolizeidirektion Wien, Sicherheits- u. Verwaltungspolizeiliche Abteilung, Referat 4, Waffen- und Veranstaltungsangelegenheiten, vom 6.10.2015, III-W-..., mit welchem die Ausstellung eines Waffenpasses abgewiesen wurde,

zu Recht erkannt:

Gemäß § 28 Abs 1 und 2 VwGVG wird der Beschwerde stattgegeben und dem Antragsteller ein Waffenpass erteilt. Die Gesamtstückanzahl an Schusswaffen der Kategorie B, die der Antragsteller aufgrund seiner waffenrechtlichen Dokumente besitzen darf, ist mit zwei begrenzt.

Gegen diese Entscheidung ist eine ordentliche Revision nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Mit dem Bescheid der Landespolizeidirektion Wien vom 6.10.2015 wird der Antrag des nunmehrigen Beschwerdeführers (kurz BF) auf Ausstellung eines Waffenpasses gemäß § 21 Abs 2 Waffengesetz-WaffG abgewiesen.

Darin wird (auszugsweise) begründend ausgeführt:

„[…]Bezüglich der Verpflichtung sich gemäß § 1 Abs. 3 RLV in den Dienst stellen zu müssen und diesbezüglich das Führen einer Waffe der Kategorie B durch Ausstellung eines Waffenpasses erlaubt zu bekommen, weist der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 21.10.2011, Zl. 2010/03/0058 darauf hin, dass der Exekutivbeamte nur dann verpflichtet ist sich in den Dienst zu stellen, wenn es für ihn „nach den eigenen Umständen zumutbar“ Anderenfalls habe er die nächste Sicherheitsbehörde von der Gefahrensituation zu verständigen. Weder im § 43 BDG 1979 noch dem § 1 Abs. 3 SPG RichtlinienV 1993 ( RVL ) lässt sich entnehmen, dass für ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes außerhalb des Dienstes eine besondere Gefahrenlage besteht, die für dieses Organ gleichsam zwangsläufig erwächst und dass es sich hiebei um eine solche Gefahr handelt, der am zweckmäßigsten mit Waffengewalt wirksam begegnet werden kann ( vgl. VwGH vom 21.10.2011, Zl. 2010/03/0058 ). Eine Bedarfsbegründung im Sinne des § 22 WaffenG liege diesbezüglich jedenfalls nicht vor. Unbeschadet dessen erscheint es für den Verwaltungsgerichtshof (u.a. VwGH vom 22.10.2012, Zl. 2012/03/0126) nicht einsichtig, dass Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes, die sich zunächst außerhalb des Dienstes befinden und dann bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 1 Abs. 3 RLV dienstlich einschreiten, mit einer anderen Schusswaffe tätig werden sollen als mit der ihnen zur Verfügung gestellten Dienstwaffe, die gemäß § 47 WaffenG nicht vom Geltungsbereich des Waffengesetzes umfasst ist. Es steht somit dem Dienstgeber frei das Tragen der Dienstwaffe außerhalb der Dienstzeit zu erlauben, wenn damit ein häufigeres Indienststellen der Exekutivbeamten außerhalb der Dienstzeit erreicht werden soll.

Auch bezüglich der Gefährdungslagen, die als Fortwirken der Gefahrenlagen zu außerdienstlichen Zeiten entstehen können, steht es dem Dienstgeber frei das Tragen der Dienstwaffe zu erlauben. Bei Gefährdungslagen geht der Verwaltungsgerichtshof (u.a. VwGH vom 20.06.2012, Zl. 2012/03/0037) sogar von einer Fürsorgepflicht des Dienstgebers gegenüber dem Beamten aus. In der Dienstanweisung der LPD Wien, Allgemeine Polizeidienstrichtlinie, AZ.: P4/113730/1/2014 wird im Punkt ll.5. geregelt, dass das Mitführen von dienstlich zugewiesenen Waffen, Einsatzmitteln und Ausrüstungsgegenständen außer Dienst u.a. auf Anordnung oder nach Zustimmung des Dienststellenleiters zulässig ist. Bei Auftreten von konkreten Gefährdungslagen, ist der gefährdete Exekutivbeamte daher nach Zustimmung des Dienststellenleiters berechtigt, seine ihm dienstlich zugewiesene Schusswaffe auch außerhalb des Dienstes zu führen.[…]“

Der Bescheid wird in seinem ganzen Umfang angefochten und Rechtswidrigkeit seines Inhaltes sowie wegen Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht.

In der Beschwerde führt der Beschwerdeführer wie folgt aus (auszugsweise Wiedergabe):

„[…]Der Beschwerdeführer war zB bei einer Großaktion zur Festnahme IS-Terrorverdächtiger involviert. Bei der Sicherung der Einvernahmen der zum Teil nachweislich aus dem Kriegsgebiet mit Kriegsverletzungen Zurückgekehrten, scheint der Beschwerdeführer namentlich bzw mit Dienstnummer auf dem Einvernahmeprotokoll als Anwesender auf.

Im Rahmen seiner dienstlichen Tätigkeit bewachte der Beschwerdeführer beispielsweise bis vor kurzem ua eine Person, die durch die Muslimbruderschaft mit dem Umbringen bedroht wird und nunmehr eine Person, bezüglich welcher aus tschetschenischen Kreisen Aufrufe vorliegen, die für deren Ermordung eine hohe Geldsumme versprechen.

Der Beschwerdeführer hat auf Grund seiner dienstlichen Tätigkeit als Polizist und Mitglied der Spezialeinheit W. ausschließlich mit Schwerstkriminellen, besonders gefährlichen Personen bzw Personen aus Kreisen organisierter krimineller Vereinigungen zu tun, bzw andere Personen vor eben solchen Personen zu schützen.

Der Name des Beschwerdeführers befindet sich auf der nach einem Hackerangriff von „Anonymous“ im Internet veröffentlichten Liste, auf der die Namen sowie die Adressen von mehreren Polizisten zu finden sind, und welche nach wie vor im Internet zu finden ist (Beilage ./C).[…]

[…]Wie oben in Punkt 4.1 dargelegt, ist der Beschwerdeführer auf Grund der obigen Einsätze in extrem gefährlichen Terroristen-Milieus sowie im Bereich organisierter Kriminalität der konkreten Gefahr von Racheakten ausgesetzt.

Da der Name des Beschwerdeführers auf der nach einem Hackerangriff („Anonymous“) im Internet veröffentlichten Liste, auf der die Namen sowie die Adressen von Polizisten zu finden sind, steht, welche nach wie vor im Internet zu finden ist (Beilage ./C), ist es für jedermann ein Leichtes, zudem auch den Wohnort des Beschwerdeführers herauszufinden. Dadurch und auch durch die behördliche vollständige Offenlegung seiner Identität auf Vernehmungsprotokollen, sonstigen Aktenbestandteilen sowie auch im Zuge eines etwaigen nachfolgenden Strafverfahrens wird diese konkrete Gefahr verschärft.

Der Beschwerdeführer ist insbesondere auch außerhalb von Wohn- oder Betriebsräumen oder seiner eingefriedeten Liegenschaften einer derartigen Gefahr ausgesetzt, weil potentielle Angreifer nur abwarten müssten, bis der Beschwerdeführer seinen Dienstposten oder sein (wie bereits dargelegt leicht auszuforschendes) Zuhause verlassen hat. Tatsächlich erscheint die Gefahr eines Angriffs im Hinterhalt auf offener Straße im konkreten Fall auch wesentlich lebensnaher, weil ein potentieller Angreifer jedenfalls davon ausgehen kann, dass ein W.-Beamter wie der Beschwerdeführer durch entsprechende Waffen in seinem Eigenheim auf einen derartigen Angriff vorbereitet wäre bzw sich entsprechend verteidigen könnte, und im Dienst, in einer W.-Einheit ohnehin bestens durch seine Kollegen geschützt ist. Es ist daher zu erwarten, dass ein derartiger Angriff in erster Linie im Freien stattfinden würde, wo der unbewaffnete Beschwerdeführer gegen einen bewaffneten Angriff völlig hilflos wäre.

