TE Vfgh Erkenntnis 2018/2/27 E3775/2017

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Veröffentlicht am 27.02.2018
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Index

41/02 Staatsbürgerschaft, Pass- und Melderecht, Fremdenrecht, Asylrecht

Norm

BVG-Rassendiskriminierung ArtI Abs1
EMRK Art8
FremdenpolizeiG 2005 §46, §55
AsylG 2005 §10

Leitsatz

Verletzung im Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens sowie auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander durch Erlassung einer Rückkehrentscheidung und Abschiebung nach Nigeria; keine Feststellungen zur Möglichkeit der Erlangung eines Aufenthaltstitels in der Slowakischen Republik trotz gleichzeitiger im gesamten EU-Gebiet gültiger Rückkehrentscheidung

Spruch

I. 1. Der Beschwerdeführer ist durch das angefochtene Erkenntnis, soweit es die Rückkehrentscheidung gemäß §10 Abs1 Z3 AsylG 2005, die Feststellung, dass die Abschiebung nach Nigeria gemäß §46 Fremdenpolizeigesetz 2005 zulässig ist, und die Festsetzung einer Frist für die freiwillige Ausreise gemäß §55 Abs2 Fremdenpolizeigesetz 2005 sechs Monate ab Rechtskraft des angefochtenen Erkenntnisses (Spruchpunkte II. bis V.) betrifft, in den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf Achtung des Privat- und Familienlebens gemäß Art8 EMRK sowie auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander (ArtI Abs1 Bundesverfassungsgesetz BGBl Nr 390/1973) verletzt worden.

Das Erkenntnis wird insoweit aufgehoben.

2. Im Übrigen wird die Behandlung der Beschwerde abgelehnt.

II. Der Bund (Bundesminister für Inneres) ist schuldig, dem Beschwerdeführer zuhanden seines Rechtsvertreters die mit € 2.856,– bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Entscheidungsgründe

I.       Sachverhalt, Beschwerde und Vorverfahren

1.       Der Beschwerdeführer, ein nigerianischer Staatsangehöriger, reiste illegal in das Bundesgebiet ein und stellte am 7. November 2003 einen Asylantrag. Bei seinen niederschriftlichen Einvernahmen durch das Bundesasylamt am 24. November 2003 sowie am 23. Jänner 2004 führte er hinsichtlich seines Fluchtgrundes aus, dass er dem Stamm der Ijaw angehöre. Sein Vater sei einer der "Kingsmen" der Ijaw-Gemeinde gewesen und es sei zu Grundstreitigkeiten mit der Nachbargemeinde "Isekri" gekommen, die im Oktober 2003 in gewaltsamen Übergriffen auf beiden Seiten resultiert seien. Der Beschwerdeführer sei aus Sorge um seine Familie nach Ijaw zurückgekehrt. Die Isekris seien bewaffnet in sein Dorf gekommen und hätten ihm dabei eine Schnittwunde am linken Unterarm zugefügt. Seine Zwillingsschwester sei bei diesem Überfall vergewaltigt und umgebracht worden. Ebenso hätten die Angreifer der Isekris das Haus seiner Familie in Brand gesteckt, wobei seine Eltern ums Leben gekommen seien.

2.       Mit Bescheid vom 11. Juni 2005 wies das Bundesasylamt den Asylantrag des Beschwerdeführers "gemäß §7 Asylgesetz 1997, BGBl I Nr 76/1997 idF BGBl I Nr 126/2002" ab. Die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Nigeria wurde "gemäß §8 Absatz 1 Asylgesetz 1997, BGBl I Nr 76/1997 (AsylG) idgF" für zulässig erklärt. Gemäß §8 Abs2 AsylG 1997 wurde der Beschwerdeführer aus dem österreichischen Bundesgebiet ausgewiesen. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom 22. Juni 2005 das Rechtsmittel der Berufung; mit Schriftsatz vom 28. Juni 2005 wurde eine Berufungsergänzung eingebracht.

2.1.    Der Antrag des Beschwerdeführers vom 5. Oktober 2006 auf Erteilung eines Aufenthaltstitels für den Zweck "Familienangehöriger" gemäß §1 Abs2 Z1 NAG wurde letztinstanzlich mit Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 4. April 2007 abgewiesen.

2.2.    Mit Bescheid des Unabhängigen Bundesasylsenates vom 14. Februar 2007 wurde der bekämpfte Bescheid vom 11. Juni 2005 behoben und die Angelegenheit "gemäß §66 Abs2 AVG" an die belangte Behörde zurückverwiesen. Die Beweiswürdigung des angefochtenen Bescheides sei unschlüssig und halte einer näheren Betrachtung nicht stand. Die belangte Behörde lasse wesentliche Fragen im Verfahren einfach offen, nämlich ob es tatsächlich zu derartigen Streitigkeiten zwischen den einzelnen Stämmen im Delta-Gebiet gekommen sei und ob diese in der Ermordung von Dorfbewohnern resultiert seien. Weiters mangle es dem erstinstanzlichen Bescheid an aktuellen Feststellungen zu Nigeria in Bezug auf das Vorbringen.

