TE Vfgh Erkenntnis 2018/2/26 E3656/2017

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Veröffentlicht am 26.02.2018
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Index

41/02 Staatsbürgerschaft, Pass- und Melderecht, Fremdenrecht, Asylrecht

Norm

B-VG Art144 Abs1 / Anlassfall

Leitsatz

Aufhebung der angefochtenen Entscheidung im Anlassfall

Spruch

I. Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Beschluss wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes in seinen Rechten verletzt worden.

Der Beschluss wird aufgehoben.

II. Der Bund (Bundesminister für Inneres) ist schuldig, dem Beschwerdeführer zuhanden seines Rechtsvertreters die mit € 2.616,? bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Entscheidungsgründe

1.        Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger Afghanistans und stellte am 25. Jänner 2013 einen Antrag auf internationalen Schutz. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) vom 22. August 2017 wurde der Antrag des Beschwerdeführers gemäß §3 Abs1 iVm §2 Abs1 Z13 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005) bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und gemäß §8 Abs1 iVm §2 Abs1 Z13 AsylG 2005 bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Gemäß §10 Abs1 Z3 AsylG 2005 iVm §9 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG) wurde gegen den Beschwerdeführer in Spruchpunkt III. eine Rückkehrentscheidung gemäß §52 Abs2 Z2 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) erlassen und gemäß §52 Abs9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers nach Afghanistan gemäß §46 FPG zulässig sei. Im Weiteren wurde gemäß §53 Abs1 iVm Abs3 Z1 FPG ein auf die Dauer von sieben Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt IV.), festgestellt, dass gemäß §55 Abs1a FPG keine Frist für die freiwillige Ausreise bestehe (Spruchpunkt V.), und der Beschwerde gegen die Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz gemäß §18 Abs1 Z2 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt VI.).

2.       Dieser Bescheid wurde dem Beschwerdeführer durch Hinterlegung am 24. August 2017 zugestellt. Am 15. September 2017 brachte der bevollmächtigte Vertreter des Beschwerdeführers per Email Beschwerde ein.

3.       Mit Beschluss vom 9. Oktober 2017 wies das Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde gegen den Bescheid des BFA vom 22. August 2017 gemäß §16 Abs1 BFA-VG als verspätet zurück.

4.       Gegen diese Entscheidung richtet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte und die Verletzung in Rechten wegen Anwendung einer verfassungswidrigen Gesetzesbestimmung behauptet werden.

5.       Der Verfassungsgerichtshof hat über die – zulässige – Beschwerde erwogen:

5.1.    Der Verfassungsgerichtshof hat mit Erkenntnis vom 26. September 2017, G134/2017 ua., die Wortfolge "2, 4 und" sowie den zweiten Satz ("Dies gilt auch in den Fällen des §3 Abs2 Z1, sofern die Entscheidung mit der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme verbunden ist.") in §16 Abs1 BFA-VG, BGBl I 87/2012 idF BGBl I 24/2016, als verfassungswidrig aufgehoben und ausgesprochen, dass die aufgehobenen Bestimmungen nicht mehr anzuwenden sind.

5.2.    Das Bundesverwaltungsgericht hat bei Erlassung der angefochtenen Entscheidung eine der als verfassungswidrig aufgehobenen Gesetzesbestimmungen angewendet. Es ist nach Lage des Falles offenkundig, dass diese Gesetzesanwendung für die Rechtsstellung des Beschwerdeführers nachteilig war. Der Ausspruch, dass die aufgehobenen Bestimmungen nicht mehr anzuwenden sind, hat auch für den Verfassungsgerichtshof die Wirkung, dass er die betreffenden Bestimmungen nicht mehr anzuwenden hat (vgl. etwa VfSlg 12.954/1991, 15.401/1999; VfGH 14.12.2005, B1025/04; 29.6.2011, B308/11; 9.6.2016, E543/2016).

6.       Der Beschwerdeführer wurde also durch den angefochtenen Beschluss wegen Anwendung einer verfassungswidrigen Gesetzesbestimmung in seinen Rechten verletzt.

Der Beschluss ist daher aufzuheben.

7.       Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung wurde gemäß §19 Abs4 VfGG abgesehen.

8.       Die Kostenentscheidung beruht auf §88a Abs1 iVm §88 VfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in der Höhe von € 436,– enthalten.

Schlagworte

VfGH / Anlassfall

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2018:E3656.2017

Zuletzt aktualisiert am

14.03.2018
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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