Aus dem Personenkreis, mit dem der Beschwerdeführer dienstlich zu tun hat, ergibt sich auch, dass es sich hiebei durchwegs um Gefahren handelt, denen am zweckmäßigsten mit Waffengewalt wirksam begegnet werden kann. Denn jene Personen als potentielle Angreifer sind zu einem erheblichen Teil professionelle Kriminelle, die kalkuliert und entsprechend vorbereitet handeln. W.-Beamte wie der Beschwerdeführer haben ja per definitionem nur mit Szenarien und Verdächtigen zu tun, in denen besondere Gewalttätigkeit erwartet wird. Es darf nicht vergessen werden, dass es sich bei jenen Angreifern, mit denen der Beschwerdeführer im konkreten Fall zu rechnen hat, nicht etwa um leicht alkoholisierte oder übermütige Normalbürger handelt, sondern um unberechenbare und gut organisierte Schwerstkriminelle, jedenfalls um Verdächtige, bei denen von erhöhter und gefährlicher Gewaltanwendung und der Fähigkeit dazu auszugehen ist. Derartige Personen würden einen Angriff aller Wahrscheinlichkeit nach selbst nur unter Verwendung von Schusswaffen oder gleichwertigen Angriffsmitteln verüben, sodass zur Abwehr derartiger Gefahren Waffengewalt quasi unumgänglich, jedenfalls aber das zweckmäßigste Mittel und zumindest aber - im Sinne der Rechtsprechung des OGH (RIS-Justiz RS0103836) - das für ihn erreichbare Abwehrmittel ist, das eine sofortige und endgültige Beendigung der Gefahr erwarten läßt. Schließlich ist auch der Beschwerdeführer als Angegriffener nach der Rechtsprechung des OGH (RIS-Justiz RS0103836) nicht genötigt, auf die Anwendung weniger gefährlicher Verteidigungsmittel zurückzugreifen, wenn deren Wirkung für die Abwehr zweifelhaft ist, auf einen Kampf mit ungewissem Ausgang und möglichen Körperverletzungen braucht er sich nicht einzulassen.1

[1OGH RIS-Justiz RS0103836: „Ein Angegriffener darf grundsätzlich das für ihn erreichbare Abwehrmittel wählen, das eine sofortige und endgültige Beendigung der Gefahr erwarten läßt; er ist nicht genötigt, auf die Anwendung weniger gefährlicher Verteidigungsmittel zurückzugreifen, wenn deren Wirkung für die Abwehr zweifelhaft ist, auf einen Kampf mit ungewissem Ausgang und möglichen Körperverletzungen braucht er sich nicht einzulassen. “ (RIS-Justiz RS0103836)}]

Soweit die belangte Behörde ausführt, das Vorbringen des Beschwerdeführers sei zu generell gehalten, sodass daraus keine konkrete und akute Gefahrenlage abgeleitet werden könne, so ist nicht ersichtlich, welches Ausmaß der Konkretisierung nach Ansicht der belangten Behörde für die Bejahung eines Bedarfs iSd §§ 21 Abs 2 und 22 Abs 2 WaffG erforderlich sein soll. Die Behörde unterließ es auch, den Beschwerdeführer - wie ansonsten üblich und gerade von der belangten Behörde praktiziert - vor der Entscheidung durch Bescheid eine Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme zuzustellen, ihn auf etwaige aus der Sicht der belangten Behörde bestehende Mängel in seiner Argumentation hinzuweisen, und ihm eine vierzehntägige Frist zur Stellungnahme einzuräumen.

Der Beschwerdeführer legte im Rahmen seines Antrags ausführlich dar,

a)     mit welchen Personenkreisen er aufgrund seiner dienstlichen Tätigkeit üblicherweise verkehrt, und

b)     dass derartige Personen erheblichen Grund zu Unmut gegenüber dem Beschwerdeführer haben, und

c)     dass derartige Personen den Beschwerdeführer auf Grund konkreter Verfahren und der konkreten Veröffentlichung seiner persönlichen Daten als Polizist im Internet, leicht ausfindig machen können, und

d)     dass jene Personenkreise üblicherweise professionell vorgehen und demgemäß von entsprechender Bewaffnung und Gefährlichkeit solcher Angreifer auszugehen ist.

Die belangte Behörde scheint dem Waffengesetz zu unterstellen, dass die Glaubhaftmachung eines Bedarfs iSd §§ 21 Abs 2 und 22 Abs 2 WaffG kann jedoch erfordere, dass der potentielle Antragsteller bereits einen konkreten (mutmaßlichen) Angreifer unter Anführung eines (mutmaßlichen) Tatzeitraums und Tatorts zu nennen hat. Das ist dem WaffG 1996 nicht zu entnehmen und eine in sich unschlüssige Argumentation. Schließlich würde dies voraussetzen, dass sich der jeweilige Antragsteller bereits einer konkreten Gefahr aussetzen müsste, um diese Umstände überhaupt beurteilen und gegenüber der Behörde angeben zu können.

Jene Argumentation weiterführend, würde ein Bedarf iSd genannten Bestimmungen vor allem im konkreten Fall voraussetzen, dass bereits ein gefährlicher Angriff der üblichen beruflichen Opponenten des Beschwerdeführers auf den unbewaffneten Beschwerdeführer außerhalb seiner Dienstzeit in der Öffentlichkeit stattgefunden hätte.

Angesichts der Gefährlichkeit jener Personen und angesichts des Umstands, dass der Beschwerdeführer auf Grund des angefochtenen Bescheids außerhalb seiner Dienstzeit nach wie vor unbewaffnet sein muss, hätte ein solcher Angriff schwere Verletzungen oder den Tod des Beschwerdeführers zur Folge. Es kann nicht der Sinn des Waffengesetzes sein, dass Waffenpässe nur posthum, sprich nach dem Ableben infolge der gleichsam zwangsläufig eingetretenen Gefahr, deren Realisierung geradezu zu erwarten war, ausgestellt werden.

Es kann auch nicht Intention des § 22 Abs 2 WaffG sein, einen derartigen Bedarfsbegriff zu kreieren, wonach sich ein Beschwerdeführer zuerst bewusst in Gefahr begeben muss, um sodann die Voraussetzungen erfüllen zu können, um sich vor genau jener Gefahr schützen zu können. Die von der belangten Behörde zur Ausstellung eines Waffenpasses offenbar geforderte „konkrete und akute Gefahrenlage, deren Realisierung geradezu erwartet werden kann“, entspräche im Ergebnis vielmehr bereits einer Situation, welche die Anordnung polizeilichen Personenschutzes gemäß § 48 Abs 1 SPG - sprich polizeilichen Personenschutz durch die Sondereinheiten W. oder C. - rechtfertigen würde und sohin weit über der für die Ausstellung eines Waffenpasses erforderlichen Gefährdung liegt.

Richtiger Weise kann die Einordnung der jeweiligen Gefährdungslagen und der anzuwendenden bzw zustehenden Schutzmaßnahmen nur wie folgt gesehen werden:

I.     Allgemeine Gefahrenlage einer jeden in Österreich lebenden Person: Kein Bedarf nach einem Waffenpass iSd §§ 21, 22 WaffG: Recht auf Waffenbesitzkarte zu Verteidigung des Eigenheims sowie der Arbeitsstätte etc. Recht auf Führen minderwirksamer Abwehrmittel wie Pfefferspray etc.

II.    Bestehen besonderer Gefahren außerhalb von Wohn- oder Betriebsräumen oder eingefriedeten Liegenschaften, denen am zweckmäßigsten mit Waffengewalt wirksam begegnet werden kann: Bedarf iSd § 22 Abs 2 WaffG, Recht auf Ausstellung eines Waffenpasses.