3.       Der Beschwerdeführer wurde am 13. März 2007 durch die belangte Behörde einvernommen, wobei er im Wesentlichen sein bisheriges Fluchtvorbringen bestätigte.

3.1.    Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 4. April 2007 wurde der Asylantrag des Beschwerdeführers "gemäß §7 Asylgesetz 1997, BGBl I Nr 76/1997 idF BGBl I Nr 126/2002," abgewiesen. Die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Nigeria wurde "gemäß §8 Absatz 1 AsylG 1997, BGBl I Nr 76/1997 (AsylG) idgF," für zulässig erklärt. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom 30. April 2007 das Rechtsmittel der Berufung.

3.2.    Mit Erkenntnis vom 16. Februar 2012 behob der Asylgerichtshof den bekämpften Bescheid vom 4. April 2007 "gemäß §66 Abs2 AVG" und verwies die Angelegenheit zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesasylamt zurück. Begründend führte der Asylgerichtshof insbesondere aus, dass die belangte Behörde zwar von der Unglaubwürdigkeit des Beschwerdeführers ausgegangen sei, sich jedoch unzureichend mit dem Fluchtvorbringen auseinandergesetzt habe. Der Beschwerdeführer werde im zweiten Rechtsgang erneut zu den Örtlichkeiten sowie zu seinem Fluchtvorbringen zu befragen sein, wobei entsprechende Erhebungen in diesem Kontext anzustellen seien. Es könne nicht von vornherein gesagt werden, dass die erforderliche Auseinandersetzung für die Beurteilung des Asylantrages bedeutungslos wäre.

4.       Das Bundesasylamt führte in der Folge am 13. Juni 2012 eine neuerliche niederschriftliche Einvernahme des Beschwerdeführers durch und richtete mit Schreiben vom 14. Juni 2012 eine Anfrage an die Staatendokumentation. Die Anfragebeantwortung der Staatendokumentation vom 24. August 2012 bestätigte die Ermordung der Familie des Beschwerdeführers und die Zerstörung seines Elternhauses durch militante Isekris im Jahr 2003; der traditionelle Führer von Ogbo-Ijaw sei gezwungen worden, nach Warri zu übersiedeln, wo er sich heute noch ohne Gefahr für sein Leben aufhalte.

4.1.    Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 23. November 2012 wurde der Asylantrag des Beschwerdeführers "gemäß §7 Asylgesetz 1997, BGBl I Nr 76/1997 idgF" abgewiesen, die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Nigeria "gemäß §8 Absatz 1 AsylG für zulässig erklärt" und dieser "gemäß §10 Absatz 1 Ziffer 2 AsylG 2005, BGBl I Nr 100/2005" aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Nigeria ausgewiesen. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom 10. Dezember 2012 Beschwerde an den Asylgerichtshof.

4.2.    Mit Beschluss vom 29. September 2014 behob das Bundesverwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid und verwies die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die belangte Behörde zurück. Begründend führte das Bundesverwaltungsgericht im Wesentlichen aus, dass das in den vorangegangenen Bescheiden jeweils für unglaubwürdig befundene Vorbringen nunmehr ohne nähere Angaben von Gründen als glaubwürdig erachtet werde. Insbesondere werde in den Feststellungen zum angefochtenen Bescheid auf eine aktuell durchgeführte Heimatrecherche verwiesen, ohne dass diese in den Bescheid Eingang gefunden habe. Die Feststellungen zur innerstaatlichen Fluchtalternative, zu den strafgerichtlichen Ermittlungen gegen den Beschwerdeführer und zu auf Grund der langen Aufenthaltsdauer allenfalls vorliegenden Integrationstatbeständen sowie der behaupteten Lebensgemeinschaft seien nicht ausreichend.

4.3.    Am 10. Juni 2015 erfolgte eine neuerliche Einvernahme des Beschwerdeführers durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, wobei er im Wesentlichen ausführte, dass er seit drei Jahren eine Lebensgemeinschaft mit einer slowakischen Staatsangehörigen führe, aus dieser Beziehung eine Tochter entstamme und die Familie in gemeinsamem Haushalt in Wien lebe. Seinen Lebensunterhalt bestreite er aus der Grundversorgung; daneben arbeite er ehrenamtlich in einem Sozialmarkt und werde finanziell von seiner Lebensgefährtin unterstützt. In Bezug auf die Verurteilung wegen eines Urkundendeliktes im Jahr 2011 gab der Beschwerdeführer an, dass vermutlich ein Freund ohne sein Wissen sein Passfoto verwendet habe.

4.4.    Mit Erkenntnis vom 18. September 2017 wies das Bundesverwaltungsgericht nach Durchführung von vier mündlichen Verhandlungen auf Grund einer Säumnisbeschwerde (Art130 Abs1 Z3 B-VG) vom 7. Jänner 2016 den Antrag auf internationalen Schutz in Bezug auf den Herkunftsstaat Nigeria als unbegründet ab und sprach aus, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Nigeria zulässig sei, erteilte keinen Aufenthaltstitel nach §57 AsylG 2005, erließ gemäß §10 Abs1 Z3 AsylG 2005 eine Rückkehrentscheidung, stellte fest, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers nach Nigeria gemäß §46 FPG zulässig sei und setzte eine Frist für die freiwillige Ausreise im Ausmaß von sechs Monaten ab Rechtskraft des Erkenntnisses fest. Die Revision wurde für unzulässig erklärt.

4.5.    Das Bundesverwaltungsgericht trifft u.a. folgende Feststellungen:

"Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Nigeria und er bekennt sich zum christlichen Glauben. Er ist grundsätzlich gesund und erwerbsfähig, allerdings weist er eine leichte psychische Erkrankung und eine paranoide Persönlichkeitsstruktur auf. Er leidet somit derzeit an keinen schweren psychischen und physischen Erkrankungen; er unterzieht sich auch nicht einer ärztlichen Behandlung und er nimmt keine Medikamente ein. Er lebt aktuell von der Grundversorgung und finanziellen Zuwendungen seiner Lebensgefährtin und deren Familie. Seit Februar 2014 ist der Beschwerdeführer in einem Sozialmarkt tätig, dies allerdings ehrenamtlich. Obwohl er etwa mit der Reparatur von Laptops oder dem Verkauf von Zeitschriften am Erwerbsleben teilnahm, war es dem Beschwerdeführer in Österreich entweder nicht möglich oder er war nicht willens, seinen Lebensunterhalt aus eigener Kraft zu bestreiten.

Der Beschwerdeführer war vom 30. Juni 2006 bis zum 17. März 2010 mit einer österreichischen Staatsbürgerin verheiratet. Am 8. August 2014 bestand der Beschwerdeführer die ÖSD-Prüfung 'B1 Zertifikat Deutsch Österreich' mit dem Kalkül 'ausreichend'.

Seit ca. sieben Jahren führt er eine Beziehung mit einer slowakischen Staatsangehörigen, die seit 18. September 2015 mit Nebenwohnsitz und seit 14. März 2016 mit Hauptwohnsitz in Wien – am Hauptwohnsitz des Beschwerdeführers – gemeldet ist. Das gemeinsame Kind kam am 13. April 2015 in B. in der Slowakei zur Welt und auch sein Kinderarzt befindet sich dort. Seine Lebensgefährtin ist Justizoberbeamtin und Richteramtsanwärterin an einem slowakischen Bezirksgericht in B. und derzeit in Karenz; bis zu ihrer Karenzzeit pendelte sie täglich zwischen B. und Wien. Seine […] derzeit wieder schwangere Lebensgefährtin möchte sich nach Ende ihrer Karenzzeit beruflich verändern und sie strebt eine Position im juristischen, aber auch im nichtjuristischen Bereich an; sie würde gerne in Wien beruflich tätig sein. Sollten diese Pläne nicht aufgehen, da sie nur Englisch und Slowakisch spricht, müsste sie wieder täglich zwischen Wien und B. pendeln, was von ihr als belastend empfunden wird. Sie und ihr Kind sind in der Slowakei krankenversichert und beide halten sich unrechtmäßig in Österreich auf. Die Eltern seiner Lebensgefährtin leben in einer Villa in B. in der Slowakei; ihre Schwester lebt in Prag. Aufgrund des laufenden Asylverfahrens war es bislang nicht möglich, dass sich die Familie in der Slowakei trifft.

Mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien vom 17. August 2009 wurde gegen den Beschwerdeführer ein befristetes Waffenverbot erlassen.

Mit Urteil des Bezirksgerichtes Leopoldstadt vom 17. Februar 2011 wurde der Beschwerdeführer wegen der Annahme, Weitergabe oder Besitzes falscher oder verfälschter besonders geschützter Urkunden nach §224a fünfter Fall StGB zu einer bedingten Freiheitsstrafe in der Dauer von zwei Monaten verurteilt; er wurde für schuldig erkannt, in Wien und an anderen Orten bis zum 22. Jänner 2010 eine falsche, besonders geschützte Urkunde, nämlich eine total gefälschte spanische Identifikationskarte, mit dem Vorsatz[, dass] diese im Rechtsverkehr zum Beweis eines Rechtes, eines Rechtsverhältnisses oder einer Tatsache gebraucht werde, besessen zu haben."