III.   Konkrete unmittelbar drohende Gefährdung durch auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmenden bevorstehenden Angriff gegen Leben, Gesundheit oder Freiheit. Das ist nichts anderes als eine „konkrete und akute Gefahrenlage, deren Realisierung geradezu erwartet werden kann" bzw eine „gleichsam zwangsläufig erwachsende Gefahr“: Gem § 48 SPG vorzunehmende Bewachung (Polizeischutz).

6.1.1.2    Genereller Bedarf gemäß § 1 Abs 3 RL-V

Gem § 1 Abs 3 RL-V2 sind insbesondere Polizisten wie der Beschwerdeführer (Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes) verpflichtet, außerhalb ihrer Dienstzeiten einzuschreiten, wenn sie erkennen, dass dies zur Abwehr einer gegenwärtigen oder unmittelbar drohenden Gefahr für Leben, Gesundheit, Freiheit von Menschen oder für fremdes Eigentum in großem Ausmaß erforderlich, verhältnismäßig und ihnen dies nach den eigenen Umständen zumutbar ist. § 1 Abs 3 RL-V umschreibt nichts anderes als Notwehrsituationen gem § 3 StGB3 (Nothilfe). Dies wird bei der folgenden Gegenüberstellung jener beiden Bestimmungen besonders deutlich:

§ 1 Abs 3 RL-V

§ 3 StGB

„[...] haben die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes [...] einzuschreiten, [...] zur Abwehr einer gegenwärtigen oder unmittelbar drohenden Gefahr für Leben, Gesundheit, Freiheit von Menschen oder für fremdes Eigentum [...] erforderlich, verhältnismäßig und [...] zumutbar ist. [...]“

„[...] Verteidigung [...], die notwendig ist, um einen gegenwärtigen oder unmittelbar drohenden rechtswidrigen Angriff auf Leben, Gesundheit, körperliche Unversehrtheit, Freiheit oder Vermögen von sich oder einem anderen abzuwehren."

[2 Verordnung des Bundesministers für Inneres, mit der Richtlinien für das Einschreiten der Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes erlassen werden (Richtlinien-Verordnung - RLV), StF: BGBl. Nr. 266/1993 idF BGBl, II Nr. 155/2012.

3 § 3 StGB („Notwehrparagraph“): „§ 3. (1) Nicht rechtswidrig handelt, wer sich nur der Verteidigung bedient, die notwendig ist, um einen gegenwärtigen oder unmittelbar drohenden rechtswidrigen Angriff auf Leben, Gesundheit, körperliche Unversehrtheit, Freiheit oder Vermögen von sich oder einem anderen abzuwehren. Die Handlung ist jedoch nicht gerechtfertigt, wenn es offensichtlich ist, daß dem Angegriffenen bloß ein geringer Nachteil droht und die Verteidigung, insbesondere wegen der Schwere der zur Abwehr nötigen Beeinträchtigung des Angreifers, unangemessen ist.“]

Situationen des § 1 Abs 3 RL-V und des § 3 StGB sind nichts anderes als Situationen erheblicher Gefahr im Verzug, und zwar von Gefahr insbesondere für Leib und Leben. Das in § 1 Abs 3 RL-V enthaltene Kriterium der Verhältnismäßigkeit des Einschreitens stellt zudem klar, dass Situationen iSd § 1 Abs 3 RL-V schwere und ernste Nothilfesituationen sind. Schließlich bedeutet „verhältnismäßig“ iSd 1 Abs 3 RL-V, dass die Situation derart gravierend sein muss, dass das Einschreiten eines Polizisten außer Dienst verhältnismäßig ist. Das ist bei einem Zeitungsdiebstahl am Sonntag nicht der Fall, sondern nur bei ernsten Notwehr- bzw Nothilfesituationen (siehe oben).

Situationen iSd § 1 Abs 3 RL-V, also schwere und ernste Notwehrsituationen (vgl § 3 StGB), die das „Sich-in-Dienst-stellen“ und Einschreiten eines Polizisten in seiner Freizeit nach dem Prinzip der Verhältnismäßigkeit erfordern, bergen regelmäßig besondere Gefahren, denen am zweckmäßigsten mit Waffengewalt wirksam begegnet werden kann (§ 22 Abs 2 WaffG).

In Situationen iSd § 1 Abs 3 RL-V, also in ernsten Notwehrsituationen (vgl § 3 StGB), in denen das Einschreiten eines Polizisten verhältnismäßig und erforderlich ist (§ 1 Abs 3 RL-V), ist es unmöglich, verlässlich im Vorhinein zu erkennen, in wie weit und wie heftig die Situation eskalieren wird und welche Abwehrmaßnahmen (welche Form der Einwirkung, welche Anzahl an Polizisten etc) letztendlich am zweckmäßigsten oder erforderlich ist. Gerade deswegen ist in solchen Situationen ja das Einschreiten eines Polizisten mit entsprechender Ausbildung, Erfahrung und Verlässlichkeit, selbst, wenn er außer Dienst ist, verhältnismäßig und erforderlich.

Dieser Umstand und Grundsatz ist seit Jahrzehnten auch in der Rechtsprechung zum Notwehr- und Nothilferecht etabliert, wie zB folgender Rechtssatz des OGH (RIS-Justiz RS0103836) zeigt:

„Ein Angegriffener darf grundsätzlich das für ihn erreichbare Abwehrmittel wählen, das eine sofortige und endgültige Beendigung der Gefahr erwarten läßt; er ist nicht genötigt, auf die Anwendung weniger gefährlicher Verteidigungsmittel zurückzugreifen, wenn deren Wirkung für die Abwehr zweifelhaft ist, auf einen Kampf mit ungewissem Ausgang und möglichen Körperverletzungen braucht er sich nicht einzulassen." (RIS-Justiz RS0103836)

Wie zahlreiche, insbesondere auch der belangten Behörde bestens bekannte Fälle zeigen, ist es niemandem, auch nicht erfahrensten Spezialeinheiten, wie zB der C. bei der Amtshandlung gegen den „Wilderer und Mehrfachmörder vom Annaberg“, Alois H., möglich, verlässlich im Vorhinein einzuschätzen, wie sich eine Amtshandlung, bei der das Einschreiten der Polizei verhältnismäßig und erforderlich ist, entwickeln wird. Dabei war der Beginn und Anlass des C.-Einsatzes gegen Alois H. am 17.09.2013 gar keine Notwehr- oder Nothilfehandlung iSd § 1 Abs 3 RL-V bzw § 3 StGB, sondern eine Verkehrskontrolle.

Auf Grund ihrer vorherigen gründlichen Analyse setzte die C. dabei „nur" drei C.-Beamte und zwei weitere Polizisten ein. Wie insbesondere durch entsprechende Medienberichte nunmehr allgemein bekannt ist, tötete Alois H. an jenem Tag anlässlich jener Straßensperre drei Polizisten und einen Sanitäter mit einem jedenfalls illegalen schallgedämpften vollautomatischen Sturmgewehr StG 77, welches aus Beständen des Bundesheeres gestohlen worden war. Der Einsatz, der mit drei C.-Beamten und zwei Polizisten begann, endete mit 135 Polizeibeamten und Panzern.