4.6.    Zur Rückkehrentscheidung, zur Bemessung der Frist für die freiwillige Ausreise und zur Abwägung der berührten öffentlichen und privaten Interessen iSd Art8 Abs2 EMRK führt das Bundesverwaltungsgericht wie folgt aus:

"Schließlich ist der Beschwerdeführer illegal in das Bundesgebiet eingereist; [er] hält sich zwar bereits seit 7. November 2003, jedoch lediglich auf Grundlage eines unbegründeten Asylantrages in Österreich auf. Spätestens nach der erstmaligen Abweisung seines Asylantrages mit Bescheid vom 11. Juni 2005 musste ihm klar sein, dass sein Aufenthaltsstatus ein unsicherer ist.

Zu seiner Lebensgefährtin und dem gemeinsamen Kind, die beide slowakische Staatsangehörige sind, ist Folgendes ins Kalkül zu ziehen:

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat in seiner Judikatur zu Art8 EMRK wiederholt ausgeführt, dass der Staat unter dem Blickwinkel des Art8 EMRK im Zusammenhang mit positiven wie auch negativen Verpflichtungen einen fairen Ausgleich zwischen den konkurrierenden Interessen des Einzelnen und jenen der Gemeinschaft als Ganzes schaffen muss und hiebei den Vertragsstaaten jedoch ein gewisser Ermessenspielraum zukommt. Art8 EMRK enthält keine generelle Pflicht für die Vertragsstaaten, die Wohnortwahl von Immigranten zu respektieren und auf ihrem Staatsgebiet Familienzusammenführungen zuzulassen. In Fällen, die sowohl das Familienleben als auch die Thematik der Zuwanderung betreffen, wird das Maß an Verpflichtung, Verwandte von rechtmäßig aufhältigen Personen auf seinem Staatsgebiet zuzulassen, je nach den Umständen des Einzelfalls der betroffenen Personen und des Allgemeininteresses variieren. Dabei ist zu berücksichtigen, in welchem Ausmaß das Familienleben tatsächlich gestört wird, wie stark die Bande mit dem Vertragsstaat sind, ob es für die Familie unüberwindbare Hindernisse gibt, im Herkunftsland eines oder mehrerer Familienmitglieder zu leben, ob konkrete Umstände im Hinblick auf die Einreisekontrolle (z.B. Verstöße gegen die Einreisebestimmungen) oder Überlegungen im Hinblick auf die öffentliche Sicherheit eher für eine Ausweisung sprechen und auch ob das Familienleben zu einem Zeitpunkt entstanden ist, als sich die betroffenen Personen bewusst gewesen sind, dass der Aufenthaltsstatus eines Familienmitgliedes derart gewesen ist, dass der Fortbestand des Familienlebens im Gastland von vornherein unsicher gewesen ist. Dazu hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte auch wiederholt festgehalten, dass die Ausweisung eines ausländischen Familienmitglieds in solchen Fällen nur unter ganz speziellen Umständen eine Verletzung von Art8 MRK bewirkt. Weiters ist in diesem Zusammenhang auf die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 11. April 2006, Nr 61292/00, Useinov gegen die Niederlande, hinzuweisen, der ein Beschwerdefall zu Grunde lag, in dem ein Fremder, der mit einer Inländerin zwei gemeinsame minderjährige Kinder hatte und bereits mehrere Jahre in den Niederlanden lebte, aber nicht damit rechnen durfte, sich auf Dauer in diesem Staat niederlassen zu dürfen, ausgewiesen wurde. In dieser Entscheidung erachtete der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte die Bestimmung des Art8 EMRK als durch die Ausweisung des Fremden nicht verletzt. Hiebei stellte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (u.a.) darauf ab, ob das Familienleben zu einem Zeitpunkt begründet wurde, in dem auf ein dauerhaftes Familienleben im Gastland vertraut werden durfte. Weiters erachtete der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in dieser Entscheidung eine Übersiedlung in den Heimatstaat des Fremden nicht als übermäßige Härte für die Familienangehörigen, zumal der Kontakt des Fremden zu seinen Familienangehörigen auch von seinem Heimatland aufrechterhalten werden könne (vgl. das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 20. März 2017, I410 2127933-1, mwN).

Unüberwindbare Hindernisse, die einer Fortsetzung des Familienlebens in der Slowakei entgegenstünden, konnten im vorliegenden Beschwerdeverfahren auch unter Bedachtnahme auf das Kindeswohl nicht festgestellt werden. Es ist der Lebensgefährtin und dem gemeinsamen Kind, das sich in einem anpassungsfähigen Alter befindet, unter den gegebenen Umständen möglich und auch zumutbar, gemeinsam mit dem Beschwerdeführer in die Slowakei zu übersiedeln, um dort ihr Familienleben fortsetzen zu können. Die Erlassung der Rückkehrentscheidung hat demnach nicht zwingend eine Trennung zwischen dem Beschwerdeführer sowie seiner Lebensgefährtin und dem gemeinsamen Kind zur Folge.