Auch dem Text der RL-V ist in § 1 Abs 3 die ohnehin in jeder Polizeibehörde mit Erfahrungen im Außendienst bekannte Tatsache zu entnehmen, dass nicht von vornherein eingeschätzt werden kann, wie gefährlich eine Situation, die das Einschreiten eines Polizisten verhältnismäßig erfordert tatsächlich ist, schließlich stellt auch § 1 Abs 3 RL-V auf das einzige im Vorhinein mögliche Beurteilungskriterium, nämlich die Erkennbarkeit der Gefährlichkeit der Situation ab:

„[...] haben die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes diesfalls zur Erfüllung ihrer Aufgaben nur dann einzuschreiten, wenn sie erkennen, dass dies zur Abwehr einer gegenwärtigen oder unmittelbar drohenden Gefahr für Leben, Gesundheit, Freiheit von Menschen oder für fremdes Eigentum in großem Ausmaß erforderlich, verhältnismäßig und ihnen dies nach den eigenen Umständen zumutbar ist. “ (§ 1 Abs 3 RL-V)

Dass in Situationen, in denen das Einschreiten eines Polizisten außer Dienst iSd § 1 Abs 3 RL-V verhältnismäßig und erforderlich ist, immer mit schwerer Gewalt zu rechnen ist, zeigt zB wurde folgender aus den Medien bekannter Fall vom August 2015 (Beilage ./F):

„Auch außer Dienst war das Auge des Gesetzes wachsam. Als ein Kebabstand-Besitzer in der Wiener City von den beiden Nordafrikanern nach Diebstählen bei Kunden mit dem Umbringen bedroht wurde, gab sich der 24-jährige als Polizist zu erkennen. Bei der Festnahme fügte ein Algerier - er ist seit einem Monat in Traiskirchen - dem Inspektor mit einer Scherbe eine tiefe, acht Zentimeter lange Wunde an der Wange zu. " (Beilage ./F)

(Foto nicht abgebildet)

Die auf obigem Foto abgebildete Schnittverletzung jenes Polizisten ein paar Zentimeter tiefer, an der Halsschlagader, wäre tödlich gewesen. Es kann nicht deutlich genug gesagt werden: Der auf den oben enthaltenen Foto abgebildete Verletzte ist ein Polizist, der in seiner Freizeit pflichtgemäß iSd § 1 Abs 3 RL-V einschritt und jemanden festnahm, der einen anderen mit dem Umbringen bedrohte.

Jede Situation iSd § 1 Abs 3 RL-V ist ernst (Notwehrsituation, vgl § 3 StGB). Jede zu Beginn eher harmlos anmutende solche Situation kann sich in einem Sekundenbruchteil durch das Hinzukommen einer Psychose, einer zB verdeckt getragenen Waffe, eines kräftigen Hundes, eines nur gefährlichen Gegenstandes (Glasscherbe, Werkzeug etc), oder weiterer Personen auf Seiten der Verdächtigen, in einen Kampf auf Leben und Tod, jedenfalls zu einer Gefahr iSd § 22 Abs 2 WaffG, nämlich zu einer Gefahr entwickeln, der am zweckmäßigsten mit Waffengewalt wirksam begegnet werden kann. Andere Kriterien kennt das WaffG hinsichtlich der verpflichtenden Ausstellung von Waffenpässen ohne Ermessensprüfung nicht.

Deswegen führen Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes auf der ganzen Welt Schusswaffen. Das ist vor allem deswegen der Fall, weil Schusswaffen der Kategorie B (Faustfeuerwaffen) auch während eines bereits stattfindenden Überraschungsangriffs noch effektiv dazu dienen können, einen gefährlichen Angriff abzuwehren. Schusswaffen der Kategorie B sind durch ausgebildete Personen, es geht hier um einen Polizisten und W.-Beamten, einhändig - also auch im Nahkampf - bedienbar und geeignet, in einer Notwehrsituation den Angriff verlässlich, das heißt sofort endgültig, abzuwehren (vgl RIS-Justiz RS0095986, Beilage ./G). Es gibt daher keinen vernünftigen Grund, Polizisten zu entwaffnen, oder ihnen Waffenpässe zu versagen

Da der weitere Verlauf und der Ausgang von Situationen iSd § 1 Abs 3 RL-V, sprich Nothilfesituationen iSd § 3 StGB, nicht vorhersehbar ist, ist es für niemanden, der unbewaffnet ist, insbesondere nicht für unbewaffnete Polizisten, zumutbar, in solchen Situationen Nothilfe zu leisten.

Zu unbewaffneter Nothilfe in Situationen, in denen das Einschreiten eines Polizisten während seiner Freizeit verhältnismäßig (§ 1 Abs 3 RL-V) und erforderlich (§ 1 Abs 3 RL-V) ist, kann bereits aus verfassungsrechtlichen Gründen niemand verpflichtet werden.

Daher gilt Folgendes: Wenn man § 1 Abs 3 RL-V auf der Grundlage liest, dass die damit gemeinten Polizisten unbewaffnet zu sein haben, bzw keine Waffenpässe besitzen, unterstellt man § 1 Abs 3 RL-V einen verfassungswidrigen Inhalt, bzw Sinnlosigkeit. Schließlich sind die Kriterien der Verhältnismäßigkeit des § 1 Abs 3 RL-V (ernste Situation) einerseits und der Zumutbarkeit des § 1 Abs 3 RL-V andererseits nicht mit dem persönlichen unzumutbaren Risiko des unbewaffneten Einschreitens in solchen Situationen vereinbar.

Die Rechtsmeinung der belangten Behörde bringt den Beschwerdeführer (wie jeden Polizisten) in eine unzumutbare Situation. Sie ist daher insbesondere angesichts des verfassungsrechtlichen Sachlichkeitsgebots verfassungswidrig. Da jede Behörde jede Norm, auch die RL-V und das WaffG, verfassungskonform auszulegen hat, zeigt sich auch hier, dass die dem gegenständlichen Bescheid zugrunde liegende Rechtsmeinung der belangten Behörde verfehlt und dem Beschwerdeführer ein Waffenpass auszustellen ist.

Es liegt daher auf der Hand, dass sowohl die RL-V als auch das WaffG 1996 auf dem Grundgedanken beruhen, dass Polizisten jedenfalls ein Waffenpass auszustellen ist. Das war auch jahrzehntelang richtige und unbezweifelte Verwaltungspraxis. Es gibt auch heute keinen vernünftigen Grund, davon abzugehen.

Schließlich ist nicht nachvollziehbar, wie eine Situation ausgestaltet sein sollte, in der einerseits das unmittelbare Einschreiten eines nicht im Dienst befindlichen Polizisten verhältnismäßig und erforderlich, gleichzeitig aber für einen unbewaffneten und entsprechend wehrlosen Polizisten zumutbar sein wäre. Solche Situationen gib es nicht. Daher würde die dem angefochtenen Bescheid innewohnende Rechtsansicht der belangten Behörde einzig und allein zu Folgendem führen: Kein Polizist würde mehr gem § 1 Abs 3 RL-V einschreiten, weil das unbewaffnet einfach nicht zumutbar ist. Das kann weder vom Gesetzgeber, noch vom Verordnungsgeber, noch von der belangten Behörde gewollt sein.

Dass die RL-V und das WaffG 1996 auf dem Grundgedanken beruhen, dass Polizisten jedenfalls ein Waffenpass auszustellen ist, ergibt sich auch aus dem Runderlass des Bundesministeriums für Inneres BMI-VA1900/0147-III/3/2006. Jener Runderlass stammt von derselben Behörde wie die RL-V, nämlich vom Bundesminister für Inneres und führt auf Seite 43 in Punkt 3 insbesondere Folgendes aus (Unterstreichung durch den Beschwerdeführer):

„Es scheint vertretbar, dass Personen, die eine genehmigungspflichtige Schusswaffe zur Abwehr von Gefahren, die nicht nur bei einer bestimmten Tätigkeit, sondern auch außerhalb der Dienstzeit aufgrund von befürchteten Racheakten drohen, benötigen (das sind insbesondere Strafrichter, Staatsanwälte und Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes) und somit letztendlich wegen ihrer Tätigkeit einen Bedarf im Sinne des § 22 Abs 2 WaffG glaubhaft machen können, ein Waffenpass ohne Beschränkungsvermerk ausgestellt wird." (BMI-VA1900/0147-111/3/2006).