Den persönlichen Interessen des Beschwerdeführers an einem weiteren Aufenthalt in Österreich steht somit das öffentliche Interesse an der Zuverlässigkeit von Urkunden und Beweiszeichen sowie das öffentliche Interesse an der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens gegenüber; diesen gewichtigen öffentlichen Interessen kommt aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (Art8 Abs2 EMRK) ein hoher Stellenwert zu […].

[…]

Seiner Lebensgemeinschaft mit einer slowakischen Staatsangehörigen und seiner Vaterschaft hinsichtlich des gemeinsamen Kindes kommt vor dem Hintergrund der […] getroffenen Feststellungen nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichtes im Lichte des Art8 EMRK kein entscheidendes Gewicht zu. Auch die leichte psychische Erkrankung, an der der Beschwerdeführer leidet, führt nicht dazu, dass das Gewicht seiner persönlichen Interessen an einem Verbleib im Bundesgebiet wesentlich erhöht werden würde.

Die im vorliegenden Beschwerdefall vorzunehmende Interessenabwägung schlägt somit zuungunsten des Beschwerdeführers und zugunsten des öffentlichen Interesses an seiner Ausreise aus.

Da der Beschwerdeführer noch über keinen Aufenthaltstitel für die Slowakei verfügt, war es nicht möglich, ihm – anstelle der Erlassung einer Rückkehrentscheidung – die Möglichkeit zu geben, sich gemäß §55 Abs6 Fremdenpolizeigesetz 2005 'unverzüglich in das Hoheitsgebiet dieses Staates zu begeben' […]."

4.7.    Gegen diese Entscheidung richtet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung in näher bezeichneten verfassungs-gesetzlich gewährleisteten Rechten, insbesondere im Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander sowie in den Rechten nach Art2, 3, 8 und 13 EMRK, Art2, 3, 4, 7, 18, 19, 20 und 47 GRC sowie im Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter (Art83 Abs2 B-VG) behauptet, die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Erkenntnisses und die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung beantragt wird.

4.7.1.  Begründend wird im Hinblick auf die Nichtgewährung von Asyl dazu u.a. ausgeführt, dass das Fluchtvorbringen durch für das Bundesasylamt seitens der Österreichischen Botschaft Abuja getätigte Ermittlungen verifiziert worden sei. Das Bundesverwaltungsgericht qualifiziere jedoch das Fluchtvorbringen dennoch für unwahr und den Asylantrag sogar als rechtsmissbräuchlich. Das Bundesverwaltungsgericht gelange zur Ansicht, dass der Beschwerdeführer in Nigeria durch eine selbständige Tätigkeit über eine Existenzgrundlage verfügen würde, lediglich auf Grund der dem medizinischen Sachverständigengutachten entgegenstehenden und somit "krass" aktenwidrigen Feststellung, dass er gesund sei.

4.7.2.  Die Erlassung einer Rückkehrentscheidung gemäß §52 FPG (in Bezug auf Nigeria) verletze den Beschwerdeführer in seinem durch Art8 EMRK gewährleisteten Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens. Es werde keine Verhältnismäßigkeitsprüfung durchgeführt, indem das Bundesverwaltungsgericht bloß pauschal auf die "Feststellungen zu meiner Person" verweise und behaupte, dass dem Familienleben des Beschwerdeführers und seiner – angeblich nur leichten – psychischen Erkrankung "kein entscheidendes Gewicht" zukäme. Weder sei daraus ersichtlich, welche Kriterien das Bundesverwaltungsgericht konkret berücksichtigt habe, noch wie die einzelnen Kriterien bewertet und gewichtet worden seien. Bei richtiger Durchführung der Verhältnismäßigkeitsprüfung wäre das Bundesverwaltungsgericht zur Unzulässigkeit der Erlassung einer Rückkehrentscheidung in Bezug auf den Herkunftsstaat Nigeria gelangt, zumal im Lichte der Rechtsprechung zu Art8 EMRK nicht vom Überwiegen der öffentlichen Interessen an der Außerlandesschaffung die Rede sein könne. Weder die – nicht dem Beschwerdeführer anzulastende – Verfahrensdauer von nahezu 14 Jahren noch die Schwangerschaft der Lebensgefährtin des Beschwerdeführers im Entscheidungszeitpunkt, der gemeinsame Wohnsitz mit einer Unionsbürgerin sowie das soziale Engagement und die zahlreichen Integrationsschritte seien hinreichend in der Abwägung nach Art8 EMRK berücksichtigt worden. Obgleich sich die Rückkehrentscheidung auf den Herkunftsstaat Nigeria beziehe, sei eine Verhältnismäßigkeitsprüfung hinsichtlich des Familienlebens "ausschließlich in Bezug auf die Slowakei, somit in Bezug auf einen Drittstaat, vorgenommen" worden. Völlig verkannt worden sei die unionsrechtliche Grundlage seines Aufenthaltes und des Aufenthaltes seiner Familie in Österreich. Weder die Tatsache, dass der Beschwerdeführer mit einer österreichischen Staatsbürgerin verheiratet gewesen sei, die ein Jahr in Ungarn gearbeitet und ihm deshalb ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht iSd "Art13 der Unionsbürger-RL" vermittelt habe, noch die Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Union zum Aufenthaltsrecht von drittstaatsangehörigen Elternteilen von Kindern, die Unionsbürger sind, seien berücksichtigt worden. Da der Beschwerdeführer tatsächlich die Obsorge gegenüber seiner minderjährigen Tochter ausübe, die Lebensgefährtin in der Slowakei berufstätig sei und vom Recht auf Arbeitnehmerfreizügigkeit Gebrauch gemacht habe, wäre die Tochter des Beschwerdeführers auf Grund seiner Außerlandesschaffung gezwungen, das Gebiet der Union zu verlassen, was nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Union eine Verletzung von Art45 AEUV darstelle.

5.       Das Bundesverwaltungsgericht legte die Gerichts- und Verwaltungsakten vor; eine Gegenschrift wurde nicht erstattet.

II.      Erwägungen

1.       Soweit sich die Beschwerde gegen die Bestätigung der Rechtmäßigkeit der Rückkehrentscheidung, der Feststellung, dass die Abschiebung nach Nigeria zulässig sei, und der Festsetzung einer Frist für die freiwillige Ausreise sechs Monate ab Rechtskraft des angefochtenen Erkenntnisses richtet, ist sie begründet:

2.       Ein Eingriff in das durch Art8 EMRK verfassungsgesetzlich garantierte – unter Gesetzesvorbehalt stehende – Recht ist dann verfassungswidrig, wenn die ihn verfügende verwaltungsgerichtliche Entscheidung ohne jede Rechtsgrundlage ergangen ist, auf einer dem Art8 EMRK widersprechenden Rechtsvorschrift beruht oder wenn das Verwaltungsgericht bei Erlassung der Entscheidung eine verfassungsrechtlich unbedenkliche Rechtsgrundlage in denkunmöglicher Weise angewendet hat; ein solcher Fall liegt nur vor, wenn das Verwaltungsgericht einen so schweren Fehler begangen hat, dass dieser mit Gesetzlosigkeit auf eine Stufe zu stellen wäre, oder wenn es der angewendeten Rechtsvorschrift fälsch-licherweise einen verfassungswidrigen, insbesondere einen dem Art8 Abs1 EMRK widersprechenden und durch Art8 Abs2 EMRK nicht gedeckten Inhalt unterstellt hat (vgl. VfSlg 11.638/1988, 15.051/1997, 15.400/1999, 16.657/2002).

2.1.    Dem Bundesverwaltungsgericht ist bei der gemäß Art8 EMRK gebotenen Abwägung ein solcher in die Verfassungssphäre reichender Fehler vorzuwerfen, weil keine nachvollziehbar begründete Gewichtung der maßgeblichen Kriterien vorgenommen worden ist:

2.1.1.  Die festgestellte Lebensgemeinschaft des Beschwerdeführers mit einer slowakischen Staatsangehörigen, die Vaterschaft hinsichtlich des gemeinsamen Kindes und die "leichte psychische Erkrankung" werden zwar im Rahmen der rechtlichen Beurteilung erwähnt, diese Elemente stellen nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichtes jedoch keine "[u]nüberwindbare[n] Hindernisse, die einer Fortsetzung des Familienlebens in der Slowakei entgegenstünden […] auch unter Bedachtnahme auf das Kindeswohl" dar. Der Lebensgefährtin und dem gemeinsamen Kind, das sich in einem anpassungsfähigen Alter befinde, sei es unter den gegebenen Umständen möglich und auch zumutbar, "gemeinsam mit dem Beschwerdeführer in die Slowakei zu übersiedeln, um dort ihr Familienleben fortsetzen zu können" und die Erlassung der Rückkehrentscheidung habe "demnach nicht zwingend eine Trennung zwischen dem Beschwerdeführer sowie seiner Lebensgefährtin und dem gemeinsamen Kind zur Folge".