Es ist daher offensichtlich, dass der Verordnungsgeber der RL-V bei Erlassung der RL-V, insbesondere des § 1 Abs 3 seine soeben zitierte eigene Rechtsmeinung vor Augen hatte, wonach Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes, also Polizisten, außerhalb der Dienstzeit einen Bedarf auf Ausstellung eines Waffenpasses iSd § 22 Abs 2 WaffG haben. Jede andere Interpretation des WaffG und der RL-V wäre nicht nur unrichtig und verfassungswidrig, sondern auch kontraproduktiv und für Polizisten und Öffentlichkeit gleichermaßen gefährlich und zwar insbesondere aus folgenden Gründen:

Die von der belangten Behörde vertretene Nichtausstellung von Waffenpässen an Polizisten und W.-Beamte wie den Beschwerdeführer kann nur zwei mögliche Konsequenzen haben:

a)     Eine große Anzahl von Polizisten würde, weil sie unbewaffnet im Fall einer Eskalation schutzlos und zum Opferdasein verdammt sind, grundsätzlich nicht mehr in ihrer Freizeit Nothilfe leisten und es tunlichst unterlassen, iSd § 1 Abs 3 RL-V einzuschreiten. Schließlich wurden alleine im Jahr 2014 in Österreich 903 Polizisten sogar im Dienst, also im Zustand der Bewaffnung, durch Dritte verletzt.

b)     Eine wahrscheinlich äußerst geringe Anzahl besonders tapferer Polizisten würde dennoch zumindest in einigen Fällen trotz ihrer Schutzlosigkeit iSd § 1 Abs 3 RL-V bzw § 3 StGB in ihrer Freizeit einschreiten und Nothilfe leisten. Da sich bei entsprechender Behördenpraxis bei der Nichtvergabe von Waffenpässen rasch herumsprechen würde, dass Polizisten in ihrer Freizeit unbewaffnet und leichte Opfer sind, würden viele jener wenigen Helden dabei ebenso schwer verletzt oder getötet werden, wie die Mehrzahl aller ändern zivilcouragierten Dritten, die in solchen Situationen schutzlos einschreiten (siehe aktuellen Glasscherben-Fall oben). Auch hiezu sind der angerufenen Behörde (sowie der Allgemeinheit aus den Medien) zahlreiche Fälle bekannt.

Das kann niemand in Österreich wollen. Das ist weder im Interesse der Allgemeinheit, noch ist es als Telos aus der RL-V oder dem WaffG herauszulesen.

Die Tätigkeit eines Exekutivbeamten im Außendienst birgt Gefahren, die das durchschnittliche Ausmaß erheblich übersteigen und auch außerhalb der Dienstzeit fortwirken. Allein aus der Tatsache eines Einsatzes als Exekutivbeamter, der jederzeit zur Leistung von Außendiensten verpflichtet ist, ergibt sich bereits eine Gefährdung der persönlichen Sicherheit außerhalb des Dienstes, die das Ausmaß der Gefahren, die für jedermann bestehen, erheblich überschreiten (vgl VwGH 13.12.1989, 89/01/0109; VwGH 30.01.1991, 90/01/0176; Hauer/Keplinger, Waffengesetz 1996, Anm 7 zu § 22 WaffG). In diesem Sinne besteht die einzig sinnvolle und tragbare Auslegung des § 22 Abs 2 WaffG darin, dass Personen, denen aufgrund ihrer Tätigkeit auch außerhalb der Dienstzeit Gefahren drohen (wie etwa Exekutivbeamten), grundsätzlich einen Bedarf iSd §§ 21 Abs 2 und 22 Abs 2 WaffG aufweisen.

Dies ergibt sich auch aus dem bereits oben zitierten Runderlass des Bundesministeriums für Inneres BMI-VA1900/0147-III/3/2006, in zusätzlich zum bereits oben Zitierten,

„Es scheint vertretbar, dass Personen, die eine genehmigungspflichtige Schusswaffe zur Abwehr von Gefahren, die nicht nur bei einer bestimmten Tätigkeit, sondern auch außerhalb der Dienstzeit aufgrund von befürchteten Racheakten drohen, benötigen (das sind insbesondere Strafrichter, Staatsanwälte und Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes) und somit letztendlich wegen ihrer Tätigkeit einen Bedarf im Sinne des § 22 Abs 2 WaffG glaubhaft machen können, ein Waffenpass ohne Beschränkungsvermerk ausgestellt wird.",

weiters auch Folgendes ausgeführt wird:

„Die Anwendung des § 21 Abs 4 WaffG kommt somit nicht in Betracht, wenn Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes oder vergleichbaren Personengruppen ein Waffenpass ausgestellt wird, weil sie wegen ihres Berufes besonderen Gefahren ausgesetzt sind.“ (BMI-VA1900/0147-III/3/2006)

Zusammengefasst wird dadurch die - einzig richtige - Rechtsauffassung dargelegt, dass die Ausstellung eines Waffenpasses für Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes vorausgesetzt wird, wobei für Personen wie den Beschwerdeführer nicht einmal ein Beschränkungsvermerk gemäß § 21 Abs 4 WaffG in Betracht kommt. Erlässe sind als verwaltungsinterne Normen mit generellem Adressatenkreis Weisungen der den Erlass ausgebenden Behörde, an die nachgeordnete Behörden gebunden sind. Die belangte Behörde als dem jeweiligen Bundesminister für Inneres gegenüber weisungsgebundener Behörde hätte den zitierten Runderlass daher im Rahmen ihrer Entscheidung berücksichtigen müssen. Dieser Punkt wird ausdrücklich auch als Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gerügt (siehe Punkt 6.2.3 unten).

Hinzu kommt auch Folgendes: Der Bundesminister für Inneres erließ die RL-V und den Erlass BMI-VA1900/0147-III/3/2006 auf der Grundlage jahrzehntelanger Erfahrungen der Polizeibehörden im Außendienst und angesichts der Erfordernisse der sicherheitsbehördlichen Realität. Die gegenteilige Meinung fußt letztendlich auf der grundlegenden Ablehnung von Waffen und Bewaffnung jedweder Personen und letztlich auch von Polizisten. Die Entwaffnung von Polizisten während der Dienstzeit wird in Österreich noch nicht diskutiert. Einen logisch nachvollziehbaren Unterschied zur Entwaffnung von Polizisten außerhalb der Dienstzeit zur Entwaffnung von Polizisten während der Dienstzeit gibt es jedoch nicht, wie beide wie oben dargestellt zum Einschreiten in ernsten Nothilfesituationen verpflichtet sind.

Gerade in so heiklen Bereichen muss es vermieden werden, nach Schemata wie „Es kann nicht sein, was nicht sein darf', zu entscheiden. Der sicherheitspolizeilichen Alltag, nämlich vor allem Situationen, die das Einschreiten von Polizisten als verhältnismäßig erfordern (§ 1 Abs 3 RL-V), sind stets Situationen, in denen akut geschieht, was nicht sein darf, und in denen Menschen schwer verletzt oder getötet werden. Um richtige Entscheidungen, gerade in jenen Bereichen zu fällen, muss man zuerst schonungslos den jeweiligen Realitäten ins Auge sehen und dann die richtigen und zweckmäßigen Entscheidungen treffen. Es darf nicht in Kauf genommen werden, dass Polizisten beim Einschreiten gem § 1 Abs 3 RL-V wehrlos in Gefahr geraten, verletzt oder getötet zu werden.

Angesichts dieser Überlegungen ist der gegenständliche Fall einfach: Der Beschwerdeführer ist als Polizist verpflichtet, außerhalb seiner Dienstzeit, also ohne Uniform und Dienstwaffe zur Abwehr einer gegenwärtigen oder unmittelbar drohenden Gefahr für Leben, Gesundheit, Freiheit von Menschen oder für fremdes Eigentum einzuschreiten, wenn es erforderlich und verhältnismäßig ist (§ 1 RL-V). Ob es ihm auch zumutbar ist, kann niemand im Vorhinein verlässlich beurteilen. Daher birgt sein Einschreiten, zudem er während und außerhalb der Dienstzeit verpflichtet ist, außerhalb seiner Wohn- oder Betriebsräume oder seiner eingefriedeten Liegenschaften besondere Gefahren, denen am zweckmäßigsten mit Waffengewalt wirksam begegnet werden kann (§ 22 Abs 2 WaffG). Dem Beschwerdeführer ist daher ein Waffenpass auszustellen.