2.1.2.  Die Prüfung der Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung bezieht sich im Ergebnis nur auf den – rechtlich nicht näher begründeten – Fall der hypothetischen Erteilung eines Aufenthaltstitels für den Beschwerdeführer durch die slowakischen Behörden. Auf eine solche Vermutung kann im Rahmen der Beurteilung der familiären Beziehungen keine Argumentation gestützt werden ("kein entscheidendes Gewicht", vgl. VfGH 29.11.2016, E2151/2015). Durch diese Begründung hat das Bundesverwaltungsgericht bei seiner Interessenabwägung dem festgestellten Umstand, dass der Beschwerdeführer seit etwa sieben Jahren eine Beziehung mit einer seit 2015 in Österreich gemeldeten slowakischen Staatsangehörigen führt und bereits ein Kind mit ihr hat, keine bzw. nur geringe Bedeutung beigemessen (vgl. VfSlg 18.748/2009). Auch lässt es die getroffene Feststellung gänzlich unberücksichtigt, dass die Lebensgefährtin des Beschwerdeführers erneut von diesem schwanger ist (vgl. VfSlg 18.223/2007, 18.393/2008, 19.776/2013; VfGH 22.9.2017, E2670/2017). Die zweite Schwangerschaft der Lebensgefährtin findet sich nur in den Feststellungen (auf die in der rechtlichen Beurteilung bloß verwiesen wird; erwähnt wird sie von der Lebensgefährtin in der mündlichen Verhandlung vom 30. Juni 2017 und vom Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung vom 5. September 2017). Davon ausgehend hätte das Bundesverwaltungsgericht eingehend begründen müssen, weshalb die aufenthaltsbeendende Maßnahme gegenüber dem Beschwerdeführer und die damit verbundene Trennung von seinem Kind im öffentlichen Interesse geboten ist. Damit hat das Bundesverwaltungsgericht einen wesentlichen Gesichtspunkt des konkreten Sachverhalts außer Acht gelassen (VfSlg 19.776/2013; VfGH 11.3.2015, E1884/2014 mwN). Im Zusammenhang mit dem Familienleben des Beschwerdeführers weist das Bundesverwaltungsgericht lediglich auf den Umstand hin, dass dieses zu einem Zeitpunkt begründet worden sei, in dem der Aufenthaltsstatus des Beschwerdeführers im Bundesgebiet unsicher gewesen sei. Dabei lässt es jedoch unberücksichtigt, dass dieser Umstand nicht zur Konsequenz hat, dass der während des unsicheren Aufenthaltes erlangten Integration kein Gewicht beizumessen ist (vgl. zB VfGH 21.2.2013, B880/12).

2.1.3.  Weiters setzt sich das Bundesverwaltungsgericht zwar im Rahmen der Beurteilung der finanziellen Situation des Beschwerdeführers mit dessen beruflicher Tätigkeit auseinander, unterlässt es aber, diesen Umstand ebenso wie die ehrenamtliche Tätigkeit des Beschwerdeführers, welche ebenfalls im Kontext der Integrationsleistung zu sehen ist (vgl. idS VfGH 7.10.2014, U2459/2012 ua.; 4.6.2014, U1313/2013; 22.9.2016, E2670/2017), im Rahmen der Interessenabwägung nach Art8 EMRK zu würdigen. Auch die unbestrittenermaßen fehlenden Bindungen zum Herkunftsstaat (vgl. dazu VfGH 10.12.2014, E10/2014 mwN) sowie die – selbst nach den Feststellungen in der angefochtenen Entscheidung – durch die Behörden verschuldete lange Verfahrensdauer werden in der Abwägung nicht erwähnt und gewichtet (vgl. zur Bedeutung der Verfahrensdauer und des – bereits über zehn Jahre dauernden Aufenthaltes im Bundesgebiet – bei der Abwägung nach §9 BFA-VG zB VwGH 10.11.2015, Ro 2015/19/0001; 17.11.2016, Ra 2016/21/0299).

2.1.4.  Da das Bundesverwaltungsgericht vor diesem Hintergrund auf die Interessen des Beschwerdeführers am Verbleib im Bundesgebiet nicht ausreichend Bedacht genommen hat, indem erhebliche Punkte unberücksichtigt blieben bzw. aktenkundige Umstände übergangen wurden (vgl. VfGH 10.12.2014, E10/2014; 22.9.2017, E2670/2017), wurde dieser in seinem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens verletzt.

2.2.    Nach der mit VfSlg 13.836/1994 beginnenden, nunmehr ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (s. etwa VfSlg 14.650/1996 und die dort angeführte Vorjudikatur; weiters VfSlg 16.080/2001 und 17.026/2003) enthält ArtI Abs1 des Bundesverfassungsgesetzes zur Durchführung des Internationalen Übereinkommens über die Beseitigung aller Formen rassischer Diskriminierung, BGBl 390/1973, das allgemeine, sowohl an die Gesetzgebung als auch an die Vollziehung gerichtete Verbot, sachlich nicht begründbare Unterscheidungen zwischen Fremden vorzunehmen. Diese Verfassungsnorm enthält ein – auch das Sachlichkeitsgebot einschließendes – Gebot der Gleichbehandlung von Fremden untereinander; deren Ungleichbehandlung ist also nur dann und insoweit zulässig, als hiefür ein vernünftiger Grund erkennbar und die Ungleichbehandlung nicht unverhältnismäßig ist.