Eine andere Beurteilung des gegenständlichen Falles wäre letztlich der Ausdruck des politischen Willens, dass ein Verbrechensopfer besser wäre, als ein abgewehrter Angriff. Das ist erstens verfehlt und zweitens weder mit der RL-V, noch mit dem WaffG, noch mit dem durch die Bundesverfassung und die EMRK gewährleisteten, insbesondere dem rechtsstaatlichen Prinzip innewohnenden, Recht auf Notwehr und Nothilfe, in Einklang zu bringen.

6.1.1.3    Erkenntnis des VwGH 2010/03/0058 vom 21.10.2011

Das von der belangten Behörde zitierte Erkenntnis des VwGH 2010/03/0058 vom 21.10.2011 ist auf den gegenständlichen Fall gar nicht anwendbar (W.-Beamter, konkrete Bedrohung durch Racheakte, veröffentlichte Personalien), ohnehin in mehrfacher Hinsicht verfehlt und wurde auch schon vielfach fehlinterpretiert.

Alle darin enthaltenen grundsätzlichen Aussagen zu Waffenpässen und § 1 RL-V etc sind lediglich obiter dicta (lat. „nebenbei Gesagtes“) und haben keinerlei Bindungs- oder Präzedenzfallwirkung.

Sollte die entsprechende Rechtsprechung aufrechterhalten werden, wäre sie insbesondere durch den Verfassungsgerichtshof zu korrigieren, vor welchem entsprechende Entscheidungen anzufechten wären. Im Gegensatz zu jenem Erkenntnis des VwGH besteht nämlich ein dringendes öffentliches Interesse daran, dass Polizeibeamte, insbesondere Mitglieder der Spezialeinheit W. wie der Beschwerdeführer, auch außerhalb ihrer Dienstzeit bewaffnet sind (siehe dazu Punkte 6.2.2.1 und 6.2.2.2 unten).

Besagtes Erkenntnis ist zudem gesetzwidrig. Aus den oben genannten Gründen unterstellt jenes Erkenntnis § 1 Abs 3 RL-V einen sinnlosen Inhalt, weil es keinem Unbewaffneten zumutbar ist, in einer Nothilfesituation (§ 3 StGB, siehe Punkt 6.1.1.2 oben) einzuschreiten. Vielmehr gründet sich die Regelung des § 1 Abs 3 RL-V auf der richtigen Rechtsansicht, dass Polizisten aus den oben genannten Gründen grundsätzlich einen Bedarf iSd § 22 Abs 2 WaffG haben und deswegen einen Waffenpass erhalten. Ohne eine solche Prämisse wäre die Verpflichtung in § 1 Abs 3 RL-V als solche wegen der Unzumutbarkeit des entsprechenden Einschreitens gänzlich sinnlos.

Jenes Erkenntnis des VwGH verstößt auch gegen geltendes Verfassungsrecht, insbesondere aus folgenden, an dieser Stelle nur kursorisch erwähnten Gründen:

Wie oben dargelegt, wendet jenes Erkenntnis des VwGH die RL-V und das WaffG denkunmöglich an, weil er es beiden Normen einen wie dargestellt sinnlosen und damit offenkundig verfassungswidrigen Inhalt unterstellt. Jede Norm, insbesondere das WaffG, muss im Zweifel so verstanden werden, dass sie im Rahmen der gesamten Rechtsordnung zu bestehen vermag (siehe zB VfSlg 2109, 3910, 8468, VwSlg 5921 A OGH SZ 46/74). Jenes Erkenntnis unterstellt auch dem WaffG, insbesondere den Regeln über den Waffenpass und insbesondere § 22 Abs 2 WaffG einen sinnlosen Inhalt, weil Polizisten außerhalb der Dienstzeit aus den oben genannten Gründen der Paradefall und das Lehrbuchbeispiel von Personen sind, die einen Bedarf auf Ausstellung eines Waffenpasses haben.

Wenn selbst Polizisten insbesondere angesichts der oben genannten Gründe keinen Bedarf zur Ausstellung eines Waffenpasses haben sollten, ist § 22 Abs 2 WaffG wohl offenbar unterstellt, eine Regelung gänzlich ohne Anwendungsbereich zu sein, schließlich ist niemand sonst gesetzlich verpflichtet, in Situationen, in welchen das Einschreiten eines Polizisten verhältnismäßig und erforderlich ist, Nothilfe zu leisten, oder regelmäßig derart gefährdet wie Polizisten.

Zudem ging besagtem Erkenntnis des VwGH keine Verhältnismäßigkeitsprüfung voraus. Schließlich besteht ein Interesse jedes Polizisten an der Ausstellung eines Waffenpasses und kein entgegenstehendes Interesse irgendeiner andere Person, schon gar nicht der Allgemeinheit, die selbst insbesondere angesichts der Verpflichtung zur Nothilfe gem § 1 Abs 3 RL-V ein besonderes Interesse an der Bewaffnung von Polizisten während und außerhalb der Dienstzeiten hat (siehe dazu insbesondere Punkte 6.2.2.1 und 6.2.2.2 unten).

Auch die belangte Behörde hätte das Gesetz, insbesondere das WaffG sowie auch die RL-V, verfassungskonform auszulegen gehabt und somit dem Beschwerdeführer einen Waffenpass ausstellen müssen.

6.1.1.4    Fazit

Aus den genannten Gründen ist die Tätigkeit als Polizeibeamter, insbesondere als Mitglied der W., noch dazu angesichts der weiteren oben genannten spezifischen Gründe des Beschwerdeführers (Einsätze gegen IS-Terrorverdächtige, Veröffentlichung der Personalien etc) das Lehrbuchbeispiel des Bedarfs zur Ausstellung eines Waffenpasses. Schließlich

a)     ist der Beschwerdeführer entsprechend gefährdet (siehe insbesondere oben Punkte 4.1 und 6.1.1.1), und

b)     sind Situationen iSd § 1 Abs 3 RL-V ernste Notwehr- bzw Nothilfesituationen (vgl § 3 StGB) und damit Paradebeispiele besonderer Gefahren, denen am zweckmäßigsten mit Waffengewalt wirksam begegnet werden kann (§ 22 Abs 2 WaffG), und in denen der Beschwerdeführer verpflichtet ist, einzuschreiten und solche Situationen Dritter in seiner Umgebung zu seinen eigenen zu machen (§ 1 Abs 3 RL-V).

Der Beschwerdeführer hat somit durch seine Ausführungen in seinem Antrag vom 07.09.2015 bereits den Bedarf iSd § 21 Abs 2, erster Satz, WaffG nachgewiesen. Daher wäre ihm ein Waffenpass auszustellen gewesen, ohne, dass hiefür ein Ermessensspielraum der belangten Behörde bestünde.[…]

[…]Polizisten, die auch außerhalb ihrer Dienstzeiten berechtigt auf Grund von Waffenpässen Schusswaffen tragen, sind ein erhebliches Sicherheitsplus für die Allgemeinheit. Besonders Beamte von Spezialeinheiten wie der Beschwerdeführer (W.) können auf Grund ihrer Verlässlichkeit, Ausbildung und Erfahrung wirksam in Nothilfesituationen (§ 3 StGB) einschreiten und ihnen wäre ein Einschreiten gem § 1 Abs 3 RL-V auch weitgehend zumutbar, weil sie sich und andere durch ihre Waffe auch bei Eskalationen schützen könnten. Darüber hinaus stellen sie unbezahlte, also quasi „kostenlose“ Sicherheitskräfte dar, die in ihrer Freizeit bereit stehen, um kriminelle Handlungen zu verhindern bzw zu unterbrechen und dritte Personen zu schützen. Die Allgemeinheit hat daher ein erhebliches Interesse daran, dass Waffenpässe an Polizisten ausgestellt werden.