Diesem einem Fremden durch ArtI Abs1 leg.cit. gewährleisteten subjektiven Recht widerstreitet eine Entscheidung, wenn sie auf einem gegen diese Bestimmung verstoßenden Gesetz beruht (vgl. zB VfSlg 16.214/2001), wenn das Verwaltungsgericht dem angewendeten einfachen Gesetz fälschlicherweise einen Inhalt unterstellt hat, der – hätte ihn das Gesetz – dieses als in Widerspruch zum Bundesverfassungsgesetz zur Durchführung des Internationalen Übereinkommens über die Beseitigung aller Formen rassischer Diskriminierung, BGBl 390/1973, stehend erscheinen ließe (s. etwa VfSlg 14.393/1995, 16.314/2001) oder wenn es bei Erlassung der Entscheidung Willkür geübt hat (zB VfSlg 15.451/1999, 16.297/2001, 16.354/2001 sowie 18.614/2008).

Ein willkürliches Verhalten des Verwaltungsgerichtes, das in die Verfassungssphäre eingreift, liegt unter anderem in einer gehäuften Verkennung der Rechtslage, aber auch im Unterlassen jeglicher Ermittlungstätigkeit in einem entscheidenden Punkt oder dem Unterlassen eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens überhaupt, insbesondere in Verbindung mit einem Ignorieren des Parteivorbringens und einem leichtfertigen Abgehen vom Inhalt der Akten oder dem Außerachtlassen des konkreten Sachverhaltes (zB VfSlg 15.451/1999, 15.743/2000, 16.354/2001, 16.383/2001).

2.2.1.  Soweit im Erkenntnis überhaupt davon ausgegangen wird, dass das Familienleben mit der Lebensgefährtin und dem gemeinsamen Kind aufrecht erhalten werden kann, indem sich die gesamte Familie in der Slowakischen Republik niederlässt, wird diese Begründung ausschließlich auf die Behauptung gestützt, dass der Beschwerdeführer dort einen Aufenthaltstitel beantragen könne. Es fehlen jedoch jegliche Feststellungen und rechtlichen Ausführungen dazu, weshalb es nach slowakischem Recht möglich sei, einen Aufenthaltstitel zu erlangen ungeachtet der Tatsache, dass neben der Abweisung des Antrages auf internationalen Schutz eine Rückkehrentscheidung nach Nigeria erlassen wurde, die für das gesamte Gebiet der Europäischen Union Geltung beansprucht.

2.2.2.  Das Bundesverwaltungsgericht ist in diesem Punkt seiner Verpflichtung, die für die Entscheidung maßgeblichen Erwägungen im Erkenntnis substantiiert zu begründen (vgl. VfGH 14.3.2017, E2628/2016 mwN), nicht nachgekommen.

3.       Im Übrigen wird die Behandlung der Beschwerde abgelehnt:

3.1.    Der Verfassungsgerichtshof kann die Behandlung einer Beschwerde ablehnen, wenn sie keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat oder von der Entscheidung die Klärung einer verfassungsrechtlichen Frage nicht zu erwarten ist (Art144 Abs2 B-VG). Eine solche Klärung ist dann nicht zu erwarten, wenn zur Beantwortung der maßgebenden Fragen spezifisch verfassungsrechtliche Überlegungen nicht erforderlich sind.

3.2.    Die vorliegende Beschwerde behauptet weiters die Verletzung in verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten im Hinblick auf die Nichtzuerkennung des Status des Asylberechtigten und des Status des subsidiär Schutzberechtigten (s. Pkt. I.4.7.1.). Im Zusammenhang damit wurde keine Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz gemäß §57 AsylG 2005 erteilt.

3.3.    Die in diesem Zusammenhang gerügten Rechtsverletzungen wären im vorliegenden Fall nur die Folge einer – allenfalls grob – unrichtigen Anwendung des einfachen Gesetzes. Spezifisch verfassungsrechtliche Überlegungen sind zur Beantwortung der aufgeworfenen Fragen, insbesondere auch der Beurteilung der Glaubwürdigkeit des Fluchtvorbringens und der Frage der Zumutbarkeit einer innerstaatlichen Fluchtalternative, nicht anzustellen.

III.    Ergebnis

1.       Der Beschwerdeführer ist somit durch das angefochtene Erkenntnis soweit damit seine Beschwerde gegen die Erlassung einer Rückkehrentscheidung, die Feststellung der Zulässigkeit der Abschiebung sowie die Festsetzung der Frist für die freiwillige Ausreise im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens (Art8 EMRK) sowie im verfassungs-gesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander verletzt worden.

Die angefochtene Entscheidung ist in diesem Umfang aufzuheben.

2.       Im Übrigen wird von der Behandlung der Beschwerde abgesehen.

3.       Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 bzw. §19 Abs3 Z1 iVm §31 letzter Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

4.       Die Kostenentscheidung beruht auf §88 VfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in Höhe von € 436,– enthalten.

5.       Damit erübrigt sich ein Abspruch über den Antrag, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

Schlagworte

Asylrecht, Ausweisung, Privat- und Familienleben, Entscheidungsbegründung, Rückkehrentscheidung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2018:E3775.2017

Zuletzt aktualisiert am

18.05.2018
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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