Wie die angerufene Behörde weiß, zeigt dies auch der Alltag in Österreich. So wurde gerade erst kürzlich ein Fall in der Öffentlichkeit bekannt, in dem das Einschreiten eines W.-Beamten gem § 1 Abs 3 RL-V die Fortsetzung eines lebensgefährlichen Angriffes auf einen Dritten (mehrere Tritte gegen den Kopf) und das angedrohte Herausschneiden der Zunge aus dem Mund eines Kindes verhindern konnte (Beilage ./E). Beispielsweise jene Attacke war so wüst anzusehen, dass vorbeifahrende Autofahrer ihre Wagen stoppten und hupten (Beilage ./E). Jene Autofahrer stiegen freilich nicht aus ihren Autos, um sich in einem solchen Kampf unbewaffnet dem Angreifer entgegen zu stellen, das wäre ihnen nicht zumutbar gewesen. Gleiches würde für einen Polizisten in seiner Freizeit ohne Waffenpass gelten.

Es ist weder Polizisten in ihrer Freizeit, und schon gar nicht den Opfern gerade im Gang befindlicher Verbrechen, die das Einschreiten von Polizisten erfordern (§ 1 Abs 3 RL-V) zuzumuten, dass in einer ernsten Nothilfesituation in ihrer Freizeit anwesende Polizisten im Sinne ihrer eigenen Sicherheit auf Grund ihrer Wehrlosigkeit als Unbewaffnete zusehen und zuwarten müssen, bis die von ihnen angerufenen anderen Polizisten, die zufällig gerade im Dienst und bewaffnet sind, endlich am Ort des im Gang befindlichen Verbrechens eintreffen und einschreiten können.

Es kann nicht angehen, dass die Verwaltungspraxis hier dazu führt, dass selbst ein in seiner Freizeit anwesender Polizist im Interesse seiner eigenen körperlichen Unversehrtheit zusehen, andere Polizisten im Dienst rufen und auf diese warten muss. Eine solche Verwaltungspraxis würde schlicht absurde und unerträgliche Situationen schaffen, ohne irgendeinen Vorteil für irgendjemanden (außer Verbrecher) zu bringen.

Aus all den genannten Gründen liegt das dringende und direkte öffentliche Interesse daran, dass Polizeibeamte, insbesondere Mitglieder von Spezialeinheiten wie der Beschwerdeführer, auch außerhalb ihrer Dienstzeit bewaffnet sind, auf der Hand. Schließlich steigt die Sicherheit der Allgemeinheit, wenn mehr bewaffnete Polizisten „auf der Straße“ sind. Ob diese Polizisten uniformiert sind, oder nicht, ob sie gerade im Dienst sind, oder sich falls verhältnismäßig „in Dienst stellen“ können, macht dabei keinen Unterschied. Die Allgemeinheit und die öffentliche Sicherheit profitieren in jedem Fall von der Anwesenheit eines zusätzlichen bewaffneten Polizisten, ob er nun gerade Dienst hat, oder nicht.[…]

[…]Zudem besteht ebenso ein indirektes öffentliches Interesse daran, dass Polizisten auch in Ihrer Freizeit bewaffnet sein dürfen, sprich Waffenpässe besitzen. Wenn sich erst herumgesprochen haben würde, dass alle Polizisten in Österreich nunmehr außerhalb ihrer Dienstzeit unbewaffnet sein müssten, würden Polizisten in den Augen organisierter und/oder gewaltbereiter Verbrecher ihre Autorität und Wehrhaftigkeit einbüßen. Sie würden ganz leicht verletzbar und leichte Opfer. Man müsste nur warten, bis der Polizist seinen Dienst beendet hat, und schon hätte man ihn schutzlos vor sich. Diese berechenbare Wehrlosigkeit würde sich einerseits direkt in Racheakten auswirken und Polizisten zu Verbrechensopfern machen.

Mittel- und langfristig würde sich diese berechenbare Wehrlosigkeit auf den Dienst sämtlicher Polizisten auswirken. Sie würden wissen, dass sie in ihrer Freizeit von jedem Kriminellen ohne Probleme abgepasst und verprügelt, geschweige denn von noch gefährlicheren Personen und Gruppen noch gefährlicher attackiert werden können. Das würde zwangsläufig dazu führen, dass Polizisten auch im Dienst jedwede Konfrontation tunlichst vermeiden würden, um jeden Anlass für Racheakte durch Kriminelle zu vermeiden. Die Qualität der Polizeiarbeit und der direkte Schutz der Allgemeinheit würden drastisch sinken.

Wenn sich erst eine Verwaltungspraxis, die Polizisten Waffenpässe verweigert, etabliert und herumspricht, werden sich aus den genannten Gründen auch deutlich weniger Interessenten zum Polizeidienst melden. Es bedürfte schon sehr seltener menschlicher Eigenschaften, um sich dem Verbrechen mit der von der Polizei erwarteten Entschlossenheit und Vehemenz entgegen zu stellen, wenn man sicher sein muss, Repressalien der Kontrahenten aus der Dienstzeit in der Freizeit schutzlos ausgeliefert zu sein. Besonnenheit und Vernunft sind keine solchen Eigenschaften, sollten aber auch bei zukünftigen Polizisten nicht fehlen, sondern fest verankert sein.

Aus den genannten Gründen liegt insbesondere auch das indirekte öffentliche Interesse daran, dass Polizisten auch in ihrer Freizeit bewaffnet sein dürfen, sprich Waffenpässe besitzen, auf der Hand.

6.2.2.3    Interesse des Beschwerdeführers (und aller Polizisten)

Gleichermaßen besteht aus den genannten Gründen ein ebenso dringendes Interesse des Beschwerdeführers und aller anderen österreichischen Polizisten, und daher auch ein Bedarf iSd § 22 Abs 2 WaffG, an der Ausstellung eines Waffenpasses. Schließlich ist ihm aus den oben genannten Gründen,

a)     nicht zumutbar, in Nothilfe-Situationen iSd § 1 Abs 3 RL-V bzw § 3 StGB unbewaffnet überhaupt einzuschreiten und dabei schutzlos Leib und Leben zu riskieren, und

b)     nicht zumutbar, trotz seiner Verlässlichkeit und Ausbildung (W.) unbewaffnet, hilf- und tatenlos zusehen zu müssen, wie jemand gefährdet, misshandelt oder getötet wird etc und dabei einfach nur andere Polizisten herbeizurufen und auf diese warten zu müssen.

6.2.2 4    Kein entgegenstehendes öffentliches Interesse. Vergleich USA. FBI

Insbesondere aus den genannten Gründen besteht kein öffentliches Interesse daran, dass Polizisten wie der Beschwerdeführer in ihrer Freizeit, insbesondere ungeachtet der Verpflichtungen gem § 1 Abs 3 RL-V, keine Waffen tragen dürften, sprich keine Waffenpässe erhalten sollten.

Vielmehr besteht ein öffentliches Interesse an einer Stärkung der Polizei durch zusätzliche Polizisten (1.000 bis 2018, Beilage ./F). Ein Polizist ist während der Dienstzeit genauso verlässlich, ausgebildet und erfahren, wie außerhalb seiner Dienstzeit. Ein bewaffneter österreichischer Polizist ist kein Sicherheitsrisiko für die Allgemeinheit, im Gegenteil. Es gibt kein begründbares Interesse der Allgemeinheit, ausgerechnet Polizisten außerhalb ihrer Dienstzeit zu entwaffnen und darauf anzuweisen, nötigenfalls untätig zuzusehen und mit dem Handy „die Polizei“ zu rufen.

In waffenrechtlichen Diskussionen fällt oft das unreflektierte Argument, dass mehr Waffen weniger Sicherheit bedeuten würden. Das ist in mehrfacher Hinsicht nicht richtig. Zum einen liegt wie oben dargelegt auf der Hand, dass von Polizisten, insbesondere Polizisten aus Spezialeinheiten, geführte Waffen, die Sicherheit der Allgemeinheit erhöhen.

Wie insbesondere einer aktuellen Statistik der US-Bundespolizei FBI zu entnehmen ist, führt auch ein massives Ansteigen des privaten Waffenbesitzes nicht zu einem Anstieg von Gewaltverbrechen, vielmehr ist das Gegenteil zumindest in den USA der Fall. Wie dem als Beilage ./J vorgelegten Artikel samt der entsprecheden ebenfalls daran angeschlossenen offiziellen Veröffentlichung der US-Bundespolizei FBI zu entnehmen ist, sank die Zahl der Gewaltverbrechen in den USA in den letzten Jahren, während im gleichen Zeitraum die Anzahl der Waffen im Privatbesitz sowie die den Waffenpässen entsprechende Ausstellung der Concealed Carry Waivers („CCW“), die in vielen US-Bundesstaaten in den letzten 20 Jahren wieder eingeführt wurde, massiv anstieg.

Es spielt im hier vorliegenden Fall keine Rolle, ob das Absinken der Gewaltverbrechen ungeachtet oder vielleicht, gerade wegen, des massiven Anstiegs der Anzahl von Schusswaffen im Privatbesitz erfolgte. Wichtig ist hier nur, dass auch aus den offiziellen Daten der USA gerade nicht abgeleitet werden kann, dass mehr private Schusswaffen weniger Sicherheit bedeuten würden.

Schließlich werden Verbrechen und Terrorakte in aller Regel mit illegal besessenen und illegal geführten Schusswaffen verübt.

6.2.2.5    Interessenabwägung

Doch selbst wenn man das Bestehen eines dem privaten Interesse des Beschwerdeführers entgegenstehenden öffentlichen Interesses bejahen wollte, würde eine Interessenabwägung im konkreten Fall dennoch jedenfalls zugunsten des Beschwerdeführers ausfallen. Aus dem Führen einer Waffe durch einen W.-Beamten geht jedenfalls keine Gefahr für Unbeteiligte aus. Schließlich ist der Beschwerdeführer als W.-Beamter und Mitglied einer polizeilichen Spezialeinheit entsprechend trainiert, (potentiell) gefährliche Situationen rasch richtig einschätzen zu können und darauf angemessen zu reagieren. Der Beschwerdeführer ist im Umgang mit seiner Waffe bestmöglich ausgebildet und geübt und kann insbesondere durch Dritte kaum entwaffnet werden. Es besteht daher keine realistische Gefahr, dass ein Unbeteiligter zu Schaden kommen könnte, wenn der Beschwerdeführer als ausgebildeter W.-Polizist in einer etwaigen Gefahrensituation seine Waffe verwenden müsste.

Aus den in diesem Schriftsatz genannten Gründen liegt auf der Hand, dass es nicht zur Sicherheit Österreichs beiträgt, wenn man W.-Polizisten nicht gestattet, auch in ihrer Freizeit Schusswaffen zu führen (die sie zB wie der Beschwerdeführer ohnehin auch privat besitzen dürfen, weil sie eine Waffenbesitzkarte haben).[…]“

In der Verhandlung am 12.4.2016 wurden die Parteienvertreter gehört und der BF persönlich befragt. Das Verhandlungsprotokoll lautet auszugsweise:

„[….]Ich habe noch vorzulegen die Beilagen ./M, ./N, ./O, ./P und ./Q. vorgezeigt wird die Glock 26, welche nicht bei der Polizei eingeführt ist. Die bei der Polizei eingeführten Glock 17 und 19 sind größer. Die Glock 26 kann in einem Innenbundholster so getragen werden, dass auch beim Sitzen sie nicht auffällt und auch nicht stört. Die Waffen sind sonst baugleich nur halt von der Größe her unterschiedlich. Die Glock 17 und 19 würde jedenfalls gesehen werden und auch stören. Dies könnte wieder zu Aufregung und zur Anforderung der Polizei führen. Das Tragen der Dienstwaffen Glock 17 und 19 scheidet aus, weil sie nicht unauffällig getragen werden können, außerhalb des Dienstes. In der Einheit meines Mandanten gibt es keine Glock 19 nur eine Glock 17. Die Glock 17 ist die größere der Dienstwaffen und wird bei der W. auch mit einem Laserpointeraufsatz geführt. Für den Dienst selbst ist diese Waffe richtig, jedoch nicht in der privaten Zeit zum verdeckten tragen geeignet.

Der Vertreter der belangten Behörde gibt Folgendes zu Protokoll:

Ich habe dazu nichts zu sagen.

Der BfV gibt an:

Ich glaube dass die Gesetzeslage passt in Österreich. Nur die Rechtsprechung des VwGH ist falsch. Die Rechtsprechung des VwGH ist außerdem im gegenständlichen Fall nicht voranzuziehen, weil es sich damals um einen Beamten handelte, der nicht im Außendienst Verwendung fand. Ich habe dies dazu ausführlich in Beschwerdeschriftsatz ausgeführt.

Der Bf führt dazu aus:

Wenn ich eine Waffe privat führen soll, dann muss ich sie, damit es einen Sinn hat, dauernd führen. Auch muss ich sie zu verschiedenen Anlässen mit verbundenen, verschiedenen Kleidungen führen können.

In einer Gefahrensituation im Privaten bin ich in der reagierenden Position. Damit bin ich, der einen Schritt hinten ist und da ist es wichtig nicht als bewaffnet zu erscheinen, um überhaupt eine Chance der Fremd- oder Selbsthilfe zu haben, wenn schon nicht gleichzeitig gehandelt werden kann.

Der Vertreter der belangten Behörde:

Zunächst ist eine konkrete Gefährdung des Bf wichtig und Voraussetzung nach dem Gesetz. Zweitens ist die Frage des Einschreitens nach der Richtlinienverordnung. Ist es nicht zumutbar muss auch nicht eingeschritten werden. Will der Dienstgeber dies haben, so muss er die Richtlinien ändern, wenn auch im Fall der Nichtzumutbarkeit eingeschritten werden soll.

Der BfV:

Die Richtlinienverordnung ist alles andere als klar. Die Wortfolge zur Zumutbarkeit wurde vielmehr als Schutz für den Polizisten eingeführt. Es soll ich ihm kein Nachteil erwachsen, wenn er nicht einschreitet, weil er in einer Gefahrensituation der Vorort beurteilen kann, ob ein Einschreiten bewaffnet oder nicht zumutbar ist. Klar ist, dass aufgrund der Unvorhersehbarkeit jeglicher gewalttätigen Situation ein unbewaffnetes Einschreiten unzumutbar ist. Damit würde die Richtlinie ad absurdum geführt und kein Anwendungsbereich überbleiben. Dies kann den Verordnungsgeber nicht unterstellt werden. Vor allem hat die Richtlinienverordnung kein Auswirken auf das Waffenrecht. Die Waffe ist vielmehr eine Voraussetzung um sich eine Entscheidung offen halten zu können. Ein unbewaffneter Mann ist damit nichts anderes wie jeder X-beliebige und kein Sicherheitswachbeamter in der Freizeit. Ohne Waffe hat er keinen Rückhalt.

Die Glock 26 ist beim Bundesheer, z.B. im Abwehramt und beim Nachrichtenamt, aber auch bei der C. im Flugzeug eingeführt. Dies gerade aufgrund ihrer Größe und der Möglichkeit bei Zivilkleidung zu tragen. Die Waffe ist zu ihren großen Brüdern mit der gleichen Patrone zu beladen und liefert auf kurze Entfernung gleiche Schussergebnisse. Der SV bestätigt dies.

Der Vertreter der belangten Behörde betont, dass

Quelle: Landesverwaltungsgericht Wien LVwg Wien, http://www.verwaltungsgericht.wien.gv.at
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